XXII Atelier de la Concurrence Grundlagenpapier Entwicklungen und Innovationen im Werbemarkt: der Wettbewerb im Admeira-Zeitalter Aus dem Inhalt Joint Venture Admeira Konvergenz zwischen Mediengattungen Substitution und Marktabgrenzung Crossmediale Werbung Verfasser Pol Bergamin
Entwicklungen und Innovationen im Werbemarkt: der Wettbewerb im Admeira-Zeitalter Der Werbemarkt unterliegt einer dynamischen Entwicklung. Aufgrund des technologischen Fortschritts werden traditionelle Marktstrukturen abgeändert. Analoge Märkte werden zunehmend digital. Dies zeigt sich namentlich bei den Werbeausgaben: Während die Werbung in klassischen Medien wie Radio, Print und Fernsehen zunehmend an Wachstum einbüsst und teilweise sogar stark rückläufig sind, findet eine Verlagerung auf elektronische Formate wie IPTV, Digitalradio und Online-Portale statt. Das kürzlich von der Wettbewerbskommission, dem BAKOM und UVEK genehmigte Joint Venture «Admeira» zwischen der SRG, Ringier und Swisscom war nur der einstweilige Höhepunkt eines sich stark verändernden Schweizer Werbemarktes. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zeigen sich dabei unterschiedliche Herausforderungen: Ist die traditionelle Marktabgrenzung der WEKO noch zeitgemäss, oder müssen Medienunternehmen zunehmend als Multimediaplattformen erfasst und beurteilt werden müssen? Wird die Bedeutung von Nutzungs- und Nutzerdaten genügend gewichtet? Können traditionelle Beurteilungsinstrumente diese digitale Marktmacht hinreichend erfassen? 1 Wertschöpfungskette Werbemarkt Die Wertschöpfungskette im Werbemarkt ist teilweise durchlässig. So ist es einem Werbeauftraggeber möglich, direkt beim Medienanbieter oder via Vermarkter/Vermittler eine Werbung zu buchen. In der Regel werden der Inhalt und die Auswahl des Medienmix aufgrund der Präferenzen des Werbeauftraggebers durch die Werbe- und Mediaagentur bestimmt und über eine Vermittlungs- oder Vermarktungsgesellschaft für den Werbekunden beim Mediaanbieter platziert. 1
Auf Stufe der Werbe- und Mediaagenturen sind sehr viele grosse und kleine Unternehmen tätig, während sich auf Stufe der Vermarkter und Vermittler wenige Marktakteure etabliert haben. Eine zunehmende Marktkonzentration zeigt sich auch bei den Medienanbietern. Das Joint Venture Admeira (SRG, Ringier, Swisscom) ist neu als Player auf den Markt getreten. Als vertikal integriertes Unternehmen werden vorwiegend crossmediale Angebote und zielgruppenspezifische Werbung angeboten. 2 Marktabgrenzung 2.1 Einführung Um Wettbewerbswirkungen zu bestimmen, gilt es zunächst den relevanten Markt abzugrenzen. Nur damit lässt sich bestimmen, ob und inwiefern ein bestimmtes Verhalten auf dem Markt positive oder negative Wettbewerbswirkungen entfaltet. 2.2 Relevanter Markt Der sachlich relevante Markt umfasst alle Produkte und Dienstleistungen, welche aufgrund ihres Zwecks funktionell austauschbar sind. 1 Der räumlich relevante Markt stellt auf das Gebiet ab, in welchem die sachlich relevanten Produkte/Dienstleistungen angeboten bzw. nachgefragt werden. Die Prüfung des relevanten Marktes bei Zusammenschlüssen erfolgt ex ante, also für einen zukünftigen Zeitraum von ca. zwei bis drei Jahren. 2 etc.) einen eigenen relevanten Markt ab. Diese werden zum Teil weiter unterteilt. Im neusten Entscheid bzgl. Werbemarkt ( Admeira ) hat die WEKO diese Tradition fortgesetzt und namentlich folgende Märkte abgegrenzt 3 TV Werbung, TV Sponsoring, Radio Sponsoring, Werbevermarktungsrechte (Displaywerbung), Werbeinventar TV-Plattformen Swisscom, Werbeinventar von Ringier. Der räumlich relevante Markt erstreckt sich zumeist über das Sendegebiet: sprachregional oder national. 2.4 Würdigung Die Annahme, Werbemärkte seien jeweils nach Mediengattungen abzugrenzen, stimmt solange, als zwischen den Mediengattungen keine oder nur eine schwache Substitution vorliegt. Theoretische Ausgangslage: Gemäss SS- NIP Test würde die Marktgegenseite (Agenturen, Werbeauftraggeber) bei der Preiserhöhung einer Mediengattung nicht durch einen Wechsel auf eine andere Mediengattung reagieren, weil die Mediengattungen untereinander nicht austauschbar sind. Empirische Analysen: Ein Gutachten der ZHAW aus dem Jahr 2013 zeigt, dass Mediengattungen tendenziell immer stärker austauschbar sind. 4 Zunehmende cross-media Werbung sowie die Konvergenz der Mediengattungen beschleunigen diesen Prozess. 2.3 Aktuelle Marktabgrenzung der WEKO Die WEKO grenzt bisher für jede Mediengattung (Print, TV, Radio, Online, Aussenwerbung, 1 Vgl. a. Definition von Art. 11 Abs. 3 lit. a VKU. 2 Stellungnahme WEKO, 14.12.2015, S.44. 3 Stellungnahme WEKO, 14.12.2015, S 23. 4 Traditionelle Marktabgrenzungen sind tendenziell unrealistisch vgl. BALDI, in: AJP 2015 S. 781. 2
3 Aktuelle Entwicklungen 3.1 Cross-mediale Werbung Cross-mediale Werbung bezeichnet die Werbung über mehrere inhaltlich, gestalterisch und redaktionell verknüpfte Mediengattungen. Trotz traditioneller Unterscheidung zwischen TV, Print, Online, DOOH und anderen Mediengattungen ist heutzutage in der Praxis der cross-mediale Einsatz von Mediengattungen Standard («Medienmix»). 5 Die zunehmende Digitalisierung unterstützt diesen Trend: Eine Video-Werbung (Bewegtbild und Ton) wird heute praktisch identisch über TV, Online (Zeitschriften, Web-TV, Radio) und DOOH ausgestrahlt. 3.2 Konvergenz Unter Medienkonvergenz versteht man die Verschmelzung verschiedener Medien bzw. Kommunikationskanäle auf der technischen, der inhaltlichen Ebene und der Nutzungsebene 6. Medienkonvergenz bezeichnet somit das Zusammenwachsen bisher getrennt betrachteter Medienbereiche bzw. das technische Zusammenwachsen unterschiedlicher Anwendungen und Endgeräte zu einer einzigen technologischen Plattform 7 Das Thema der Konvergenz zwischen den Mediengattungen wurde bereits mehrfach von der WEKO thematisiert. 8 Eine Praxisänderung, welche aufgrund der zunehmenden Konvergenz, der cross-mediale Werbung sowie der zunehmenden Aus- 5 Slembeck et. al., Gutachten ZHAW, Executive Summary. 6 Website der Bundeszentrale für politische Bildung, https:// www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/gus_37_medienkonvergenz. pdf 7 Website der Bundeszentrale für politische Bildung, https:// www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/gus_37_medienkonvergenz. pdf 8 Joint Venture Parteien in Stellungnahme WEKO 14.12.2015, S.57; 2001 Von Radio Z in der Untersuchung Tamedia/Belcom geltend gemacht (RPW 2001/4, S. 721 ff.). tauschbarkeit von Mediengattungen einen umfassenderen Werbemarkt abgrenzt, würde nicht überraschen. 9 3.3 Nutzungs- und Nutzerdaten Zusätzliche Bedeutung gewinnen Nutzungsund Nutzerdaten. Die Medien- und Telekommunikationsunternehmen können durch die Sammlung und Auswertung dieser Daten starke Marktpositionen erlangen. Die traditionellen Beurteilungsinstrumente können diese digitale Marktmacht möglicherweise nur ungenügend erfassen. 3.4 Zielgruppenspezifische Werbung Leistungsfähige Netze, umfangreiche Nutzerdaten und intelligente Geräte bieten den Unternehmen neue Möglichkeiten, um potenzielle Kunden zu erreichen: Werbung wird von Vermarkter zunehmend zielgerichtet angeboten und direkt digital ausgeliefert. Es geht vermehrt darum, genau definierten Zielgruppen zu erreichen, unter optimaler Nutzung eines cross-medialen Medienmix, um Streuverluste zu minimieren. 4 Herausforderungen Beim neueste Entscheid i.s. «Admeira» scheint die WEKO nach wie vor von der traditionell engen Marktabgrenzung auszugehen. Eine solche enge - empirische nicht mehr belegte (siehe die ZHAW-Studien) - Marktabgren- 9 Vgl. die Praxis zur Marktabgrenzung: 1997/2, S. 179, Publicitas - Gasser - Tschudi Druck; RPW 1999/3, S. 480, TeleZüri AG; RPW 2000/2, S. 252, St.Galler Tagblatt AG /Medien Z Holding; RPW 2001/4, S. 721ff., Tamedia/Belcom; RPW 2002/3,S. 488, Tamedia AG LH Holding AG/Radio Basilisk Betriebs AG; RPW 2004/2, S. 492, NZZ-Espace- Bund; RPW 2007/1, S. 99, Lavena- ProSiebenSat.1; RPW 2007/1, S. 114 Tamedia AG/Radio Basel 1 Werbe AG/Radio Regenbogen Hörfunk in Baden GMbH & Co.; RPW 2007/4, S. 607, Tamedia AG/Espace Media Groupe; RPW 2009/3, S. 254, Tamedia/PPSR; RPW 2012/3, S. 680, Tamedia/Giacomo Salvioni/20 minuti/tio. 3
zung auferlegt den einzelnen Akteuren ohne Not erhebliche Einschränkungen: Je kleiner der Markt, desto stärker die Auswirkung der Akteure und ihrer Handlungen auf dem relevanten Markt. Massnahmen zu berücksichtigen. Kleine und enge Märkte begründen relativ schnell eine marktbeherrschende Stellung und entsprechende Verhaltenspflichten auf den einzelnen nicht mehr zeitgemässen Werbemärkten. Dies kann zu erheblichen Kosten im Compliance-Bereich führen. Ökonomische Strategien von Werbeunternehmen sind alsdann nur unter Inkaufnahme erheblicher Rechtsrisiken möglich. In einem Zeitalter globaler Player wie Google riskieren die Wettbewerbsbehörden, dass die Innovationskraft von Schweizer Unternehmen gehemmt wird. 5 Ausblick Um der Wirtschaftsfreiheit und dem verfassungsmässigen Grundsatz einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Wettbewerbs-Ordnung gerecht zu werden, stellt sich die Frage, ob die geltende Praxis der WEKO zur Marktabgrenzung nicht als überholt gilt. Eine Zuordnung einer Werbedienstleistung zu einer bestimmten Mediengattung oder einem bestimmten Endgerät oder Übertragungsweg, fällt den Konsumenten zunehmend schwer. Crossmediale Werbekampagnen sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die Konvergenz der einzelnen Mediengattungen (Werbeträger) sind mittlerweile weit fortgeschritten und aus der Praxis nicht mehr wegzudenken. Die WEKO ist gefordert, diese Entwicklungen in ihre Marktanalysen einfliessen zu lassen. Unternehmen sind gefordert bei ihrer Strategieplanung eine gründliche Risikoanalyse vorzunehmen und bei der Umsetzung konkreter 4
Quellenverzeichnis Literatur Baldi Marino, Fernsehen SRF und Wettbewerb zur Rolle des Kartellgesetzes in: AJP S. 781. Carron Blaise, les transactions couplées en droit de la concurrence: anaylse économique et juridique comparée, Zürich/Basel/ Genf 2004. Reinert Mani/ Bloch Benjamin, in: Basler Kommentar, Kartellgesetz, Amstutz Marc/ Reinert Mani (Hrsg.), Basel 2010. Von Bühren Roland/ Mahrbach Eugen/ Ducrey Patrik, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. Bern, 2008. Patrick L., Plaschnick Björn, Wettbewerbssituation im Schweizer Werbemarkt, Volkswirtschaftliche und kartellrechtliche Analyse der Entwicklungen im Schweizer Werbemarkt, Gutachten der ZHAW - Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften School of Management and Law zuhanden KE Media, Finkenau 35, D-20081 Hamburg. Hofer Romi, Kopf Roland, Burkhalter Reto, Hollenstein Markus (publisuisse SA)/Bolliger Kerstin (zehnvier research & strategy) in: Publisuisse SA (Hrsg.), Medien der Zukunft 2020, 20 Erkenntnisse zu Medienlandschaft, Marketing, Kommunikation und deren Entwicklung. (zit. Medien der Zukunft 2020). Zäch Roger, Schweizerisches Kartellrecht, 2. Aufl., Bern 2005. Weber Rolf. H., Realizing a New Global Cyberspace Framework Normative Foundations and Guiding Principles, ZIK - Publikationen aus dem Zentrum für Informations- und Kommunikationsrecht der Universität Zürich Band/Nr. 60, Zürich 2014. Materialien Stellungnahme vom 14. Dezember 2015 in Sachen Zusammenschlussvorhaben 41-0772 gemäss Artikel 32 und 33 des Bundesgesetzes über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) betreffend das Zusammenschlussvorhaben 41-0772 Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft / Swisscom AG / Ringier AG. Jahresbericht der WEKO an den Bundesrat, Berichtsjahr 2015. Empirische Studien Slembeck Tilman, Münch Peter, Krauskopf 5