Aussagenlogik 51. Aussagenlogik. Syntax Semantik Formeln, Modelle, Tautologien und Anwendungen Bernd Baumgarten

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Transkript:

Aussagenlogik 51 Aussagenlogik Syntax Semantik Formeln, Modelle, Tautologien und Anwendungen

Aussagenlogik 52 Modelle und Gegenbeispiele Eine für eine Formel ϕ ausreichende Belegung bel ist Modell von ϕ : wert ( ϕ) = W. Man sagt/schreibt dafür auch: bel bel erfüllt ϕ bzw. ϕ gilt unter bel bzw. bel = ϕ. Beispiel: Jede Belegung bel mit bel(a) := F, bel(b) := W ist Modell von bel ist Gegenbeispiel zu ϕ : wert bel (ϕ) = F Man sagt/schreibt auch: bel widerlegt ϕ bzw. bel = / ϕ. A B. Beispiel: Jede Belegung bel mit bel(a) := W, bel(b) := F ist ein Gegenbeispiel für A B. Die Zeilen der Wahrheitstafel, in denen unter der Formel W (bzw. F) steht, enthalten unter den Aussagevariablen die Modelle (bzw. Gegenbeispiele). Der Wahrheitstafelalgorithmus liefert alle Modelle und Gegenbeispiele einer Formel. Ggf. Belegung fortsetzen!

Aussagenlogik 53 Semantische Kategorien von Formeln (1) Existenz von Modellen und Gegenbeispielen Eine Formel ϕ nennt man erfüllbar, wenn sie ein Modell besitzt, und unerfüllbar (oder widersprüchlich) wenn nicht. Beispiele: A B ist erfüllbar; A A ist unerfüllbar. Eine Formel ϕ nennt man kontingent, wenn sie Modell(e) und Gegenbeispiel(e) besitzt. Beispiel: A B ist kontingent. Eine Formel nennt man allgemeingültig (oder eine Tautologie) und schreibt dann = ϕ, wenn sie unter jeder für sie ausreichenden Belegung wahr ist, und widerlegbar (oder falsifizierbar, ϕ ) wenn nicht. Beispiele: ( A B) ( B A) ist allgemeingültig und erfüllbar; ( A B) ( B A) ist widerlegbar und erfüllbar und daher kontingent. Ü16

Aussagenlogik 54 Semantische Kategorien von Formeln (2) Übersicht Wahrheitstafel erfüllbar W unerfüllbar nur F ϕ ist kontingent In ϕ -Spalte d. W.-tafel kommt W und F vor. allgemeingültig nur W widerlegbar F Doxiadis/Papadimitriou/Papadatis: Logicomix: An Epic Search for Truth. Bloomsbury, 2009

Aussagenlogik 55 Wichtige Tautologien (1): Implikationen Ex-Falso-Prinzip ( P P) Q Peirce s Gesetz (( P Q) P) P Kontraposition ( P Q) ( Q P) Kettenschluss ( P Q) (( Q R) ( P R) ) Prämissenverbindung (( P Q) R) ( P ( Q R) ) Prämissenvertauschung ( P ( Q R) ) ( Q ( P R) ) Selbstdistributivität (( P ( Q R)) (( P Q) ( P R))

Aussagenlogik 56 Implikationen, Beweisbeispiel: Kontraposition mit normaler und modifizierter Wahrheitstafel: P Q P Q Q P Q P ( P Q) ( Q P) W W W F F W W W F F W F F W F W W F W W W F F W W W W W (P Q) ( Q P) W W W W F W W F W W F F W W F F F W F W W W F W W W F F W F W W F W W F

Aussagenlogik 57 Wichtige Tautologien (2): Äquivalenzen/Biimplikationen Regeln für Konjunktion und Disjunktion ( P P) P ( P P) P Idempotenz ( P Q) ( Q P) ( P Q) ( Q P) Kommutativität (( P Q) R) ( P ( Q R)) Assoziativität (( P Q) R) ( P ( Q R)) Assoziativität (( P ( Q R)) (( P Q) ( P R)) Distributivität (( P ( Q R)) (( P Q) ( P R)) Ü17a Distributivität Negationsregeln P P doppelte Negation ( P Q) ( P Q) ( P Q) ( P Q) Anti-Distributivität

Aussagenlogik 58 Wichtige Tautologien (3): weitere Äquivalenzen/Biimplikationen Tautologie- und Kontradiktions-(Absorptions-)Regeln ( P ( Q Q)) P ( P ( Q Q)) ( Q Q) Tautologie- Absorption ( P ( Q Q)) P ( P ( Q Q)) ( Q Q) Kontradiktion- Absorption Implikations- und Äquivalenzauflösungsregeln ( P Q) (( P Q) ( Q P)) Äquivalenzauflösung ( P Q) ( P Q) Ü17b Implikationsauflösung

Aussagenlogik 59 Formelmengen Eine Belegung bel ist ausreichend (oder passend) für eine Menge Φ von Formeln, wenn sie alle Aussagevariablen aller Formel ϕ Φ belegt, d.h. für alle ϕ Φ: Vars(ϕ ) Defbel. Man nennt eine für eine Menge Φ von Formeln ausreichende Belegung, bei der jede Formel in Φ wahr ist, ein Modell von Φ. Beispiel: Sei Φ die Menge { ( B ) i = 1,2,... } A i. Dann ist jede ausreichende Belegung bel von A, B 1, B2,... mit bel(a) = F ein Modell von Φ. (Welche Modelle gibt es noch?) Eine Menge von Formeln nennt man erfüllbar, wenn sie ein Modell besitzt, und unerfüllbar (oder widersprüchlich) wenn nicht. Beispiel: {( A B), ( C B A) } ist unerfüllbar. ( Wahrheitstafel(n)!)

Aussagenlogik 60 Die Logifizierung kombinatorischer Aufgaben Ein Kurzkrimi Der Kriminalinspektor sucht den oder die Täter unter vier Verdächtigen. Bei der Vernehmung werden folgende Aussagen gemacht: Ede: Jimmy hat s getan Jimmy: Carlo war s. Bomber: Ich war es jedenfalls nicht. Carlo: Jimmy log, als er sagte ich hätt s getan. Der Inspektor weiß von der zuverlässigen Räuber-Jenny, dass genau eine der Aussagen stimmt und dass die vier stets nur einzeln agieren. Aussagevariablen: B, C, E, J: Bomber/ Carlo/ Ede/ Jimmy war der Täter. Problem: Formulierung der Wissensbasis = Formelmenge, deren (ausrechenbare!) Modelle den/die möglichen Täter benennen und damit die Aufgabe lösen

Aussagenlogik 61 Wie rechnet der Inspektor? Die vier Aussagen der Verdächtigen sind J, C, B und C. Sicher sind nur Jenny s Tips: P: Entweder stimmt genau die erste Aussage oder genau die zweite usw.: ( J C B C) ( J C B C) ( J C B C) ( J C B C) Q: Es kommen keine zwei Täter in Frage: ( B C E J) ( B C E J) ( B C E J) ( B C E J) Wissensbasis = {P,Q} bzw. { P Q}; Modell(e) sind zumindest bestimmbar mit 16-zeiliger Wahrheitstafel, mit Tricks auch unaufwändiger. Als gut gestellte Aufgabe hat sie genau 1 Lösung (= Modelle für B, C, E, J).

Aussagenlogik 62 Die Logifizierung kombinatorischer Aufgaben Sudoku Sudoku-Regel (1) Ein Sudoku-Feld ist eine 9 9-Matrix M, d.h. mit 9 Zeilen und 9 Spalten. Man unterscheidet darin 9 disjunkte Regionen, jede bestehend aus 3 3- Feldern.

Aussagenlogik 63 Die Logifizierung kombinatorischer Aufgaben Sudoku Sudoku-Regel (1) Ein Sudoku-Feld ist eine 9 9-Matrix M, d.h. mit 9 Zeilen und 9 Spalten. Man unterscheidet darin 9 disjunkte Regionen, jede bestehend aus 3 3- Feldern. Sudoku-Regel (2) Die möglichen Matrixeinträge sind {leer,1,..., 9}. Zu Beginn sind nur einige dieser Felder mit Zahlen gefüllt, also etliche Positionen leer.

Aussagenlogik 64 Die Logifizierung kombinatorischer Aufgaben Sudoku Sudoku-Regel (1) Ein Sudoku-Feld ist eine 9 9-Matrix M, d.h. mit 9 Zeilen und 9 Spalten. Man unterscheidet darin 9 disjunkte Regionen, jede bestehend aus 3 3- Feldern. Sudoku-Regel (2) Die möglichen Matrixeinträge sind {leer,1,..., 9}. Zu Beginn sind nur einige dieser Felder mit Zahlen gefüllt, also etliche Positionen leer. 8 2 9 5 7 5 8 9 4 5 2 1 3 4 3 8 7 6 5 6 8 3 7 9 3 1 4 7 2 Sudoku-Regel (3) Die Aufgabe besteht darin, das Feld vollständig so auszufüllen, d.h. die M ik =leer, so zu verändern, dass in jeder Zeile, jeder Spalte und jeder Region jeweils jede Zahl zwischen 1 und 9 genau einmal vorkommt.

Aussagenlogik 65 Die Logifizierung kombinatorischer Aufgaben Sudoku Sudoku-Regel (1) Ein Sudoku-Feld ist eine 9 9-Matrix M, d.h. mit 9 Zeilen und 9 Spalten. Man unterscheidet darin 9 disjunkte Regionen, jede bestehend aus 3 3 Feldern. Sudoku-Regel (2) Die möglichen Matrixeinträge sind {leer,1,..., 9}. Zu Beginn sind nur einige dieser Felder mit Zahlen gefüllt, also etliche Positionen leer. 8 1 6 3 2 9 5 4 7 7 5 2 1 4 6 3 8 9 9 3 4 7 8 5 2 6 1 1 8 3 9 6 7 4 2 5 4 6 7 5 3 2 9 1 8 5 2 9 8 1 4 7 3 6 2 4 5 6 9 1 8 7 3 6 7 8 2 5 3 1 9 4 3 9 1 4 7 8 6 5 2 Sudoku-Regel (3) Die Aufgabe besteht darin, das Feld vollständig so auszufüllen, d.h. die M ik =leer, so zu verändern, dass in jeder Zeile, jeder Spalte und jeder Region jeweils jede Zahl zwischen 1 und 9 genau einmal vorkommt.

Aussagenlogik 66 Sudoku als Logik-Problem (1) Wir verwenden für die Beschreibung der Anforderungen an die Lösung 729 atomaren Aussagevariablen A ijk, i, j, k = 1,..., 9, und eine Belegung bellsg mit bellsg( A ) = W M k, ijk ij = d.h. A besagt: «Auf Feld (i, j ) steht die Zahl k.» ijk Nun können wir die Lösungs-Matrix-Eigenschaften und Sudoku-Spielregeln mit Hilfe der Aussagenlogik formalisieren: (i) Auf jedem Feld befindet sich eine Zahl: z.b. für ij =11: ZahlDrin11: A111 A112 L A119 also 81 Formeln: ZahlDrin11 ZahlDrin12 ZahlDrin 99 (ii) Auf keinem Feld befinden sich zwei Zahlen: z.b. für ij =11: NieZwei : A111 A112 ) ( A111 A113 ) L ( A118 A also : NieZwei11 NieZwei12 NieZwei 99 11 ( 119 )

Aussagenlogik 67 Sudoku als Logik-Problem Ähnlich: (iii) In keiner Zeile, Spalte, Region kommt eine Zahl doppelt vor. Schließlich (iv) die Festlegung der Anfangszahlen, im Beispiel also A L 118 A152 A169 A957 A992 Dann einfach in einen logischen Problemlöser eintippen und nach einem Modell, d.h. nach den restlichen gültigen A ijk, fragen. Die kommen dann schnell. Zum Glück geht es auch anders 8 2 9 5 7 5 8 9 4 5 2 1 3 4 3 8 7 6 5 6 8 3 7 9 3 1 4 7 2 Ein gutes Sudoku hat genau ein Modell, d.h. genau eine Lösung. Manche Denksportaufgaben haben null oder mehrere Lösungen oder sind sogar anderweitig problematisch. Ü18

Aussagenlogik 68 Logische Äquivalenz Zwei Formeln ϕ und ψ heißen semantisch (oder logisch) äquivalent, ϕ ψ bzw. ϕ = ψ, wenn sie unter allen (für beide ausreichenden) Belegungen den gleichen Wahrheitswert haben ϕ und ψ haben in der Wahrheitstafel identische Wahrheitswerteverläufe Äquivalenzsatz Zwei Formeln sind genau dann semantisch äquivalent, wenn ϕ ψ allgemeingültig ist: ϕ ψ = ϕ ψ. Tautologien mit oben ergeben daher Äquivalenzen. Begründung: nächste Folie

Aussagenlogik 69 Zwei (fast identische) Arten der Äquivalenzprüfung A B = ϕ ψ A B A B A A B A B ( A B) ( A B) W W F W W W W F F F F W F W W W W W F F W W W W ϕ ψ A B A A B A B A B W W F W W W W W F F F W F F F W W W F W W F F W W F F W

Aussagenlogik 70 Der T -Dialekt (1) Die Sprache der AL-Formeln mit den Konstanten top und bottom wird durch folgende Grammatik erzeugt: Nichtterminalsymbol-Menge {S} und Startsymbol S wie gehabt. T = { T,, A 1, A2,...,,,,,, (, ) } (Terminalsymbole erweitert) R = { S T A 1 A2..., (Regeln: Verwendung wie Variablen) S S ( S S) ( S S) ( S S) ( S S) } Der Wert ist auf den Konstanten unabhängig von der Belegung festgelegt: wert ( T ) := W bel wert ( ) := F bel T und kommen in der natürlichen Sprache nicht vor. Punktueller Ersatz:... oder ich fress einen Besen, für K Ach Quatsch, für K... weil es nun einmal ist wie es ist, für K T

Aussagenlogik 71 Der T -Dialekt (2) Im T -Dialekt gelten zusätzliche Tautologien, z.b.... T Wahr Numquam falsum ( P P) T ( P P) Tertium non datur ( P T) P ( P T) T (P ) ( P ) P Absorptionsgesetze ( T P) P Ex vero nonnisi verum P Ex falso quodlibet

Aussagenlogik 72 Assoziativität und Notation Assoziativgesetze Ketten von (d.h. benachbarte ) Konjunktionen sowie Ketten von Disjunktionen schreibt man meist ohne innere Klammern, da alle Klammerungen äquivalente Terme ergeben. 1 (Doppeltes) Beispiel: ( A ( B C)) D) E ( ( A B C) D E. Wo man eine eindeutig bestimmte Formel benötigt, genügt eine Standardinterpretation der Sammelformel, z.b. von links nach rechts : ϕ 1 ϕ2... ϕ n ((...(( ϕ1 ϕ2) ϕ2)... ϕ 1) ϕn ) n Andere Schreibweise: ϕ ϕ... ϕ ( analog u. ) 1 2 n k ϕ k = 1 1 ) Entgegen Gerüchten ist der vollständige Beweis nicht trivial.

Aussagenlogik 73 Boolesche Schaltwerke (1) Ein Boolesches Schaltwerk ist aus einer Anzahl von Elementen der Art Arbeitskontakt oder Ruhekontakt zusammengesetzt: a Ruhe kontakt a a Arbeitskontakt a (Schalter a steuert alle Kontakte namens a und steht in beiden Bildern auf AUS) Die Zusammensetzung dieser Kontakte bzw. bereits zusammengesetzter Kontaktegruppen (aha: math. Induktion!) erfolgt parallel oder seriell: s 1 s1 S 2 Sn s 2 s n

Aussagenlogik 74 Boolesche Schaltwerke (2) (T) ( ) feste Verbindung dauernde Unterbrechung Heutige Schaltwerke enthalten natürlich auch komplexere Elemente (Gatter). Vereinbarungen Verschiedene Kontakte können den gleichen Namen tragen. Sie haben dann stets die gleiche Stellung. a - und a-kontakte haben stets entgegengesetzte Stellung. Alle Kontakte mit Anschrift a oder a werden vom gleichen Schalter a gesteuert. Die Kontakte sind in Stellung Schalter auf AUS gezeichnet.

Aussagenlogik 75 Formeldarstellung Boolescher Schaltwerke 1. Zuordnung Z: Boolesche Schaltwerke (gewisse) AL-Formeln Feste Verbindung a T Dauernde Unterbrechung a Arbeitskontakt mit Schalter a a a Ruhekontakt mit Schalter a a a Reihenschaltung von S 1,...,Sn a Z( S 1 )... Z( S n ) Parallelschaltung von S 1,...,Sn a Z( S 1 )... Z( S n ) 2. Zuordnung: Schalterstellungskombinationen Belegungen Komb a Belegung bel Komb mit : a a W : Schalter a unter Komb auf EIN. bel Komb S verbindet leitend bei Schalterstellung Komb wert bel Komb ( Z( S)) = W Ü19a Ü19b

Aussagenlogik 76 Beispiel Substitutionssatz Formeln Einsetzen Substitution (1) Werden in einer Tautologie (bzw. in einer unerfüllbaren Formel) für jede Aussagevariable A i, i =1,2,..., alle Vorkommen von A i Substitution jeweils durch die gleiche Formel ψ i ersetzt, so ist die entstehende Formel ebenfalls eine Tautologie (bzw. unerfüllbar). Man schreibt meist nur die Ersetzungen mit Ai ψ i und auch nur die für vorkommende A i hin, also nur endlich viele. AaB A ( A B) B ( B ( A B)) BaA B Wozu Substitutionssatz? Beweisen Sie ( A B C D) ( A B C D) a) mit Wahrheitstafel b) mit Substitutionssatz Ü20

Aussagenlogik 77 Formeln Einsetzen Substitution (2) Rekursive Definition der (gleichzeitigen) Substitution ϕ X,..., /,..., ] ψ ψ [ 1 X n 1 n von (paarweise verschiedenen Aussagevariablen) P 1,..., Pn durch (nicht unbedingt verschiedene) Formeln ψ 1,...,ψ n, : ψ für = FürP AV : P[ P1,..., P n / ψ 1,..., ψ n ] : = i P Pi, P sonst Ferner ( ϕ) [ P1,..., P n / ψ1,..., ψ n ] := ( ϕ[ P,..., /,..., ]) 1 P n ψ1 ψ, n Für {,,, } ist ( ϕ ρ),..., /,..., ] := ϕ,..., /,..., ] ρ[,..., /,..., ]. ψ [ P1 P n 1 ψ n ψ ψ [ P1 Pn 1 n P1 Pn 1 n Achtung: Reihenfolge-Effekte bei nicht gleichzeitiger Substitution: Oft sind ϕ[ A, B / ψ, ρ], ϕ[ A / ψ ][ B / ρ] und ϕ[ B / ρ][ A / ψ ] alle verschieden und nicht äquivalent. Achtung: Umkehrung des Substitutionssatzes falsch: Durch Substitution kann Tautologie evtl. erst entstehen. Suchen Sie einfache Beispiele! Ü21 ψ ψ Ü22

Aussagenlogik 78 Formeln Einsetzen Ersetzung Ersetzungssatz (Satz über die äquivalente Ersetzung) Werden in einer Formel ϕ ein oder mehrere Vorkommen einer Teilformel ψ durch eine zu ψ äquivalente Formel ρ ersetzt, so ist die entstehende Formel zu ϕ äquivalent. Alle Möglichkeiten der 0-, ein- oder mehrfachen Ersetzung, rekursiv Ers ϕ) : = { } [ ψ / ρ] ( ϕ [if ϕ = ψ then { ρ } else if ϕ = σ then { τ τ Ers[ ψ / ρ] ( σ )} else if ϕ = ϕ 1 ϕ2 then { σ τ σ Ers[ ψ / ρ] ( ϕ1), τ Ers [ ψ / ρ ] ( ϕ 2 )} else ] wann? wenn ϕ Aussagevariable ψ Anwendungsbeispiel des Ersetzungssatzes: ( B C) A ( C B) A, denn C B A Ü23

Aussagenlogik 79 Substitution vs. Ersetzung Substitution im Syntaxbaum: alle gleichnamigen Blätter durch je denselben Ast ersetzen. Ersetzung im Syntaxbaum: einen Ast (oder 0 oder mehrere gleiche Äste) durch (je) einen äquivalenten Ast ersetzen. Transformation: einfache Substitution einfache Ersetzung Was wird ersetzt? Welche Vorkommen? Wodurch? Ergebnis äquivalent? Aussagevariable alle beliebige Formel JA, falls Tautologie oder Widerspruch Teilformel 0, 1, mehrere, alle äquivalente Formel JA

Aussagenlogik 80 Junktorenbasen (1) Mit den Junktoren einer Junktorenbasis können wir alle möglichen Spaltenbelegungen in Wahrheitstafeln erzeugen. Genauer gesagt ist eine Junktorenbasis JuBa eine Junktorenmenge der Art, dass wir zu jeder endlichen Menge VarSet von Aussagevariablen jeden gewünschte Wahrheitswerteverlauf (über alle Belegungen von VarSet) mit einer geeigneten Formel über JuBa und VarSet erzielen können.

Aussagenlogik 81 Junktorenbasen (2) Beispiel: {,, } ist Junktorenbasis Beweisidee: n Der gewünschten 2 -zeiligen Wahrheitstafel n entspricht eine Disjunktion von 2 Konjunktionen aus je n Literalen (= Variable oder Variable) A B C Spalte M M M M F W F W M M M M F F W F... ( A B C)... (nichts) M M M M

Aussagenlogik 82 Junktorenbasen (3) Satz: Von Junktorenbasen zu Junktorenbasen Seien M und N Junktorenmengen und M eine Junktorenbasis. Genau dann ist auch N eine Junktorenbasis, wenn zu jedem, sagen wir n -stelligen, Junktor j M eine zu j ( A 1,..., A n ) äquivalente Formel über N und A,..., A } existiert. { 1 n Jede Junktoren-Obermenge einer Junktorenbasis ist selbst eine Junktorenbasis. Anwendungen: {, } ist eine Junktorenbasis, denn A B ( A B). {, } ist eine Junktorenbasis, denn A B ( A B). ( mit Junktorenbasen-, Substitutions- und Ersetzungssatz ) Ü24a Ü24b

Aussagenlogik 83 Junktorenbasen (4) Es geht sogar noch sparsamer! Die Sheffer-Verknüpfung alleine, d.h. { }, ist eine Junktorenbasis. Die Peirce-Verknüpfung alleine, d.h. { }, ist eine Junktorenbasis. Beweistip: Suche Formeln über der jeweiligen Basis für ϕ, ϕ ψ und/oder ϕ ψ. If-then-else alleine, d.h. { /}, ist eine Junktorenbasis im T -Dialekt Beweistip: analog oder...

Aussagenlogik 84 Shannon-Umformung (1) Grundlage: Für jede AL-Formel ϕ und Aussagevariable z.b. A gilt: ϕ Subst T( ϕ) / Subst ( ϕ) A A A Shannon-Expansion Der Satz ist leicht einzusehen, wenn Sie sich die Wahrheitstafel in üblicher Schreibweise mit A in der ersten Spalte vorstellen. A B C... ϕ W W W... W..... : W F F... F W W... F..... : F F F... B C... Subst A>T (ϕ) W W........ : F F... B C... Subst A> (ϕ) W W........ : F F... Was wenn A nicht in ϕ vorkommt?

Aussagenlogik 85 Shannon-Umformung (2) 2 Beispiele für Expansionsschritt A A T / A B A T B / B Algorithmus ITE: Äquivalente Umformung in ITE-Form Beginne mit der Ausgangsformel ϕ. Solange möglich: wähle eine noch nicht verarbeitete vorkommende Variable P, wende die Shannon-Expansion bzgl. P auf die zuletzt erhaltene Formel an und markiere P als verarbeitet. Vereinfache schließlich die konstanten Teilterme zu T bzw.. Korrektheitssatz: ITE terminiert stets. Die durch Umformung erhaltene Formel ist in ITE- Form und zu ϕ äquivalent. 2 Beispiele für Vereinfachung A A T / A / T A B A T B / B A T / Ba Vergleiche mit Wahrheitstafel in dieser Reihenfolge! Ü25ab Ü25cd