Craniomandibuläre Dysfunktionen und ihre systemischen Auswirkungen Dr. med. dent. Erich Wühr Zahnarzt, Osteopath DROM, BAO MSc Kieferorthopädie Bad Kötzting/Bayer.Wald
Begriffsklärung In Englisch: In Deutsch: CMD = craniomandibular disorder CMD = craniomandibuläre Dysfunktion Funktionsstörungen: des Kauens des Schluckens des Sprechens des Atmens des Knirschens und Pressens Formstörungen: der Zahnform der Zahnzahl der Kaufläche der Zahnstellung der Kiefer Wie können sich kraniomandibuläre Form- und Funktionsstörungen systemisch auswirken? Theorie der Körperhaltung Theorie der Krafteinleitung Systemische Auswirkungen
Theorie der Körperhaltung?
Gleichgewichtsregulation Propriozeption MERKEL-ZELLEN registrieren Druck Berührung und Vibrationen Zerebellum Kleinhirn Sehsinn MEISSNER-KÖRPERCHEN spüren Berührungen und Vibrationen Auf kleiner Fläche mit hoher Präzision Innenohrsinne RUFFINI-KÖRPERCHEN sind Rezeptoren, die Bewegungen der Gelenke und die Dehnung der Haut registrieren PACINI-KÖRPERCHEN melden Berührung und Vibrationen Kausystem GOLGI-SEHNEN-ORGANE MUSKELSPINDELN sind Dehnungsrezeptoren Folie erstellt nach Dr. Gregor Pfaff, Orthopäde in München, MedreflexX propriozeptive Einlagen
Theorie der Krafteinleitung Kopf Wirbelsäule Schultergürtel Brustkorb Obere Extremität Beckengürtel Untere Extremität
WG Sutherland beobachtet 1898 die unterschiedlichen Formen von kranialen Suturen:
Knaup B, Yildizhan F, Wehrbein H. Altersveränderungen der Sutura palatina mediana Eine histomorphologische Studie. Fortschr Kieferorthop 2004; 65(6): 467-74 Material und Methode: Gewebeblöcke der Region der Sutura palatina mediana aus Autopsien von 22 im Alter zwischen 18 und 63 Jahren Verstorbenen (19 männlich, 3 weiblich) wurden histologisch aufbereitet und histomorphometrisch untersucht. Es wurden zwei Altersgruppen gebildet: jüngere Gruppe < 25 Jahre (10 Verstorbene) und ältere Gruppe > 26 Jahre (12 Verstorbene). Ergebnisse: Der Median der Verknöcherungsstrecken der Sutur in der jüngeren Gruppe war 0 %, in der älteren Gruppe 3,11 %. Die maximal gefundene Verknöcherungsstrecke bei einem 44jährigen Mann war 13,1 %. Die Weite der Sutur nimmt mit zunehmendem Alter statistisch signifikant ab. Suturen verknöchern nicht. Die Schädelknochen sind gegeneinander beweglich zeitlebens!
47jährige Frau, 12 Monate mit Damon-System behandelt bis einschließlich 0.014x0.025 CuNiTi
Temporomandibulargürtel Palatinum, Maxilla, Frontale Vomer, Ethmoid Sphenoid Okziput Wirbelsäule Schultergürtel Brustkorb Obere Extremität Die Mandibula ist die Extremität des Kopfes. Hubertus von Treuenfels (München 2005) Beckengürtel Untere Extremität Zahnärzte und Kieferorthopäden sind Orthopäden für die Spitze der Wirbelsäule. Erich Wühr (München 2007)
Theorie der Krafteinleitung Temporomandibulargürtel Palatinum, Maxilla, Frontale Vomer, Ethmoid Sphenoid Okziput Bruxismus: Knirschen und Pressen Wirbelsäule mit den Zähnen mit extrem hohen Schultergürtel Brustkorb Obere Extremität Kräften (200-300 kp) als Teil der Stress-Reaktion Beckengürtel Untere Extremität
Stress-Reaktion Unter dem Begriff Stress-Reaktion werden drei emotive (automatisierte, unbewusste, ererbte) Verhaltensmuster zusammengefasst, die im Körper innerhalb kurzer Zeit viel Energie freisetzen und dem Zweck des Überlebens dienen: Kämpfen (fight): unter anderem Aktivierung der Kaumuskulatur, wird als Gefühl von Wut und Zorn bewusst Fliehen (flight): unter anderem Aktivierung der Darmmuskulatur, wird als Gefühl der Angst bewusst Erstarren(fright): der Körper erstarrt, wird als Gefühl der Angst und des Schreckens bewusst
Stress-Reaktion Kämpfen Bruxismus ist die Aktivierung der Kaumuskulatur bei einer bestimmten Stress-Reaktion (Kämpfen), was sich als Knirschen und Pressen mit den Zähnen äußert. Teil der Stress-Reaktionen ist im Bindegewebe die Ausschüttung von Zytokinen und damit die Auslösung einer neurogenen Entzündung.
Präfrontaler Kortex Zielorientiertes Denken, Entscheidungsfähigkeit, Körperwahrnehmung, Antizipation Bewusste Bewertung und Kontrolle Sinnesreiz VAKOG Limbisches System Amygdala, Hippocampus, Gyrus cinguli Unbewusste und intuitive Bewertung Hirnstamm Noradrenerges System Noradrenalin Nebennierenmark Katecholamine Noradrenalin, Adrenalin Vegetatives Nervensystem Atmung, Herz, Kreislauf, Verdauung... Glutamat Hypothalamus CRH Cortikotropin-Releasing-Hormon Hypophysenvorderlappem ACTH Adrenocorticotropes Hormon Nebennierenrinde Kortisol Wirkungen: Immunsuppresion, Gehirn: BDNF brain derived neurotrophic factor... Ausschüttung von Entzündungsmediatoren im interstitiellen Bindegewebe = neurogene Entzündung
Neurogene Entzündung
Neurogene Entzündung
Neurogene Entzündung
Patienten kommen mit akuten und chronischen Zahnschmerzen Zahn- und Kieferfehlstellungen (Kraniomandibulären Dysmorphien) Fehlfunktionen beim Kauen, Schlucken, Knirschen und Pressen, Sprechen, Atmen (Kraniomandibulären Dysfunktionen ) Missempfindungen der Zunge und Mundschleimhaut Gesichtsschmerzen ( CMD ) Kopfschmerzen und Migräne Hals-Nacken-Schmerzen (HWS-Syndrom) Schulter-Arm-Schmerzen Rückenschmerzen Becken-Hüft-Bein-Schmerzen sonstigen Beschwerden wie Schwindel, Tinnitus 2/3 Patient: Haben meine Beschwerden etwas mit meinem falschen Biss zu tun?
Unsere Antwort: Ja, das könnte sein? bei 80 bis 90 % der Patienten in unserer Praxis besteht dieser Zusammenhang weil schiefe Zähne die Körperhaltung belasten können und
Unsere Antwort: Ja, das könnte sein? weil das Kraniomandibuläre System vielmehr ein Stress-Organ als ein Kauorgan ist und beim Knirschen und Pressen außergewöhnlich hohe Kräfte freigesetzt werden, die innerhalb und außerhalb des Kausystems zu Muskel- und Gelenkschmerzen führen können, besonders, wenn Formstörungen des Kausystems vorliegen.
Praxiskonzept: Was macht die Kraniofaziale Orthopädie anders? Dr. med. dent. Erich Wühr Zahnarzt, Osteopath DROM, BAO MSc Kieferorthopädie Bad Kötzting/Bayer.Wald
Patienten kommen mit akuten und chronischen Zahnschmerzen Zahn- und Kieferfehlstellungen (Kraniomandibulären Dysmorphien) Fehlfunktionen beim Kauen, Schlucken, Knirschen und Pressen, Sprechen, Atmen (Kraniomandibulären Dysfunktionen ) Missempfindungen der Zunge und Mundschleimhaut Gesichtsschmerzen ( CMD ) Kopfschmerzen und Migräne Hals-Nacken-Schmerzen (HWS-Syndrom) Schulter-Arm-Schmerzen Rückenschmerzen Becken-Hüft-Bein-Schmerzen sonstigen Beschwerden wie Schwindel, Tinnitus 2/3 Patient: Haben meine Beschwerden etwas mit meinem falschen Biss zu tun?
Kraniofaziale Orthopädie Ein interdisziplinäres Konzept zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Muskel- und Gelenkschmerzen innerhalb und außerhalb des Kausystems Zuweiser- Management Patienting Erste Sitzung Anamnese Zahnärztliche Grunduntersuchung Klinische Form- und Funktionsanalyse Posturalneurologische Grunduntersuchung
Test: Kopfrotation
Test: Kopfrotation verbessert provoziert, verschlechtert 1. Re-Test: Watterolle als Jig 3. Re-Test: fester Biss auf HIK als Provokation 2. Re-Test: zwei nasse Watterollen als Biss 4. Re-Test: weite Mundöffnung als Provokation Bei jedem dieser vier Tests lassen wir den Patienten die Kopfrotation wiederholen und beobachten, ob sich der Ausgangsbefund verändert hat.
Test: Kopfrotation verbessert provoziert, verschlechtert 1. Re-Test: Watterolle als Jig 3. Re-Test: fester Biss auf HIK als Provokation 2. Re-Test: zwei nasse Watterollen als Biss 4. Re-Test: weite Mundöffnung als Provokation Ergebnisse Wenn einer der Tests positiv ist, dann ist der Zusammenhang zwischen Kausystem und Halswirbelsäule verifiziert: Der Zahnarzt/Kieferorthopäde ist zuständig. Die Jig-Schiene ist gesetzt, das heißt: sie wird auf jeden Fall hergestellt und eingegliedert. Wenn Re-Test 2 oder 3 positiv sind, braucht der Patient zusätzlich zur Jig-Schiene eine Stabilisierungsschiene. Wichtig: Der Patient spürt den Unterschied und nimmt den Zusammenhang zwischen Kausystem und Halswirbelsäule wahr.
Test: Kopfrotation 1. Re-Test: Watterolle als Jig 3. Re-Test: fester Biss auf HIK als Provokation 2. Re-Test: zwei nasse Watterollen als Biss 5. Re-Test: kurzer Blick : Schielen auf die Nasenspitze 4. Re-Test: weite Mundöffnung als Provokation Der kurze Blick kann verbessern. Der kurze Blick kann verschlechtern. Ergebnisse Wenn der kurze Blick positiv ist, wird eine vertiefende Untersuchung (noch keine Brille!) beim Optometriker ausgelöst.
Test: Kopfrotation 1. Re-Test: Watterolle als Jig 3. Re-Test: fester Biss auf HIK als Provokation 2. Re-Test: zwei nasse Watterollen als Biss 5. Re-Test: kurzer Blick : Schielen auf die Nasenspitze 4. Re-Test: weite Mundöffnung als Provokation 6. Re-Test: Kurzer Fuß nach Janda Ergebnisse Wenn der kurze Fuß nach Janda positiv ist, wird eine vertiefende Untersuchung beim Orthopäden oder Podoätiologen ausgelöst.
Interdisziplinäre Problemliste (Keine Diagnose!) Orthopäde Osteopath Internist Zahnarzt 10 15 10 15 Neurologe Psychologe Physiotherapeut Naturheilarzt Logopäde N.N.
Kraniofaziale Orthopädie Ein interdisziplinäres Konzept zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Muskel- und Gelenkschmerzen innerhalb und außerhalb des Kausystems Zuweiser- Management Patienting Erste Sitzung Anamnese Zahnärztliche Grunduntersuchung Klinische Form- und Funktionsanalyse Posturalneurologische Grunduntersuchung Problemliste
Problemliste Dokumentation von Störfaktoren (die belastenden Lebensbedingungen) Befunden (lokale und systemische Form- und Funktionsstörungen) Symptome (lokale und systemische)
Interdisziplinäre Problemliste (Keine Diagnose!) Orthopäde Osteopath Internist Zahnarzt 10 15 10 15 Neurologe Psychologe Physiotherapeut Naturheilarzt Logopäde N.N. Interdisziplinäre Problemliste >>> Lebensbedingungen >>> Befunde >>> Symptome Interdisziplinärer Handlungsplan >>> Probleme hierarchisieren >>> Einzellösungen finden
Zuweiser- Management Patienting Erste Sitzung Problemliste Differenzialdiagnostik? nozizeptiv psychogen neuropathisch
Differenzialdiagnostik Entscheidungsalgorithmus Schmerz ja psychogen? nein Psychotherapie ja neuropathisch? nein Schmerztherapie akut akut? chronisch? chronisch Eliminierung der akuten Irritation Grunderkrankung lokal Eliminierung chronischer Belastungen systemisch Mikroextension von Mikrokontrakturen lokal systemisch Wiederherstellung von Form und Funktion
Ist der Schmerz psychogen? GCPS-Grad III und IV unklare Schmerzqualität Verwendung emotionaler Schmerzadjektive affektive Übertreibung (histrionisch, narzisstisch, depressiv, ängstlich) auffälliges Sprachverhalten (intelligenzlerisch, Ärztejargon) vage Lokalisation und atypische Ausstrahlung fehlende Übereinstimmung zwischen subjektiver Schmerzempfindung und Befunden, anatomischen und physiologischen Zusammenhängen fehlende Periodizität, Dauerschmerz gleicher Intensität keine Linderung durch Willkürmotorik Medikamente wirkungslos lange Dauer des Schmerzsyndroms mit vielen Vorbehandlern (doctor shopping, Koryphäenkiller) Auslösung negativer Gefühle beim Arzt (Verwirrung, Ungeduld, Hilflosigkeit, Ärger, Wut) biografisch belegbare Disposition und des Schmerzes durch entsprechende psychosoziale Situation
Sekundär psychogen Zwanghafte okklusale Vigilanz Alltagsbiss Idealbiss adaptiert Zentrik Vielpunktkontakt kompensiert fronteckzahngeführt beschwerdefrei episodische Bissumstellung meist iatrogen Beschwerden Schmerzen Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Okklusion bei ausreichender Adaptations- und Kompensationskapazität X X Versuch der biomechanischen Rekonstruktion einer idealen Okklusion durch Zwanghaftigkeit wird die Fokussierung zur selbständigen Erkrankung meist ausgeprägte psychemotionale Belastungen Zwanghafte Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Okklusion
Ist der Schmerz neuropathisch? Krankengeschichte mechanische Schädigung (Traumen, Amputationen, Querschnittslähmungen) metabolische Schädigung (Diabetes) virale Schädigung (Herpes zoster) degenerative Erkrankungen des Nervensystems (z.b. MS) toxische Schädigung (z.b. Natriumhypochlorid) Neuralgie (Ephapsenbildung) Autoimmunerkrankung (Neurodermitis) Brenngefühl, Kribbel- oder Prickelgefühl, Taubheitsgefühl Schmerz strahlt aus Schmerzattacken Druck, Kälte und Wärme sind schmerzhaft Periphere Probebehandlung ist nicht erfolgreich!
Ist der Schmerz akut oder chronisch? Chronisch sind Schmerzen dann, wenn ihre Dauer über ihre normal zu erwartende Heilungszeit hinausgeht.
Zuweiser- Management Patienting Erste Sitzung Probebehandlung Jig-Schiene alleine oder mit Stabilisierungsschiene Problemliste psychogen neuropathisch nozizeptiv Kraniomandibuläre Form- und Funktionsstörungen sind für die Schmerzen verantwortlich oder mitverantwortlich: Hohe Kräfte beim Knirschen Störungen propriozeptiver Input durch die Okklusion Differenzialdiagnostik? Psychotherapie Schmerzmedizin
Jig-Schiene Stabilisierungsschiene
I n t e r d i s z i p l i n ä r e s N e t z w e r k Zuweiser- Management Patienting Erste Sitzung Problemliste psychogen neuropathisch nozizeptiv Differenzialdiagnostik? Psychotherapie Schmerzmedizin Einschleifen und/oder restaurative, (implantat-) prothetische Maßnahmen Probebehandlung Jig-Schiene alleine oder mit Stabilisierungsschiene erfolgreich? Passt Biss morgens? 4-6 Wochen ja nein ausgeprägte Formstörungen? KfO mit Damon- System Elasto-KfO nein ja nein ja, dann sofort KfO Andere Therapien Weiter mit Jig-Schiene Instrumentelle Form- und Funktionsanalyse Stabilisierung geklebte Kauflächen Schiene P a t i e n t e n f ü h r u n g
Sichere Wahrheit kann kein Mensch je erkennen über die Götter und die Dinge, von denen ich spreche. Und sollte einer auch einst die vollkommene Wahrheit verkünden. Sicher wissen könnte er es nicht. Es ist alles durchwoben von Vermutung. Xenophanes (547-447 v. Chr.) griechischer Philosoph ewuehr@vgm-portal.de Tel. 09941-1706 Xing-Gruppe: Kraniofaziale Orthopädie www.kraniofaziale-orthopaedie.de www.falscher-biss-macht-schmerzen.de