Kausales Denken. York Hagmayer und Michael R. Waldmann

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Transkript:

Kausales Denken York Hagmayer und Michael R. Waldmann

Kausalität Kausalität eine grundlegende kognitive Kompetenz Nicht nur für eigene Handlungen, auch im Alltag bereichsübergreifend! Psychologische Forschung zu Kausalität bezieht sich auf den Prozess der Wissensaneignung und der Anwendung dieses Wissens im Alltag

Kausalitätsforschung in der Philosophie Kausalitätsprinzip ( nihil fit sine causa ) schon in Antike formuliert Psychologische Theorien bauen hauptsächlich auf dem Ansatz zu Assoziationismus und Kausalität des schottischem Philosophen David Hume (18.Jh.) auf Kausalität als Grundlage des Denkens über die Realität

Der Ansatz David Humes Rein datengesteuerter Wissenserwerb Kausalität ist Ergebnis der Assoziations- Stärke verschiedener Ereignisse Drei Prinzipien von Kausaleindrücken Nach Hume fehlt dem Menschen die Fähigkeit, notwendige Kausalbeziehungen zu erkennen. Dennoch können sie existieren

Moderne philosophische Theorien Bedingungsanalytischer Ansatz von Mackie (1974) INUS-Bedingungen ( Insufficient but Necessary parts of Unnecessary but Sufficient conditions ) Kontrafaktischer Ansatz David Lewis (1973): Ereignis dann Ursache eines Effektes, wenn Effekt ohne Ereignis nicht eintritt Handlungstheoretischer Ansatz (Wright 1971, Woodward 2003): Ursachen sind Handlungen, mit denen ein bestimmter Effekt beabsichtigt wird Probabilistischer Ansatz (Laplace 1812; Pearl 1988): alle Ereignisse sind durch Wahrscheinlichkeiten verbunden, dadurch können Ursachen aufgrund von Wahrscheinlichkeiten erkannt werden

Psychologische Theorien zur Kausalität Assoziationstheorien Regelbasierte Theorien Deduktiver Ansatz Mechanistischer Ansatz Komplexe Kausalmodelle als Bayes- Modelle dargestellt, die zwischen statistischen und mechanistischen Ansätzen verbinden

Assoziationstheorien Untersuchungen zu Kausalwissen ähnlich dem Konditionieren (trial by trial learning), weshalb die beiden Bereiche als Bestandteile eines Lernmechanismus gesehen werden Kausalität als Illusion, in dem raum-zeitlich benachbarte Ereignisse assoziiert werden (Kontiguität) - geht auf Hume zurück, wurde aber in letzten 35 Jahren in Zweifel gezogen, seither Verbindung kausalen und assoziativen Lernens in den Theorien

Rescorla-Wagner-Theorie (1972) These: assoziative Beziehung zwischen CS und US ist eine Funktion der Häufigkeit der Paarung der beiden Reize Die Assoziationsstärke repräsentiert hierbei die Stärke der Kausalbeziehung Auch Untersuchung der Auswirkung bei auftreten mehrerer voneinander unabhängiger CS

Empirische Evidenz der Assoziationstheorien Theorie durch viele Untersuchungen bestätigt Auch Bestätigung der Vorhersage Rescorla-Wagners in Bezug auf die Sensitivität für Kontingenzen Weiterer Beleg ist Einfluss temporaler Konitguität auf Bewertung der Stärke eines Kausalzusammenhangs

Weiterentwicklungen von Assoziationstheorien Retrospektiver Revaluationseffekt führte zu mehreren Modifikationsversuchen der Rescorla-Wagner-Theorie (Van Hamme/Wassermann 1994; Dickinson/Burke 1996) Konfiguration einzelner Reize (cues), um Blockierungseffekte zu neutralisieren

Kritik am Assoziativen Ansatz Fehlendes Gedächtnis der Theorie in Bezug auf Ereignisse Assoziationsgewichte zeigen nur aktuellen Stand auf, erklären aber nicht die Entstehung des Gewichtes Theorie ähnelt der multiplen Regression, ohne die kausale Bedeutung von deren Prädiktoren und Kriterien einzubeziehen Keine Erklärung zu Gerichtetheit von Kausalzusammenhängen

Regelbasierte Ansätze Untersuchen Einfluss von Informationen zu Ursache und Effekt auf Kausalurteil Grundannahme ist hierbei, dass der statistische Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung wesentlich für Vorliegen einer Kausalrelation ist

Varianzanalytischer Ansatz (Kelley 1967/1972/1973) Normativ, modelliert Kausalattribution nach dem Vorbild der Varianzanalyse in der Statistik postuliert deterministische Ursache-Wirkungs- Zusammenhänge Distinktheit, Konsens und Konsistenz als Kovariationsformen der drei Ursachedimensionen Person, gegebener Stimuli und Situation Kausale Schemata und Abwertungsprinzip zur Erklärung von Ursachen

Empirische Evidenz Teilweise zwar Bestätigung der Annahmen Kelleys, jedoch nur in Bezug auf spezifische Informationen Zwei durch abweichende Befunde mehrfach belegte eigenständige Biases Auch bei Anwendung kausaler Schemata keine einheitliche Unterstützung des Ansatzes

Kritik Problem, dass auf Grundlage von Konsistenz, Distinktheit und Konsens keine vollständige Varianzanalyse möglich Beschränkung auf deterministische Zusammenhänge Unnötige inhaltliche Beschränkung auf Verhaltensweisen und Ursachedimensionen Vernachlässigung des Wissenserwerbs über allgemeine Kausalzusammenhänge

Weitere Regelbasierte Ansätze Einfache und komplexe Kontingenzbasierte Ansätze Probabilistisches Kontrastmodell (Cheng/ Novick 1990, 1992) Theorie der kausalen Power (Cheng 1997) Theorie der Evidenzevaluation (White 2003)

Der deduktive Ansatz (Cummins, 1991/1995) Kausales Denken als Form logischen Denkens Weiterentwicklung der Theorien des syllogistischen oder konditionalen Schließens im Bereich der Kausalität Theorie befasst sich mit Schlüssen aus kausalen Prämissen ( wenn A dann B ), wobei die Gültigkeit vom Vorliegen kausal relevanter Faktoren bestimmt wird, nicht allein von der Logik

Empirische Evidenz Im Versuch wurden die Vorhersagen des Ansatzes bestätigt und dies nicht nur im Bezug auf kausale Konditionale Auch bei Umstellung von Antecedens und Konsequenz und damit einer Änderung der logischen Form, wird dem Kausalzusammenhang gefolgt Allerdings führten Untersuchungen anderer Forscher nur teilweise zur Bestätigung des Ansatzes

Kritik Präzisiert Einfluss von Vorwissen auf Kausalurteile Ansatz muss in Hinblick auf Befunde zum Einfluss von Assoziationsstärke erweitert werden Geringe Formalisierung des Ansatzes, könnte mithilfe mentaler Modelle nach Johnson-Laird oder Bayes-Modellen verbessert werden Kritisiert wird auch die deduktive Konzeption insgesamt

Mechanistischer Ansatz Betont Wichtigkeit inhaltlichen Vorwissens Greift auf Vielzahl von Erkenntnissen und Modellen aus verschiedenen Bereichen der Psychologie zurück Lernen, Denken und Entscheiden ist stark von kausalen Mechanismen beeinflusst Kognitive Verbindung von Ursache und Effekt muss durch einen Mechanismus erfolgen

Empirische Evidenz Wissenserwerb wird durch vorhandenes Wissen und Annahme bekannter Mechanismen beeinflusst In Untersuchung über Informationssuche bei der Kausalattribution wurde gezeigt, das die Suche nach Mechanismen wichtiger war als nach Kovariationsformen

Kritik Frage, wie Personen zum Wissen über kausale Mechanismen gelangen, da diese nach der Theorie zum Wissenserwerb notwendig sind Ohne großes Vorwissen dürften hoch abstrahierte Fragen nicht richtig bewertet werden was aber nicht deutlich zu bewerten ist

Kausalmodelle und Bayes-Netze Weiterentwicklung der probabilistischen Kausalitäts Theorien, sowie Bezug zu mechanistischen Ansatz Auch PowerPC Theorie von Cheng als Bayes-Netz formulierbar Bayes-Netze ermöglichen es, allein aus Kausalzusammenhängen auf die Wahrscheinlichkeiten verschiedener Ereignisse zu schließen

Empirische Evidenz Untersuchung von Kausalmodellen gegenüber Assoziationstheorien bestätigten die Vorhersagen strukturierter Kausalmodelle, die durch Bayes-Netze erklärt werden konnten, aber auch Befunde, die nicht zu diesem Ergebnis kamen Kausale Bayesnetze als Modelle logischen Schließens untersucht