Optimierte Funktionsflächenbereitstellung im Krankenhaus in Abhängigkeit vom Primärleistungsportfolio Dipl.-Ing. Karin Diez, Universität Karlsruhe (TH), Institut für Technologie und Management im Baubetrieb, Facility Management Prof. Dr.-Ing. Wi.-Ing. Kunibert Lennerts, Universität Karlsruhe (TH), Institut für Technologie und Management im Baubetrieb, Facility Management Verena Strerath, Saxion Hogescholen ter Deventer, Hospitality Business School, Niederlande Planning of functional spaces in hospitals in relation to the primary process portfolio The primary process portfolio in hospitals is determining the use of its functional spaces. With the institution of the German diagnosis related grouping system, statistic primary average performance data has become available to the public. In combination with performance data collected by Universität Karlsruhe (TH) for operation units, typical space profiles in relation to the speciality departments in the hospital can be determined. Planning of infrastructure, Primary Performance data 1. Problemstellung Im Zuge der Gesundheitsreform in Deutschland und der damit einhergehenden Einführung der Fallpauschalen für stationäre Leistungen in Krankenhäusern ist der Kostendruck auf Krankenhäuser enorm gestiegen. Krankenhäuser stehen im Wettbewerb und damit vor der Herausforderung, wirtschaftlich zu arbeiten und Optimierungspotentiale zu nutzen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Bereitstellung von Funktionsflächen und ihre optimale Ausnutzung. Entsprechend der Abläufe verschiedener Krankheitsbilder ergeben sich unterschiedliche Funktionsflächenanforderungen und Nutzungszeiten, aber auch logistisches Optimierungspotential bezüglich der Flächenanordnung. 2. Zielsetzung und Methode Krankenhäuser sind meist in mehrere verschiedene Fachabteilungen, auch Kliniken, unterteilt. Es wird angenommen, dass in Abhängigkeit der Primärleistungen ein optimales Größenverhältnis von Funktionsflächen besteht. Das optimale Größenverhältnis ist dann je nach Abteilung verschieden. Ziel dieser Arbeit ist die fachabteilungsspezifische Erarbeitung von Kennzahlen für die Planung von Funktionsflächen in Abhängigkeit vom Primärleistungsportfolio. Dazu wird die Primärleistung ausgesuchter Fachabteilungen in Form der TOP 10 DRGs und der Top 11 Prozeduren gemäß der Qualitätsberichte aus dem Jahr 2005 für eine Auswahl von Krankenhäusern erhoben und statistisch ausgewertet.
2.1 Grundlagen - Das Fallpauschalensystem Das Fallpauschalensystem wurde im Jahre 2003 in Anlehnung an das Australische Fallpauschalensystem (Australian diagnosis related grouping system, A-DRG) verbindlich zur Abrechnung stationärer Leistungen der Krankenhäuser in Deutschland eingeführt. Gleichbedeutend steht der Begriff G-DRG für German diagnosis related groups, oder kurz DRG für Fallpauschale. Die DRGs sind zu Gruppen zusammengefasste Krankheitsbilder, die pauschal durch einen weitgehend fixen Betrag vergütet werden. Abbildung 1 zeigt an einem Beispiel die Bedeutung der Kodierung. Abbildung 1: Bedeutung der DRG Codierun Abbildung 1: Bedeutung der DRG Codierung Die Kodierung der DRG ist vierstellig und beginnt mit einem Buchstaben. Dieser steht für das Organsystem bzw. die Ursache, der die Fallpauschale zugeordnet ist. Die folgende zweistellige Nummerierung bezeichnet die eigentliche Behandlung. Die letzte Stelle der Kodierung ist wiederum ein Buchstabe. Dieser steht für den Schweregrad eines Falles. Dabei bezeichnet der Buchstabe A den höchsten Schweregrad. Z wird verwendet, wenn keine Schweregradunterscheidung vorgenommen wird. Das Institut für das Entgelt-System im Krankenhaus (InEK) ist für die Weiterentwicklung und Anpassung des DRG-Systems verantwortlich. Die Weiterentwicklung beruht auf der statistischen Auswertung der Daten von Kalkulationskrankenhäusern vergangener Jahre - das G-DRG-System 2007 beispielsweise beruht auf den Daten von 263 an der Kalkulation beteiligten Krankenhäuser des Jahres 2005 mit einer auswertbaren Fallmenge von ca. 2,9 Mio. Fällen ([InEK, 2006] S.12). Darüber hinaus wird die Weiterentwicklung durch Vorschlagsverfahren zur Einbindung medizinischen, wissenschaftlichen und weiteren Sachverstandes jährlich ergänzt ([InEK, 2006] S.2).Die Zuordnung des Patienten in die DRG erfolgt aus der Kombination verschiedener Merkmale seiner Behandlung. Diese sind die Haupt- Entlassungsdiagnose, bei chirurgischen DRGs die primäre Operationsmethode (Prozeduren), Risikofaktoren bestimmt durch Neben- Diagnosen, Komplikationen und gegebenenfalls das Alter und Geschlecht des Patienten, sowie der Entlassungszustand (geheilt oder nicht geheilt) (vergleiche [Keun, 1999]). Im Zuge der Vorbereitung des Fallpauschalensystems wurden daher zur Dokumentation von Diagnosen und Nebendiagnosen eine Ableitung der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und Gesundheitsprobleme (ICD) eingeführt. Diese umfasste für das Jahr 2004 12.983 verschlüsselbare Diagnosen. Die Dokumentation von operativen, diagnostischen und therapeutischen Prozeduren erfolgt durch den OPS-301 als Ableitung aus dem International Code of Procedures in Medicine (ICPM). Dieser umfasste für das Jahr 2004 22.310 endständig verschlüsselbare Prozeduren.
3. Empirische Auswertung und Analyse Zunächst werden die Qualitätsberichte einer Stichprobe von 6 Krankenhäusern (Bezugsjahr 2005) für die jeweiligen Fachabteilungen ausgewertet. Die Auswertungen beziehen sich auf die am häufigsten vorkommenden Fallpauschalen (DRG TOP 10) und die häufigsten Prozeduren. Bei den Prozeduren werden lediglich operative Prozeduren analysiert. Auf Basis der Kosten- und Leistungsdaten, die durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) jährlich veröffentlicht werden, und Kosten- und Leistungsdaten von Krankenhäusern, die im Rahmen des Forschungsprojektes OPIK Optimierung und Analyse von Prozessen in Krankenhäusern an der Universität Karlsruhe (TH) empirisch erhoben wurden, wird das DRG-Portfolio bezüglich des zu erwartenden notwendigen zeitlichen Bereitstellungbedarfs von Funktionsflächen analysiert. 3.1 Auswertung DRGs Tabelle 1 zeigt das Ergebnis der Datenerhebung exemplarisch für die Fachabteilung Hals-Nasen-Ohren für drei Krankenhäuser der Stichprobe. Tabelle 1: Fallpauschalenübersicht für die Fachabteilung HNO für 3 Krankenhäuser
Zunächst wurden die TOP 10 DRGs einschließlich der Fallzahl pro DRG der verschiedenen Fachabteilungen der Krankenhäuser der Stichprobe erhoben. Diesen wurde die durchschnittliche Verweildauer je Fall in Tagen auf Basis des Fallpauschalenkatalogs zugeordnet. Darüber hinaus wurde der Anteil ermittelt, den die TOP 10 Fälle an der Gesamt-Fallzahl (bezogen auf die Anzahl an DRGs innerhalb der Abteilung) haben. Der Prozentsatz der TOP 10 DRGs am gesamten Leistungsvolumen der Abteilung liegt für Krankenhaus 1 bei 98%, für Krankenhaus 2 bei 93% und für Krankenhaus 3 bei 100%. Im Mittel liegt der prozentuale Anteil der TOP 10 DRGs am gesamten Leistungsvolumen für die Fachabteilungen der Stichprobe bei über 50%. 3.2 Auswertung Prozeduren In Tabelle 2 ist beispielhaft für die Fachabteilung HNO die Analyse der häufigsten Prozeduren dargestellt. Neben der absoluten Fallzahl ist jeder Prozedur eine durchschnittliche Schnitt/Naht-Zeit und Rüstzeit (jeweils in Minuten) zugeordnet. Diese Kennzahlen basieren auf der Auswertung der Prozesszeiten von vier Krankenhäusern im Rahmen des Forschungsprojektes OPIK. Die Schnitt/Naht-Zeit ist definiert als Zeitspanne zwischen erstem Hautschnitt bis zur letzten Naht. Zusammen mit der Rüstzeit ergibt sie die OP-Gesamtzeit. Die OP-Gesamtzeit ist in dieser Arbeit als Zeitspanne zwischen Einschleusung des Patienten bis zum Zeitpunkt der Ausschleusung definiert. Wie auch bei der Analyse der TOP 10 DRGs wird der prozentuale Anteil der aufgeführten Prozeduren an der Gesamtzahl Prozeduren innerhalb der Fachabteilung angegeben.
Tabelle 2: Prozedurenübersicht für die Fachabteilung HNO für 3 Krankenhäuser
3.3 Ergebnisse der Auswertung Es ergeben sich grundsätzlich vier mögliche, durchschnittliche Nutzungszeitprofile je Fall, von denen der Funktionsflächenbedarf fachabteilungsspezifisch abgeleitet werden kann: 1. Abteilungen mit viel OP-Zeit und einer hohen Verweildauer auf Station je Fall 2. Abteilungen mit viel OP-Zeit und einer geringen Verweildauer auf Station je Fall 3. Abteilungen mit wenig OP-Zeit und einer hohen Verweildauer auf Station je Fall 4. Abteilungen mit wenig OP-Zeit und einer geringen Verweildauer auf Station je Fall Die Fachabteilungen Unfallchirurgie, Hals-Nasen-Ohren und Gynäkologie werden beispielhaft den Profilen zugeordnet. In Tabelle 3 sind dazu die Ergebnisse der Nutzungszeiten für diese drei Fachabteilungen für drei Krankenhäuser der Stichprobe dargestellt. Fachabteilung Ø Verweildauer [Tage] Ø Schnitt-Nahtzeit [min] Ø Rüstzeit [min] KH1 KH2 KH3 Ø KH1 KH2 KH3 Ø KH1 KH2 KH3 Ø Unfallchirurgie 9,5 9,2-9,4 69,8 69,6-69,7 79,5 79,1-79,3 HNO 6,5 5,8 5,3 5,9 51,8 28,8 44,9 41,8 55,6 52,3 51,3 53,0 Gynäkologie 7,0 6,9-6,9 63,7 68,4-66,0 53,8 59,3-56,6 Tabelle 3: Übersicht Nutzungszeiten Es zeigt sich, dass die hausindividuellen Kennzahlen sowohl für die Verweildauer als auch für die Prozesszeiten im OP in den drei Häusern je Fachabteilung relativ gering streuen. Der Mittelwert aus den Ergebnissen der drei Häuser kann daher als repräsentative Nutzungszeit-Kennzahl je Fachabteilung angesehen werden. Abbildung 2 zeigt für die Fachabteilungen Unfallchirurgie, HNO und Gynäkologie das Ergebnis der Auswertungen graphisch. Bezugszeit für den OP-Prozess ist die Summe aus Schnitt-Nahtzeit und Rüstzeit. Prozesszeit [min] 160,0 140,0 120,0 100,0 80,0 60,0 40,0 20,0 0,0 10,0 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 Unfallchirurgie HNO Gynäkologie Verweildauer [Tage] Ø Summe Schnitt-Nahtund Rüstzeit [min] durchschnittliche Verweildauer [Tage] Fachabteilung Abbildung 2: Vergleich der Nutzungszeitprofile je Fachabteilung
Die Unfallchirurgie hat vergleichsweise hohe Operationszeiten bei gleichzeitig hoher Verweildauer auf Station je Fall und kann somit Profil 1 zugeordnet werden. Die Fachabteilung Hals Nasen Ohren (HNO) hat bei deutlich geringerer durchschnittlicher Operationszeit auch die geringste Verweildauer je Fall. Sie kann Profil 4 zugeordnet werden. Die Gynäkologie als drittes Beispiel kann mit einer Operationszeit von ca. 120 Minuten und einer durchschnittlichen Verweildauer von knapp 7 Tagen keinem der vier Profile nach Definition eindeutig zugeordnet werden. Im Vergleich mit den Werten der beiden anderen Fachabteilungen liegt die Gynäkologie in einem mittleren Bereich für beide Kennzahlen. Der direkte Vergleich der Kennzahlen der Fachabteilungen der Stichprobe lässt sich für die Verweildauer relativieren. Der durchschnittliche stationäre Aufenthalt in Krankenhäusern lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2006 für Allgemeine Krankenhäuser bei 7,9 Tagen [Destatis, 2007] je Fall. Das Fachabteilungsprofil der Gynäkologie liegt mit 6,9 Tagen leicht unter diesem Durchschnitt. Das Profil der HNO liegt mit 5,9 Tagen um fast 25% darunter, das Profil der Unfallchirurgie mit 9,4 Tagen um knapp 20% darüber. Entsprechend der spezifischen Nutzungszeit-Profile der Fachabteilungen können Planungsgrößen für den Raumbedarf für Betten und dezentrale OP-Säle abgeleitet werden. Darüber hinaus kann entsprechend der unterschiedlichen zu erwartenden Anzahl Wegstrecken zwischen Fachabteilung und zentralem OP logistisch optimiert werden. Je nach Häufigkeit der zurückzulegenden Wege können die Fachabteilungen hinsichtlich der Lage zum zentralen OP eingestuft werden. Für das Beispiel der in dieser Arbeit ausgewerteten drei Fachabteilungen würde die Unfallchirurgische Abteilung in nächster Nähe zum zentralen OP angesiedelt. 4. Schlussfolgerung und Ausblick Die Auswertungen dieser Arbeit zeigen, dass die Analyse von Primärprozessdaten für die Planung wichtige Hinweise geben kann. Dabei beschränkt sich diese Arbeit jedoch auf das eindimensionale Problem der Optimierung von Stations- und OP- Saalfläche. Im Krankenhaus können aber andere Schnittstellen und Leistungsbeziehungen von größerer Bedeutung sein und damit die Planung beeinflussen. Um aussagekräftigere Grundlagen für ein fundiertes Funktionsflächenmanagement im Krankenhaus zu schaffen, ist eine Ausweitung der Datengrundlage sowohl aus quantitativer als auch aus qualitativer Sicht notwendig. Ein Beispiel hierfür sind die verkürzten DRGs und ICPMs, die als Datengrundlage für die Untersuchung herangezogen wurden. Die in den Qualitätsberichten der Stichprobe aufgeführten DRGs sind lediglich dreistellig codiert (vergleiche dazu Abbildung 1). Dies führt dazu, dass teilweise bis zu fünf vierstellige DRGs zu einer dreistelligen DRG zusammengefasst sind. Dadurch wird die durchschnittliche Verweildauer stark verfälscht. Bei weiterführenden Untersuchungen sollte ein detaillierter Bezug der häufigsten Fälle zur Flächennutzung durch Zuordnung von clinical pathways hergestellt werden. 5. Referenzen [InEK, 2004] Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH, (Hrsg.) G- DRG Fallpauschalenkatalog 2005. Siegburg, 2004 [InEK, 2006] Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH (Hrsg.), InEK Abschlussbericht, Weiterentwicklung des G-DRG-Systems für das Jahr 2007, Klassifikation, Katalog und Bewertungsrelationen, Teil I: Projektbericht, Siegburg, 2006
[Keun, 1999] Keun, F., Prott, R.: Einführung in die Krankenhaus- Kostenrechnung: Anpassung an neue Rahmenbedingungen, 63. überarbeitete Auflage, Wiesbaden, Gabler Verlag, 2006 [Destatis, 2007] Gesundheitswesen, Grunddaten der Krankenhäuser 2006, Fachserie 12 Reihe 6.1.1, Statistisches Bundesamt, 2007