Der Tod und die Familie Anmerkungen eines Familiensoziologen zur Modernisierung des Lebensendes

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Transkript:

Der Tod und die Familie Anmerkungen eines Familiensoziologen zur Werner Schneider, Universität Augsburg Tutzing 10. Dezember 2015 1

Kinder und Jugendliche sind unsterblich! Kindheit und Jugend sind gesellschaftlich inkompatibel zu Sterben, Tod und Trauer! (das Problem der/von Familie) 1. Eine kleine Geschichte des Sterbens: Die Modernisierung des Lebensendes 2. Lebensalter/Lebensphasen 3. Was ist Familie? 4. Hospiz als Familie 2

Das Sterbe-/Todesdispositiv der traditionalen Gesellschaft Johann Vogel,»Icones mortis LX«[1648] Quelle: Stöckli, R., Zeitlos tanzt der Tod, Konstanz 1996, S.71 3

Das Sterbe-/Todesdispositiv der modernen Gesellschaft Nikolaus Heidelbach,»Tanzeinlage«, 1984 Der kleine dicke Tod tanzt, von Nebelschwaden umhüllt, zu Transistormusik über Grabkreuze und Grabsteine, einen Unterschenkelknochen auf dem Nasenbein balancierend. Quelle: Stöckli, R., Zeitlos tanzt der Tod, Konstanz 1996, S.217 4

Leben Leiden Krankheit Sterben Tod Traditionales Weltbild gekennzeichnet als gegebene göttliche Ordnung von Diesseits und Jenseits umfasst die diesseitige, zeitlich begrenzte sowie die jenseitige, ewige Existenz mit ihrer dortigen Erlösungsverheißung wird als Prüfung verstanden und dient der Vorbereitung der moralischen Existenz im Jenseits das 'gute Sterben' dient wie das Leiden zur Vorbereitung auf die jenseitige Existenz ('ars moriendi'); das 'schlechte Sterben' ist das unvorbereitende, weil plötzliche Sterben (Bezugsrahmen: jenseitige Existenz) symbolisiert als Endpunkt des diesseitigen Lebens die Vergänglichkeit des Menschen und gleichzeitig als Durchgangsstadium Erlösung oder Verdammnis im Jenseits Modernes Weltbild gekennzeichnet als vom Menschen gestaltbare Gesellschaftsordnung umfasst die diesseitige Existenz, orientiert an der individuellen Verwirklichung der Verheißungen der Moderne im eigenen Leben verweist auf die Defizite individueller oder kollektiver Existenz einschl. der gleichzeitigen Aufforderung zu deren Vermeidung oder Beseitigung wird als biologischer (natürlicher) Vorgang verstanden; das 'gute Sterben' verläuft schnell und plötzlich, das 'schlechte Sterben' langsam und qualvoll (Bezugsrahmen: diesseitige subjektive Erfahrung) Endpunkt des je eigenen Lebens 5

Steigende Lebenserwartung? Steigende Lebenserwartung im Diesseits Verlust des ewigen Lebens im Jenseits Leben in der Moderne in der alltäglichen Einstellung potentieller Unsterblichkeit (Imhof, A.E., Die Kunst des Sterbens, Stuttgart 1998, S. 7) 6

Lebensalter -- Lebensphasen Hurrelmann, K., Lebensphase Jugend, 8. akt. Aufl., Weinheim 2005, S.17 7

Familie früher und heute um 1950 um 1910 heute? um 1990 8

Hospiz als Familie 1. Hospiz als Idee: Selbstbeschreibungen der Hospizakteure 2. Hospiz als Praxis: private Räume Rollenoffenheit/-diffusion Nähe und Distanz 3. Hospiz als Verhandlungsfamilie Selektivität und Ungleichheitseffekte von Hospiz als Familie (Familie als Ungleichheitsgenerator) 9

Vielen Dank! Kontakt: Prof. Dr. Werner Schneider Phil.-Soz.wiss. Fakultät Universität Augsburg Universitätsstr. 10 / 86135 Augsburg Tel. 0821-598-5570 Email: werner.schneider@phil.uni-augsburg.de 10