1 CE 172.1: rganische Chemie für die Life Sciences Prof Dr. J. A. obinson 10. Die Carbonylgruppe : Aldehyde und Ketone - Nucleophile Addition Die C= Doppelbindung - der Carbonylgruppe - ist die wichtigste funktionelle Gruppe der organischen Chemie. Dieses Kapitel befasst sich mit der Chemie der Aldehyde und Ketone. 10.1 Arten von Carbonylgruppen Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Klassen von Carbonyl-Verbindungen: Aldehyd Keton Carbonsäuren Alkanoylhalogenid Cl -al -on -säure -säurechlorid -oylchlorid Anhydrid Ester Lacton (Cyclischer Ester) ' ' -säureanhydrid -oat -lacton Thioester S ' Amid (Cyclisches Amid = Lactam) N -amid Es kann nützlich sein, die Carbonyl-Verbindungen in zwei Klassen zu unterteilen : Aldehyd Keton Carbonsäuren Alkanoylhalogenid Anhydrid Ester Lacton (Cyclischer Ester) Amid (Cyclisches Amid = Lactam) ' Cl S ' N ' Aldehyde und Ketone besitzen Der Acyl-est (C) in Carbonsäuren und ihren Derivaten
2 entweder ein -Atom oder eine ist an ein eteroatom gebunden (-Cl, -, -N 2 ). Alkyl- oder Aryl- Gruppe. Solche Diese elektronegativen eteroatome können eine negative Gruppen können nicht eine Ladung tragen und können deswegen als Abgangsgruppen negative Ladung tragen. Sie können dienen. Die Chemie dieser Carbonyl-Verbindungen ist deswegen nicht als eine deswegen untereinander ähnlich. Abgangsgruppe dienen. Aldehyde und Ketone besitzen ähnliche chemische Eigenschaften, unterscheiden sich aber in ihrer Chemie von der der Carbonsäure-Derivate. 10.2 Struktur und chemische Eigenschaften der Carbonylgruppe Sowohl das Sauerstoff als auch das Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe sind sp 2 -hybridisiert und liegen daher in der gleichen Ebene wie die beiden anderen Nachbaratome des Kohlenstoffatoms ; die Bindungswinkel am C-Atom betragen etwa 120 o : Der Vergleich mit der elektronischen Struktur der Doppelbindung in Alkenen zeigt zwei wesentliche Unterschiede ; Das Sauerstoffatom trägt zwei freie Elektronenpaare und ist auch stärker elektronegativ als C. Das letztere beeinflusst die π-elektronenwolke so, dass eine nennenswerte Polarisierung der C=-Bindung zu beobachten ist : Auf diese Weise wird das Kohlenstoffatom elektrophil und das Sauerstoffatom nucleophil und leicht basisch : 10.3 Nomenklatur der Aldehyde und Ketone Die Vertreter dieser Klasse von Verbindungen werden, mit systematischen und mit Trivialnamen benannt. Aldehyde Die systematischen Namen der Aldehyde leiten sich von denen der entsprechenden Alkane durch inzufügung der Endung -al ab. Die Position der C=-gruppe wird nicht spezifiziert.
3 Definitionsgemäss ist ihr C-Atom C-1. Solange die Aldehydfunktion der längsten Kohlenstoffkette angehört,ist auch die Numerierung der anderen C-Atome eindeutig festgelegt : thanal (Formaldehyd) Ethanal 4,6-Dimethylheptanal (Acetaldehyd) Cyclohexancarbaldehyd Systeme die nicht so einfach durch die Endung -al benannt werden können, werden als Carbaldehyde bezeichnet. Entsprechend den IUPAC-egeln heissen Ketone Alkanone, dabei wird die Endung -on an den Namen des entsprechenden Alkans angehängt. Die Position der Carbonylgruppe in der längsten Kette wird durch Numerierung in der Weise festgelegt, dass das Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe die niedrigste mögliche Nummer erhält: 2-exanon 4-Chlor-6-methyl-3-heptanon 3-xobuttersäure exan-2-on (Acetessigsäure) Bei komplizierten Strukturen wird die Bezeichnung oxo benutzt, um die Gegenwart einer Carbonylgruppe deutlich zu machen. Zahlreiche Substituenten, die eine Carbonylgruppe enthalten, haben spezielle Namen. Z.B.: Acetylgruppe = Acylgruppe = Formylgruppe = 10.4 eaktionen von Aldehyden und Ketonen : Nucleophile Additonsmechanismen Die Carbonylgruppe ist stark polarisiert, und demzufolge greifen Elektrophile das Sauerstoffatom und Nucleophile das Kohlenstoffatom an. Eine der wichtigsten eaktionen, die Aldehyde und Ketone eingehen, ist die Nucleophile Addition an der Carbonylgruppe : Wir können die folgenden allgemeinen chanismen schreiben :
Das Elektronenpaar an dem Nucleophil greift das elektrophile Carbonyl-C-Atom an. Die zwei p-elektronen in der C= Doppelbindung werden auf das -atom verschoben. Das Carbonyl- C-Atom wird von sp 2 zu sp 3 umhybridisiert. 4 Das tetraedrische Zwischenprodukt nimmt ein Proton ausdem Lösungsmittel auf und ergibt ein neutrales Produkt. 10.4.1 Nucleophile Addition von Wasser Wasser kann sich als ein Nucleophil benehmen, obwohl seine Nucleophilie gar nicht so stark ist (vgl. Seite 74). In der Wasserlösung ensteht also ein Gleichgewicht zwischen der Carbonylverbindung und dem entsprechenden geminalen Diol, das auch als Carbonylhydrat bezeichnet wird : Carbonylhydrate entstehen nur langsam im Wasser bei p 7, werden aber in Gegenwart von Säuren oder Basen beträchtlich schneller gebildet. Die eaktion wird also durch Säure oder Base katalysiert - Die Gleichgewichtskonstante bleibt identisch, die eaktion erreicht die Gleichgewichtslage aber schneller. Warum? Katalyse Im Fall von Basenkatalyse, bei p>7, haben wir - vorhanden, was gegenüber Wasser ein viel besseres Nucleophil ist : Im basenkatalysierten chanismus agiert das ydroxid-ion als Nucleophil. Wasser fängt dann das intermediäre Addukt unter Bildung des geminalen Diols ab, wobei der Katalysator wieder frei wird. Im säurekatalysierten chanismus erfolgt zuerst eine Protonierung auf das Lewis-basische Carbonyl-. Dadurch wird die C= Gruppe stärker polarisiert, und die Carbonyl-C-Atomgruppe ein stärkeres Elektrophil. Jetzt greift ein Wassermolekül, obwohl es immer noch ein schwaches Nucleophil ist, auch sehr rasch an : Ein Proton wird auf das Carbonyl- -Atom
übertragen. Der Aldehyd bzw. das Keton ist dadurch viel leichter von Nucleophilen angreifbar. 5 Die Nucleophile Addition führt zu einem protonierten geminalen Diol. Der Verlust eines Protons ergibt ein neutrales Produkt, und das Proton wird zurückgewonnen. Es ist zu bemerken, dass der basen-katalysierte Prozess rascher abläuft, weil das - -Ion ein viel besseres Nucleophil ist als ein Wassermolekül. Der säure-katalysierte Prozess hingegen läuft rascher ab, weil durch Protonierung der Carbonylgruppe ein besseres Elektrophil für den Nucleophil-Angriff gebildet wird. Den eaktionsgleichungen ist zu entnehmen, dass die ydratisierung von Aldehyden und Ketonen reversibel ist. Für Ketone liegt das Gleichgewicht normalerweise auf der linken Seite, für Formaldehyde und Aldehyde mit elektronenziehenden Substituenten rechts. Aldehyde weisen Gleichgewichtskonstanten um 1 auf, z.b.: Allgemein finden Additionen an C=-Gruppen umso schneller statt, je elektrophiler das Carbonyl- C-Atom ist : eihenfolge der eaktivität von C=-Gruppen bei eine nukleophile Addition: Cl 3 C Man kann die elektrophile Kraft dieses Zentrums grob mit der Stabilität des in der dipolaren esonanzstruktur formulierten Carbeniumions korrelieren. Das höher (mit Alkylgruppen) substituierte Carbeniumion ist das stabilere, und seine eaktivität sinkt in dieser eihenfolge. Elektronenziehende Substituenten destabilisieren das positiv polarisierte C-Atom, weswegen es bei einem nucleophilen Angriff reaktiver ist. 10.4.2 Nucleophile Addition von Alkoholen Aldehyde und Ketone reagieren mit Alkoholen in Gegenwart eines Säure-Katalysators und geben Acetale und Ketale als Produkte. Z.B.:
6 + 2 ' Acetal + 2 + 2 ' Ketal + 2 Es sollte nicht überraschen, dass auch Alkohole an Aldehyde und Ketone addieren, wobei der chanismus dem der ydratisierung praktisch gleicht. Die so erhaltenen Produkte nennt man albacetale oder albketale : Diese Additionsreaktionen werden ebenfalls von einem Gleichgewicht beherrscht, das normalerweise auf der Seite der Carbonylverbindung liegt. In Gegenwart eines Überschusses an Alkohol geht die säurekatalysierte eaktion mit Aldehyden oder Ketonen über die albacetal-stufe hinaus : + + Dieser zweite Schritt kann als eine S N 1 Substitutionsreaktion (sp 3 -Zentrum) gesehen werden : Die ydroxygruppe wird protoniert, wodurch eine gute Abgangsgruppe (Wasser) entsteht. Das resultierende Carbeniumion ist durch ein freies Elektronenpaar des -Atoms resonanzstabilisiert. Ein zweites Molekül Alkohol addiert nun an das elektrophile C-Atom, was zu einem protonierten Acetal führt, dass dann zum Endprodukt deprotoniert wird.
7 Dabei ist jeder Schritt reversibel. Die gesamte eaktionsfolge von der Carbonylverbindung bis zum Acetal ist ein Gleichgewichtsprozess. Durch Manipulation der eaktionsbedingungen kann das Gleichgewicht nach rechts oder nach links verschoben werden: Acetal/Ketal Bildung benötigt einen Alkoholüberschuss (Überschuss), kat. + Ph Ph + 2 Acetal/Ketal ydrolyse benötigt einen Wasserüberschuss Et Et 2 (Überschuss), kat. + + 2 Et 1,2-Ethandiol (Glycol) und ähnliche Diole reagieren mit Aldehyden und Ketonen in Gegenwart katalytischer ngen Säure zu zyklischen Acetalen und Ketalen : Eine wichtige Eigenschaft der Acetale und Ketale ist ihre relative Inertheit gegenüber Basen, Grignard-eagenzien, ydrid-eduktionsmitteln und anderen Nucleophilen. Dies ist nicht allzu überraschend, wenn man sie als Ether auffasst. Man kann Acetale und Ketale als "maskierte" Aldehyde oder Ketone betrachten. Ins besondere die cyclischen Systeme werden in die synthetische Chemie als Schutzgruppen für die Carbonylfunktion in Aldehyden und Ketonen verwendet. albacetale und albketale sind meist nicht isolierbar. Man kann aber albacetale oder albketale von ydroxyaldehyden oder ydroxyketonen isolieren, wenn ein ingschluss zur Bildung von relativ spannungsfreien Fünf- oder Sechsringen führt : Dies kann man mit ilfe der Entropie erklären. In intermolekularen eaktionen kombinieren 2 Moleküle unter Bildung einer neuen Struktur. Dies ist entropisch ungünstig. Entsprechend ist die umgekehrte eaktion entropisch begünstigt. Im Gegensatz dazu wandelt sich bei der intramolekularen eaktion ein Molekul in ein neues um. Jetzt ist die Entropieänderung viel geringer, und dementsprechend liegt das Gleichgewicht mehr auf der Produktseite, da die Enthalpiebilanz günstig ist. Die intramolekulare Bildung von albacetalen hat in der Chemie der Zucker (Kohlenhydrate) grosse Bedeutung.
8 10.4.3 Nucleophile Addition von Grignard eagenzien Grignard eagenzien addieren an Aldehyde und Ketone in gleicher Weise wie andere Nucleophile unter Bildung von Alkoholen (Seite-89) : Die negativ polarisierte Alkylgruppe greift das Carbonyl-C-Atom an. Das Carbonyl--Atom übernimmt das tall unter Bildung eines tall-alkoxids. Durch Zugabe von wässeriger Säure wird tall-alkoxid hydrolysiert. So entstehen der Alkohol und ein Salz. Durch diesen chanismus können alle die auf Seite-89 angegebenen eaktionen zwischen Grignard- eagenzien und Aldehyden oder Ketonen erklärt werden. 10.4.4 Die nucleophile Addition von Aminen an Aldehyde und Ketone Kondensation zu Iminen, ximen und ydrazonen Man kann Amine als die N-Analoga der Alkohole betrachten. Das N-Atom ist jedoch stärker nucleophil als das -Atom, und daher addieren Amine sehr effektiv an Carbonylgruppen von Aldehyden und Ketonen zunächst unter Bildung von albaminalen und dann von Iminen: ' N 2 p 4-5 ' N- reagiert rasch weiter - 2 ' N ' Ein Imin chanismus : Ein freies Elektronenpaar an N greift die Carbonylgruppe an. Umprotonierung findet blitzschnell statt, und ein neues Gleichgewicht ensteht. Das Molekül wird an dem -Atom protoniert, was zu einer Eliminierung von Wasser führt.
9 Die Bildung eines Imins ist auch reversibel und durch Behandlung von wässeriger Säure wird das Imin wieder zu einem Aldehyd oder Keton hydrolysiert. Eine eihe von anderen Imin-ähnlichen Derivaten können auch durch die eaktion zwischen einem Aldehyd oder Keton und einem Amin-Derivat ( 2 N-X) hergestellt werden, z.b. : Keton/Aldehyd + N 2 ydroxylamin Et, + N Ein xim N 2 2 N + 2 N N Et, N 2 N N N 2 Keton/Aldehyd 2,4-Dinitrophenylhydrazin Ein 2,4-Dinitrophenylhydrazon 10.4.5 Die Addition von Kohlenstoff-Nucleophilen an Aldehyde und Ketone Cyanhydrine Neben Alkoholen und Aminen können zahlreiche andere Nucleophile die Carbonylgruppe angreifen. Besonders wichtig sind Kohlenstoff-Nucleophile, da man auf diesem Wege neue C-C-Bindungen bilden kann. CN, zum Beispiel, addiert an Carbonylverbindungen, wodurch ydroxyalkannitrile gebildet werden, die auch Cyanhydrine genannt werden: KCN, Et Ein Cyanhydrin KCN, Et Ein Cyanhydrin Der chanismus der Cyanhydrinbildung beginnt mit einem nucleophilen Angriff des Cyanid-Ions und endet mit einer Protonierung des -Atoms : Die eaktion kann durch Basen leicht umgekehrt werden, da sie das Gleichgewicht durch Entzug der Protonen auf die Seite der freien Cyanid-Ionen verschieben. Da die Nitrilgruppe durch weitere eaktionen umgewandelt werden kann, sind Cyanhydrine wichtige Zwischenprodukte :
10 C N 2, + ydrolyse eduktion 2, Pt 10.4.6 Die nucleophile Addition von ydrid - die EDUKTIN von Aldehyde und Ketone Wir haben auf Seite-89 gesehen wie Aldehyde und Ketone zu Alkoholen reduziert werden können : NaB 4 Et LiAl 4 Et 2 (KEIN WASSE DE dabei) tallhydriden wie NaB 4 und LiAl 4 übertragen ein Äquivalent ydrid ( - ) auf die C=- Doppelbindung. Ein Aldehyd oder Keton wird so zu einem Alkohol reduziert : B LiAl 4 ist reaktiver als NaB 4 und kann nur in aprotischen Lösungsmitteln wie Ether eingesetzt werden. Insgesamt werden alle vier Wasserstoffatome von Al 4 - auf vier Carbonylgruppen übertragen. Auch mit Lithiumaluminiumhydrid lassen sich ydrid-ionen nucleophil an Carbonylgruppen addieren : Al 3 Al 2 Al 4 10.5 xidation von Alkoholen und Aldehyden mit Cr 3 - chanismus Wir haben früher gesehen, dass Alkohole mit Cr 3 oxidiert werden können. Primäre Alkohole ergeben zuerst Aldehyde. Weitere xidation führt zu Carbonsäuren. Die chanismen für solche xidations-prozesse können folgenderweise formuliert werden :
11 Ausgehend von einem Aldehyd kann in Gegenwart von Wasser ein Carbonyl-ydrat gebildet werden, was dann über einen analogen chanismus oxidiert werden kann. Sekundäre Alkohole können aber mit diesem Verfahren nur bis zu Ketonen oxidiert werden: 10.6 Beispiele aus der biologischen Chemie Viele der eaktionen die man im Labor verwendet kommen auch in der Natur vor: C 3 Milchsäure (Lactic acid) C CN 2 C 3 C + N Lactat- + Dehydrogenase Pyruvat NAD + N NAD CN 2 Ein Biosyntheseweg zu gewissen α-aminosäuren verläuft zum Beispiel über eine Nucleophile Addition von Ammoniak an eine α-ketocarbonsäure (hier Pyruvinsäure = Pyruvic acid) : N Alanin-Dehydrogenase C 3 C C + N 3 C 3 C C NAD NAD + Andere Beispiele kommen oftmals in der Kohlenhydrat-Chemie vor. Glucose zum Beispiel ist eine exose und kann in einer Fischer-Projektion als ein Aldehyd geschrieben werden. Aber wenn man Glucose mit spektroskopischen thoden untersucht, stellt man fest, dass keine Aldehydgruppe vorhanden ist! Der Grund dafür ist, dass Glucose als ein cyclisches albacetal vorliegt Glucose (albacetal Form)
12 Auch Cyanohydrine kommen in der Natur vor. Sie spielen eine interessante olle in einem chemischen Verteidigungsmechanismus, den gewisse Tausendfüssler (Millepede) benützen, z.b. Apheloria corrugata. Wenn angegriffen, wird Mandonitril sowie ein Enzym, das die Zersetzung von Mandonitril zu Benzaldehyd und CN katalysiert, abgesondert. CN wird dadurch über die Angreifer geschossen!