Kapitalismus im Krankenhaus

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Transkript:

Zur DRG-Logik aus gewerkschaftlicher Sicht Fabrik Krankenhaus - Änderung in Sicht? vdää-jahreshauptversammlung Berlin, den 24. November 2012 1

Kleine Geschichte der Krankenhausfinanzierung (1) Bis Ende 19. Jahrhundert: Finanzierung durch Träger der Krankenhäuser (Kirchen, Stiftungen, Kommunen) Ende 19. Jahrhundert bis 1936: Zunehmende Übernahme der Kosten durch GKV (Vertragsfreiheit) 1936-1972: Finanzierung unter Preisrecht. Kaum Ausbau der KH infolge Preisstopverordnung (1936) 1948: Preisbindung für Pflegesätze Festlegung von Kalkulationsregeln Ausschluss von Kosten für die Beseitigung von Kriegsschäden und Kriegsfolgeschäden 1954 Bundespflegesatzverordnung: u.a. Ankopplung an Leistungsfähigkeit der Versicherungsgemeinschaft. Keine volle Deckung der Selbstkosten 2

Kleine Geschichte der Krankenhausfinanzierung (2) Grundsätze Krankenhausfinanzierungsgesetz 1972: 1. Duale Finanzierung Investitionskosten (Staat) Betriebskosten (Krankenkassen) 2. Mischfinanzierung der Investitionskosten 1/3 Bund, 2/3 Länder 3

Kleine Geschichte der Krankenhausfinanzierung (3) Grundsätze Krankenhausfinanzierungsgesetz 1972: 3. Selbstkostendeckungsprinzip Selbstkostendeckungsprinzip: die Förderung nach diesem Gesetz und die Erlöse aus den Pflegesätzen sollen zusammen die Selbstkosten eines sparsam wirtschaftenden und leistungsfähigen Krankenhauses decken 4. Durchführungsverantwortung der Länder Krankenhausbedarfspläne Vergabe der Investitionsmittel Letztentscheidung über Pflegesätze 4

Kleine Geschichte der Krankenhausfinanzierung (4) Investitionsstau von Anbeginn: Trug der Bund zu Anfang der 70er Jahre: 29,5 % des Investitionskostenanteils, waren es 1980 etwa 18 %. Aufhebung der Mischfinanzierung Übertragung an Länder Diskussion um monistische Finanzierung 1993 Einführung der Budgetdeckelung 5

Kleine Geschichte der Krankenhausfinanzierung (5) Fallpauschalengesetz 2002: Beginn der Umstellung auf DRG ab 2003, ab 2004 verpflichtend Konvergenzphase 2005 bis 2008 Rückläufige Investitionsförderung 2005 nur noch 60 % der Förderung von 1995 (DKG 2007) Investitionsstau wird aktuell mit 50 Mrd. beziffert 6

Steigende Arbeitsbelastung durch Personalabbau, Verweildauerverkürzung und Fallzahlensteigerung Im Zeitraum von 1995-2007 Abbau von 350.571 auf 298.325 VK im Pflegedienst = - 52.246 VK Seit 2008 wieder ein leichter Anstieg auf 304.708 in 2010 Die Krankenhausverweildauer der Patientinnen und Patienten in Allgemeinkrankenhäusern wurde seit 1990 von 13,2 auf 7,3 Tage in 2010 gesenkt. Im gleichen Zeitraum wurde die Zahl der Krankenhausfälle von 14.080.589 auf 17.485.806 gesteigert (c) Gerd Dielmann 7

Personalentwicklung im Pflegedienst (VK) Krankenhäuser Pflegedienst 360.000 350.000 340.000 330.000 320.000 310.000 300.000 290.000 280.000 270.000 1993 1994 1995 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Quelle: Statist. Bundesamt, DKG: Zahlen, Daten, Fakten 2004/05-2012 8

Qualifikationsverteilung im Pflegedienst 350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 Krankenhäuser 326.202 102.639 39.875 21.055 21.051 316.889 105.113 38.078 18.160 19.584 328.359 116.631 2003 2006 2010 37.471 17.806 22.633 Gesundheits- und Krankenpfleger/-in Funktionsdienst Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in Krankenpflegehelfer/-in Pflegehelfer/-in Quelle: Statist. Bundesamt, DKG Zahlen, Daten, Fakten 2004/05, 2008, 2012 (c) Gerd Dielmann 9

Personalabbau bei Pflegehilfskräften Krankenhäuser 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 Krankenpflegehelfer/-in Pflegehelfer/-in 1995 1998 2000 2003 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quelle: Statist. Bundesamt, DKG: Zahlen, Daten, Fakten 2004/05-2012 10

Personalentwicklung im ärztlichen Dienst (VK) Krankenhäuser Quelle: Statist. Bundesamt, DKG: Zahlen, Daten, Fakten 2004/05-2012 11

Taylorisierung der Arbeit im Krankenhaus OTA ersetzen weitergebildetes Pflegepersonal - Haken halten durch Angelernte; Anästhesietechnische Assistentin (ATA) ersetzt Narkoseärzte Med. Ass. für nichtinvasive kardiolog. Diagnostik, Med. Ass. für Gynäkologie und Urologie Spezialisierungen in Diabetes-, Wund- und Schmerztherapie sowie Antibiotikamanagement Ein Teil der Pflegearbeit (Essen, Körperpflege) wird von Pflegehilfs- und Servicekräften übernommen 12 Gerd Dielmann

Neue Assistenzberufe und Funktionen Einige Beispiele: Operationstechn. Assistent/-in (OTA) Anästhesietechn. Assistent/in (ATA) Chirurgisch-techn. Assistent/-in (CTA) Chirurgische/r Operationsassistent/in (COA) Gefäßassistent/-in, Chirurgieassistent/-in Phlebotomist/-in Stroke-Nurse, Pain Nurse, Study Nurse, Breast Nurse Dementenbetreuer/-in CM-Nurse (Modell AgnEs) Case-Manager/-in, Wund-Manager/-in, Physician Assistants (BSc) (c) Gerd Dielmann 13

Schlussfolgerungen o Sicherung der Investitionsförderung durch den Staat! o Von der Fallpauschale zurück zum tagesgleichen Pflegesatz? o Wiedereinführung des Selbstkostendeckungsprinzips? (c) Gerd Dielmann 14