Auswirkungen des Einsatzes von lautsprachunterstützenden Gebärden auf die Kommunikationsentwicklung von Kindern mit Down-Syndrom

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Transkript:

Idstein - Köln - Hamburg - Düsseldorf - München - Frankfurt am Main - Berlin - Zwickau - New York Auswirkungen des Einsatzes von lautsprachunterstützenden Gebärden auf die Kommunikationsentwicklung von Kindern mit Down-Syndrom Kathleen Geißler & Susanne Vogt 26.09.2015

Theoretischer Hintergrund Down-Syndrom (DS) Häufigste Chromosomenstörung bei Neugeborenen Häufigste Ursache für mentale Retardierung Verzögerung der (Laut-)Sprach- / Kommunikationsentwicklung Sprachförderung durch Gebärden (Lücke, 2012; Schaaf & Zschocke, 2013) 2

Theoretischer Hintergrund Syndromspezifische Einflussfaktoren auf (Laut-) Sprachentwicklung Beeinträchtigung in auditiver Wahrnehmung Visuelle Lerner Unterstützung des Verstehens über andere Wahrnehmungskanäle??? Effekte von LUG auf Kommunikationsentwicklung insgesamt Förderung durch lautsprachunterstützende Gebärden (LUG) Förderung durch auditive UND visuelle Reize 3

Fragestellung und Zielsetzung Fragestellung: Welche Auswirkungen hat der Einsatz von LUG bei Kindern mit DS auf deren Kommunikationsentwicklung? 4

Fragestellung und Zielsetzung Zielsetzung: Zusammenführung anhand der aktuellen Studienlage, ob Einsatz von LUG positive Auswirkungen auf Kommunikationsentwicklung von Kindern mit DS hat Systematische Übersichtsarbeit 5

Methode Festlegung der Fragestellung: Population Durchgeführte Änderungen Fragestellung Maßnahme 6

Methode Festlegung der Ein- und Ausschlusskriterien Recherche in fünf Online-Datenbanken (DIMDI, PubMed, The Cochraine Library, ASHA, speechbite) Erfassung relevanter Literatur Recherche von Hand über Informationsspezialistin Recherche von Hand über Literaturverzeichnisse 7

Methode Beurteilung der Qualität der Literatur: CATE (Dollaghan, 2012) PEDro-Skala Deutsch (Hegenscheidt, Harth & Scherfer, 2010) Kunz, Khan, Kleijnen und Antes (2009) Erstellung eigener Checkliste zur Qualitätsbewertung 8

Methode Überprüfung von 15 Qualitätsmerkmalen Interne Validität: elf Kriterien Externe Validität: vier Kriterien Beurteilung der Qualität der Literatur Keine statistische Analyse Erstellen einer Rangordnung bzgl. der Qualität 9

Methode Studiencharakteristika Forschungsdesign Beurteilung der Evidenz Studiendesign und Evidenzstufe Qualität 10

Ergebnisse Ergebnisse der Literaturrecherche: 935 Potenziell relevante Literaturstellen Beschaffung von 36 Volltexten nach Ausschluss irrelevanter Literaturstellen Einschluss von fünf Studien nach Ausschluss irrelevanter Literaturstellen 11

Ergebnisse Ergebnisse der Qualitätsbewertung: Wright, Kaiser, Reikowsky und Roberts (2013) Wagner und Sarimski (2012a) Wagner und Sarimski (2012b) Kiesel, Mees und Sarimski (2009); Krause-Burmester (2012) 12

Ergebnisse Ergebnisse der Evidenz: Population Intervention Forschungsdesign Kiesel, Mees und Sarimski (2009): 24 Eltern Krause-Burmester (2012); Wagner & Sarimski (2012a): 18 Eltern Wagner und Sarimski (2012b): 108 Eltern Wright, Kaiser, Reikowsky und Roberts (2013): 4 Kinder Alter der Kinder: 1,11 11,7 Jahre Kiesel, Mees und Sarimski (2009); Krause-Burmester (2012); Wagner und Sarimski (2012a; 2012b): GuK (nicht standardisiert) Wright, Kaiser, Reikowksy und Roberts (2013): EMT / JASPER Words + Signs (standardisiert) eine experimentelle Studie (Wright, Kaiser, Reikowsky & Roberts, 2013) Alle anderen Studien: nicht-experimentell 13

Ergebnisse Ergebnisse der Evidenz: Studiendesign Kiesel, Mees und Sarimski (2009); Krause-Burmester (2012); Wagner & Sarimski (2012b): Querschnittstudie; Evidenzlevel drei Wagner und Sarimski (2012a): Längsschnittstudie Wright, Kaiser, Reikowsky und Roberts (2013): Vorher- Nachher-Studie mit Multiple Baseline Versuchsplan Qualität s. Ergebnisse der Qualitätsbewertung (Pyramide) 14

Ergebnisse Ergebnisse der Evidenz (Endpunkte): Lexikon / Semantik Anstieg des aktiven Gebärdenwortschatzes (Wagner & Sarimski, 2012b; Wright, Kaiser, Reikowsky & Roberts, 2013) Aktive Verwendung von Gebärden (Kiesel, Mees & Sarimski, 2009; Krause-Burmester, 2012) Anstieg des aktiven Wortschatzes gesprochener Wörter (Wagner & Sarimski, 2012a, 2012b; Wright, Kaiser, Reikowsky & Roberts, 2013) Mehr gesprochene als gebärdete Wörter mit zunehmendem Alter (Wagner & Sarimski, 2012a, 2012b) Grammatik Phonetik / Phonologie Interaktion Variabler Einfluss auf Sprachverständnis (Krause-Burmester, 2012) Gebärdenkombination (Wagner & Sarimski, 2012a, 2012b) Wortkombination, Pluralformen, Artikel (Wagner & Sarimski, 2012a) Kombination von Gebärden mit lautsprachlichen Äußerungen (Krause- Burmester, 2012) Generalisierung des Gebärdengebrauchs in den Alltag (Kiesel, Mees & Sarimski, 2009; Wright, Kaiser, Reikowsky & Roberts, 2013) Leichter Anstieg gesprochener Wörter im häuslichen Umfeld (Wright, Kaiser, Reikowsky & Roberts, 2013) 15

Diskussion Studien Systematische Übersichtsarbeit Unterschiedliche Stichprobengröße Methodische Fehler bei der Erstellung Starke Unterschiede in interner Validität Allgemeingültige Schlussfolgerungen für Praxis eingeschränkt möglich Unterschiedliche Studiendesigns Teils übereinstimmende Ergebnisse 16

Fazit / Schlussfolgerung Studien teils von niedriger Qualität Großteils Übereinstimmung der Ergebnisse / Bestätigung früherer Forschungsergebnisse Evidenzniveau der Übersichtsarbeit Weiterer Forschungsbedarf fraglich Früherkennung DS durch Bluttest weniger Kinder mit DS? 17

18

Literatur Dollaghan, C. (2012). The handbook for evidence-based practice in communication disorders. Baltimore: Paul H. Brookes Publishing Co. Hegenscheidt, S., Harth, A. & Scherfer, E. (2010). PEDro-Skala Deutsch. http://www.pedro.org.au/wp-content/uploads/pedro_scale_german. pdf Kiesel, J., Mees, K. & Sarimski, K. (2009). Frühe Kommunikationsentwicklung bei Kindern mit Down- Syndrom: Variabilität der Spiel- und Sprachfähigkeiten und Erfahrungen bei der Anbahnung von Gebärden. Frühförderung interdisziplinär, 28, 124-129. Krause-Burmester, M. (2012). Umgang und Einsatz von Gebärden bei Kindern mit Down Syndrom. Gibt es einen Einfluss auf die Sprachentwicklung?. Uk & forschung, 2, 23-26. Kunz, R., Khan, K. S., Kleijnen, J. & Antes, G. (2009). Systematische Übersichtsarbeiten und Meta- Analysen. Einführung in Instrumente der evidenzbasierten Medizin für Ärzte, klinische Forscher und Experten im Gesundheitswesen. Bern: Verlag Hans Huber Lücke, L. (2012). Logopädie bei Kindern mit Down-Syndrom. Forum Logopädie, 26, 24-31. Schaaf, C. P. & Zschocke, J. (2013). Basiswissen Humangenetik. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag. Wagner, S. & Sarimski, K. (2012a). Entwicklung des Wortschatzes für Gebärden und Worte bei Kindern mit Down-Syndrom im Verlauf. Uk & forschung, 2, 19-22. Wagner, S. & Sarimski, K. (2012b). Früher Gebärden- und Spracherwerb bei Kindern mit Down- Syndrom. Sprachheilarbeit, 57, 184-191. Wright, C. A., Kaiser, A. P., Reikowsky, D. I. & Roberts, M. Y. (2013). Effects of a naturalistic sign intervention on expressive language of toddlers with Down syndrome. Journal of Speech, Language, and Hearing Research, 56, 994-1008. 19