In entwickelten Märkten herrscht in Bezug auf



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Transkript:

HSG-Fallstudie Management Querdenken als Königsdisziplin Innovationen auf Produkt- und Prozessebene sind wichtig, um im Wettbewerb zu bestehen. Der Bauzulieferer Hilti und der Online-Vertrieb Teekampagne zeigen, dass es Geschäftsmodell- Innovationen braucht, um den Kundennutzen zu erhöhen und sich dem Preiskampf zu entziehen. Susan Müller und Thierry Volery Die Autoren Susan Müller, Dr., ist Senior Research Associate am Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen. susan.mueller@unisg.ch Thierry Volery, Prof. Dr., ist Professor für Unternehmensführung und Entrepreneurship an der Universität St. Gallen und Direktor des Schweizerischen Instituts für Klein- und Mittelunternehmen. thierry.volery@unisg.ch In entwickelten Märkten herrscht in Bezug auf Produkt- und Dienstleistungsinnovationen ein starker Wettbewerb. Innovative Unternehmen investieren viel Geld, um ihre Märkte und Kunden zu verstehen und technologisch auf dem neuesten Stand zu bleiben. Mit Erfolg: Untersucht man den Zusammenhang zwischen den Ausgaben für Forschung und Entwicklung und dem Umsatzwachstum eines Unternehmens, zeigt sich ein signifikanter, positiver Zusammenhang. Auch hinsichtlich der Optimierung von Betriebsabläufen liefern sich die führenden Unternehmen einer Branche oftmals ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wenn jedoch alle Unternehmen die Entwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen mit Hochdruck vorantreiben, wenn die Produktentwicklungszyklen keine Zeit zum Durchatmen lassen und wenn die Mitbewerber ihre Prozesse ebenfalls kontinuierlich auf Effizienz trimmen, werden Produkt- und Prozessinnovationen zum Standard und garantieren keinen überdurchschnittlichen Erfolg mehr. Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Arten von Innovationstypen unterscheiden: Produkt- bzw. Serviceinnovationen, Prozessinnovationen und Geschäftsmodell-Innovationen. Studien, die den Zusammenhang zwischen Innovationstypen und Unternehmenserfolg analysieren sind rar. Eine IBM-Studie aus dem Jahr 2006 zum Thema «Innovation und Kooperationsmanagement» zeigt auf, dass Unternehmen, die ihren In- novationsschwerpunkt auf Geschäftsmodell-Innovation legten, häufig ein überdurchschnittliches Wachstum der operativen Marge auswiesen. Wie man Geschäftsmodell-Innovationen als Start-up beziehungsweise als etabliertes Unternehmen erfolgreich umsetzt, zeigen der Onlinevertreiber «Teekampagne» sowie der Baugerätehersteller Hilti mit der Idee des Fleet Management. In beiden Fällen unterscheidet sich das Geschäftsmodell wesentlich von den bisherigen Angeboten im Markt. Die gängigste Definition Was versteht man unter einem Geschäftsmodell? Laut dem Managementvordenker Peter Drucker muss ein Geschäftsmodell Antworten auf die folgenden Fragen geben: Welchen Nutzen bringt das Unternehmen seinen Kunden? Wie wird der Nutzen erbracht? Und wie verdient das Unternehmen damit Geld? Auch wenn in der wissenschaftlichen Literatur keine Einigkeit darüber herrscht, welche Bestandteile zu einem Geschäftsmodell gehören, so stellen die Antworten auf diese Fragen für viele Autoren die Grundpfeiler eines Geschäftsmodells dar: Das Nutzenversprechen, oder die Value Proposition, beschreibt, welchen Nutzen das Unternehmen seinen Kunden anbieten kann. Die Leistungserstellung beschreibt, auf welche Art und Weise das Nutzenversprechen eingelöst wird: In welcher Konfiguration wird das Produkt angeboten? Dabei wird wesentlich auf die > 43 io management Juni 2011

Management HSG-Fallstudie Bild: Thinkstock Weil Tee das Aroma sehr lange behält, verkauft die Teekampagne den Darjeeling-Tee vor allem in Grosspackungen. Teekampagne Tee im Familienpack Um seinen Studenten zu zeigen, dass es bei einer Unternehmensgründung vor allem auf ein gut durchdachtes Konzept ankommt, gründet der Ökonomieprofessor Günter Faltin 1985 die Teekampagne. Heute zählt die Teekampagne über 170 000 Kunden und verkauft rund 400 Tonnen Darjeeling-Tee. Dieser Tee wächst an den Steilhängen des Himalaya und gilt als Champagner unter den Tees. Das Unternehmenskonzept gründet darauf, nur eine, aber die beste Teesorte online anzubieten und dem Kunden in 1-Kilogramm-Grosspackungen nach Hause zu liefern. Die Teekampagne beschäftigt 15 Mitarbeiter, ist das grösste Teeversandhaus in Deutschland und nach Angaben des Tea Board of India weltgrösster Importeur von Darjeeling. Grosses Gewicht legt die Teekampagne auf die Nachhaltigkeit der Teepflanzungen. Schlüsselressourcen und die Schlüsselprozesse des Unternehmens gezählt, um den Kundennutzen dauerhaft und gewinnbringend zu leisten. Schliesslich beantwortet das Ertragsmodell die Frage, wie das Unternehmen Geld verdient. Entscheidend sind hier unter anderem die Ertragsmechanik, die Kostenstruktur und der Deckungsbeitrag. Sortiment verkleinern Getrieben von der Frage, was den Tee auf dem Weg vom Erzeugerland zum Konsumenten um den Faktor 10 verteuerte, deckte der Ökonomieprofessor und Gründer des Unternehmens Teekampagne Günter Faltin systematisch die wichtigsten Kostentreiber im Teegeschäft auf. Drei wesentliche Kostentreiber waren ausschlaggebend: Erstens, bis der Tee beim Kunden war, ging er durch viele Hände. Da waren der Exporteur im Erzeugerland, der Importeur im Verbrauchsland, der Grosshändler sowie der Teehändler. Da jeder mitverdienen möchte, machte dies den Tee teuer. Der zweite Faktor war die Teevielfalt, die dem Kunden in einem gut sortierten Teegeschäft angeboten wurde. Der dritte Faktor schliesslich war die Tatsache, dass Tee in Kleinpackungen angeboten wurde, obwohl es hierfür keinen triftigen Grund gab. Vielmehr handelte es sich um eine Konvention, die sich im Laufe der Zeit eingeschlichen hatte. Günter Faltin entwickelte daraufhin ein Geschäftsmodell, das die Kostentreiber systematisch umging (vgl. Tabelle auf der rechten Seite): Nutzenversprechen: Während konventionelle Teegeschäfte eine grosse Auswahl an Tees anbieten, beschränkt sich die Teekampagne auf eine einzige Sorte Tee dafür auf die beste: Darjeeling-Tee. Leistungserstellung: Anstatt die Ware vom Grosshändler zu beziehen und sie in Teegeschäften mit einem schönen Ambiente anzubieten, kauft die Teekampagne den Tee direkt beim Erzeuger ein und verschickt ihn ab Hamburg Hafen an den Endkunden. Ertragsmodell: Anders als Kaffee hält Tee das Aroma sehr lange. Für die kleinen Verpackungen, die in der Branche üblich sind, gibt es keine funktionale Begründung. Bei der Teekampagne gibt es Tee daher nur in Grosspackungen. Klein mit grossem Umsatz Die Teekampagne erwirtschaftet heute, mit weniger als 20 Mitarbeitenden, einen Umsatz von rund acht Millionen Euro pro Jahr. Mit 400 Tonnen Tee, die das Unternehmen jedes Jahr importiert, ist es der grösste Darjeeling-Importeur der Welt. Aus Sicht des Gründers, der sich auch als Leiter des Arbeitsbereichs Entrepreneurship an der Freien Universität Berlin mit Geschäftsmodellen beschäftigt, ist die Güte der unternehmerischen Idee erfolgsentscheidend: «Erfolgreiche Unternehmen entstehen im Kopf. Je besser eine unternehmerische Idee ist, je durchdachter io management Juni 2011 44

Geschäftsmodell-Innovation Tabelle Komponente des geschäftsmodells Nutzenversprechen Leistungserstellung Gewinnformel Konvetionelles Teegeschäft Grosse Auswahl an Teesorten Präsentation einer Vielzahl von Teesorten in einem Teegeschäft mit schönem Ambiente. Der Teehändler bezieht den Tee vom Grosshändler. Verkauf von kleinen Teemengen in Teegeschäften Teekampagne Die beste Teesorte der Welt zu einem günstigen Preis in Grosspackungen zum Kunden geliefert. Kein Zwischenhandel: Der Tee wird beim Erzeuger eingekauft und ab Hamburg Hafen direkt an den Endkunden geschickt. Verkauf von Grosspackungen via Internet und Mailorder Die unternehmerische Idee ist der entscheidende Faktor für den Erfolg des Geschäfts. Quelle: Müller, S.; Volery, T. (2011) Nutzenversprechen im Vergleich Grafik 1 Reduzieren Hoch Niedrig Preis Qualität Steigern Nutzenkurve Teekampagne Verpackungsgrösse Auswahl Eliminieren Ambiente Nachhaltigkeit Kreieren Lieferung Nutzenkurve des traditionellen Teehandels Während das Unternehmen Teekampagne den Nutzen für die Kunden erhöhte, senkte es die Kosten des Teehandels. Quelle: Müller, S.; Volery, T. (2011) und ausgearbeiteter, je mehr sie einem vollendeten Kunstwerk gleicht, desto mehr wird sie sich durchsetzen.» Im Vordergrund steht immer der Nutzen des Kunden. Wird der Kundennutzen der Teekampagne im Vergleich zu traditionellen Teegeschäften anhand einer Nutzenkurve analysiert, zeigen sich die grossen Unterschiede (vgl. Grafik 1 auf dieser Seite). Obwohl der Darjeeling-Tee zu einem vergleichbar niedrigen Preis angeboten wird, wird die Qualität gesteigert. Die Verpackungen sind grösser. Die Faktoren «Auswahl» und «Ambiente» gibt es dagegen nicht mehr. Lediglich eine Sorte Tee anzubieten, kann kaum als Auswahl bezeichnet werden und bei einem Internetshop kann schlecht von einem Ambiente gesprochen werden. Gleichzeitig wurden zwei neue kundenrelevante Eigenschaften kreiert: Die Teekampagne setzt sich für einen ökologisch und nachhaltigen Anbau des Darjeeling-Tees ein. Kundenrelevant ist zudem, dass der Tee bis vor die Haustür geliefert wird. Das Beispiel der Teekampagne zeigt, dass die Nutzenkurve zum Vorteil der Kunden umgestaltet wird, während die Kosten gesenkt werden. Eine bestechend gute Idee stand auch am Anfang des Fleet-Management-Angebots des Baugeräteherstellers Hilti. Damit löst das Unternehmen ein Kundenproblem. Kundenumfragen hatten > Integriertes Innovationsmodell Grafik 2 Innovationskultur Enabler Methoden Innovationstypen Erfolg Gründer/Mitarbeiter Kunden Partner Technologie z.b. Beobachtung Lead-User-Methode Fokusgruppen Strategische Kontur Vier-Aktionen- Format Produkt- und Serviceinnovation Prozessinnovation Geschäftsmodell- Innovation Wachstum Alle Innovationstypen tragen zum Wachstum bei. Der grösste Hebel liegt aber bei der Geschäftsmodell-Innovation. Quelle: Müller, S.; Volery, T. (2011) 45 io management Juni 2011

Management HSG-Fallstudie Bild: Thinkstock Viele Hilti-Kunden bohren die Löcher nicht mit den eigenen Bohrern, sondern mit geleasten Werkzeugen. Hilti Bauen mit innovativen Ideen Hilti wurde 1941 als Familienunternehmen gegründet. Seither beliefert das Unternehmen die Bauindustrie weltweit mit technologisch führenden Produkten, Systemen und Dienstleistungen für den Bau. Der Hauptsitz der Hilti-Gruppe befindet sich in Schaan im Fürstentum Liechtenstein. Hilti beschäftigt weltweit rund 20000 Mitarbeitende in mehr als 120 Ländern. Zwei Drittel der Mitarbeitenden sind in den Verkaufsorganisationen und im Engineering unmittelbar für die Kunden tätig. So kommen täglich mehr als 200 000 Kundenkontakte zustande. Hilti betreibt eigene Produktionswerke sowie Forschungs- und Entwicklungszentren in Europa und Asien. Seit 2000 hält der Martin-Hilti-Familien-Trust alle Aktien und seit 2008 alle Partizipationsscheine der Hilti- Aktiengesellschaft. > gezeigt, dass viele Kunden weder wussten, wie viele Geräte auf welcher Baustelle im Einsatz waren, noch wie alt diese Geräte waren. War eine Maschine defekt, dauerte es häufig Tage oder Wochen, bis eine Reparatur erfolgte oder ein Ersatzgerät beschafft wurde. Der Kunde war jedoch darauf angewiesen, eine einsatzfähige Maschine zu haben. Deshalb unterbreitete Hilti ihren Kunden ein neues Angebot: Statt Produkte zu kaufen, können die Kunden eine einsatzfähige Geräteflotte leasen: Nutzenversprechen: Während bisher innovative Werkzeuge verkauft wurden, erhält der Kunde nun eine jederzeit einsatzfähige Geräteflotte auf dem neuesten Stand der Technik. Leistungserstellung: Statt eines Direktverkaufs von Geräten werden nun abgestufte Fleet-Management-Pakete verkauft. Im Reparaturfall kümmert sich Hilti darum, dass die Maschine ersetzt oder repariert wird. Ertragsmodell: Wurden bisher Einnahmen aus dem Verkauf von Baugeräten generiert, werden nun monatliche Erträge aus Leasingverträgen erwirtschaftet. Vorsprung bedeutet mehr Aufwand Das neue Angebot verschaffte Hilti einen immensen Vorsprung vor der Konkurrenz. Die Einführung des Fleet-Managements war mit enormen organisatorischen Veränderungen verbunden. So mussten die Mitarbeitenden des Aussen- diensts umgeschult werden, da sie fortan auch Leasingverträge verkaufen sollten. Ein neues IT-System wurde implementiert, um das Management der Geräte zu gewährleisten, die bei Kunden im Einsatz sind. Zudem musste ein Preis für die Leasingpakete festgelegt werden, ohne dass im Vorfeld festgestellt werden konnte, wie die Kunden Geräte, die ihnen nicht gehören, behandeln würden. Der organisatorische Aufwand und das unternehmerische Risiko haben sich gelohnt: Mit der Innovation des Fleet-Managements steigerte die Hilti AG nicht nur den Umsatz pro Kunde, sondern vor allem auch das Umsatzwachstum pro Kunde. Das Beispiel zeigt, wie sich Unternehmen mit Nutzeninnovationen einen Vorsprung in hart umkämpften Märkten verschaffen. Eine Studie, die im Auftrag von Ernst & Young erstellt wurde, analysierte neben der Teekampagne und Hilti noch zwei weitere Geschäftsmodell- Innovationen, um das Zusammenspiel der Faktoren in der Entwicklung von Geschäftsmodell- Innovationen besser zu verstehen. Die Ergebnisse sind in Grafik 2 auf Seite 45 in einem «integrierten Innovationsmodell» zusammengefasst. Unabhängig davon, um welchen Innovationstyp es sich handelt, können Innovationen von verschiedenen «Enablern» ausgelöst werden. Neben dem Gründer und den Mitarbeitenden stellen auch Kunden eine wichtige Quelle für Innovation dar. Hilti beschäftigt 12 000 Aussendienstmitarbeiter, die alle mehrere Kundenkontakte pro Tag io management Juni 2011 46

haben, eine Fundgrube für Innovationen. Viele Innovationen wären ohne strategische Partnerschaften nicht denkbar. Mitunter lässt sich die Wertschöpfungskette mit Hilfe von Partnern komplett umgestalten. Zudem stellen neue Technologien die Grundlage für Produkt- und Serviceinnovationen oder die effizientere Gestaltung der Wertschöpfungskette dar. Geeignete Methoden helfen dabei, aus den genannten «Enablern» systematisch Innovationen voranzutreiben. Hierbei können Methoden wie die Beobachtung, die Lead-User-Methode oder Fokusgruppen zum Einsatz kommen. Um Geschäftsmodell-Innovationen zu entwickeln, wird beispielsweise die Methode der Nutzenkurve im Zusammenspiel mit dem Vier-Aktionen-Format eingesetzt. Den grössten Hebel nutzen Unabhängig davon, ob es sich um Produkt-, Prozess- oder Geschäftsmodell-Innovationen handelt, können alle Innovationstypen einen positiven Einfluss auf Wachstum und Erfolg des Unternehmens haben, wobei Geschäftsmodell-Innovationen die potenziell grösste Wirkung haben. Sie haben zudem enorme Auswirkungen auf viele Bereiche eines Unternehmens. Skepsis und Widerstände innerhalb und ausserhalb des Unternehmens sind daher keine Seltenheit. Trotzdem an die eigene Idee zu glauben, erfordert Durchhaltevermögen, Mut und die Bereitschaft der Unternehmensleitung, ausreichende Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Zudem wird eine Kultur benötigt, die motiviert, die Eigeninitiative fördert und Fehler toleriert. Mitarbeiter müssen wissen, dass es sich lohnt Ideen mitzuteilen, weil sie eine Chance haben, irgendwann als Innovationen zu den Kunden zu gelangen. Mitarbeitende, die unternehmerisch denken und eine Unternehmenskultur, die Innovationen ermöglicht, sind dafür unerlässlich. Pius Baschera, ehemaliger CEO und jetziger Verwaltungsratspräsident von Hilti, formuliert das so: «Wir wollen möglichst 20 000 Unternehmerinnen und Unternehmer haben. Das heisst, wir suchen Leute, die immer wieder Bestehendes in Frage stellen, die positiv zur Veränderung stehen und sie nicht als Bedrohung, sondern als Chance sehen, wachsen zu können immer wieder. Das ist unsere Kultur». Erkenntnisse aus der Fallstudie Hilti Geschäftsmodell- Innovationen nicht dem Zufall überlassen Produkt-, Service- und Prozessinnovationen reichen nicht aus: Im globalen Wettbewerb sind Produkt-, Service- und Prozessinnovationen heute Standard. Unternehmen brauchen mehr als diese, um sich gegenüber den Konkurrenten zu behaupten. Nur wer sich von den übrigen Angeboten im Markt wesentlich unterscheidet, hat Chancen, überdurchschnittlich stark zu wachsen. Geschäftsmodell-Innovationen sind eine Möglichkeit, um die Wettbewerber längerfristig auf Abstand zu halten und profitabel zu wachsen. Das gilt nicht nur für junge, sondern auch für etablierte Unternehmen. Geschäftsmodell-Innovationen systematisch vorantreiben: Zur Erneuerung ihres Produktportfolios setzen Unternehmen verschiedene Methoden und Instrumente ein. Dies ist auch dann nötig, wenn Unternehmen ihr Geschäftsmodell systematisch hinterfragen. Dazu gehört, die Kostentreiber zu eruieren und Konventionen in Frage und eventuell auch auf den Kopf zu stellen. Nützlich ist dabei, sich der eigenen Schlüsselprozesse und -ressourcen bewusst zu sein, damit diese in den Kundennutzen einfliessen. Erst dann bleiben die Geschäftsmodell-Innovationen keine Ausnahme mehr. Alle Quellen für Innovationen nutzen: Innovationen entstehen selten im stillen Kämmerlein. Neben den Ideen von Mitarbeitern und Gründern können auch die Bedürfnisse der Kunden Auslöser für Geschäftsmodell-Innovationen sein. Zusätzlich bieten neue Technologien oft die Grundlage, um Innovationen zu entwickeln und im Markt umzusetzen. Dazu braucht es allerdings eine Unternehmenskultur, welche die Eigeninitiative aller Mitarbeitenden fördert, für Inputs offen ist und sie systematisch auswertet. < Literatur IBM Global Business Services (2006): Innovation und Kooperationsmanagement im Blick: Global CEO Study. Kim, W. C.; Mauborgne, R. (2004): Der Blaue Ozean als Strategie. Carl Hanser Verlag, München. Müller, S.; Volery, T. (2010): Business Model Innovation. Bericht Ernst&Young. Agenda Mittelstand, Zürich. Stähler, P. (2001): Geschäftsmodelle in der digitalen Ökonomie. Merkmale, Strategien und Auswirkungen. Josef Eul Verlag, Lohmar. 47 io management Juni 2011