FABIENNE BERG Mut, Kraft und Liebe wünsche ich dir REIHE AKTIVE LEBENSGESTALTUNG Fantasiereisen & Trauna Heilende Fantasie- und Entspannungsreisen für Erwachsene mit traumatischen Erfahrungen in der Kindheit Junfermann V e r l a g
Inhalt Themenübersicht der Fantasiereisen... 7 Vorwort... 11 Reisevorbereitungen Einstimmung auf die Fantasiereisen... 15 Das Davor und das Danach: Einleitungs- und Rückholphase... 21 1. Der Zaubergarten... 23 Themen: Entspannung, Körperlichkeit, Sicherheit, Genießen 2. Flaschenpost... 29 Themen: Loslassen, Abgeben lernen, Gefühl der Verbundenheit mit anderen und der Welt 3. Das Krafttier... 35 Themen: Abgrenzung, Selbstwahrnehmung, Selbstschutz 4. Mitfühlende Hände... 41 Themen: Umgang mit Schmerzen und der eigenen Körperlichkeit 5. Trapez... 47 Themen: Auseinandersetzung mit Rollen und Abhängigkeiten sowie mit anderen Formen selbstentfremdenden Verhaltens 6. Der Weinberg... 53 Themen: Bedürfnisse wahrnehmen und benennen können, die eigene Entwicklung und innere Reifung unterstützen lernen 7. Sternenkinder... 59 Themen: Chancen und Möglichkeiten der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Geschichte erkennen, eigene Ressourcen entdecken und diese wertzuschätzen lernen 8. Schneekugel... 65 Themen: Selbstbild, Selbstverwirklichung, Neuorientierung
9. Über den Wolken... 71 Themen: Freiheit genießen, Neuorientierung 10. Die Farben des Himmels... 77 Themen: Werte, Glauben, Spiritualität Literatur... 83 Dank... 84 Über die Autorin... 85 Hinweise zur CD... 87
3. Das Krafttier Themen: Abgrenzung, Selbstwahrnehmung, Selbstschutz Welche Bedeutung hatten diese Themen für meine Heilung? Alles im Leben hat Grenzen. Dieser Tag hat zu einem bestimmten Zeitpunkt begonnen und ist irgendwann vorbei. Mein Leben hier wird irgendwann zu Ende sein und auch dieser Satz braucht ein Ende, damit er ein Satz ist. Punkt! Damit also etwas da ist, existent ist, braucht es Grenzen. Äußere und / oder innere. Es braucht eine Form, ansonsten verschwindet es im Nichts, löst sich auf im Wirrwarr des Universums. Zugegeben, das Letzte klingt etwas pathetisch, doch auch hinter dieser Formulierung steckt die sehr einfache und dennoch zutreffende Idee: Ohne Form kein Sein. Betroffene wie ich können zu den Themen Abgrenzung, Selbstauflösung und Nein- Sagen-Können mehr als nur ein Lied singen. Ich weiß nicht mehr genau, wie oft ich damals mit meiner Therapeutin geübt habe, Nein zu sagen, bis ich wirklich verstanden hatte, dass Nein-Sagen mein gutes Recht ist. Keine Ahnung, wie viele Rollenspiele wir durchexerzieren mussten, bis mir bewusst wurde, dass auch ich sehr klare Grenzen habe. Und vor allem: Bis mir wirklich klar wurde, wie wichtig diese Grenzen für mich und ein gesundes Leben sind. Und noch viel länger hat es gedauert, bis ich eine sinnvolle Balance zwischen Ja und Nein gefunden hatte. Denn wenn man das Nein erst einmal verstanden hat, kommt für einige Zeit häufig das sinnvolle Ja zu kurz. Einfach aus der Angst heraus, man könne es an der falschen Stelle sagen. Heute kann ich sagen, dass ich ziemlich genau spüre, wo meine Grenzen sind. Das war nicht immer so. Wie viele andere Betroffene hatte auch ich keinen guten Zugang zu meinen Gefühlen und spürte deshalb meine Grenzen entsprechend schlecht. Gleiches galt im Übrigen für meine anderen Bedürfnisse. Rückblickend betrachtet, ist klar, warum das so war, denn ich selbst war ja auch nicht wirklich da. Und wie gesagt: ohne Grenzen kein Sein und umgekehrt. Und was geschieht mit Menschen, die sich ihrer Grenzen nicht bewusst sind? Ich habe von Betroffenen gehört, die selbst mit schwersten Krankheiten noch zur Arbeit erschienen sind, was am Ende zu noch schlimmeren Symptomen und zum vollkommenen Zusammenbruch führte. Dies nur als Beispiel dafür, wie gefährlich ein Leben ohne Grenzen sein kann. Fatalerweise fallen jedoch häufig weder den Betroffenen
36 Mut, Kraft und Liebe wünsche ich dir noch der Umwelt solche Zustände der Grenzenlosigkeit auf. Betroffene kennen es oft nichts anderes und können in der Regel auch nicht anders. Und Außenstehende mögen denken: Ach, wie freundlich dieser Mensch ist, er opfert sich ja geradezu auf. Das muss man ihm zugutehalten. Aufopferungsvolles Verhalten erfährt also sehr häufig soziale Anerkennung, die das Verhalten wiederum verstärkt. Denn wer sehnt sich nicht nach Zuwendung und Wertschätzung? Seine eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu erspüren und dann Grenzen zu setzen und Bedürfnisse zu erfüllen: Das kann nicht nur wichtig, sondern unter Umständen sogar lebenswichtig sein. Klare Grenzen helfen zudem, besser geerdet und damit besser da zu sein. In einem Selbstfindungs- und Heilungsprozess spielen Grenzen also eine große Rolle. Über meine therapeutische Beraterin bin ich seinerzeit in eine Gruppe gekommen, in der ausschließlich Körper- und Imaginationsarbeit gemacht wurde. Das Thema der ganz konkreten Abgrenzung war dort sehr zentral. Aber auch das Wahrnehmen des eigenen Körpers im Raum sowie zahlreiche Entspannungs- und Bewegungsübungen haben mir sehr geholfen, mir über meine inneren und äußeren Grenzen klar zu werden. In dieser Gruppe haben wir eine Übung zum Thema Nein-Sagen gemacht: das Krafttier. Weil ich diese Imagination als sehr effektiv und wichtig empfunden habe, möchte ich diese Übung hier aufgreifen und sie in meine Fantasiereisen einreihen. Es ist eine sehr populäre und gern verwendete Imagination und, wie es oft bei solchen Übungen ist, weiß man nicht mehr so genau, wer sie ursprünglich entwickelt hat. Meine Fantasiereise Das Krafttier entspringt ausschließlich meiner Erinnerung an die Körpergruppe. Ich habe die Reise mit eigenen Ideen ergänzt und auf meine Art aus der Erinnerung nacherzählt.
Das Krafttier 37 Das Krafttier [Einleitungsphase] Versetze dich mithilfe deiner Vorstellungskraft in einen Park. Das kann ein Park sein, den du kennst, oder ein Park, den du mit deiner Fantasie erschaffst. Stell dir in diesem Park einen abgelegenen Platz vor, an dem du ganz ungestört bist. Du bist an diesen Ort gekommen, um dein Krafttier in dir zu entdecken. Deiner Fantasie wohnen magische Kräfte inne. Du kannst dir in deiner Fantasie alles vorstellen, was du möchtest ihr sind keine Grenzen gesetzt, bis auf diejenigen, die du selbst bestimmst. Du bist jetzt im Park und hast einen Platz gefunden, an dem du ganz für dich bist. Unter deinen Füßen spürst du das Gras. Bäume und Sträucher schirmen deinen Platz ab. Niemand kann dich sehen. Keiner stört dich dort. Dein Krafttier ist eine Ur-Energie, die in dir ist und die möchte, dass du sie entdeckst, um von ihr zu profitieren. Sie kann dir helfen, dich zu beschützen und dein Selbstbewusstsein zu stärken. Dein Krafttier kann dir helfen, Nein zu sagen, wenn du Nein meinst, und es kann kräftig knurren, wenn dir jemand zu nahe tritt. Du bist jetzt auf dem Rasen. Es weht ein lauer Wind. Stell dir vor, dass du ganz locker auf dem Boden stehst und tief ein- und wieder ausatmest. Schließe in deinen Gedanken deine Augen und strecke deine Arme über deinem Kopf in die Luft. Dabei stellst du dich auf die Zehenspitzen, sodass du ganz groß bist. Der Wind wird jetzt etwas stärker. Keine Sorge, er ist dein Freund. Er wird dir helfen, dich in dein Krafttier zu verwandeln. Jetzt spürst du, wie der Wind dich behutsam ein Stück in die Luft hebt. Halte deine Augen geschlossen und denke nun ganz fest an dein Krafttier. Wenn du gleich wieder nach unten auf den Boden kommst, hast du dich in dein Krafttier verwandelt. Noch bist du in der Luft. Konzentriere dich auf dein Krafttier. Langsam, ganz langsam geht es jetzt wieder abwärts.
38 Mut, Kraft und Liebe wünsche ich dir Mache dich mit dem Gefühl vertraut, gleich im Körper deines Krafttieres wieder auf dem Boden zu landen. Der Wind setzt dich nun wieder auf deinem Rasen im Park ab. Du bist jetzt verwandelt. Du bist dein Krafttier! Gib diesem Gefühl der Verwandlung einen Augenblick Raum und mache dir bewusst, wie du jetzt aussiehst. Konzentriere dich nun auf deinen Körper und wie es sich anfühlt, dein Krafttier zu sein. Erprobe nun in deiner Fantasie die besonderen Fähigkeiten deines Krafttieres. Stell dir vor, wie schnell es laufen oder wie weit es springen kann. Wie groß und wie stark es ist. Nimm dir dafür einen Moment Zeit und experimentiere mit den besonderen Fähigkeiten deines Krafttieres. Laufe! Springe! Fliege! Alles ist möglich. Du bestimmst, was geschieht. Nun möchte ich dich bitten, dir vorzustellen, dass sich dein Krafttier ganz groß macht. So wie es alle Tiere tun, um ihre Stärke zu signalisieren. Tiere tun dies auf unterschiedlichste Art und Weise: manche plustern sich auf, andere sträuben ihr Fell oder zeigen ihre Zähne. Stell dir vor, was du als dein Krafttier tust, um deine Stärke unmissverständlich zu zeigen. Male dir nun in Gedanken ein Geräusch aus, das dein Tier macht, wenn es sich beschützen will. Ein Knurren, Grollen oder Fauchen vielleicht. Knurre, grolle oder fauche noch einmal. Entspanne dich nun und bringe dein Fell oder Gefieder wieder auf die normale Größe. Gehe wieder zu deinem Platz auf dem Rasen, von wo aus du vorhin in die Luft geschwebt bist. Mache dich mit dem Gedanken vertraut, dich gleich in einen Menschen zurückzuverwandeln. Schließe wieder die Augen und spüre wie der Wind wieder ein wenig stärker wird.
Das Krafttier 39 Der Wind hebt dich nun wieder behutsam in die Luft. Wenn du gleich auf der Erde landest, bist du ein Mensch, aber dein Krafttier ist jederzeit innerlich bei dir. Jetzt kommst du langsam wieder auf den Boden und deine Füße berühren das weiche Gras des Rasens im Park. Nachdem du dich für einen Augenblick im Raum orientiert hast, machst du dich auf den Rückweg und gehst aus den Park heraus. Komme nun mit deiner Aufmerksamkeit in den Raum zurück. [Rückholphase]