Der Handlungsrahmen kirchlichen Handelns: Das Verhältnis von Religion und Staat in der BRD

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Transkript:

Der Handlungsrahmen kirchlichen Handelns: Das Verhältnis von Religion und Staat in der BRD Universität des Saarlandes Fakultät 3 Fachrichtung 3.3 Kath. Theologie Proseminar: Einführung in praktische Theologie, WiSe 2011/12. Dozentin: Peetz, Katharina, M.A. (k.peetz@mx.uni-saarland.de) Andrea Zimmer u. Andreas Neumann, Kathl. Theologie/Germanistik (2010). Erstelldatum Folien: 16.11.2011; letzte Änderung: 18.11.2011 1

Codex Juris Canonici vs GG? Freundschaft oder Feindschaft oder?!?? 2

Gliederung Abschnitt 1: Betrachtung der Aussagen des GG Abschnitt 2: Art. 140 GG mit vorbereitenden Klarstellungen Abschnitt 3: Verhältnis von Kirche und Staat; Allgemeines und konkrete Beispiele (so 118) Resümee 3

Was das GG dazu meint 4

Art. 3 GG Artikel 3 (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. 5

Art. 3 GG (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. 6

Art. 4 GG Artikel 4 (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. 7

Art. 7 GG Artikel 7 (1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. 8

Art. 7 GG (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. 9

Art. 7 GG (4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. 10

Art. 7 GG (5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. (6) Vorschulen bleiben aufgehoben. 11

Sind rechtliche Regelungen zwischen Staat und Religion etwas völlig Neues in Deutschland? 12

Was ist die BRD? Gruppenarbeit Sie haben nach Einteilung in Gruppen fünf Minuten Zeit folgende Fragestellungen zu diskutieren: (1) Wann endete das Deutsche Reich, wann begann die Bundesrepublik Deutschland? (2) In welchem Verhältnis stehen Deutsches Reich und Bundesrepublik Deutschland zu einander? (3) Gibt es im Verhältnis Weimarer Republik / Bundesrepublik Deutschland Deutsches Reich Gemeinsamkeiten? 13

Was ist die BRD? Bundesverfassungsgericht, 31. Juli 1973 2 BvF 1/73; BVerfGE 36 [ ] Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 [277]; 3, 288 [319 f.]; 5, 85 [126]; 6, 309 [336, 363]), besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. [ ] Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert [ ]. Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat Deutsches Reich, in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings teilidentisch, so daß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht. [ ] Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes. 14

Was ist die BRD? (1) KEIN Nachfolgestaat, sondern BRD identisch mit dem Staat Deutsches Reich (2) staatsrechtliche Kontinuität und völkerrechtliche Identität (3) ABER: Feststellung institutioneller Zusammenbruch des Deutsches Reiches nach 1945 (4) ABER: Nur territoriale Teilidentität (vgl. 1970 Warschauer Vertrag, 1990 Zwei-plus-Vier-Vertrag) Weimarer Republik: Deutsches Reich unter der Verfassung, die in Weimar entstand (auch Weimarer Reichsverfassung), 1919. 15

Dies erklärt Artikel 140 GG Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes. Art. 140 WRV nicht inkorporiert, da es keine Armee im Nachkriegsdeutschland gab. 16

Dies erklärt Art. 140 GG Artikel 140 GG/ Art. 136 WRV Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt. Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. 17

Dies erklärt Art. 140 GG Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden. 18

Dies erklärt Art. 140 GG Artikel 140 GG/ Art. 137 WRV Es besteht keine Staatskirche. Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgemeinschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. 19

Dies erklärt Art. 140 GG Artikel 140 GG/ Art. 137 WRV Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. 20

Dies erklärt Art. 140 GG Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen. Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob. 21

Dies erklärt Art. 140 GG Artikel 140 GG/ Art. 138-141 WRV Artikel 138. Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf. Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecken Bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet. 22

Dies erklärt Art. 140 GG Artikel 139. Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung gesetzlich geschützt. Artikel 140. Den Angehörigen der Wehrmacht ist die nötige freie Zeit zur Erfüllung Ihrer religiösen Pflichten zu gewähren. Artikel 141. Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen wobei jeder Zwang fernzuhalten ist. 23

Bürgerliche u. staatsbürgerliche Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt (136 WRV) Keine Staatskirche (137 WRV) Freiheit von Religionsgesellschaften u. Vereinigungen im Rahmen des BGB als Körperschaften des öffentlichen Rechts (137 WRV) Art 140 GG Steuererhebung unter landesrechtl. Bestimmungen (138 WRV) Sonn- und Feiertage (139 WRV) Spezielle Zusicherung der Ausübung der Religionsfreiheit im öffentlichen Bereich (140/141 WRV) 24

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Korrekter formuliert: Das Verhältnis von religiösen Gemeinschaften, als Körperschaften des öffentlichen Rechts, und dem Staat in der Bundesrepublik Deutschland. Fakt: Staatliches Recht und Vertragskirchenrecht bilden die Säulen der Verhältnisdefinition Fakt: Föderalistische Struktur der Bundesrepublik geschuldete Kompetenzen bei Bund und Ländern (Kulturhoheit, Kirchensteuerrecht) Verordnungen, Gesetze und Verfassung regeln die Beziehungen. Dabei deutliche Tendenz zur Regelung über Verfassungsrecht. Siehe: Art 140 GG mit inkorporierten Artikeln einer ansonsten nicht mehr gültigen Verfassung bei gleichem Rechtsstatus. 25

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Historizität des Staatskirchenrechts erkennbar bis heute (Stand 18.11.2011). Weimarer Periode : 1924 Konkordat mit Bayern, 1929/31 Konkordat mit Preußen, 1932 Konkordat mit Baden, 1933 Reichskonkordat Nachkriegsperiode : 1955 Loccumer Vertrag zwischen Niedersachsen und evangelischen Kirchen, 1957 Schleswig-Holstein, 1960 Hessen, 1962 Rheinland-Pfalz, 1965 Niedersächsische Konkordat (Kathl. Kirche). 26

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD 1957 Evangelischer Militärseelsorgevertrag Renaissance -Periode: Alle neuen Bundesländer gingen Verträge mit EK und Heiligem Stuhl ein. Ebenso: Bremen und Hamburg. 2003 Vertrag über Staatsleistungen zwischen Staat und Zentralrat der Juden Außerdem eine Vielzahl von Vereinbarungen auf Länderebene mit kleineren religiösen Gemeinschaften. 27

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Staatskirchenrecht < Vertragskirchenrecht > staatliches Recht Staatskirchenvertrag mit Geltungsbereich im Verhältnis der Vertragspartner als gültige Abrede ABER: Fast regelmäßiger Transformationsakt eines Staatskirchenvertrages zu einem Gesetz und somit Teil des staatlichen Rechtsquellensystems. 28

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Festzustellen bleibt: Von der Verfassung geduldete Verfahrensweise Möglichkeit der anpassbaren Kooperation von Staat und Kirche Grundlage (Vertrag) bedingt beiderseitiges Interesse 29

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Art. 140 GG - inkorporierten Bestimmung Art. 137 WRV: Verbot der Staatskirche! Aber: Keine Zuordnung in den privaten Raum, sondern Anerkennung als Körperschaften des Öffentlichen Rechts. Wichtig: Unangetastet bleibt die staatliche Ebene! Aber: Nicht nur Kirchen können als Körperschaften Anerkennung finden auch Religionsgemeinschaften! 30

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Festzustellen bleibt: Für das deutsche Staatskirchenrecht gelten Neutralität Säkularität Parität (Gleichheit) als Grundlage. 31

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Grundlegende Staatsaufsicht, aber mögliche Wahrnehmung von hoheitlichen Aufgaben durch Kirche / religiöse Gemeinschaft. Hierzu: BVerfGE 18, 385 (387): Soweit die korporierten Religionsgemeinschaften öffentlich-rechtlich handeln, üben sie öffentliche, nicht aber staatliche Gewalt aus 32

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Festzustellen bleibt: Keine Integration der Kirche als Teil des Staates Im Rahmen der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch Private Folge: keine besondere Staatsaufsicht notwendig Praktische Ausprägung: Kirchensteuerrecht, Friedhofsgebühren 33

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Plenumsaufgabe Wer bestimmt was eine religiöse Gemeinschaft ist? Wer anerkennt ggf. eine religiöse Gemeinschaft? 34

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Im Endeffekt: Gerichte u.a. auf Grundlage Interpretation des Terminus Religion und Art 137 WRV. 35

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Plenumsaufgabe Betrachten Sie den Art 137 WRV. Welche Anforderungen gelten demnach? Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. 36

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. 1. Antrag 2. Verfassung = Verfasstheit (Rechtspraxis); Organe und erfassbare Organisation 3. Mitgliederzahl 4. Gewähr der Dauer = 30 Jahre (Rechtspraxis) 37

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Problemfeld islamische Gemeinschaften Religion: gegeben; Rechtspraxis zeigt keine Zweifel Verfassung/Verfasstheit: meistens auch gegeben Mitgliederzahl: meistens unstrittig Gewähr der Dauer: unstrittig Aber: keine Anerkennung Grund: Die dem Islam nicht eigene Trennung von Religion und Staat. 38

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Kirchliche Binnenstruktur Art. 140 GG => Garantie der innerkirchlichen Autonomie, beschränkt durch staatliches Recht; somit kircheninterne Normativakte (= Richtlinienvorgaben) notwendig. Interessanter Anwendungsbereich: Arbeitsrecht Grundlage: Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse ; 22. September 1993 / Abdruck: NJW 1994, 1394. 39

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Somit folgende Voraussetzungen für ein Arbeitsverhältnis rechtlich unbedenklich: Kirchliche Eigenheiten u. Loyalitätsverhältnisse müssen Anerkennung finden, Möglichkeit Arbeitsplätze an Kirchenzugehörigkeit zu koppeln muss gegeben sein. 40

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Kirchlicher Arbeitgeber begründet Arbeitsverhältnis mit staatlichem Arbeitsrecht => Korrekt im Sinne der Privatautonomie der Vertragsfreiheit => zu dem Verwirklichung der Autonomie, wie sie die Verfassung der Religionsgemeinschaft als solcher garantiert Staatliches Recht wird nicht aufgehoben, es wird modifiziert! Betr. u.a.: Caritas, Diakonie Festzustellen bleibt: Umsetzung der inner-kirchlichen Ordnung durch Verträge. 41

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Kirchliches Arbeitsrecht unterliegt (1) dem Selbstbestimmungsrecht und (2) des für alle geltenden Arbeitsrechts. Aktuelles Beispiel: Staatliche Mitarbeitervertretungsrecht gilt nicht für Kirche und deren Einrichtungen; Grund Autonomierecht. 42

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD BVerfGE 46, 73 (94 f.): ob und in welcher Weise die Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane in Angelegenheiten des Betriebs, die ihre Interessen berühren, mitwirken und mitbestimmen. Dadurch kein Rechtsvakuum, da innerkirchliche Regelung des Mitarbeitervertretungsrechtes somit vorgegeben. Somit BetriebsverfassungsG und BundespersonalvertretungsG als staatliche Rechtsordnung modifiziert. 43

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD 118 BetriebsverfassungsG - Geltung für Tendenzbetriebe und Religionsgemeinschaften (1) Auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder [ ], auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet, dienen, finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht. Die 106 bis 110 sind nicht, die 111 bis 113 nur insoweit anzuwenden, als sie den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile für die Arbeitnehmer infolge von Betriebsänderungen regeln. (2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform. 44

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD Somit sind folgende Kündigungsgründe für die Kirche möglich und rechtlich als nicht zu beanstanden erfolgt: Kirchenaustritt der entsprechenden Person (BVerfGE 70, 138) Betätigung der Person für eine andere Religionsgemeinschaft während des kirchlichen Dienstes (BVerfG, NJW 2002, 2771) Schwere Verstöße gegen das kirchliche Eherecht (BVerfG, DVBl 2001, 723). 45

Das Verhältnis von Kirche und Staat in der BRD - Resümee Staatskirchenrecht garantiert Abstand, bietet aber auch Raum für Kooperation Grundsätzliche Kooperationsmöglichkeit bei formeller und materieller Kooperation Grundlage: Verträge; dabei Ausbildung als dichtes Geflecht Verbot der Staatskirche ist nicht mit laizistischer Staat gleichzusetzen 46

Bibliographie Grundgesetz: http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/ grundgesetz/index.html; zu letzt zugegriffen am 16.11.2011 Weimarer Verfassung: http://www.verfassungen.de/de/ de19-33/verf19.htm; zu letzt zugegriffen am 16.11.2011 Verhältnis von Kirche und Staat: Vgl. u. siehe Stefan Mückl: http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/ media/xcms_bst_dms_28426_28433_2.pdf; zu letzt zugegriffen am 16.11.2011 Allgemeine Daten wie Datumsangaben wurden aus de.wikipedia.org entnommen. Quell-Angaben bei Dritten wurden vor Übernahme gegen geprüft. 47