Industrieland Deutschland: Wettbewerbsfähigkeit der Chemie stärken



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Transkript:

Daten und Fakten Industrieland Deutschland: Wettbewerbsfähigkeit der Chemie stärken Deutschland ist ein Industrieland Deutschland ist der viertgrößte Industriestandort der Welt hinter China, den USA und Japan. Sein Anteil an der globalen Industrieproduktion beträgt rund 6 Prozent. Die Industrie hat in Deutschland im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften ein deutlich höheres Gewicht. Ihr Anteil an der deutschen Bruttowertschöpfung erholte sich nach der Krise 2008 rasch und erreichte bereits 2011 wieder einen Wert von über 22 Prozent. Anteil der Industrie an der gesamten Bruttowertschöpfung In Prozent, 2013 22,2 18,2 15,1 14,9 12,9 11,3 9,7 Deutschland Japan* EU Italien USA* Frankreich Großbritannien Quelle: OECD * 2013 geschätzt Unter den hoch entwickelten Ländern ist Deutschland das Land mit dem höchsten Industrieanteil an der Bruttowertschöpfung. Die Industrie leistet viel für Deutschland Industrie, Deutschland (2013) absolut Anteil an gesamter Wirtschaft Wertschöpfung 561 Mrd. 22,2 Prozent Beschäftigte* 5,9 Mio. 14,1 Prozent Ausgaben für FuE** 46,0 Mrd. 86,0 Prozent Exporte 1.081 Mrd. 84,5 Prozent Unternehmenssteuern*** 114,8 Mrd. 18,5 Prozent (des kassenmäßigen Steueraufkommens) Jahresentgelt je Beschäftigtem 50.374 133,6 Prozent (des durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelts) * Abgrenzung nach Betrieben, ** nur interne FuE-Ausgaben (Vermeidung von Doppelzählungen) *** Gewerbe-, Einkommen- und Körperschaftsteuer (inkl. Soli) aller Gewerbebetriebe 1

Die Industrie ist der Wachstumsmotor Deutschlands. Während die Produktivität in der Industrie seit dem Jahr 2000 um 31 Prozent zugenommen hat, stieg sie in der gesamten Wirtschaft nur um 16 Prozent. Die deutsche Chemie ist ein Eckpfeiler des Industrielandes Deutschland Die Chemieindustrie ist einer der bedeutendsten Industriezweige in Deutschland. Sie erwirtschaftete 2014 mehr als 190 Mrd. Euro. Damit liegt sie hinter dem Fahrzeugbau und dem Maschinenbau auf dem dritten Platz. Rund 444.800 Beschäftigte arbeiteten 2014 in den deutschen Chemieunternehmen. Deutschland ist Exportweltmeister in Serie für chemische Erzeugnisse. Die Chemie trägt wesentlich dazu bei, dass Deutschland eine führende Exportnation ist. Die Chemie erzielt den drittgrößten Umsatz aller Industriebranchen in Deutschland. Deutschland war 2014 im internationalen Vergleich die drittgrößte Chemienation hinter China und USA und noch vor Japan. In Europa ist Deutschland mit Abstand der bedeutendste Chemiestandort vor Frankreich und Italien. Die chemisch-pharmazeutische Industrie gab 2014 erstmals mehr als 10 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung aus. Die Chemie ist der Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft. Die Innovationen der Chemie tragen zur Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kunden bei. Sie machen nachhaltigeres Wirtschaften und eine hohe Lebensqualität erst möglich. Die Industrie ist der wichtigste Kunde der Chemie. 80 Prozent des Chemieabsatzes gehen an Kunden aus dem Verarbeitenden Gewerbe. Die Chemie ist daher für ihren Erfolg auf eine breite industrielle Basis in Deutschland und Europa angewiesen. 2

TOP 10 Chemieproduzenten der Welt Chemieumsätze in Milliarden Euro, 2014 1.386 Chemieumsatz insg.: 4.211 Milliarden Euro 641 195 188 133 114 101 92 79 75 China United Germany Japan South States Korea Quellen: Chemdata International, VCI France India Brazil Italy Switzerland Anmerkung: Internationale Daten weichen von Destatis Daten ab. Deutschland ist der drittgrößte Chemieproduzent der Welt. Studie belegt die Bedeutung inländischer industrieller Wertschöpfungsketten Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) haben inländische Wertschöpfungsverbünde trotz der Globalisierung für die deutschen Unternehmen noch immer eine Schlüsselstellung. Der Anteil inländischer Zulieferungen an der Industrieproduktion ist nahezu konstant, und die wichtigsten Lieferanten und Kunden sitzen für den Großteil der Unternehmen noch immer im Inland ein Befund, der sich trotz zunehmend globaler Wertschöpfungsketten nur langsam ändern wird. Der Vorteil Deutschlands liegt in der Vielfalt von Kompetenzen auf engem Raum. Er schlägt sich insbesondere in gemeinsamen Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsaktivitäten von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen nieder. Die Umfrage des IW zeigt zudem: Energieintensive Betriebe sind wichtige Innovationspartner in diesem Industrienetzwerk. Bei den befragten Unternehmen herrscht große Unsicherheit über die Folgen der Energiewende: Viele Unternehmen sind besorgt, dass bei schlechtem Management der Energiewende und weiter steigenden Energiekosten wichtige Zulieferer wegfallen. Industrie 4.0 und Digitalisierung: Megatrends des industriellen Strukturwandels Neben der Globalisierung ist die Digitalisierung ein unaufhaltsamer Megatrend der industriellen Entwicklung. Der technische Fortschritt bei Kommunikations- und Informationstechnologien, Internet- Dienstleistungen sowie Datenverarbeitung erfassen mehr und mehr Bereiche wirtschaftlicher Aktivität auch des Verarbeitenden Gewerbes. Industrie 4.0 die digitale Transformation der industriellen Wertschöpfung führt dazu, dass durch die Kommunikation zwischen Maschinen und Teilen innerhalb des Industrienetzwerkes noch enger, schneller und passgenauer gemeinsam produziert und entwickelt werden kann. Ihre Entwicklung kann das deutsche Industrienetzwerk stärken. Auch für die Chemie ergeben sich aus der Industrie 4.0 und der Digitalisierung Chancen: Effizienzpotenziale, neue Geschäftsfelder, bessere Vernetzung in der Lieferkette. Damit die Chemie diese Chancen ergreifen kann, müssen aber entsprechende Voraussetzungen (z.b. Schutz von Maschinendaten, geistigen Eigentumsrechten, Anlagen/Systemen, aber auch Verfügbarkeit von Infrastrukturen und Fachkräften) gegeben sein. Die Politik muss hierfür die richtigen Rahmenbedingungen setzen auf deutscher und europäischer Ebene. 3

Der Industriestandort Deutschland Stärken und Schwächen Das World Economic Forum (WEF) bewertet jährlich wichtige Standortfaktoren von inzwischen 144 Ländern und erstellt auf dieser Basis ein Länderranking. Insgesamt belegt Deutschland nach den rund 120 Indikatoren im Bericht 2014/2015 des WEF Platz 5 in der Gesamtliste, den gleichen Rangplatz wie im Vorjahr. Deutschland ist damit ein guter Industriestandort. Stärken liegen bei der Qualität lokaler Zulieferer, den Forschungseinrichtungen, der Infrastruktur und der Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft: Deutschland findet sich hier unter den besten 20 Nationen. Die gute Bewertung für Wertschöpfungstiefe und die Qualität der Zulieferer weist auf einen wichtigen Vorteil der deutschen Industriestruktur hin: Die Existenz leistungsfähiger Grundstoffindustrien. Sie stellen für Investitions- und Konsumgüterhersteller innovative Werkstoffe bereit. Damit die zentrale Lage in Europa ein wichtiger Standortvorteil Deutschlands bleibt, ist eine wettbewerbsfähige, nachhaltige und kostengünstige Logistik erforderlich. Basis hierfür ist eine bedarfsgerechte, intakte und lückenlose Verkehrsinfrastruktur. Deutschland wird derzeit vom Ausland zwar noch relativ gut bewertet, lebt aber in weiten Teilen von der Substanz: 1970 wurden noch 4,3 Prozent des BIP in die Verkehrsinfrastruktur investiert, 2011 laut OECD (ITF Transport Outlook 2013) nur noch 0,7 Prozent. Laut IW-Studie vom Februar 2014 sehen mittlerweile 64 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit durch Mängel im Straßenverkehrsnetz beeinträchtigt. Die neue Bundesregierung ist sich der Problematik bewusst und hat für diese Legislaturperiode fünf Milliarden Euro zusätzlich für die Sanierung von Verkehrsinfrastruktur im Bundeshaushalt vorgesehen. Gerade die chemische Industrie hat großes Interesse an einer guten Infrastruktur, denn die Branche ist eine der transportintensivsten in Deutschland. Sie verantwortet rund 6,5 Prozent des gesamten Güterverkehrsaufkommens. Bundesweit ist sie der zweitgrößte Auftraggeber von Transportdienstleistungen, denn ein Großteil der Chemieproduktion geht an industrielle Weiterverarbeiter. Um der Politik die Dringlichkeit des Problems vor Augen zu führen und Empfehlungen für Handlungsprioritäten zu geben, hat der VCI im Januar 2014 die Initiative "Verkehrsinfrastruktur" ins Leben gerufen. Langfristig darf sich Deutschland aber nicht nur auf den Erhalt beschränken, sondern muss auch den Ausbau aller Verkehrsträger vorantreiben. Verbesserungspotenzial gibt es im Bildungs- und Forschungsbereich: Die Ausgaben Deutschlands für Forschung und Entwicklung stiegen zuletzt zwar leicht und liegen derzeit bei rund 2,9 Prozent des BIP. Über zwei Drittel davon steuert die Wirtschaft bei, die ihren Anteil sukzessive auf 1,9 Prozent gesteigert hat. Damit liegt Deutschland zwar im oberen Drittel aller OECD Länder, aber immer noch unter dem Lissabonziel der EU von drei Prozent. Deshalb sollten Innovationsanreize erhöht und Innovationshemmnisse abgebaut werden. Im Bildungsbereich hinkt Deutschland weiterhin hinterher: Deutschland gibt insgesamt 5,1 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus und liegt damit unter dem OECD-Durchschnitt von 6,1 Prozent sowie unterhalb des EU-Schnitts. Die deutsche Position im Bereich der Energieversorgung hat sich verschlechtert. Sollten sich die Sorgen um zukünftige Preissteigerungen und Versorgungsengpässe durch die Energiewende als berechtigt erweisen, ist eine weitere Verschlechterung unvermeidlich. Die Belastungen aufgrund von Regulierungen und Steuern sind in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch. Das stellen Analysen wie der Standortvergleich des WEF deutlich heraus. Oxford-Studie: Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandortes Deutschland sinkt Eine Studie von Oxford Economics vom September 2014 im Auftrag des VCI zeigt: Der Anteil Deutschlands am Welt-Chemieexport geht zurück. Betrachtet man diese Entwicklung differenzierter, zeigt sich: Die Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandortes Deutschland erodiert. An Wettbewerbsfähigkeit gewonnen hat in den letzten Jahren vor allem die Chemieindustrie Chinas, aber auch die der Golfstaaten Arabiens und zuletzt die der USA. Die wichtigsten Determinanten der Wettbewerbsfähigkeit der Chemie sind Energie, Forschung und Innovationen sowie die Infrastruktur. Hier muss die Politik ihre Gestaltungsspielräume nutzen. Standortschwäche lenkt Investitionen der Chemie ins Ausland Trotz der aktuell noch passablen Wettbewerbssituation Deutschlands, die sich auch im Außenhandelsüberschuss niederschlägt: Deutschland droht sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Insbesondere die öffentlichen Investitionen sind im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich. Das gefährdet eine gute Zukunft des Industriestandortes. 4

Die Sachanlageinvestitionen der deutschen Chemie im Ausland liegen seit 2012 deutlich über denen im Inland. Hier spiegeln sich Standortnachteile Deutschlands insbesondere bei den Energiepreisen wider. Die Auslandsinvestitionen der deutschen Chemie haben die Sachanlageinvestitionen im Inland deutlich überholt. Investitionen der chemischen Industrie fließen zunehmend ins Ausland. Eine Erhebung des VCI zeigt, dass Unternehmen diese Entscheidung nicht nur wegen der Erschließung von neuen Märkten treffen, sondern auch wegen niedrigerer Kosten an ausländischen Standorten. So werden zwei Drittel der Investitionen in den USA aus diesem Motiv getätigt. Die günstigen Preise für Rohstoffe und Energie durch den Schiefergasboom spielen hier eine Rolle. Derzeit sind Strom und Gas hierzulande rund 2,5-mal so teuer wie in den USA. Zwei Drittel der Investitionen der deutschen Chemie in Nordamerika werden heute wegen niedrigerer Kosten getätigt. In Asien und Lateinamerika dienen die Investitionen dagegen überwiegend der Markterschließung. 5

Industriepolitische Entwicklungen in Deutschland und Europa Die Wertschätzung für die Industrie schlägt sich kaum in der praktischen Politik nieder Zwar haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag den Wert einer starken Industrie für den Wirtschaftsstandort Deutschland hervorgehoben. Die im Vertrag avisierten Maßnahmen weisen jedoch nicht in diese Richtung. Der Vertrag lässt manches offen, wichtige Reformen werden vertagt und nur auf einige größere Zusatzlasten wird verzichtet. Die Fortschreibung der Härtefallregelungen für energieintensive Unternehmen war eine wichtige industriepolitische Entscheidung der Bundesregierung. Eine grundlegende Reform des EEG, die zu einem Rückgang der Umlagekosten führen würde, ist für den Erfolg der Energiewende unverzichtbar. Sie steht aber auch Mitte 2015 noch aus. Neue Belastungen für die Chemie entstehen aus der Klimapolitik, der Reform des europäischen Emissionshandels und den Überlegungen zur Kreislaufwirtschaft auch hier wäre der Einsatz der Bundesregierung für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen der Industrie wichtig. Branchendialoge, Bündnis "Zukunft der Industrie" und "Plattform Industrie 4.0": Foren des Bundeswirtschaftsministers für Ideen zur Verbesserung industrieller Rahmenbedingungen Die Branchendialoge des Bundeswirtschaftsministeriums Ende 2014/Anfang 2015 fand der Branchendialog Chemie statt bieten der Industrie Gelegenheit, im Dialog Defizite und notwendige Maßnahmen zum Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und zum Ausbau der Standortqualität darzulegen. Der Branchendialog Chemie führte Anfang März 2015 zur Verabschiedung einer gemeinsamen Vereinbarung von BMWi, VCI, BAVC und IG BCE. Derzeit läuft ein Follow Up zum Dialog, in dessen Rahmen Fachdialoge stattfinden. Der Bundeswirtschaftsminister hat 2015 mit wichtigen Industrieverbänden und Gewerkschaften das "Bündnis Zukunft der Industrie" ins Leben gerufen. Auch der VCI ist durch seinen Präsidenten eingebunden. Im Bündnis sollen in 5 Arbeitsgruppen Ideen zur Verbesserung der Industrieakzeptanz, der Investitionsbedingungen, der Zukunft der Arbeit, der Weiterentwicklung industrieller Wertschöpfungsstrukturen und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit entwickelt werden. Parallel hierzu haben das BMWi und das BMBF mit Vertretern aus Industrie und Gewerkschaften eine "Plattform Industrie 4.0" gegründet, mit der die digitale Transformation der Industrie begleitet und unterstützt werden soll. EU: Europa 2020-Strategie, EU-Industriepolitik und Investitionsprogramm Die Europäische Kommission hat sich in der Agenda "Europa 2020" intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zum Ziel gesetzt. Nachhaltiges Wachstum soll durch die Leitinitiativen "Integrierte Industriepolitik" und "Ressourcenschonendes Europa" erreicht werden. Die Europäische Kommission will im Herbst 2015 die Europa 2020-Strategie neu ausrichten. Sie hat 2014 dazu eine Konsultation durchgeführt. Der VCI regt in seinem Beitrag an, dass die bisherigen Zielsetzungen der Europa 2020-Strategie um Ziele für mehr industrielle Produktion, Investitionen sowie Forschung und Entwicklung ergänzt werden. Hierzu müssen die politischen Rahmenbedingungen industrieller Aktivitäten entsprechend ausgerichtet werden. Im Oktober 2010 hatte die Europäische Kommission ihre industriepolitische Mitteilung Eine integrierte Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung veröffentlicht. 2012 und 2014 hat sie ihre industriepolitische Strategie weiterentwickelt. Sie will Europas Wachstumskräfte stärken. Der Industrieanteil am BIP soll bis 2020 auf 20 Prozent steigen, der Anteil der Investitionen auf 23 Prozent. Positiv: In ihrer Mitteilung von 2010 hatte die Kommission vorgeschlagen, neue Gesetzgebungsinitiativen einem "Wettbewerbsfähigkeits-Check" und die kumulative Wirkung von Regulierungen einem "Fitnesscheck" zu unterziehen. 2015 werden für die Chemie ein solcher Fitnesscheck und eine "kumulative Kostenabschätzung" durchgeführt. Negativ: Mit der Leitinitiative "Ressourcenschonendes Europa" verfolgte die Kommission eine starke staatliche Steuerung von Investitionen und Marktprozessen sowie der Nachfrage. Die Vorschläge 6

belasten die Industrie in vielfältiger Weise und blockieren Investitionen. Die Kommission versäumt es, diese Vorschläge konsequent auf die kosteneffizienteste Instrumentenwahl zu prüfen, um Europa als Industriestandort attraktiver zu machen. Die Europäische Kommission musste im Herbst 2013 eingestehen, dass der Industrieanteil Europas weiter gesunken ist. Der Abstand der EU zur Messlatte von 20 Prozent, die sie selbst gesetzt hat, ist größer denn je. Im März 2014 kam das Eingeständnis hinzu, dass außer den Energie- und Klimazielen alle anderen Ziele von Europa 2020 verfehlt werden. Die Leitlinien des neuen Kommissionspräsidenten Juncker vom Juli 2014 bieten Perspektiven für eine stärkere Ausrichtung auf die Ziele Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit. Im Dezember 2014 hat die Kommission ihr Arbeitsprogramm für 2015 vorgestellt. Darin strich sie einige ausstehende Legislativvorschläge. Ein zentrales Element des Arbeitsprogramms ist ein Investitionsprogramm, zu dem noch 2015 ein Investitionsfonds (EFSI) aufgelegt werden soll. Ein weiteres zentrales Element sind die Vorschläge von Kommissionsvizepräsident Timmermans zur "besseren Rechtssetzung", die gute Ansätze beinhalten. Die Aspekte der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit sollen in zukünftigen Folgenabschätzungen stärker berücksichtigt und bestehende Regulierungen systematisch auf ihre Eignung geprüft werden. Die Entwürfe für eher technische Maßnahmen (delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte) sollen zukünftig vor ihre Annahme durch die Kommission einer vierwöchigen Stakeholder-Konsultation unterzogen werden. Es besteht Anlass zur Sorge, dass aus den in Vorbereitung befindlichen Vorschlägen der Kommission zur Kreislaufwirtschaft neue Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erwachsen. 7