DNotI Deutsches Notarinstitut Gutachten-Abruf-Dienst Gutachten des Deutschen Notarinstituts Abruf-Nr.: 99357# letzte Aktualisierung: 10. Dezember 2009 EGBGB Art. 14, 15 Türkei: gesetzlicher Güterstand I. Sachverhalt/Frage Es soll ein Grundstückskaufvertrag beurkundet werden, mit dem ein türkischer Staatsangehöriger, geboren im Jahre 1965, ein Grundstück in Deutschland erwirbt. Der Käufer ist mit einer ebenfalls türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Eine Wahl zum Güterstatut bzw. Güterstand ist von den Eheleuten bislang nicht getroffen worden. Was ist bei der Gestaltung des Vertrages zu beachten? II. Zur Rechtslage Auswirkungen auf den beabsichtigten Grundstückskaufvertrag könnten sich aus dem anzuwendenden Güterrecht ergeben. 1. Güterstatut; anwendbares Recht Gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB unterliegen die Eheleute, da sie beide türkische Staatsangehörige sind, aus deutscher Sicht dem türkischen Ehegüterrecht, sofern sie keine Rechtswahl nach Art. 15 Abs. 2 EGBGB getroffen haben. Gem. Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB können sie für unbewegliches Vermögen das Recht des Lageortes wählen, so dass aus deutscher Sicht die Wahl deutschen Güterrechts für die in Deutschland belegene Immobilie möglich ist. Eine Rechtswahl ist nur mit Wirkung für die Zukunft, nicht auch mit Rückwirkung möglich (h. M., vgl. u. a. Palandt/Thorn, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl. 2010, Art. 15 EGBGB Rn. 21). Aus türkischer Sicht gilt nach Art. 15 Abs. 1 des neuen türkischen IPR-Gesetzes (Gesetz Nr. 5718 vom 27.11.2007 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht, in deutscher Übersetzung abgedruckt in: IPRax 2008, 283 ff.) und galt auch nach Art. 14 des früheren türkischen IPR-Gesetzes (Gesetz über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht Nr. 2675 v. 20.5.1982, in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Länderbericht Türkei, Stand: 30.6.2003) Folgendes: Bei Fehlen einer Rechtswahl hinsichtlich des ehelichen Vermögens kommt in erster Linie das gemeinsame Heimatrecht, hier also türkisches Recht, zur Anwendung. Eine Rechtswahl ist nach Eheschließung nicht mehr Deutsches Notarinstitut Gerberstraße 19 97070 Würzburg Telefon (0931) 35576-0 Fax (0931) 35576-225 email: dnoti@dnoti.de internet: www.dnoti.de user/mr/pool/gutachten/2010/99357-fax.doc
Seite 2 möglich, es sei denn, dass Ehegatten nach der Eheschließung eine neue gemeinsame Staatsangehörigkeit erwerben (vgl. Art. 15 Abs. 3 türk. IPRG). Eine inhaltlich neue Regelung findet sich in Art. 15 Abs. 2 des neuen türkischen IPR- Gesetzes, wonach sich die Auseinandersetzung des Vermögens hinsichtlich unbeweglicher Sachen nach dem Recht am Lageort richtet. Hierauf wird in Ziff. 4 b) eingegangen. Aus Sicht beider Rechtsordnungen ist also türkisches Recht Güterstatut. Eine nach deutschem Recht mögliche Rechtwahl gem. Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB würde aus türkischer Sicht nicht anerkannt, so dass sie nicht empfohlen werden sollte. 2. Gesetzlicher Güterstand; Erwerb zu Alleineigentum eines Ehegatten möglich? Ob der Ehemann die in Deutschland gelegene Immobilie zu Alleineigentum erwerben kann, ist eine Frage des hier einschlägigen gesetzlichen Güterstandes. Bis zum 31.12.2001 war gesetzlicher Güterstand in der Türkei die Gütertrennung (Art. 170, 186 ff. türk. ZGB a. F.). Seit 1.1.2002 ist die Errungenschaftsbeteiligung gesetzlicher Güterstand. Für vor dem 1.1.2002 geschlossene Ehen bestand eine Übergangsfrist: Binnen eines Jahres seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen ZGB hatten Eheleute, welche vor dem 1.1.2002 die Ehe geschlossen hatten, die Möglichkeit, zu erklären, dass sie nicht in den Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung wechseln wollen. Eine solche Möglichkeit besteht zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht mehr, so dass unerheblich ist, ob die Eheschließung vor oder ab dem 1.1.2002 stattgefunden hat. Die Eheleute leben somit vorliegend im Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung türkischen Rechts (Art. 202 S. 1 türk. ZGB n. F.). Es handelt sich hierbei um keine Errungenschaftsgemeinschaft wie z. B. nach den meisten Rechtsordnungen des Code Napoléon oder der ehemals kommunistischen Länder. Vielmehr ist die Errungenschaftsbeteiligung türkischen Rechts ein Unterfall der Gütertrennung ähnlich wie die Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts. Es gibt kein Gesamtgut der Ehegatten. Während des Bestehens des Güterstands bleibt das jeweilige Eigentum der Eheleute getrennt; erst bei Beendigung des Güterstandes findet eine schuldrechtliche Auseinandersetzung statt. Der wesentliche (aber auch nahezu einzige) Unterschied zur Zugewinngemeinschaft ist, dass ein Wertzuwachs des in die Ehe eingebrachten oder durch Schenkung oder von Todes wegen erworbenen Vermögens von vornherein nicht dem Ausgleich unterfällt (also im Ergebnis ähnlich wie eine häufig in Deutschland ehevertraglich vorgenommene Modifikation der Zugewinngemeinschaft). Der Ehemann kann die in Deutschland gelegene Immobilie somit zu Alleineigentum erwerben. Es wäre aber auch ein Erwerb durch die Eheleute zu Miteigentum möglich. 3. Bei späterer Veräußerung o. Ä.: Eingreifen von Verfügungsbeschränkungen? Für die Eheleute könnte sich auch die Frage stellen, ob nach Erwerb der Immobilie durch den Ehemann zu Alleineigentum dieser allein verfügungsbefugt ist oder ob die Ehefrau bestimmten Maßnahmen, z. B. einer späteren Veräußerung, zustimmen muss. a) Keine Verfügungsbeschränkung nach Güterrecht Nach Art. 223 türk. ZGB n. F. verwaltet und nutzt jeder Ehegatte seine Errungenschaft und sein Eigengut innerhalb der gesetzlichen Schranken und verfügt darüber. Eine
Seite 3 Einschränkung der Verfügungsbefugnis ist nach Art. 223 Abs. 2 türk. ZGB n. F. für den Fall vorgesehen, dass ein Vermögenswert im Miteigentum beider Ehegatten steht. In einem solchen Fall kann kein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen über seinen Anteil verfügen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Wenn also der Ehemann zu Alleineigentum erwirbt, greift die Verfügungsbeschränkung des Art. 223 Abs. 2 türk. ZGB n. F. nicht ein, er ist allein verfügungsbefugt. b) Ggf. Verfügungsbeschränkung aus den allgemeinen Ehewirkungen nach türkischem Recht Allerdings sieht Art. 194 türk. ZGB n. F. eine Beschränkung in der Verfügung über die Familienwohnung vor. aa) Qualifikation des Art. 194 türk. ZGB Art. 194 türk. ZGB n. F. ist allerdings keine güterrechtlich zu qualifizierende Vorschrift, sondern unterliegt dem Statut der allgemeinen Ehewirkungen. Dies ergibt sich bereits aus der systematischen Stellung der Vorschrift im 3. Abschnitt des türkischen ZGB über die Wirkungen der Ehe im Allgemeinen, wohingegen das Güterrecht der Ehegatten im 4. Abschnitt des türkischen ZGB geregelt ist. Die Wirkungen der Ehe im Allgemeinen gelten demnach für sämtliche Güterstände des türkischen Rechts. Verfügungsbeschränkungen, die für alle Ehen ohne Rücksicht auf eine besondere Vermögensordnung bestehen, unterfallen dem allgemeinen Ehewirkungsstatut und sind demnach nach Art. 14 EGBGB anzuknüpfen (Mankowski, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearb. 2003, Art. 14 EGBGB Rn. 302 f.; Junker, Internationales Privatrecht, 1998, Rn. 505 zum vergleichbaren Fall des Art. 215 Abs. 3 des franz. Code Civil). bb) Ehewirkungsstatut Aus deutscher Sicht unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört; diese Anknüpfung ist wandelbar. Wenn beide Ehegatten die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, so ist nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB das türkische Recht berufen. Gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB umfasst diese Verweisung wieder auch das türkische Kollisionsrecht. Das Statut der allgemeinen Ehewirkungen beurteilt sich nach türkischem Recht gem. Art. 13 Abs. 3 des türk. IPRG n. F.. Die allgemeinen Wirkungen der Ehe unterliegen wiederum primär dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten. Auch auf die allgemeinen Ehewirkungen findet hier also das türkische Recht Anwendung, so dass sich eine Verfügungsbeschränkung aus der zuvor zitierten Vorschrift des Art. 194 ZGB n. F. ergeben könnte. Die Regelung des türkischen ZGB im Zusammenhang mit den allgemeinen Wirkungen der Ehe gelten nach Art. 9 Abs. 4 des Einführungsgesetzes zum türkischen ZGB (Text in StAZ 2002, 100, 121) auch für Ehen, die vor Inkrafttreten des neuen türkischen ZGB am 1.1.2002 geschlossen worden sind.
Seite 4 cc) Regelung des Art. 194 türk. ZGB Art. 194 Abs. 1 türk. ZGB n. F. bestimmt, dass ein Ehegatte nur mit ausdrücklicher Zustimmung des anderen die Rechte an der Wohnung oder an dem Haus der Familie beschränken kann. Ein Ehegatte kann somit nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des anderen einen Mietvertrag über die Familienwohnung kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräußern oder die Rechte daran beschränken. Nach Art. 194 Abs. 3 türk. ZGB n. F. kann der Ehegatte, der nicht Eigentümer der Immobilie ist, die der Nutzung der Familie als Wohnung gewidmet ist, die erforderliche die Familienwohnung betreffende Vormerkung im Grundbuch verlangen. Eine mit Art. 194 Abs. 1 türk. ZGB n. F. wortgleiche Bestimmung findet sich im schweizerischen Zivilgesetzbuch in Art. 169 ZGB. Da uns Kommentierungen zum türkischen Recht bislang zu dieser Frage nicht vorliegen, können wir insoweit nur auf die Schweizer Regelung verweisen. Nach der Kommentierung von Schwander (in: Honsell/Vogt/Geiser, Zivilgesetzbuch I, 2. Aufl. 2002, Art. 169 Rn. 10) entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für den anderen Ehegatten - wenn die Ehegatten sich darauf einigen, die Familienwohnung aufzugeben (wobei die Beweislast dafür i. d. R. derjenige Ehegatte trägt, der sich auf eine solche Einigung beruft); - wenn beide Ehegatten definitiv aus der Familienwohnung ausgezogen sind, ohne die Absicht oder reelle Möglichkeit, dorthin zurückzukehren (wobei sich auch hier Beurteilungs- oder Beweisprobleme stellen können); - wenn der aus Art. 169 ZGB berechtigte Ehegatte die Wohnung aus freiem Entschluss für unbestimmte Zeit verlässt. 4. Erbrechtliche Behandlung Von Interesse für die Eheleute dürfte auch sein, was im Fall des Todes des Ehemannes in Bezug auf die Immobilie bzw. den Wert der Immobilie geschieht. a) Erbstatut Das auf die Erbfolge anwendbare Recht bestimmt sich im Verhältnis zur Türkei gem. Art. 3 Abs. 2 S. 1 EGBGB vorrangig nach den Bestimmungen in der Anlage zu Art. 20 des Deutsch-Türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 ( Nachlassabkommen, RGBl. 1930 II, S. 747). Dieses Abkommen gilt laut Bekanntmachung vom 26.2.1952 (BGBl. II, S. 608) im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei fort (vgl. Dörner, Das deutsch-türkische Nachlassabkommen, ZEV 1996, 90 ff.). 14 des Nachlassabkommens (Text bei Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Deutschland, Texte A II 2 Nr. 12) bestimmt das auf die Erbfolge anwendbare Recht wie folgt: (1) Die erbrechtlichen Verhältnisse bestimmen sich in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte (2) in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in
Seite 5 der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre. Hiernach unterliegt die Erbfolge grundsätzlich dem Heimatrecht des Erblassers, also türkischem Recht. Diese Geltung des Heimatrechts wird jedoch in 14 Abs. 2 des Nachlassabkommens durch die Geltung des Belegenheitsrechts für das Immobiliarvermögen durchbrochen. Es findet also für in Deutschland belegenen Grundbesitz deutsches Recht Anwendung, so dass hier eine Nachlassspaltung eintritt. Folge der Nachlassspaltung ist, dass zwei Nachlassmassen entstehen, die sich jeweils selbständig nach dem türkischen und nach dem deutschen Recht vererben. Eine Rechtswahl sieht das Nachlassabkommen nicht vor. Aus deutscher Sicht wäre hier ohnehin ausschließlich eine Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB zugunsten des deutschen Rechts für den in Deutschland belegenen Grundbesitz möglich. Diese Wirkungen treten hier aufgrund des Nachlassabkommens jedoch schon ipso iure ein. Eine Möglichkeit, für das bewegliche Nachlassvermögen der Erblasser das deutsche Erbrecht zur Anwendung zu bringen, besteht nicht. b) Betreffend den dem deutschen Erbrecht unterliegenden Nachlass (Immobilie in Deutschland): Erhöhung des Ehegattenerbteils nach 1371 Abs. 1 BGB? Wie ausgeführt wird das deutsche Immobilienvermögen nach deutschem Erbrecht vererbt. Fraglich ist jedoch, ob im Fall des Todes des Ehemannes der gesetzliche Erbteil der überlebenden Ehefrau und damit auch ihr Pflichtteil gem. 1371 Abs. 1 BGB zu erhöhen ist. Vorliegend ist das türkische Recht Güterstatut. Bei der Frage, ob 1371 Abs. 1 BGB zur Anwendung gelangt, ist maßgeblich, ob 1371 Abs. 1 BGB güterrechtlich oder erbrechtlich qualifiziert wird. Nach der h. M. wird die Vorschrift güterrechtlich qualifiziert und ist daher nur anzuwenden, wenn deutsches Recht Güterstatut ist und die Ehegatten im deutschen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben (vgl. z. B. Palandt/Thorn, 69. Aufl. 2010, Art. 15 EGBGB Rn. 26 m. w. N.); danach würde hier eine Anwendung ausscheiden. Nach anderer Auffassung (so einige Autoren, vgl. Palandt/Thorn, a. a. O.) wird die Bestimmung erbrechtlich qualifiziert; danach soll es ausreichen, dass deutsches Recht Erbstatut ist, so dass 1371 Abs. 1 BGB hier zum Zug kommen könnte. Im vorliegenden Fall könnte jedoch der Streitstand möglicherweise dahinstehen. Nach Art. 15 Abs. 2 türk. IPRG n. F. wird nämlich auf die Auseinandersetzung des Vermögens hinsichtlich unbeweglicher Sachen das Recht des Landes angewandt, in dem sie belegen sind. Diese Vorschrift ist bei Beendigung des Güterstandes zu beachten (vgl. auch Kaplan, in: Rieck, Internationales Familien- und Verfahrensrecht, Loseblattsammlung, Länderbericht Türkei, Stand: April 2009, Rn. 37). Ein solche Güterstandsbeendigung tritt auch im Fall des Todes eines Partners ein. Man könnte also aus Art. 15 Abs. 2 türk. IPRG n. F. für den vorliegenden Fall ableiten, dass bezogen auf das deutsche Immobilienvermögen im Todesfall die deutschen (güterrechtlichen) Auseinandersetzungsvorschriften anzuwenden wären, zu denen gerade auch 1371 BGB gehört, und somit auch zu einer Anwendung des 1371 Abs. 1 BGB (pauschale Erbteilserhöhung) gelangen. Da zu dieser Frage bislang weder Rechtsprechung noch Literatur ersichtlich ist, kann nicht prognostiziert werden, wie ein solcher Fall später behandelt würde.