M. Bönisch, L. Frese, T. Herden (BG Uni Osnabrück) Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen.

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Transkript:

Foto: L. Frese. JKI Genetische Erhaltungsgebiete für Wildselleriearten (Apium und Helosciadium) als Bestandteil eines Netzwerkes genetischer Erhaltungsgebiete in Deutschland M. Bönisch, L. Frese, T. Herden (BG Uni Osnabrück) Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen www.jki.bund.de

Inhalt 1 1. Hintergrund und Motivation 2. Konzept und Umsetzung 2 3. Umsetzung im Projekt 3 4

Hintergrund und Motivation Klimawandel Habitat-Fragmentierung Landnutzungswandel Stickstoff-Deposition Habitatverlust Verlust von Biodiversität Verlust von genetischer Diversität innerhalb einer Art Verlust von genetischen Ressourcen/Adaptionspotential

Hintergrund und Motivation Erhaltung genetischer Vielfalt für: Stabilisierung von Ökosystemen/Aufrechterhaltung von Ökosystemdienstleistungen züchterische Anpassung von Kulturpflanzen -> Sicherung der Welternährung Ex situ: statische Erhaltungsmaßnahme In situ: dynamisch Erhaltungsmaßnahme Prioritäre Zielarten: wildlebende Verwandte der Kulturarten (WVK)

Hintergrund und Motivation Zeithorizont? Außerhalb Europa s: WVK der Kartoffel (Resistenzressource) Der Klimawandel wird bis zum Jahr 2050 das Verbreitungsareal von 108 Arten bis zu 69% und die Wuchsorte um bis 37% reduzieren. (Modellrechnungen von Jarvis et al., 2008)

Hintergrund und Motivation Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD 1992) In-situ-Erhaltung System von Schutzgebieten einrichten biologische Ressourcen von Bedeutung Europäische Strategie zur Erhaltung der Pflanzen (2008) Ziele: 60% der rechtlich geschützten Arten in situ erhalten Datenbanken zum Nachweis genetischer Erhaltungsgebiete 25 genetischen Erhaltungsgebieten für WVK in Europa in Regionen mit höchster inter- und intraspezifischer Diversität und zwar bis zum Jahr 2014. Nationales Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzen Identifizierung, Aufbau und Ausweisung genetischer Erhaltungsgebiete

Konzept und Umsetzung Das genetische Erhaltungsgebiet ein technisches Verfahren (Maxted et al., 1997) und Modul des Artenschutzes (Zehm und Weber, 2013) Modell eines genetischen Schutzgebietes für wildlebende Verwandte unserer Kulturarten (in Anlehnung an MAXTED et al. 1997). Dargestellt sind Pflanzenbestände verteilt über drei Kernzonen, die zusammen eine Meta-Population bilden. Foto: L. Frese. JKI

Konzept und Umsetzung Partnerschaften und Vernetzung für den Schutz der Biodiversität Die Bereiche Biodiversität und Agrobiodiversität bilden Interessengemeinschaften.

Konzept und Umsetzung Auswahl von Arten sowie Vorkommen / Flächen: Europa Anzahl von Pflanzenarten: 20.590 Anzahl an Kulturarten und WVK: 17.495 ca. 80% der europäischen Flora sind WVK (Kell et al., 2005, 2007) IUCN : 572 WVK-Arten aus Gattungen von großer ökonomischer Bedeutung wie Asparagus, Avena, Beta oder Brassica (Bilz et al., 2011) -> davon gelten 11,5 % als gefährdet

Konzept und Umsetzung nach Maxted et al., 1997

Konzept und Umsetzung Kulturformen des Selleries Schnittsellerie (Apium graveolens var. secalinum) Stangensellerie (Apium graveolens var. dulce) Knollensellerie (Apium graveolens var. rapaceum)

Wildlebende Verwandte des Kulturselleries Apium graveolens subsp. graveolens 1 2 3 (Echte Sellerie): 690 Datensätze 4 5 6 Helosciadium repens (Kriechender Sellerie):1039 Datensätze 7 8 9 Helosciadium nodiflorum (Knotenblütiger Sellerie): 295 Datensätze Helosciadium inundatum (Flutender Sellerie): 373 Datensätze 10 11 12 Abbildungen: 1, 2,7, 10,11: Fotos: v. L. Frese. JKI; 4: Foto v. T. Herden. BG Osnabrück; 5: Foto v. A. Krumbiegel; 8: Foto v. P. Thomas; 3,6,9,12:Grafik : JKI, GeoBasis-DE / BKG 2007 und 2013

Konzept und Umsetzung nach Maxted et al., 1997

Umsetzung im Projekt: Informationsmanagement Datenabfrage bei Ländern (03/2015) Homogenisierung der Daten Inventarliste Neue Daten aus dem Projekt (2015/2016) MySQL-Datenbank (2018) Inventarliste verifizierter Vorkommen beim Informations- und Koordinierungszentrum für Biologische Vielfalt (IBV) der BLE

Umsetzung im Projekt: Identifikation geeigneter Vorkommen Inventarliste 344 Vorkommen für Begutachtung auswählen, Arbeitsanleitung und Datensteckbrief erstellen Begutachtung und Datenerhebung durch Auftragsnehmer (2015) Auswahl von 102 Vorkommen für genetische Analysen Weiterentwicklung und Nutzung und Web-Mapping-Werkzeug des BG Osnabrück Entnahme von Blattproben durch Auftragsnehmer (2016)

Umsetzung im Projekt: Genetische Analysen und Einrichtung 2015/16 Blattproben + Entwicklung & Test von SSR Marker 2017 Analyse geographischer Muster genetischer Diversität 2018 Auswahl, Planung & Etablierung von individuellen genetischen Erhaltungsgebieten und Erstellung artspezifischer Managementpläne Einrichtung von 45 genetischen Erhaltungsgebieten Saatgutentnahme für Rückstellmuster

Weitere Zielsetzungen im Projekt: Ausarbeitung einer nationalen In-situ- Managementstrategie (2016) Symposium (2015) und Fachkonferenz zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung von WVK-Arten (2018) Kooperationsvereinbarung treffen Kommunikationsstrategie entwickeln (2015/2016) Entwicklung eines Web-Auftritts Netzwerk genetischer Erhaltungsgebiete für Wildsellerie in Deutschland

Helosciadium inundatum (Foto: M. Leweke) Herzlichen Dank! Gefördert über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Förderkennzeichen 2814BM110.

Quellen Bilz, M., Kell, S., Maxted, N., Lansdown, R. V. (2011): European Red List of Vascular Plants. Pub. Office of the European Union, Luxembourg. BMEL (2012): Nationales Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzen, Berlin. Iriondo, J. M., Dulloo, E., Maxted, N. (eds.) (2008): Conserving plant genetic diversity in protected areas: population management of crop wild relatives. CAB International Publishing, Wallingford. Jarvis, A., Lane, A., Hijmans, R. J. (2008): The effect of climate change on crop wild relatives, Agric Ecosyst Environ, doi:10.1016/j.agee.2008.01.013. Maxted, N., Dulloo, M. E., Ford-Lloyd, B. V., Frese, L., Iriondo, J. M., Pinheiro de Carvalho, M. Â. A. (eds.) (2012): Agrobiodiversity Conservation: Securing the Diversity of Crop Wild Relatives and Landraces. CAB International, Wallingford. Maxted, N., Kell, S. P. (2009): Establishment of a global network for the in situ conservation of crop wild relatives: status and needs. FAO Comm. on Gen. Res. for Food & Agricult., Rome. Maxted, N., Ford-Lloyd, B. V., Hawkes, J. G. (eds.) (1997): Plant genetic conservation: the in situ approach. Chapman & Hall, London. Zehm, A., Weber, G. (2013): Umsetzung eines landesweiten floristischen Artenhilfsprogramms Konzepte und Erfahrungen. ANLiegen Natur 35: 40 54, Laufen. Verwaltungsgrenzen 1:250.000 2007, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, Frankfurt am Main, Digitales Geländemodell Gitterweite 1000 m (DGM1000) 2013, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, Frankfurt am Main