Der Vierscheitelsatz und Eigenschaften einfach geschlossener ebener konvexer Kurven
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- Mathias Raske
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1 Der Vierscheitelsatz und Eigenschaften einfach geschlossener ebener konvexer Kurven im Rahmen des Proseminars Kurven WS 212/ 213 Prof. Dr. Franz Pedit Dr. Allison Tanguay Universität Tübingen Ayhan Kayabasi Februar 213 1
2 Definition 1: (Periode einer geschlossenen Kurve) Eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve c : R! R 2 ist periodisch mit Periode L, wenn gilt: c(t + L) c(t) 8t 2 R, L > Zudem gibt es kein <K<Lmit c(t + K) c(t) 8t 2 R. EineKurve heißt geschlossen, wenn sie eine periodische reguläre Parametrisierung besitzt. Definition 2: (einfach geschlossene Kurven) Eine Kurve c :[,L]! R 2 heißt einfach geschlossen, wennsieeineperiodische reguläre Parametrisierung besitzt und zudem gilt: 1. c() c(l) 2. Die Abbildung c :[,L)! R 2 ist injektiv. Abbildung 1 einfach geschlossen nicht einfach geschossen Definition 3: (konvexe Kurven) Eine einfach geschlossene Kurve c :[,L]! R 2 ist konvex, wenn8t 2 [,L] die Spur von c ganz auf einer Seite der abgeschlossenen Halbebene liegt, die durch die Tangente in t bestimmt ist. Abbildung 2 konvexe Kurve nicht konvexe Kurve 2
3 Definition 4: (Scheitel) Ein Scheitel einer Kurve c : [,L]! R 2 ist ein Punkt t 2 [,L]mit apple (t), wobei apple :[,L]! R die Krümmung von c angibt. (Bemerkung: Da c periodisch und einfach geschlossen ist mit c() c(l), ist auch apple periodisch und apple() apple(l).) Lemma 1: Schneidet eine Gerade eine einfach geschlossene ebene konvexe Kurve in mehr als zwei Punkten, so schneidet die Gerade die Kurve tangential und es gibt unendlich viele Schnittpunkte. Beweis: c( 1 ),c( 2 )undc( 3 )(mit 1 < 2 < 3 ) seien die Schnittpunkte einer Gerade G mit der einfach geschlossenen konvexen Kurve c :[,L]! R 2. Aufgrund der Konvexität von c muss die Tangente in dem Zwischenpunkt, o.b.d.a. in c( 2 ), mit G übereinstimmen. Da G die Tangente des Punktes c( 2 )ist und deshalb nach Definition 3 die Spur von c komplett auf einer Seite der durch G bestimmten Halbebene liegt, kann G die Punkte c( 1 )undc( 3 ) ebenfalls nur tangential schneiden. Aufgrund der Konvexität muss G auch sämtliche Punkte zwischen c( 1 )undc( 3 ) tangential schneiden und hat somit unendlich viele Schnittpunkte mit c. q.e.d. Folgerung: Schneidet eine Gerade eine einfach geschlossene konvexe Kurve in mehr als einem Punkt tangential, so gibt es unendlich viele Schnittpunkte. Lemma 2: Sei c :[,L]! R 2 eine nach Bogenlänge parametrisierte, ebene geschlossene Kurve und seien A, B, C 2 R beliebig. Dann gilt: (Ax + By + C) dapple dt dt wobei x x(t) undy y(t) gegeben sind durch c(t) (x(t),y(t)) und apple apple(t) diekrümmung von c ist. Beweis: 1. C dapple dt C(apple(L) apple()) dt 3
4 2. x dapple dt dt hc(t),e 1 i dapple dt dt [hc(t),e 1 i apple(t)] L hc (t),e {z} 1 iapple(t)dt T ht,e 1 iapple(t)dt h applet, e 1 idt hn,e 1 idt hn(l),e 1 i hn(),e 1 i 3. y dapple dt dt hc(t),e 2 i dapple dt dt [hc(t),e 2 i apple(t)] L hc (t),e {z} 2 iapple(t)dt T ht,e 2 iapple(t)dt h applet, e 2 idt hn,e 2 idt hn(l),e 2 i hn(),e 2 i 4
5 4. (Ax + By + C) dapple dt dt A x dapple dt dt +B y dapple dt dt + Der Vierscheitelsatz: Eine einfach geschlossene konvexe Kurve hat mindestens vier Scheitel. C dapple dt dt q.e.d. Beweis: Da apple eine stetige Funktion ist, nimmt sie Maximum und Minimum auf dem Intervall [,L] an. Seien o.b.d.a. t undt t 2 (,L)diesePunkte, also gilt apple () und apple (t ). Daraus folgt, dass c nach Definition 4 mindestens 2 Scheitel besitzt, nämlich in c() und c(t ). Es sei G die Gerade durch die Punkte c() und c(t )undsei Ax + By + C die Gleichung von G. Würde G die Spur von c nur tangential in den Punkten c() und c(t ) schneiden, so hätte G unendlich viele Schnittpunkte mit c und es gälte apple(t) [,t ]. Da c in und t Maximum und Minimum hat, wäre aber apple im gesamten Intervall [,L]. (Widerspruch, da c einfach geschlossen ist und deswegen gekrümmt sein muss.) Also haben G und c zwei Schnittpunkte und die Spur von c wird in 2 Bögen und geteilt. Für die Punkte t 2 (,t ) von gelte Ax+By+C >, für die Punkte t 2 (t,l) von gelte Ax + By + C<. Abbildung 3 5
6 Angenommen, es gäbe keine weiteren Scheitel. Dann hat apple auf jedem der beiden Bögen und konstantes Vorzeichen. Daraus folgt: 1. Fall 1: 2. Fall 2: apple > ) apple < ) (Ax + By + C)apple dt apple < ) apple > ) (Ax + By + C)apple dt Z t + > (Ax + By + C)apple dt > (Ax + By + C)apple dt t > Widerspruch zu Lemma 2 Z t + < (Ax + By + C)apple dt < (Ax + By + C)apple dt t < Widerspruch zu Lemma 2 Also muss es noch einen weiteren Scheitelpunkt geben, o.b.d.a. in t 1 2 (,t )mitapple (t 1 ). Wäre apple(t 1 ) ein Sattelpunkt, so würde apple sein Vorzeichen nicht wechseln und es würde wieder zu einem Widerspruch beim Berechnen des Integrals führen. apple hat in und in t sein Maximum bzw. sein Minimum und in t 1 eine Extremstelle. Deshalb muss es mindestens noch eine weitere Extremstelle t 2 2 (,t ) geben, also wechselt apple auf zwei mal sein Vorzeichen und c hat mindestens vier Scheitel. Beispiele für die Berechnung der Scheitelpunkte Vorbemerkung: Für die Krümmung einer Kurve c :[,L]! R 2 gilt q.e.d. apple(t) det(c (t),c (t)) k c (t) k 3 6
7 1. Beispiel c :[, 2 ]! R 2, t 7! apple(t) det@ cos(t) sin(t) sin(t) cos(t) cos(t) sin(t) k@ sin(t) cos(t) ) apple (t) 8 t 2 [, 2 ] 1 A 1 1 Ak 3 ) unendlich viele Scheitelpunkte 2. Beispiel (Ellipse) c :[, 2 ]! R 2, t 7! apple(t) det@ asin(t) acos(t) bcos(t) bsin(t) k@ asin(t) bcos(t) acos(t), <a,b2r bsin(t) 1 A 1 ab (a Ak 2 sin(t) 2 +b 2 cos(t) 2 ) apple (t) 3 2 ab(a2 sin(t) 2 + b 2 cos(t) 2 ) 5 2 (2a 2 sin(t)cos(t) 2b 2 sin(t)cos(t)) apple (t) () (2a 2 sin(t)cos(t) 2b 2 sin(t)cos(t)) () sin(t) cos(t) () t 2 Z 2 Im Intervall [, 2 ] istapple (t) für t 2{, 2,, 3 2, 2 } und die Scheitelpunkte von c lauten a c() c(2 ), c( a 2 ), c( ), c( 3 b 2 ) b 7
8 Lemma 3 Sei c :[,L]! R 2 eine einfach geschlossene und nach Bogenlänge parametrisierte Kurve mit Normalenfeld n. Dann ist c genau dann konvex, wenn 8t, t 2 [,L] gilt: oder hc(t) c(t ),n(t )i hc(t) c(t ),n(t )iapple Abbildung 4 Beweis Wir wissen: hc(t) c(t ),n(t )i () c(t) c(t )p c (t) für p 2 R (Definition Standardskalarprodukt im R n ) Gilt jetzt bei einer konvexen Kurve für feste t 1,t 2 2 [,L] sowohl hc(t) c(t 1 ),n(t 1 )iapple als auch hc(t) c(t 2 ),n(t 2 )i 8t 2 [,L], so muss es aus Stetigkeitsgründen ein t 3 2 [,L]mithc(t) c(t 3 ),n(t 3 )i geben. Damit alle drei Gleichungen erfüllt sind, muss c eine Gerade sein, was im Widerspruch zur Definition von c steht. q.e.d. Satz Sei c :[,L]! R 2 eine einfach geschlossene konvexe Kurve, die nach der Bogenlänge parametrisiert ist, apple :[,L]! R die Krümmung. Die Kurve ist genau dann konvex, wenn 8t 2 [,L]stetsapple(t) apple oderapple(t) gilt. 8
9 Beweis a) Durch eine Taylorentwicklung von c(t) umdenpunktt 2 [,L]erhält man: c(t) c(t )+c (t )(t t )+ 1 2 c (t )(t t ) 2 + O( t t 3 ) Durch beidseitige Subtraktion von c(t )undeinfügen des Skalarprodukts mit n(t )erhält man (unter Berücksichtigung von hc (t),n(t )i ): hc(t) c(t ),n(t )i 1 2 hc (t ),n(t )i(t t ) 2 + O( t t 3 ) Aufgrund der Konvexität von c gilt eine der Gleichungen aus Lemma 3 : 1. Fall 1: hc(t) c(t ),n(t )i ) applehc(t) c(t ),n(t )i 1 2 hc (t ),n(t )i(t t ) 2 + O( t t 3 ) ) apple 1 2 h c (t ),n(t )i + O( t t ) apple(t )n(t ) Für t! t erhält man: apple apple(t ) 2. Fall 2 hc(t) c(t ),n(t )iapple ) hc(t) c(t ),n(t )i 1 2 hc (t ),n(t )i(t t ) 2 + O( t t 3 ) 1 ) 2 h c (t ),n(t )i + O( t t ) apple(t )n(t ) Hier erhält man für t! t : apple(t ) In beiden Fällen wechselt apple sein Vorzeichen also nicht. b) Gelte für die Krümmung der geschlossenen Kurve nun o.b.d.a. apple. Wenn die Kurve nicht konvex ist, gibt es ein t 2 [,L] und eine Funktion mit : R! R, (t) hc(t) c(t ),n(t )i (t) hc (t),n(t )i nimmt sowohl positive als auch negative Werte an. Aufgrund der Periodizität der Kurve c hat sein Minimum in einem Punkt t 1 und sein Maximum in einem Punkt t 2, wir haben also: (t 1 ) < (t ) < (t 2 ) (1) 9
10 Da in t 1 eine Nullstelle besitzt, folgt (t 1 )hc (t 1 ),n(t )i, und damit c (t 1 )±c (t ). Ebenso haben wir c (t 2 )±c (t ). Von den drei Vektoren c (t ),c (t 1 ),c (t 2 ) stimmen also mindestens zwei überein. Wähle s 1,s 2 (s 1 <s 2 ) aus {t,t 1,t 2 } mit c (s 1 )c (s 2 ). Sei # : R! R die Winkelfunktion von c. DurchEinsetzenderbeiden Punkte erhält man #(s 2 ) #(s 1 )2 k (k 2 Z). Aus # apple folgt, dass # monoton wächst und #(s 2 ) #(s 1 ), also ist k 2 N. Analog gilt #(s 1 + L) #(s 2 )2 l mit l 2 N. Aus k und l ergibt sich die Umlaufzahl der Kurve, n c k + l( ). Da c eine einfach geschlossene Kurve ist, folgt mit dem Umlaufsatz n c 1, also gilt k oderl. Sei nun k. Auf dem Intervall [s 1,s 2 ]istapple # undc parametrisiert auf diesem Intervall somit eine Gerade. Also gilt für alle s 2 [s 1,s 2 ] c(s) c(s 1 )+(s s 1 )c (s 1 )c(s 1 ) ± (s s 1 )c (t ) Durch Einsetzen dieser Formel in erhält man für s 2 [s 1,s 2 ]: (s) hc(s) c(t ),n(t )i hc(s 1 ) ± (s s 1 )c (t ) c(t ),n(t )i hc(s 1 ) c(t ),n(t )i ist also konstant auf [s 1,s 2 ]. Da aber mindestens zwei der drei Werte t,t 1 und t 2 in [s 1,s 2 ] liegen, widerspricht dies Gleichung (1), c ist also konvex. q.e.d. 1
11 Literatur Bär, Christian: Elementare Di erentialgeometrie. De Gruyter, 21 Bobenko, Alexander: Mitschrift seiner Vorlesung über Di erentialgeometrie von Kurven und Flächen an der TU Berlin, 26 do Carmo, Manfredo P. : Di erentialgeometrie von Kurven und Flächen. Vieweg, 3. Auflage, 1993 Modler, Florian und Kreh, Martin: Tutorium Analysis 2 und Lineare Algebra 2. Spektrum, 2. Auflage, 212 Bildnachweis Abbildung 1: vgl. Bobenko, Seite 32 Abbildung 2: vgl. do Carmo, Seite 52 Abbildung 3: vgl. Bobenko, Seite 34 Abbildung 4: vgl. Bär, Seite 52 11
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