Fachgebiet Öffentliches Recht Prof. Dr. Viola Schmid, LL.M. (Harvard) Informations- und Datenschutzrecht Abschlussprüfung WS 2003/

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Transkript:

Fachgebiet Öffentliches Recht Prof. Dr. Viola Schmid, LL.M. (Harvard) FÖR-Klausurenpool Studierendenklausur FÖR weist darauf hin, dass die Beispielsklausuren den Studierenden einen Eindruck vom Aufbau und der Art der Aufgabenstellung vermitteln sollen. Bei den Beispielsklausuren handelt sich um ausgesuchte Studierendenarbeiten und nicht um Musterlösungen. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der juristischen Bearbeitung wird deshalb keine Gewähr übernommen. FÖR weist weiter darauf hin, dass die in den Klausurenpool eingestellten Aufgabenstellungen aus früheren Semestern den damaligen Stand von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wiedergeben. Für die Vorbereitung auf die Klausuren im Wintersemester 2004/05 empfiehlt FÖR die Skripte und (Online-)Module aus dem Wintersemester 2004/2005. Informations- und Datenschutzrecht Abschlussprüfung WS 2003/2004 03.02.2004 Name: Matrikelnummer: Studiengang: Teil I 20 % (je Frage 4 Punkte) 1. Was versteht die Vorlesung unter Organisation von Daten? Unter Organisation von Daten versteht man die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, wobei Erheben das Beschaffen der Daten ist. Unter Verarbeiten versteht man Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten. Nutzung ist jede Verwendung der Daten soweit es sich nicht um Erhebung oder Verarbeitung handelt (vgl. 3 Abs. 3-5 BDSG) 2. Welche Auslegungsmethoden gibt es? Traditionell unterscheidet man die historische, systematische, teleologische und die grammatische Auslegung. Für das Verfassungsrecht wird häufig noch die dynamische (technische) Auslegungsart verwendet. Diese wird u. a. benötigt, da die historische Auslegung vor allem beim Technikrecht meist versagt. Diese wird dann kompensiert. - 1 -

3. Wo und wie ist der Datenschutz verfassungsrechtlich geregelt? In der grammatischen, systematischen und historischen Auslegung gibt es kein Recht auf Datenschutz. Die teleologische Auslegung garantiert genau dies. Sinn und Zweck eines Rechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) ist die allgemeine Handlungsfreiheit ( Recht auf Unsinn Reiten im Walde, vgl. BverfGE). Die freie Entfaltung der Persönlichkeit könnte stark eingeschränkt werden, wenn man nicht wüsste wer, wann, wofür, welche personenbezogenen Daten organisiert. Deswegen entschied das BVerfG in Bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, dass jeder das Recht hat zu wissen, wer, wann, wofür, welche personenbezogenen Daten organisiert und muss jederzeit einwilligen (BverfGE 65,1). 4. Erklären Sie, welche Arten von Signaturen zu unterscheiden sind! Grundsätzlich unterscheidet man die elektronische Signatur ( 2 Abs. 1 SigG), die fortgeschrittene elektronische Signatur ( 2 Abs. 2 SigG) und die qualifizierte elektronische Signatur ( 2 Abs. 3 SigG). 5. Wo findet sich eine gesetzliche Regelung zu Attributen von Signaturen? Nennen Sie ein Beispiel für den möglichen Inhalt eines Attributes! Ein mögliches Attribut könnte sein: - Gilt nur dienstlich dann würde derjenige dieses Zertifikat nur aus dienstlichen Gründen benutzen dürfen. Eine private Nutzung dieses Zertifikats wäre dann ausgeschlossen. Attribute können auch separat in einem Attributs- Zertifikat stehen. Vgl. hierzu 2 SigG! Teil II 30 % (je Frage 6 Punkte) 1. Welche Unterschiede bestehen zwischen Völker- und Europarecht? Völkerrecht: - Souveränität der Staaten - Konsensprinzip (keine Mehrheitsentscheidungen) - Völkerrechtliche Verträge müssen in innerstaatliches Recht umgesetzt werden (hochpolitische) - keine obligatorische Gerichtsbarkeit - keine zwangsweise Rechtsdurchsetzung Europarecht: - Supranationalität - Mehrheitsentscheidungen - keine Souveränität der Staaten - Entscheidungen und Verordnungen gelten unmittelbar - obligatorische Gerichtsbarkeit durch den EuGH - Sanktionen durch den EuGH (Geldstrafen) - 2 -

- Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge, die den Vertragsparteien die Vertragsschlusskompetenz in diesen Bereichen nimmt 2. Worin unterscheiden sich eine deutsche Rechtsverordnung, eine gemeinschaftsrechtliche Verordnung und eine gemeinschaftsrechtliche Richtlinie? - deutsche Rechtsverordnungen können (durch Gesetz) von der Bundesregierung, Bundesminister oder Landesregierungen erlassen werden (näheres siehe Art. 80 GG) - gemeinschaftsrechtliche Verordnungen werden durch den Europäischen Rat und die Kommission erlassen und haben allgemeine Geltung. Gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (vgl. Art. 249 Abs. 1 2 EG) - Richtlinien werden ebenfalls vom Rat und der Kommission erlassen und sind hinsichtlich des Ziels verbindlich. Jedoch bleibt es innerstaatliche Sache, die Form und Mittel zu wählen (vgl. Art. 249 Abs. 3 EG) 3. Internet-Recherche-Workshop: Welche Internetseiten (grobe Angabe des Verantwortlichen oder Name der Seite reicht) recherchieren Sie zu deutschem und europäischem Recht (Stichworte genügen)? Hessen: http://www.hessenrecht.hessen.de Bundesrecht: http://www.dejure.de Europa: http://www.europarecht.de Europarechtliche Quellen sind unter www.dejure.de ebenfalls zu finden. 4. Ein australischer Staatsbürger stellt auf seiner Homepage Behauptungen auf, die inhaltlich der Ausschwitzlüge ( 130 StGB) entsprechen. Nach welchem Schema prüft ein deutscher Staatsanwalt, ob eine Strafbarkeit nach 130 StGB vorliegt? Hinweis: Nur das Prüfungsschema! 1. Geltungsbereich des deutschen Rechts eröffnet? 2. Tatbestand 2.1. Objektiver Tatbestand (Täter, Tathandlung, Objekt, Erfolg, ) 2.2. Subjektiver Tatbestand (Vorsatz, Absichten, ) 3. Rechtswidrigkeit (wird grundsätzlich indiziert) 4. Schuld (Schuldfähigkeit, besondere Schwere der Schuld) 5. Schuldausschließungs-, bzw. -erlassgründe 5. Nennen Sie die deutschen Rechtsgrundlagen für die IT-Sicherheit! - 3 -

Ebenso wie der Begriff Sicherheit ist der Begriff IT-Sicherheit nirgendwo legaldefiniert. Unterschiedliche rechtliche sowie technische Anforderungen verlangen nach einer dynamischen Auslegung des Begriffs IT-Sicherheit. Exemplarisch lässt sich hier vielleicht Art. 29 EU nennen, in dem sich das Verhältnis von IT-Sicherheit zu Sicherheit gut wieder findet. Auch in Deutschland muss sich an solche Richtlinien gehalten werden, um internationale Zusammenarbeit zu ermöglichen. Teil III 45 % 1. Strukturieren Sie mit Hilfe des Schemas den Sachverhalt zur Rasterfahndung nach dem 11. September! (10 Punkte) Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man behauptet: Der 11. September 2001 hat die Welt verändert. Um den Gefahren zu begegnen, verlangt die Behörde X von einer Universität mit hohem Ausländeranteil Daten über Ausländer arabischer Herkunft. Hinweis: Das folgende Schema kann direkt ausgefüllt werden. 1. Personal-aktiv - Zuständige Behörde (LKA; BKA, ) 26 HSOG 2. Personal-passiv - Universität als Körperschaft des öffentlichen Rechts ( 1 Hessisches Hochschulgesetz) 3. Objekt - Personenbezogene Daten ( 3 Abs. 1 BDSG) über Studenten arabischer Herkunft 4. Kausal/Zweck - Terrorbekämpfung - Schutz der inneren Sicherheit 5. Qualität der Informationstechnik - Organisation von Daten ( 3 5 BDSG) - Erhebung durch Universität ( 3 BDSG) - Übermittlung an die zuständige Behörde (vgl. 28) - Überwachung der Studenten 6. Verfahren - Besondere Verfahrensvorschriften - Behördenleitervorbehalt (in Hessen 26 HSOG) 7. Verhältnismäßigkeit/ Rechtfertigung Probleme bei der Verhältnismäßigkeit und bei der Geeignetheit siehe Verhältnismäßigkeitsprüfung RER- Prüfung - 4 -

2. Wie beurteilen Sie die Verfassungsmäßigkeit der Rasterfahndung? (25 Punkte + 10 Punkte Eindruck) Hinweis: RER-Prüfung! 1.) Recht Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG begründet (BverfGE 65,1) und durch den Schrankentrias von Art. 2 GG in Verbindung mit Art. 1 GG geschützt. Daten wie Name, Studienrichtung, Adresse und Staatsangehörigkeit haben Bezug zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht (vgl. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG). 2.) Eingriff Bei der Übermittlung personenbezogener Daten ( 3 Abs. 1 BDSG) von Studenten arabischer Herkunft (und sonstiger Organisation von Daten, 3 Abs. 3 5 BDSG) durch die Polizei, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, denn die Studenten werden nicht von der Übermittlung informiert und können so die Organisation nicht verhindern. Es ist ebenfalls nicht davon auszugehen, dass die Studenten (im Einzelnen) mit der Organisation ihrer Daten durch die Polizei einverstanden sind. 3.) Rechtfertigung 3a.) Spezielle Schranken: Art. 2 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 1 GG besitzt drei spezielle Schranken, die unmittelbar in eben diesem Artikel aufgezeigt werden ( soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die Verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt, Art. 2 Abs. 1 GG). Regelmäßig reicht die Prüfung der Rechtfertigung durch die verfassungsmäßige Ordnung aus. Zu prüfen sind formelle sowie materielle Verfassungsmäßigkeit. 3aa.) Formelle Verfassungsmäßigkeit ( 26 HSOG) Da der Bund sich in Art. 73 Nr. 10 GG nicht die ausschließliche Gesetzeskompetenz für den Bereich der inneren Sicherheit und Ordnung zuweist, liegt diese in Verbindung mit Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern. Das HSOG dient der inneren Sicherheit und Ordnung, also ist die Frage der Kompetenz geklärt. Von der Einhaltung der Verfahrens- und Formvorschriften wird hier explizit ausgegangen. 3ab.) Materielle Verfassungsmäßigkeit Diese Prüfung verlangt eine Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im weiteren Sinne. Geeignetheit: Es gibt kontroverse Meinungen dazu, ob ein präventives Rasterfahndungs- und Datenorganisationssystem geeignet ist terroristische Anschläge zu verhindern (siehe USA). Erforderlichkeit: Geht man von der Erforderlichkeit aus, ist kein Mittel erkenntlich, dass weniger in das Eingriffsrechtsgut ( informationelle Selbstbestimmung ) eingreift, da z.b. eine Reduktion der Datenorganisation ebenfalls kein milderes Mittel sein kann, da 26 HSOG bereits eine Einschränkung auf bestimmte Daten vorsieht. Man kann also hier unter der Prämisse Geeignetheit von der Erforderlichkeit ausgehen. - 5 -

Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne: Hier muss die Qualität des Eingriffs in das Eingriffsrechtsgut, der Qualität der Förderung des Rechtfertigungsguts gegenübergestellt werden. Man unterscheidet Argumente für und gegen eine Schwere des Eingriffs und Argumente für und gegen eine qualitative Förderung des Rechtfertigungsguts. Argumente für die Schwere des Eingriffs sind: - Behinderung der Integration (ausländische Studenten werden stigmatisiert) - Die Rasterfahndung hat eine sehr große Streubreite, betrifft aber nur eine sehr kleine Zahl von Studenten! - Ursprünglich war die Datenverarbeitung für einen anderen Zwecke gedacht - Die Rasterfahndung ist eigentlich ein repressives Mittel der Strafverfolgung. Ob sie als präventives Mittel wirklich Schaden abwenden kann, bleibt abzuwarten - Die Rasterfahndung ist nur von einem Behördenleitervorbehalt abhängig (Hessen), nicht wie bei der repressiven Ratserfahndung von einem Richtervorbehalt (vgl. 26 Abs. 4 HSOG) - Durch eine präventive Rasterfahndung nach 26 HSOG wird in den Medien ein Bild erzeugt, nach dem man der Meinung sein kann, alle arabischen Mitbürger seien schlechte Menschen (falsches Völkerverständnis) Gegen eine Schwere des Eingriffs spricht lediglich die nur geringe Personenbezogenheit, die erst im Laufe der Rasterfahndung bei verdächtigen Personen aufgegeben wird. Gegen eine qualitative Förderung des Rechtfertigungsguts kann man mit der nur hypothetischen Effektivität argumentieren. Außerdem ist z. Zt. nicht wirklich klar, ob ein großes Gefährdungspotential besteht. Für eine Förderung könnten die Erfolge (2003) in Hamburg und Heidelberg stehen, die mit der Ermittlung im Zusammenhang mit der Ratserfahndung erzielt wurden. Ergebnis: Bei einer wie in 26 HSOG festgelegten präventiven Ratserfahndung könnten jederzeit auch Daten ganz normaler Studenten (die keine terroristischen Ziele verfolgen) einer Selektion unterliegen. Risiken und Chancen einer solchen Rasterfahndung können hier jedoch nicht klärend beurteilt werden. Eventuell wäre es sinnvoll die Rasterfahndung abhängig zu machen. Die Rasterfahndung ( 26 HSOG) könnte gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verstoßen. 3b.) Allgemeine Schranke. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Hier gilt das bereits erläuterte. Im Ergebnis könnte die Rasterfahndung ( 26 HSOG) gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BverfGE 65,1) verstoßen. Teil IV (Multiple-Choice Fragen)- 5 % (je Frage 1 Punkt) Hinweis: Die richtige(n) Antwort(en) ist (sind) kenntlich zu markieren. - 6 -

1. Keine Datenverarbeitung liegt vor bei a) Datenlöschung? b) Datenerhebung? x c) Datenveränderung? 2. Völkerrechtliche Verträge a) gelten mit der Paraphierung b) gelten vor der Ratifizierung c) verlangen eine Transformation in deutsches Recht x 3. Die Europäische Grundrechtscharta a) ist einklagbar vor dem EuGH b) ist nicht einklagbar vor dem EuGH x 4. Als Völkerrecht hat die CCC unmittelbare Geltung 1 a) gegenüber Einzelnen b) gegenüber den Mitgliedstaaten x c) gegenüber Einzelnen und den Mitgliedstaaten x 5. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte a) ist zuständig für die Einhaltung des EU und des EG b) ist zuständig für Individualbeschwerden wegen Verletzung der EMRK c) hat seinen Sitz in Luxemburg x 1 Berichtigungsanmerkung Teil IV Frage 4) Hinweis aus der Vorlesung IUD I (25.01.05): Die richtige Lösung ist 4b). Die CCC hat als Völkerrecht unmittelbare Geltung (nur) gegenüber den Mitgliedstaaten. - 7 -