Das neue Betreuungsgesetz - die neue Rechtslage zur Patientenverfügung

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Transkript:

Ernährung 2010 - Mitten in der Medizin - 17.-19. 19. Juni 2010, Congress Center Leipzig Das neue Betreuungsgesetz - die neue Rechtslage zur Patientenverfügung Prof. Dr. Bernd-Rüdiger diger Kern Universität t Leipzig

I. Einleitung II. III. IV. Dogmatische Grundlage Bedeutung der Einwilligung Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung V. derzeitige Rechtslage VI. VII. Reformvorschläge Schluß (aktive Sterbehilfe?)

Die mit Hilfe einer Magensonde durchgeführte künstliche Ernährung ist ein Eingriff in die körperliche Integrität, der deshalb der Einwilligung des Patienten bedarf. Eine gegen den erklärten Willen des Patienten durchgeführte künstliche Ernährung ist folglich eine rechtswidrige Handlung, deren Unterlassung der Patient verlangen kann. Dies gilt auch dann, wenn die begehrte Unterlassung zum Tode des Patienten führen würde. Das Recht des Patienten zur Bestimmung über seinen Körper macht Zwangsbehandlungen, auch wenn sie lebenserhaltend wirken, unzulässig. (BGH, NJW 2005, 2385)

Jeder Eingriff in den menschlichen Körper K gilt als Körperverletzung, K die erst durch die Einwilligung des Betroffenen gerechtfertigt ist. i Daher wird für f r jeden Eingriff bei einem Patienten dessen Einwilligung benötigt keine Entbehrlichkeit der Einwilligung bei Einwilligungsunfähigkeit Einwilligung durch denjenigen, der an Stelle des Kranken zu entscheiden hat

3 Vorsorgemöglichkeiten glichkeiten des Betroffenen Patientenverfügung im engeren Sinne ( ( 1901a BGB) Vorsorgevollmacht ( ( 1896 II 2 BGB) Betreuervorschlag ( ( 1897 IV BGB) bei Fehlen der drei Varianten Betreuung

Patientenverfügung Begriff: schriftliche Erklärung rung mit dem Inhalt, bei einem bestimmten Krankheitsverlauf nicht mehr oder in festgelegter Art und Weise behandelt werden zu wollen andere Hilfe im Sinne von 1896 Abs. 2 BGB wesentliche Vorschrift: 1901a BGB

Vorsorgevollmacht bis 1992 verboten nach 1896 II BGB ist die Betreuung nur ultima ratio Begriff der Vorsorgevollmacht: Bevollmächtigung einer Person mit allen Angelegenheiten oder mit einzelnen Aufgaben Schriftform ausdrückliche Nennung der umfassten medizinischen Maßnahmen

1897 BGB (4) Schlägt der Volljährige eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Volljährigen nicht zuwiderläuft.[ uft.[ ]

Betreuer hat den "Wünschen des Betreuten zu entsprechen..." ( ( 1901 II 2 BGB )

212 StGB (Totschlag) (1) Wer einen Menschen tötet, t tet, ohne Mörder M zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf f Jahren bestraft. 13 StGB (Begehen durch Unterlassen) (1) Wer es unterläß äßt,, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür r einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

Entwurf für f r einen neu gefassten 216 StGB (Tötung auf Verlangen) (1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten teten zur Tötung T bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf f Jahren zu erkennen. (3) Nicht strafbar ist, 1. die Anwendung einer medizinisch angezeigten leidmindernden Maßnahme, die das Leben als nicht beabsichtigte Nebenwirkung verkürzt, rzt, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht 2. Das Unterlassen oder Beenden einer lebenserhaltenden medizinischen Maßnahme, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht

Entwurf für f r einen neu gefassten 1901a BGB (1) Eine Patientenverfügung, in der der Betreute seinen Willen zu Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen für f r den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit geäußert ert hat, gilt bei Einwilligungsunfähigkeit fort, falls keine konkreten Anhaltspunkte dafür r vorliegen, daß der Betreute die Patientenverfügung widerrufen hat. (2) Eine vom Betreuten getroffene Entscheidung liegt vor, wenn die d Patientenverfügung eine Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe enthält, die auf die konkrete Situation zutrifft.

Gesetzliche Verankerung der Patientenverfügung im BGB BGB alte Fassung: 1901a Schriftliche Betreuungswünsche, Vorsorgevollmacht 1904 Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Maßnahmen BGB neue Fassung: 1901a Patientenverfügung 1901b Gespräch zur Feststellung des Patientenwillens 1901c Schriftliche Betreuungswünsche, Vorsorgevollmacht 1904 Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Maßnahmen

1901 a Patientenverfügung Absatz I Patientenverfügung liegt vor Absatz II Patientenverfügung liegt nicht vor

1901 a Patientenverfügung Absatz I Patientenverfügung liegt vor Absatz II Patientenverfügung liegt nicht vor - es wird gefordert - Einwilligungsfähiger Volljähriger

1901 a Patientenverfügung Absatz I Patientenverfügung liegt vor Absatz II Patientenverfügung liegt nicht vor - es wird gefordert - Einwilligungsfähiger Volljähriger Schriftformerfordernis

1901 a Patientenverfügung Absatz I Patientenverfügung liegt vor Absatz II Patientenverfügung liegt nicht vor - es wird gefordert - Einwilligungsfähiger Volljähriger Schriftformerfordernis konkret eingetretene Lebensund Behandlungssituation beschrieben

1901 a Patientenverfügung Absatz I Patientenverfügung liegt vor Absatz II Patientenverfügung liegt nicht vor - es wird gefordert - Einwilligungsfähiger Volljähriger Schriftformerfordernis konkret eingetretene Lebensund Behandlungssituation beschrieben Patientenverfügung ist wirksam

1901 a Patientenverfügung Absatz I Patientenverfügung liegt vor Absatz II Patientenverfügung liegt nicht vor - es wird gefordert - - es wird nicht gefordert - Einwilligungsfähiger Volljähriger Beratung & ärztliche Aufklärung Schriftformerfordernis Aktualisierungspflicht konkret eingetretene Lebensund Behandlungssituation beschrieben Patientenverfügung ist wirksam

- Umsetzung - Patientenverfügung ist wirksam Patientenverfügung ist unwirksam / keine Patientenverfügung vorhanden Betreuer prüft Eintritt der konkret beschriebenen Lebens- und Behandlungssituation gegeben nicht gegeben 1901a II Betreuer ermittelt Behandlungswünsche oder mutmaßlichen Willen 1901a I 2 Einwilligung des Betreuers nicht erforderlich (?) keine Anhaltspunkte = in dubio pro vita Verfügung ist unmittelbar umzusetzen Verfügung ist mittelbar umzusetzen

1904 Gerichtliche Genehmigung? Absatz I Gefahr durch Einwilligung in Maßnahme Absatz II Gefahr durch Versagung oder Widerruf der Maßnahme Einvernehmen zwischen Betreuer und behandelnder Arzt? ja nein gerichtliche Genehmigung nötig Absatz IV Genehmigung entbehrlich

1904 Gerichtliche Genehmigung? Absatz I Gefahr durch Einwilligung in Maßnahme - Ausnahme - Absatz II Gefahr durch Versagung oder Widerruf der Maßnahme Gefahr durch Aufschub Einvernehmen zwischen Betreuer und behandelnder Arzt? ja nein gerichtliche Genehmigung nötig Absatz I 2 Genehmigung entbehrlich Absatz IV Genehmigung entbehrlich

in dubio pro vita