Bürgerbegehren, Einwohnerantrag, Einwohnerversammlung?! Bürgerbeteiligung vor Ort gemeinsam gestalten. Datum: Dienstag, 14.04.2015 Zeit: 18.00-21.30 Uhr Ort: Limpurg Halle, Schloss-Straße 11 74405 Gaildorf Eine gemeinsame Veranstaltung von: Wie können sich BürgerInnen vor Ort mehr beteiligen und ihre Kommune mitgestalten? Darüber machen sich immer mehr Gemeinden Gedanken. Und dass BürgerInnen Beteiligung wichtig ist, zeigt z.b. die Studie Partizipation im Wandel der Bertelsmann Stiftung. Aber viele Bürgerinnen und Bürger wissen nicht genau, wie Beteiligung in Form einer Einwohnerversammlung, eines Einwohnerantrages oder eines Bürgerbegehrens funktioniert. Gerade reformiert Baden-Württemberg die Gemeindeordnung und vereinfacht die Nutzung dieser Instrumente. Damit besteht die Chance, Bürgerbeteiligung neu zu entdecken und zu gestalten. Die Veranstalter laden Sie herzlich ein, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung näher kennenzulernen. Mit der Veranstaltung möchten wir Neuerungen im Bereich der Bürgerbeteiligung ansprechen und einen Erfahrungsaustausch zum Thema in Ihrer Gemeinde anstoßen. Was machen diese Formate der Bürgerbeteiligung überhaupt aus? Was bedeuten die Änderungen in der Gemeindeordnung genau? Und welche Möglichkeiten gibt es für Jugendliche beim Thema Beteiligung? Als besondere Gesprächspartnerin dürfen wir Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg, begrüßen. Initiative Allianz für Beteiligung e.v. www.allianz-fuer-beteiligung.de
Programm ab 18:00 Uhr Einlass und Imbiss 18:30 Uhr Begrüßung Dr. Miriam Freudenberger, Geschäftsführerin Allianz für Beteiligung Frank Zimmermann, Bürgermeister von Gaildorf 18:50 Uhr Einführung: Beteiligungsland Baden-Württemberg 19:00 Uhr Zum Status Quo der Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg: Wie BürgerInnen, Politik und Verwaltung das Thema Bürgerbeteiligung sehen Moderiertes Gespräch mit Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg 19:30 Uhr Möglichkeiten kommunaler Beteiligung kennenlernen Sarah Händel, Mehr Demokratie e.v. 20:00 Uhr BürgerInnen, Politik und Verwaltung im Gespräch: Wie möchten wir Bürgerbeteiligung in unserer Kommune gestalten? Runde 1: Was ist bisher an Beteiligung(sverfahren) in Gaildorf umgesetzt worden? Runde 2: Was ist uns bei Bürgerbeteiligung in Zukunft wichtig, wie können wir weiter machen? 21:15 Uhr Gemeinsamer Abschluss im Plenum Hinweis der Veranstalter: Wir weisen darauf hin, dass im Rahmen der Veranstaltung Foto/Ton- und ggf. Filmaufnahmen für öffentliche und nicht-öffentliche Zwecke gemacht werden. Initiative Allianz für Beteiligung e.v. www.allianz-fuer-beteiligung.de
Die Reform der Gemeindeordnung: Die wichtigsten Punkte im Überblick Mit der geplanten Reform der Gemeindeordnung werden die Instrumente der direkte Demokratie und der Bürgerbeteiligung leichter nutzbar. Das bedeutet: es wird den Bürger/innen leichter gemacht auch mal selbst einen Bürgerentscheid anzustoßen oder zum Beispiel eine Einwohnerversammlung einzuberufen, um ein kontroverses Thema zu diskutieren. Wie funktionieren die Instrumente der Gemeindeordnung zur Bürgerbeteiligung genau? 1. Bürgerbegehren/Bürgerentscheid Um zu einem Bürgerentscheid herbeizuführen, wird zunächst ein Bürgerbegehren durchgeführt: Für ein Bürgerbegehren müssen 7 % der Unterschriften der wahlberechtigten Bürger/innen gesammelt werden. Dafür muss ein Unterschriften- Formblatt erstellt werden, welches klar die gewünschte Abstimmungsfrage benennt. Abgestimmt werden kann zu allen Fragen, die in den Aufgabenbereich der Gemeinde gehören. Ausnahmen sind der Haushalt und Abgaben & Gebühren. Auch die Bauleitplanung wird durch die Reform für Bürgerentscheide geöffnet. Wendet sich das Bürgerbegehren gegen einen Gemeinderatsbeschluss, um diesen aufzuheben oder zu ändern, müssen die Unterschriften in einer Frist von 3 Monaten beginnend mit der Veröffentlichung des Gemeinderatsbeschlusses gesammelt werden. Bei der Erstellung des Unterschriftenblattes und des dafür geforderten Kostendeckungsvorschlag (dieser beschreibt, wie die durch das Bürgerbegehren eventuell entstehendes Kosten gedeckt werden sollen) wird die Bürgerinitiative zukünftig von der Gemeinde beraten Sind die 7 Prozent der Unterschriften gesammelt, kommt es zu einem Bürgerentscheid. Am besten nachdem das Thema ausführlich in Bürgerversammlungen und auf Veranstaltung diskutiert und eine Infobroschüre mit den Pro- und Contra-Argumenten an alle Haushalte verschickt wurde. Beim Bürgerentscheid müssen sich mindestens 20 Prozent aller Wahlberechtigten (Vorsicht: nicht der Abstimmenden!) für oder gegen den Vorschlag der Initiative aussprechen. Dann ist der Entscheid rechtlich gültig und wird verbindlich umgesetzt! Bei einem Bürgerentscheid wird die Verantwortung für die Entscheidung in einer Sachfrage anstatt vom Gemeinderat von den Bürger/innen übernommen. Dies geschieht entweder, weil die Bürger/innen das Handeln des Gemeinderates korrigieren wollen, oder wenn es um eine sehr grundsätzliche, wichtige oder umstrittene Entscheidung geht, die von einer Mehrheit der Bürger/innen mitgetragen werden soll. Der Gemeinderat kann sich auch selbst entschließen, ein Bürgerentscheid anzusetzen. Ein solches Ratsreferendum muss mit 2/3-Mehrheit beschlossen werden.
Wofür eignet sich ein Bürgerbegehren/Bürgerentscheid? Bürgerentscheide eignen sich insbesondere dafür, weitreichende Entscheidungen einer Kommune zu treffen. Das Ergebnis eines Bürgerentscheids wird gemeinhin von allen Akteuren akzeptiert und wirkt stark legitimierend. Wenn die Ansichten vieler Bürgerinnen und Bürger stark von den Auffassungen des Gemeinderats, der Verwaltung oder des Bürgermeisters abweichen, kann die Initiierung eines Bürgerbegehrens sinnvoll sein. Darüber hinaus kann ein Bürgerbegehren die Gesellschaft für ein bestimmtes Thema sensibilisieren und zur Bereicherung öffentlicher Debatten beitragen. Vorteile Bei großen inhaltlichen Differenzen zwischen Bürgerschaft und Gemeinderat, kann ein Bürgerentscheid endgültige Klarheit über die strittigen Punkte liefern. Ein Bürgerentscheid erhöht die Legitimation politischer Entscheidungen und ist für den Gemeinderat verbindlich. Das Verfahren ist klar vorgegeben und einfach zu verstehen. Nachteile Für ein Bürgerbegehren existieren meist hohe Hürden, wie beispielsweise eine relativ große Anzahl von Unterschriften. Die Zuspitzung auf eine Ja-Nein- Entscheidung und die häufige Anwendung in Konflikten können zu emotionalen Auseinandersetzungen führen. Die geringe Flexibilität des Verfahrens erschwert die Anwendung auf komplexe Sachfragen. Bürgerentscheide können keine Lösung finden, sondern nur Entscheidungen herbeiführen. 2. Einwohnerversammlung ( 20a): Sie haben zu einem bestimmten Thema Informations- oder Diskussionsbedarf? Dann können Sie durch sammeln der notwendigen Anzahl an Unterschriften eine Einwohnerversammlung einberufen lassen. Auf einer Einwohnerversammlung haben alle Einwohner/innen Rede- und Antragsrecht. Die Einwohnerversammlung ist eine gute Möglichkeit des direkten Austausches mit der Gemeindeverwaltung. Dort erarbeitete Vorschläge und Anregungen sollen innerhalb einer Frist von drei Monaten von der Gemeinde behandelt werden. Das Unterschriftenquorum zur Einberufung der Einwohnerversammlung wird von bisher 10 Prozent gesenkt: Gemeinden bis 10 000 Einwohner/innen: mindestens 5 Prozent (höchstens 350 Unterschriften) Gemeinden ab 10 000 Einwohnern/innen: mindestens 2,5 Prozent (mindestens 350, höchstens 2 500 Unterschriften) Die Gemeinde kann ebenfalls beschließen, dass eine Einwohnerversammlung durchgeführt werden soll. In der Regel soll einmal im Jahr eine Einwohnerversammlung einberufen werden. Wofür eignet sich die Einberufung einer Einwohnerversammlung? Eine Einwohnerversammlung ist ein guter Anlass die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit auf ein Thema zu lenken. Inhalte und Verlauf werden von lokalen oder überregionalen Medien aufgegriffen werden. Vor allem zur Information der Bürgerschaft über konkrete Projekte wird eine Versammlung abgehalten.
Vorteile Ein geeignetes Format zur Verständigung und Information, vor allem in kleinen und mittelgroßen Gemeinden. Die Themen können nicht nur von wahlberechtigten Bürgern, sondern von allen Einwohnern der Gemeinde gesetzt werden. Die Versammlung bietet die Möglichkeit ein Thema flexibel zu behandeln. Nachteile Nicht selten sind Einwohnerversammlungen lediglich frontale Informationsveranstaltungen. Die Vermittlung der Versammlungsergebnisse im Gemeinderat obliegt dem (Ober-) Bürgermeister. Zu den behandelten Themen werden auf der Versammlung keine verbindlichen Entscheidungen gefällt. Die Gemeinde ist frei, wie sie mit den Ergebnissen der Einwohnerversammlung umgeht. 3. Einwohnerantrag ( 20b) Wenn Ihnen ein bestimmtes Thema auf den Nägeln brennt, können Sie mit einem Einwohnerantrag Ihren Gemeinderat dazu bringen, dieses Thema zu behandeln, indem Sie die notwendige Anzahl an Unterschriften sammeln. Es muss sich dabei um eine Angelegenheit handeln, für die die Gemeinde und damit der Gemeinderat zuständig ist, darunter fallen z.b. der Erhalt eines Schwimmbads, die Errichtung eines Kindergartens oder die Durchführung eines Beteiligungsverfahrens. Nach dem Eingang des schriftlichen Einwohnerantrags, wird die Angelegenheit innerhalb von drei Monaten in einer Sitzung des Gemeinderats oder des zuständigen Ausschusses behandelt, dabei werden auch Vertreter des Einwohnerantrags angehört. Das Unterschriftenquorum für einen Einwohnerantrag wird von bisher ca. 3 Prozent gesenkt: Gemeinden bis 10 000 Einwohner/innen: 3 Prozent (höchstens 200 Unterschriften), Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohner/innen: 1,5 Prozent (mindestens von 200, höchstens von 2 500 Unterschriften) Sowohl für den Einwohnerantrag als auch für die Einwohnerversammlung können nach der Reform alle Einwohner/innen (nicht nur den wahlberechtigten) aus der Kommune ab 16 Jahren unterschreiben Wofür eignet sich die Einbringung eines Einwohnerantrags? Ähnlich zur Einwohnerversammlung, lenkt auch der Einwohnerantrag die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, der Verwaltung und des Gemeinderats auf ein bestimmtes Thema. Damit werden Themen aufgegriffen, die bislang nicht oder nicht ausreichend im Gemeinderat behandelt wurden. Vorteile Der Antrag der Einwohner muss im Gemeinderat behandelt werden. Durch die Sammlung wird das Thema in die Öffentlichkeit getragen. Für den Einwohnerantrag existieren relativ niedrige Hürden. So ist lediglich eine geringe Zahl von Unterschriften nötig. Die Themen können nicht nur von wahlberechtigten Bürgern, sondern von allen Einwohnern der Gemeinde gesetzt werden.
Nachteile Der Gemeinderat ist nicht verpflichtet, die Sache weiter zu verfolgen indem er sie zum Beispiel in einen Ausschuss zur Bearbeitung verweist oder die Verwaltung damit beauftragt. Die endgültige Entscheidung in der Sache verbleibt beim Gemeinderat. Lehnt der Gemeinderat den Antrag ab, ist das Verfahren beendet. 4. Jugendbeteiligung Zukünftig soll die Gemeinde Jugendliche und Kinder bei sie betreffenden Themen angemessen beteiligen. Jugendliche und Kinder sollen eine Jugendvertretung beantragen können. Über diesen Antrag entscheidet der Gemeinderat. Führt die Gemeinde eine Jugendvertretung ein, so hat die Jugendvertretung Rede-, Anhörungs- und Antragsrecht im Gemeinderat bei sie betreffenden Themen. Sie erhalten ein geeignetes Budget. Vorteile Jugendliche und Kinder können bei Sachfragen mitreden, die sie direkt betreffen. Identifikation mit der Kommune und das politischen Engagement der Kinder und Jugendlichen wird geweckt. Jugendbeteiligung ist eine Demokratieschule. Nachteile Alle Anträge und Anregungen der Jugendlichen oder der Jugendvertretung werden vom Gemeinderat behandelt. Ist für die Jugendlichen kein Erfolg sichtbar, führt dies sehr wahrscheinlich zu Frustration und Rückzug. Die Arbeit in Jugendvertretungen verlangt von den Jugendlichen kontinuierliche Arbeit über einen beschränkten Zeitraum. Die engagierten Jugendlichen fluktuieren stark, da viele später über Schule und eine weitere Ausbildung eingespannt sind oder den Ort verlassen. 5. Bürgerbeteiligung über die Gemeindeordnung hinaus: informelle Beteiligung Über die Instrumente der Gemeindeordnung hinaus, kann zu den unterschiedlichsten Themen eine freiwillige, nichtvorgeschriebene Bürgerbeteiligung durchgeführt werden. Dazu zählen Runde Tische, Planungszellen, Zukunftswerkstätten, Dialogforen, Bürgerräte oder Agenda 21- Gruppen. Meist werden diese angewandt um abstrakte oder komplexe Sachverhalte zu erörtern, wie zum Beispiel Stadt- oder Quartiersentwicklung, die Zielrichtung der kommunalen Verkehrspolitik oder ähnliches. Am besten ist dabei, die informellen Verfahren mit den obigen Verfahren zu verbinden und dem Gemeinderat als letztendlicher Entscheider eine Rolle zu geben. Ein Beteiligungsleitfaden für meine Stadt? Für eine faire Bürgerbeteiligung, braucht es ein Fundament aus Vertrauen und klaren Regeln. Bevor Beteiligung beginnt, muss klar sein, dass ergebnisoffen diskutiert wird und wie mit den Ergebnissen umgegangen wird. Idealerweise entwickeln die Verwaltung der Gemeinderat und die Bürger/innen gemeinsam einen Leitfaden, der als Handlungsgrundlage für die Beteiligung vor Ort dienen kann. Mit konkreten Regeln, wie eine Bürgerbeteiligung beantragt werden kann, wird dem Streitpunkt vorgebeugt, ob es überhaupt eine Bürgerbeteiligung geben soll. Ein gutes Beispiel für einen solchen Beteiligungsleitfaden sind die Leitlinien der Stadt Heidelberg oder Nürtingen. Auch andere Städte wie Mannheim, Weinheim, Karlsruhe oder Landkreise wie der Landkreis Göppingen haben ebenfalls solche Leitlinien.