VSVI Seminar Dr.-Ing. Carola Mennicken Anlagen für den Fußgängerquerverkehr (u.a. EFA, R-) Seminarveranstaltung der Vereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure Neue Empfehlungen zur Behandlung des Fußgänger- und Radverkehrs 02. März 2004 in Filderstadt ANLAGEN FÜR DEN FUßGÄNGERQUERVERKEHR (u.a. EFA und R-) Dr.-Ing. Carola Mennicken Wissenschaftliche Assistentin am Institut für Verkehrswirtschaft, Straßenwesen und Städtebau, Universität Hannover Allgemeine Empfehlungen zu Querungsanlagen aus den EFA 2002 Die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen beim Queren von Fahrbahnen sind in der Straßenverkehrsordnung festgelegt. Besonders sind dies 26 StVO zu Fußgängerüberwegen (), 9 Abs. 3 zum abbiegenden Verkehr und 10 StVO zu Gehwegüberfahrten. Aber auch bei einzelnen Zeichen der StVO sind Regelungen enthalten, wie beispielsweise Z 306 in Verbindung mit dem Zusatzschild abknickende Vorfahrt oder zum Grünpfeil und Lichtsignalanlagen in 37 StVO. Auch 25 StVO enthält Vorschriften zum Queren. Unabhängig von der verkehrsrechtlichen Bedeutung können Querungsanlagen - um dem Fußgänger die Querung zu erleichtern - unterschiedliche bauliche Unterstützungen aufweisen. Diese sind auf die optischen Hervorhebung der Querungsanlage ausgelegt und entfalten ggf. auch eine fahrdynamische Wirkung (Auf-/Plateaupflasterung). Sie helfen die Querungen zu verkürzen (seitliche Einengungen) oder teilen die Querungen in zwei Abschnitte (Mittelinseln). Eine Systematik von Querungsanlagen in verkehrsrechtlicher und baulicher Hinsicht ist in Bild 5 der EFA 2002 gegeben. Ohne Vorrang mit Vorrang Zeitliche Trennung Ohne... mit baulicher Unterstützung Ohne... mit baulicher Unterstützung Teilaufpflasterung Plateaupflasterung Mittelinsel / -streifen Einengung Vorgezogene Seitenräume Fußgängerüberweg Gehwegüberfahrten Fußgängerüberweg + Teilaufpflasterung Plateaupflasterung Mittelinsel / -streifen Einengung Vorgezogene Seitenräume (konfliktfreie) Lichtsignalanlage Räumliche Trennung Unter-/Überführung Bild 1 der EFA 2002: Systematik von Querungsanlagen Beim Einsatz der Maßnahmen für den Querverkehr sind zu berücksichtigen: Die Bedeutung der Querungsstelle für den Fußgängerverkehr, die städtebauliche Randbedingungen, die Fahrzeugverkehrsstärke. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass die Sicherheit von Querungsanlagen mit deren Akzeptanz und Komfort eng verbunden ist. In besonders wichtigen Gehwegverbindungen und -achsen sollten nach Möglichkeit Maßnahmen gewählt werden, die den Fußgängerverkehr bevorrechtigen und die leistungsmäßig in der Lage sind, die Fußgängerverkehrsstärke zu bewältigen. Bei der Auswahl einer geeigneten Maßnahme und bei deren Gestaltung sind die Ansprüche und spezifischen Eigenschaften differenzierter Fußgängergruppen zu berücksichtigen. 1
VSVI Seminar Dr.-Ing. Carola Mennicken Anlagen für den Fußgängerquerverkehr (u.a. EFA, R-) Im Normalfall (Straßen mit zwei Fahrstreifen bis 8,50m Fahrbahnbreite) gelten für den Einsatz von Querungsanlagen für Fußgänger folgende Grundsätze: Wird ausreichend langsam gefahren (V 85 25 km/h infolge geschwindigkeitsdämpfender Maßnahmen), so sind generell Querungsanlagen für Fußgänger entbehrlich. Querungsanlagen sind in der Regel entbehrlich, wenn kein besonders ausgeprägter Querungsbedarf besteht, wenn die Kfz-Verkehrsstärke bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h nicht mehr als 500 Kfz/Spitzenstunde beträgt oder die V zul 50 km/h und die Kraftfahrzeugverkehrsstärke nicht mehr als 250 Kfz/h im Querschnitt beträgt. Querungsanlagen sind notwendig, wenn ausgeprägter Querungsbedarf vorliegt und die Verkehrsstärke mehr als 1000 Kfz/Spitzenstunde im Querschnitt beträgt und die Geschwindigkeit Vzul 50 km/h beträgt oder die Verkehrsstärke mehr als 500 Kfz/Spitzenstunde im Querschnitt beträgt und die Geschwindigkeit Vzul über 50 km/h liegt. Querungsanlagen sind unabhängig von den Belastungen zweckmäßig, wenn regelmäßig mit schutzbedürftigen Fußgängern wie z.b. Kindern und älteren Menschen zu rechnen ist. Die Einsatzbereiche für Querungsanlagen auf der Strecke zwischen Knotenpunkten des Kfz-Verkehrs sind von Umfeldbedingungen und Nutzungen abhängig. Sie können entsprechend Bild 6 der EFA 2002 aus den Verkehrsstärken der Fußgänger sowie der Geschwindigkeit und der Verkehrsstärke des Kraftfahrzeugverkehrs abgeleitet werden. Beim Einsatz von Mittelinseln bzw. -streifen erhöht sich die zulässige Kfz-Belastung im Querschnitt, da die im Diagramm angegebene Kfz-Belastung sich dann nur auf die Spitzenstunde für die stärker belastete Richtung bezieht. Bild 6 der EFA 2002: Einsatzbereiche von Querungsanlagen auf der Strecke 2
VSVI Seminar Dr.-Ing. Carola Mennicken Anlagen für den Fußgängerquerverkehr (u.a. EFA, R-) Querungsanlagen können an Knotenpunkten und zwischen Knotenpunkten eingerichtet werden. Wichtig bei Querungsanlagen an Knotenpunkten ist, dass sie st unmittelbar im Zuge der Verbindung von Gehwegen der querenden Straße liegen, so dass nur geringe oder keine Umwege für Fußgänger entstehen. So wird z. B. bei Furten von Lichtsignalanlagen oder auch bei Teilaufpflasterungen in einmündenden Straßen davon abgeraten, diese Querungsanlagen von der Kreuzung abzurücken, obwohl die Aufstellkeiten für ab- bzw. einbiegende Kraftfahrzeuge dann fehlen: Nur so bleibt deutlich, dass der geradeaus gehende Fußgänger gegenüber dem abbiegenden Kraftfahrzeug Vorrang hat. Die unterschiedlichen Vorrangregelungen zwischen abbiegenden und einbiegenden/kreuzenden Fahrzeugen können zu Missverständnissen führen. Bei starkem einbiegenden/kreuzenden Verkehr aus der Nebenstraße sollte daher eine Gestaltung von Querungsanlagen parallel zur Hauptstraße vermieden werden, die den Fußgängern allzu sorgloses Verhalten nahe legen, weil sie einen generellen Vorrang vermuten lassen. Auf Streckenabschnitten zwischen Knotenpunkten dürfen Querungsanlagen nicht in engen Kurven, hinter Kuppen oder an sonstigen Stellen liegen, an denen die Sicht stark eingeschränkt ist. Erforderlichenfalls ist Fußgängern durch geeignete Maßnahmen der Straßenraumgestaltung, gegebenenfalls auch durch Ketten, Geländer oder Pflanzbeete, eine sichere Wegführung aufzuzeigen. Besondere Sorgfalt ist auf die Gestaltung von Querungsanlagen zu legen, bei denen wichtige selbständige Gehwege über Fahrbahnen hinweg verbunden werden. Auf eine frühzeitige Erkennbarkeit der Querungsanlagen ist zu achten. Sichtbehinderungen durch Verkehrszeichen, Bepflanzung, Werbeplakate, Telefonzellen, Schaltkästen u. a. sind zu vermeiden. Auch parkende Kraftfahrzeuge stellen Sichthindernisse für und auf querende Fußgänger dar. Das Parken ist daher durch geeignete Maßnahmen in Kreuzungs- und Einmündungsbereichen und an anderen Querungsanlagen in den freizuhaltenden Sichtfeldern auszuschließen. Es ist zu empfehlen, an diesen Stellen die Bordsteine vor die Parkstreifen zu ziehen, da sonst insbesondere Kinder durch parkende Kraftfahrzeuge verdeckt werden können bzw. selbst nicht genügend sehen können. Wartepflichtigen Fahrzeuge müssen rechtzeitig vor dem bevorrechtigten Fußgänger anhalten können, hier ist die Haltesichtweite S H zu gewährleisten. Fußgänger ohne Vorrang müssen ausreichende Sichtweite S W auf sich annähernde Fahrzeuge haben. Beide Sichtweiten sind von der zulässigen Geschwindigkeit abhängig. In der Tabelle 5 der EFA 2002 sind die von Sichthindernissen freizuhaltenden Bereiche in Abhängigkeit von der zulässigen Geschwindigkeit mit und ohne vorgezogene Seitenräume dargestellt. Die Werte geben den Bereich an, der von der Mitte der Querungsanlage jeweils für den anliegenden F an (Fahrzeug von links) und abliegenden F ab (Fahrzeug von rechts) Strom von Sichthindernissen freigehalten werden muss, mindestens jedoch die halbe Breite der Querungsanlage. Sie gelten für gerade Strecke und eine Fahrbahnbreite zwischen den Borden bis 7m (bzw. 11m bei beidseitigem Parken). Größere Fahrbahnbreiten führen eher zu geringeren Werten für F an/ab. Die leicht unterschiedlichen Werte für Vorrang oder Wartepflicht des Fußgängers können zusammengefasst werden, wenn wie hier davon ausgegangen wird, dass ein nicht bevorrechtigter Fußgänger sich eher direkt am Straßenrand orientiert, ein bevorrechtigter Fußgänger auch in 1m Abstand vom Hochbord erkannt werden muss. Für Fußgängerüberwege gilt nach StVO ein Mindestwert von 5m vor dem Überweg. Kfz-Geschwindigkeit V ZUL. [km/h] 30 40 50 Sichtweite S W S W in m 30 35 50 Haltesichtweite S H S H in m 15 25 35 Freizuhalten ohne vorgezogene Seitenräume Freizuhalten mit vorgezogenen Seitenräumen) 1 F an in m F ab in m F an in m F ab in m 10 5 15 10 20 15 Mindestwert: F an/ab B/2 ) 1 Bei Vorsprüngen von mehr als 30cm (max 70cm) vor die Begrenzungslinie der Sichthindernisse gilt der Mindestwert von B/2, an Fußgängerüberwegen der Mindestwert der StVO von 5 m vor dem Überweg. Tabelle 1 der EFA 2002: Sichtfelder an Querungsanlagen 5 3 8 4 12 6 Bild 7 der EFA 2002: Definition von Sichtweite und freizuhaltenden Bereichen an Querungsanlagen 3
VSVI Seminar Dr.-Ing. Carola Mennicken Anlagen für den Fußgängerquerverkehr (u.a. EFA, R-) Maßnahmen für den Fußgängerquerverkehr Wie aus Bild 5 der EFA 2002 abzuleiten ist, bieten sich prinzipiell u. a. folgende Maßnahmen für den Fußgängerquerverkehr an: Mittelinseln und Mittelstreifen, vorgezogene Seitenräume und Einengungen, Teilaufpflasterungen und Gehwegüberfahrten, Fußgängerüberwege, Lichtsignalanlagen und planfreie Querungsanlagen (Über-/Unterführungen). Bild 8 der EFA 2002: Querungsstelle mit Mittelinsel 4
VSVI Seminar Dr.-Ing. Carola Mennicken Anlagen für den Fußgängerquerverkehr (u.a. EFA, R-) Bild 9 der EFA 2002: Vorgezogene Seitenräume an einer Straße mit Mittelstreifen Kfz/h 0-200 200-300 300-450 450-600 600-750 über 750 0-50 Fg/h 50-100 100-150 über 150 Außerhalb des en / en Einsatzbereichs können in begründeten Ausnahmefällen angeordnet werden. Bild: Verkehrliche Vorraussetzungen für Fußgängerüberwege () nach den R- 2001 Kfz/h 0-200 200-300 300-450 450-600 600-900 über 900 Fg/h bis 100 100-150 über 150 Bild: Verkehrliche Vorraussetzungen für Fußgängerüberwege () nach dem Einführungserlass aus Berlin 5
VSVI Seminar Dr.-Ing. Carola Mennicken Anlagen für den Fußgängerquerverkehr (u.a. EFA, R-) Bild 11 der EFA 2002: Teilaufpflasterung in einer Einmündung zu einer bevorrechtigten Straße Bild 12 der EFA 2002: Gehwegüberfahrt in einer Einmündung zu einer bevorrechtigten Straße Lichtsignalanlagen sind geeignet, Stellen mit starkem Kraftfahrzeugverkehrsaufkommen, hohen Geschwindigkeiten und konzentriertem Fußgängerverkehr zu sichern. Bei allen Fragen von Einsatz und Betrieb der Lichtsignalanlagen sind die Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA) zu beachten. Für Lichtsignalanlagen gilt, dass sie zu allen Tageszeiten in Betrieb gehalten werden sollen. Fußgänger-Lichtsignalanlagen sollten aber den während des Tagesverlaufs unterschiedlichen Verkehrszuständen angepasst werden, d.h. die Steuerungsverfahren sollten wechseln. Verkehrsabhängige Steuerungen mit Freigabe für Fußgänger können bei schwachen Fußgängerverkehrsströmen und gleichmäßigem hohen Kraftfahrzeugverkehr oder bei regelmäßigem punktuellen Querungsbedarf von Fußgängern und tageszeitlich unterschiedlich starkem Kraftfahrzeugverkehr eingerichtet werden, insbesondere an Straßen mit hohem Schwerverkehrsanteil und an Hauptgeschäftsstraßen. Der Wartezeitempfindlichkeit von Fußgängern ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. 6
VSVI Seminar Dr.-Ing. Carola Mennicken Anlagen für den Fußgängerquerverkehr (u.a. EFA, R-) günstig ungünstig Gehlinie Bild 10 der EFA 2002: Günstige und ungünstige Lage der Furten an signalgeregelten Knoten Bilder: Umgestaltung einer fußgängerunfreundlichen Unterführung in eine komfortable Fußgängerbedarfsgesteuerte LSA zwischen Knotenpunkten (rechts: Vorher-Zustand rechts oben: unattraktive Unterführung rechts unten: plangleich haben sich Trampelpfade herausgebildet links: Nachher-Zustand) Fazit zu Anlagen für den Fußgängerquerverkehr Aufgrund der unterschiedlichen verkehrlichen, baulichen, umfeld-bezogenen und sonstigen Situationen und der sich ergebenden Komplexität der Einflussgrößen ist es schwierig, Querungsanlagen jederzeit in ein allgemeingültiges Schema zu integrieren. 7
VSVI Seminar Dr.-Ing. Carola Mennicken Anlagen für den Fußgängerquerverkehr (u.a. EFA, R-) Literatur Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-). Bonn 2001 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA). Köln 2002 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen (EAE). Köln 1995 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen Empfehlungen für die Anlage von Hauptverkehrsstraßen (EAHV). Köln 1993 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA). Köln 1992 Mennicken, Carola Einsatz- und Sicherheitskriterien für Fußgängerüberwege. Heft 24 der Schriftenreihe des Instituts für Verkehrswirtschaft, Straßenwesen und Städtebau der Universität Hannover, Hannover 1999 Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen Empfehlungen zum Einsatz und zur Gestaltung von Fußgängerüberwegen - Erfahrungen aus dem Modellversuch in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 2002 Veröffentlichungen der Arbeitsgruppe Fußverkehr von SRL und FUSS e.v. www.fussverkehr.de 8