Molekularsiebe "Makromoleküle" sind ein beherrschendes Prinzip der Biologie: Alle Katalysatoren, Informationsträger, die strukturbildenden Moleküle, die Speicherstoffe (außer Fetten) u.a. sind Makromoleküle mit folgenden gemeinsamen Eigenschaften: die Molgewichte liegen oberhalb von ca. 10.000 (die untere Grenze der Makromolekularität ist weniger durch das Molgewicht als durch die beiden folgenden Merkmale gegeben): die Moleküle sind aus chemisch gleichen oder ähnlichen Bestandteilen unter monotoner Wiederholung des Bindungsprinzips aufgebaut unter physiologischen Bedingungen besteht eine definierte räumliche Struktur (Tertiärstruktur). Die Trennung zwischen Makromolekülen und niedermolekularen Substanzen, sowie die Trennung von Makromolekülen untereinander, gehört zu den häufigsten Aufgaben des Biochemikers. Die dazu verwendeten Methoden sind zum Teil geeignet, das Phänomen der "Makromolekularität" zu demonstrieren; dies ist der Sinn dieser Praktikumsaufgabe. Die wichtigsten Trennmethoden (soweit nicht Ionenaustauschverfahren eingesetzt werden) sind: 1. Sedimentation (Ultrazentrifugation) 2. Gelchromatographie (an Sephadex oder ähnlichem Material, wobei die Trennung aufgrund eines behinderten Transports großer Moleküle erfolgt) 3. (Prinzip wie bei 2., jedoch dient hier eine semipermeable Membran als Diffusions-barriere für große Moleküle) und Ultrafiltration. Im Grundpraktikum werden die beiden letzteren bearbeitet, die Sedimentation im Fortge-schrittenenpraktikum (aus im wesentlichen technischen Gründen). Aufgaben: 1. : Das älteste Trennprinzip, das sich die selektive Permeabilität von natürlichen Membranen (z.b. Säugetierdarm oder Säugetierblase) zunutze machte, wird heute mit speziellen Produkten, in der Regel Membranen aus regenerierter Zellulose, durchgeführt. Hier und vor allem bei Membranen für die Ultrafiltration können definierte Porenweiten und Lösungsmittelverträglichkeiten erzeugt werden, die sehr spezielle Trennleistungen, auch von Makromolekülen untereinander, ermöglichen. Der im
Praktikum verwendete schlauch Visking hat eine Dicke von ca. 20 µm und durchschnittliche Porendurchmesser von 1,2-2 nm. Die Ausschlußgrenze liegt bei Molgewichten von 10.000-20.000, d.h. Moleküle, die kleiner sind, können die Poren passieren. Das Material ist also in erster Linie zur Trennung zwischen Makromolekülen und niedermolekularen Substanzen geeignet. Die ist in ihrer einfachsten Form ein einstufiger Prozeß, der als solcher nicht über die Konzentrations-gleichheit auf beiden Seiten der Membran hinausgeführt werden kann. Wechsel des Außenmediums ermöglicht die Erhöhung auf den zwei- oder mehrstufigen Prozeß mit allerdings entsprechend langer Dauer, die mit den Stabilitäten der zu trennenden Moleküle nicht immer zu vereinbaren ist. Der Vorzug ist die Einfachheit und die Möglichkeit, sehr viele Proben gleichzeitig zu bearbeiten. Der Nachteil ist der unvollständige Ablauf und der Zeitbedarf. Deshalb gehört heute die Praxis überwiegend der Gelfiltration. Die erste Aufgabe - - hat neben dem Erlernen der eigentlichen Methodik noch zusätzlich den Sinn, den Umgang mit Mengen bei wechselnden Konzentrationen zu üben. Reagentien und Geräte: 200 ml 0,05 mol/l KPO 4 ph 7 250 ml Becherglas Magnetrührer 200 ml Meßzylinder Serumalbumin, 20 mg/ml, ca. 3 ml K 3 Fe(CN) 6, 10 mmol/l, ca. 3 ml schlauch Visking 20/32 oder ähnlich, ca. 20 cm lang, in Puffer eingeweicht. Schere, bis zur Spitze geteilte 5-ml-Pipette (Auslaufpipette zum Messen der Volumina), Ausrüstung zur Proteinbestimmung nach der Biuret-Methode Küvetten Photometer Durchführung: Der schlauch wird nahe einem Ende durch einen Knoten fest verschlossen. Mit geeigneten Pipetten wird er mit je 2,0 ml Serumalbuminlösung und Ferricyanidlösung gefüllt und durch Verknoten so verschlossen, daß eine Luftblase mit eingeschlossen wird (2/3 Lsg. / 1/3 Luft). Der Rest der Proteinlösung wird für die Proteinbestimmung bereitgestellt. Der schlauch wird in das mit 200 ml Phosphatpuffer gefüllte Becherglas gegeben und mit einem Magnetrührer gerührt. Die wird ca. 2 Std. lang betrieben, in dieser Zeit kann der Versuch
Sephadex-Gelfiltration durchgeführt werden. Der Puffer soll sich eindeutig erkennbar gelb gefärbt haben. Danach wird der schlauch außen sorgfältig abgetrocknet. Der Inhalt wird in ein Becherglas geschüttet (mit den Fingern ausstreifen) und der Schlauch dann zweimal mit je 0,5 ml Phosphatpuffer nachgespült. Diese Spülflüssigkeiten werden mit der Hauptfraktion vereinigt. Das Volumen dieser Lösung wird durch Aufsaugen mit der Auslaufpipette möglichst genau bestimmt. Das Volumen des -Außenmediums wird mit dem Meßzylinder gemessen. Selbst wenn das Protein durch die membran in das Außenmedium gelangt wäre, wäre sein quantitativer Nachweis wegen der großen Verdünnung nicht ganz einfach. Wir verzichten daher darauf und messen den Proteingehalt der dialysierten Lösung (bei der Berechnung das erhöhte Volumen berücksichtigen). Außerdem bestimmen wir den Ferricyanidgehalt beider Lösungen. Für die Proteinbestimmungsmethode wird nach den Anweisungen der entsprechenden Praktikumsaufgabe verfahren. Für die Ferricyanid-bestimmung bei 405 Nanometer werden hier nur folgende Angaben gemacht: Es kommt darauf an, durch entsprechendes Verdünnen in einem Extinktionsbereich unter ca. 1,0 zu bleiben und die Ergebnisse so auszuwerten, daß genau angegeben wird, wieviel Ferricyanid sich noch in der lösung befindet und wieviel in das Außenmedium übergetreten ist. Schema für Auswertung: Inhalt d. schlauchs Außenmedium vor nach vor nach ml Protein Ferricyanid mg/ml mg mmol/l mmol % 100 0
2. Gelfiltration: Die "Gelfiltration" ist eine Molekularsieb-Chromatographie. Eine Chromatographiesäule wird mit porenreichen, chemisch-physikochemisch aber inerten Polysaccharid-Partikeln (z.b. "Sephadex" der Firma Pharmacia) gefüllt. Gele verschiedener Porenweite sind erhältlich. "Sephadex G 50" heißt, daß globuläre Makromoleküle mit Molgewicht über ca. 50.000 nicht mehr in die Poren passen. Solchen Molekülen steht in der Säule nur der Raum zwischen den kugelförmigen Gelpartikeln zur Verfügung, kleineren außerdem der Porenraum. Der Effekt ist, daß Makromoleküle die Chromatographiesäule schneller passieren als kleinere Moleküle. Wegen Streuung der Porengröße beobachtet man Übergänge zwischen diesen beiden Extremen. Unser experimentelles Beispiel: Auf Sephadex G 50 läßt sich Glucoseoxidase (GOD, MG 160.000 bis 185.000, je nach Herkunft) zwar kaum von Cytochrom C (Cyt C, MG 10.000) trennen, aber von Hexacyanoferrat(III) (genannt Ferricyanid, MG 329). (Mit etwas Sorgfalt kann auch eine partielle Trennung von GOD und Cyt C erreicht werden). Die Grundlagen sind einer Broschüre des Herstellers Pharmacia zu entnehmen und werden im Begleitseminar noch ausführlicher besprochen. Reagentien und Geräte: 0.05 mol/l KPO 4 ph 7, 100 ml Säule mit Sephadex G 50, Ø 8 mm, Länge 15 cm, Sephadex-Füllung 10 cm hoch. Zur Technik des "Säulen-Packens" siehe Broschüre und Anleitung durch die Betreuer. Trenngemisch: ca. 1,0 ml 0,05 mol/l KPO 4 ph 7, enthaltend: 0,1 mg Glucoseoxidase (GOD) 1 mg Cytochrom c 2 mg K 3 Fe(CN) 6 Reagenzgläser, Ständer Reagentien zum Nachweis der GOD in den Fraktionen, siehe unten Durchführung: Puffer in den Sephadexsäulen bis zur Höhe des abdeckenden Filters ablassen. Luftzutritt in das Gelbett unbedingt vermeiden. 0,5 ml des Trenngemischs vorsichtig (die Vorsicht bezieht sich darauf, daß das Gel nicht aufgewirbelt werden darf) auf das Gelbett aufpipettieren. Langsam bis zum Abdeckfilter ablassen. Dann Säule vorsichtig mit Puffer füllen und regelmäßig nachfüllen.
Vom Aufsetzen des Trenngemisches an wird das Säulen-Eluat in Fraktionen von ca. 0,5 ml (je 10 Tropfen) in numerierten Reagenzgläsern aufgefangen, bis das an der gelben Farbe erkennbare Ferricyanid die Säule verlassen hat. Zur Auswertung werden die Fraktionen zunächst visuell beurteilt. Die Verteilung der Farben (Cytochrom c und Ferricyanid) wird notiert. Die Glucoseoxidase ist trotz ihrer gelben Farbe (Flavinenzym) wegen großer Verdünnung nicht sichtbar. Sie wird deshalb über ihre kataly-tische Aktivität qualitativ nachgewiesen. Nachweis der Glucoseoxidase: Die Glucoseoxidase (GOD) katalysiert die Reaktion: D-Glucose + O 2 + H 2 O D-Gluconsäure + H 2 O 2 Einige Flavinenzyme übertragen die Elektronen auch auf unphysiologische Elektronenakzep-toren, so auch die GOD auf Ferricyanid, das zum Ferrocyanid (Hexacyanoferrat(II)) reduziert wird: D-Glucose + 2 Fe(CN) 6 3- + H 2 O D-Gluconsäure + 2 Fe(CN) 6 4- Bei der GOD bedarf diese Reaktion allerdings auch unphysiologischer Reaktionsbedingungen, nämlich einer sehr hohen Salzkonzentration, hier 3 mol/l Ammoniumsulfat. Man erkennt die GOD-haltigen Fraktionen an dem Verschwinden der gelben Farbe der Ferricyanidlösung. Zum Nachweis ist aber eine Entfärbung gar nicht nötig, es genügt die Bildung einer kleinen Menge Ferrocyanid, weil dieses sehr empfindlich durch Fe(III)-Ionen zu "Berliner Blau" umgesetzt werden kann. 3 Fe(CN) 6 4- + 4 Fe 3+ Fe 4 [Fe(CN) 6 ] 3 (unlöslich,tiefblau) GOD-Nachweis in den Fraktionen: zu jeder Fraktion 0,1 ml eines Reagentienmix geben, der 0,1 mol/l Kalium-Hexacyanoferrat(III), und 1 mol/l Glucose in 3 mol/l Ammoniumsulfatlösung enthält. Mischen, nach 10 min Beobachtung notieren. Dann zu jeder Fraktion 0,1 ml 0,2 mol/l Eisen(III)nitrat geben und mischen. Beobachtung notieren.
Die Ergebnisse werden als Diagramm ("Elutionsdiagramm") formuliert: Ordinate = geschätzte Farbintensität bzw. Entfärbung, Abszisse = Fraktionenzahl. Mit etwas Glück kann erkannt werden, daß die beiden Proteine getrennt werden. Diese Möglichkeit wird in der Forschungspraxis auch angewendet, wobei das Chromatographiematerial den Molgewichten angepaßt werden kann (z. B. Sephadex 100 oder 200, Sephacryl oder Sepharose). Ganz eindeutig ist die Abtrennung des Ferricyanids, die auch von kleinerporigen Gelen geleistet wird (Sephadex 25 oder 10), wobei dann keine Trennung von Makromolekülen untereinander angestrebt wird. Ziel ist dann die Entsalzung von Proteinen, eine bei der Proteinisolierung sehr wichtige Operation. Achtung: Ferricyanid wird in diesem Experiment (zufällig!) für zwei völlig verschiedene Funktionen eingesetzt, die nichts miteinander zu tun haben: Zuerst als billiges, ungiftiges gefärbtes niedermolekulares Salz zur Demonstration seines Verhaltens in der Chromatographie (entsprechend auch im Versuchsteil ""), dann als Substrat des Enzyms GOD. Literatur: L. Fischer, An Introduction to Gel Chromatography. In: T. S. Work and E. Work (eds.), Laboratory Techniques Vol. 1, pp 157-391. North Holland Publ. Comp. Amsterdam 1969.