WAS BEDEUTET ABSTINENZ FÜR SUBSTITUIERTE? Ulrich Claussen Diplompsychologe Jugendberatung und Jugendhilfe e.v., Frankfurt am Main

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Transkript:

WAS BEDEUTET ABSTINENZ FÜR SUBSTITUIERTE? Ulrich Claussen Diplompsychologe Jugendberatung und Jugendhilfe e.v., Frankfurt am Main

EINLEITUNG Substitution gilt als Behandlung der Wahl Substitution beinhaltet Abstinenz als Ziel der Behandlung Was bedeutet Abstinenz als Ziel für substituierte Opiatabhängige?

PROFIS SAGEN Wie viele Substituierte werden innerhalb der nächsten zehn Jahre Abstinenz erreichen? 1,5 bis 3,5% schätzen befragte Kollegen/innen 4% gesichert stabil abstinent (PREMOS-Studie)

PATIENTEN SAGEN Wenn ich abdosiere dann hab ich ja gar nichts mehr" das halte ich nicht aus" das ist meine letzte Chance" das ist nicht zu schaffen" geht nicht, mein Partner dosiert nicht aus"

GRÜNDE BETROFFENER FÜR ABSTINENZ Frei sein von Anbindung an Suchthilfe Freie Tagesgestaltung Kinderwunsch wird umsetzbar Vollständige Überwindung der Abhängigkeit Lösen von der Drogenszene

GRÜNDE BETROFFENER GEGEN ABSTINENZ Angst vor Entzug Angst vor Rückfall Angst, Wahrnehmungen und Gefühle ungefiltert zu erleben Angst, mit Belastungen oder neuen Lebenssituationen nicht umgehen zu können Angst, Symptome einer psychischen Begleit-Erkrankung könnten sich verschlimmern

KONSISTENZTHEORIE Vier universelle Grundbedürfnisse werden postuliert: Kontrolle Lustgewinn / Unlustvermeidung Bindung Selbstwerterhöhung

BEDÜRFNISSE UND UMSETZUNG Umsetzung der Grundbedürfnisse durch Schemata ist individuell Schemata werden während der Sozialisation gelernt Auf Grund prägender Erfahrungen können bspw. sehr starke Vermeidungsziele entwickelt werden, die den Weg für positive Bedürfnisbefriedigung verstellen

INKONGRUENZ Auf der Ebene von Erleben und Verhalten werden motivationale Ziele mit realen Wahrnehmungen abgeglichen Rückmeldungen, inwieweit aktivierte motivationale Ziele erreicht oder verfehlt werden sind Kongruenz- bzw. Inkongruenzsignale Zielerreichung geht mit positiven Emotionen einher, Inkongruenz mit negativen Emotionen

GRUNDBEDÜRFNISSE UND ABHÄNGIGKEIT Erfahren von Kontrollverlust oft prädisponierende Erfahrung für spätere Abhängigkeit Erfahren von Kontrollverlust bei Heroinkonsum während Konsum, Entzug, Abstinenzvorhaben und Rückfall Erfahren von Lustgewinn durch Drogenkonsum (frühe Phase) Unlustvermeidung durch Drogenkonsum (spätere Phase)

BEDÜRFNISSE UND SUBSTITUTION faktisch gesteigerte Kontrolle über Suchtmittelhunger durch Substitution Kontrollverlust wird subjektiv reduziert Lustgewinn durch entsprechenden Beikonsum Unlustvermeidung durch abhängigen Konsum weiterer psychoaktiver Substanzen

SUBSTITUTION UND KONTROLLERLEBEN Substitution hilft, Kontrollverlust zu vermeiden Symptomreduktion (ICD-10) Das Kontrollerleben Substituierter normalisiert sich Abstinenz bedroht das Kontrollerleben

GRÜNDE BETROFFENER FÜR ABSTINENZ Frei sein von Anbindung an Suchthilfe Freie Tagesgestaltung Kinderwunsch wird umsetzbar Vollständige Überwindung der Abhängigkeit Lösen von der Drogenszene

GRÜNDE BETROFFENER GEGEN ABSTINENZ Angst vor Entzug Angst vor Rückfall Angst, Wahrnehmungen und Gefühle ungefiltert zu erleben Angst, mit Belastungen oder neuen Lebenssituationen nicht umgehen zu können Angst, Symptome einer psychischen Begleit-Erkrankung könnten sich verschlimmern

Substitution gleich Kontrolle Abstinenz gleich Kontrollverlust

ZENTRALE EMOTION ANGST Vorstellung von Abstinenz löst Angst vor Kontrollverlust aus Kontrollverlust wurde lebensgeschichtlich umfassend und mit sehr vielen Wiederholungen erlebt Problematisches Schema: Kontrolliere negative Emotionen kurzfristig durch Einnahme von Drogen oder Medikamenten

FAZIT Erfolgreiche abstinenzorientierte Therapie für substituierte Opiatabhängige muss also Angst vor Kontrollverlust ernst nehmen und behandeln Realistisch über Risiken informieren Kontrollerleben ermöglichen Annäherungsschemata aktivieren

VIELVERSPRECHENDE ANSÄTZE AUS PSYCHOTHERAPIE Kognitive Verhaltenstherapie (diverse Autoren) Schematherapie (Young, Klosko und Weishaar, 2008) Schemabearbeitung durch klärungsorientierte Psychotherapie (Sachse, 2002) Methoden der Dialektisch-Behavioralen Therapie (Linehan, 1996)

AKTUELLE ERGEBNISSE DER STATIONÄREN REHA 50% 38% bis 9/2013 ab 10/2013 25% 13% 0% ausdosiert begonnen nicht abdosiert n=57, komplett anfallende Stichprobe, keine Auswahl

DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT mail to ulrich.claussen@jj-ev.de