Institutsletter. Milchallergie. Ausgabe 19/06

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Transkript:

Ausgabe 19/06 Institutsletter Virtuelles Institut für Jugend- & Erwachsenenbildung im Gesundheitsbereich A-3500 Krems, Herzogstraße 13, Tel: +43-2732-79575, e-mail: hschoen@labmed.at, www.labmed.at Medizinische Leitung Univ.-Doz. DDr. Hans J. Schön (Zugeordnet dem Zentrum für Physiologie und Pathophysiologie, Institut für Medizinische Chemie, Medizinische Universität Wien, Active Member of the New York Academy of Sciences & Member of the American Association for Advancement of Science) Milchallergie Das Spektrum der möglichen Symptome bei einer Milchallergie ist im Gegensatz zur Lactoseintoleranz sehr breit. Neben Magen-Darm- Beschwerden (Erbrechen, Bauchkrämpfe, Durchfall) können Symptome an der Haut (Ausschlag, Juckreiz, Schwellungen), bei Kindern häufig in Verbindung mit Neurodermitis, sowie an den Atemwegen (Schnupfen, Husten, Asthma) und anderen Organen ausgelöst werden. Abhängig von der individuellen Empfindlichkeit reicht der Schweregrad der Symptome von leichten Beschwerden bis hin zum anaphylaktischen Schock mit völligem Kreislaufzusammenbruch und möglicher Todesfolge. Sie treten meistens innerhalb von wenigen Minuten bis zu einigen Stunden nach dem Verzehr von Milchprodukten auf. Vorwiegend kommt die Allergie im Säuglings- und Kleinkindalter vor und verliert sich bei 60-80 % der Kinder bis zum Alter von 3-4 Jahren. Wie entsteht eine Milchallergie? Der Grund für die Allergie ist eine Überreaktion des Immunsystems, die durch das Eiweiß (Protein) der Milch ausgelöst wird. Beim Erstkontakt bildet der menschliche Organismus bestimmte Antikörper gegen dieses Eiweiß (= Antigen/Allergen). Bei erneutem Kontakt mit Milch tritt dann eine Antigen-Antikörper-Reaktion auf. Dabei sind Art und Schwere der Symptome individuell sehr unterschiedlich. Auch der Grad der Sensibilität gegenüber dem Eiweiß unterscheidet sich von Person zu Person. Das heißt, manche Milchallergiker können geringe Mengen Butter vertragen, in der wenig Milcheiweiß enthalten ist, bei anderen führen schon Spuren davon zu heftigsten Reaktionen.

Diagnose Reaktionen gegen Kuhmilch oder deren Produkte können nicht nur durch eine Allergie im klassischen Sinne ausgelöst werden, sondern auch durch Unverträglichkeiten gegenüber anderen Bestandteilen, wie z.b. der Lactose, biogenen Aminen (im Käse) oder Kräutern und Gewürzen. Im Interesse der richtigen Therapie muss eine Abgrenzung dazu unbedingt erfolgen. Die eindeutige Bestätigung der Allergie und die Feststellung der Sensibilität ist zwingend erforderlich, damit es nicht zu unnötigen Einschränkungen im Verzehr von Milchprodukten kommt, was die Gefahr einer Mangelernährung birgt. Zur Diagnose gehören die Erhebung der genauen Krankheitsgeschichte sowie eine unter kontrollierten Bedingungen durchgeführte Eliminations- (= Ausschluss-)Diät mit anschließender Wiedereinführung von Milch. Verschiedene Hauttests und Blutuntersuchungen können zur Unterstützung herangezogen werden. Da die hiermit erzielten Ergebnisse nicht immer mit der tatsächlichen Verträglichkeit übereinstimmen, dürfen Diätempfehlungen nicht nur auf Grund dieser Tests erfolgen. Die praktische Relevanz muss unter kontrollierten Bedingungen überprüft werden. Für die Überprüfung der persönlichen Empfindlichkeit werden Milchprodukte unter ärztlicher Beobachtung in ansteigender Menge getestet. Wie sieht die Therapie aus? Die beste und sicherste Behandlung einer Milchallergie besteht im Meiden von Milch und Milchprodukten. Zusätzlich stehen zur prophylaktischen Anwendung Medikamente zur Verfügung, welche hauptsächlich bei mehrfachen Nahrungsmittelallergien mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit bietet die orale Hyposensibilisierung. Allergiker mit lebensbedrohlichen systemischen Reaktionen (z.b. Kreislaufschock) müssen ein Notfallset, bestehend aus Antihistaminika, Kortikoiden und Adrenalin, mit sich führen. Für eine konkrete Ernährungsempfehlung sind der Grad der Empfindlichkeit (Menge) und die Eiweißkomponenten in der Milch, auf die reagiert wird, entscheidend. Je nach dem müssen eine mehr oder weniger breite Auswahl oder sämtliche Milchprodukte gemieden werden. Da Milch durch Erhitzen für manche (Molkenprotein-) Allergiker an Allergenität verliert, werden Schmelzkäse und überbackener Camembert mitunter besser vertragen als Quark, Schnittkäse und Joghurt, deren Eiweiße häufig noch Allergencharakter besitzen. Auf Grund des geringeren Proteingehaltes bzw. der verwendeten Menge sind Butter, Kondensmilch und Kaffeesahne selten ein Problem.

Versteckte Milch Wer sehr sensibel auf Kuhmilch reagiert, muss auf kleinste Spuren achten. Dies ist nicht einfach, da Milch und Milchprodukte bei der Lebensmittelherstellung und Speisenzubereitung vielfältig verwendet werden. Der Grund dafür sind die guten technologischen Eigenschaften der Milch. Beim Einkauf sollte genau auf die Zutatenliste geachtet werden, da Milch sich hinter verschiedenen Bezeichnungen verbergen kann. Jedoch müssen milchhaltige Rohstoffe nicht immer deklariert werden. Es gibt Ausnahmen bei der Kennzeichnung: z.b. für Lebensmittel, die Bestandteil einer zusammengesetzten Zutat sind, welche weniger als 25 % des Endproduktes ausmachen. Milch in einer Margarine, die in einem Gebäck enthalten ist, muss also nicht deklariert werden. Auch für einige Lebensmittel, bei denen generell kein Zutatenverzeichnis vorgeschrieben ist, wie alkoholhaltige Getränke oder Schokolade, bestehen Ausnahmen. Bei loser, unverpackter Ware, die möglicherweise Milch enthält, wie z.b. Backwaren, Fleisch- und Fischerzeugnissen, Feinkostsalaten oder bei Speisen im Restaurant, sollte vor dem Kauf bzw. der Bestellung nachgefragt werden. Bei einer hochgradigen Allergie sollte daran gedacht werden, dass auch Kosmetika betroffen sein können. Bei einer Milchallergie oder Milchzuckerunverträglichkeit, bei der wesentliche Mengen an Milchprodukten, sei es erhitzte oder gesäuerte Milchprodukte oder bestimmte Käsesorten, vertragen werden, ist eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen ohne weitere Maßnahmen möglich. Deshalb sollten alle verträglichen Milchprodukte unbedingt in die Kost einbezogen werden. Beim Meiden sämtlicher Milchprodukte müssen jedoch alternative Nährstoffquellen genutzt werden, damit eine ausreichende Versorgung gewährleistet ist. Ersatz für die Nährstoffe der Kuhmilch Milchprodukte sind bedeutend für die Zufuhr von Eiweiß, Jod, Vitamin B2 und vor allem von Calcium. Mit einer bewussten Lebensmittelauswahl kann die Versorgung mit - Eiweiß (Fleisch und Fisch, Wurst- und Fischwaren, Eiern, Soja und anderen Hülsenfrüchten, Getreide, Kartoffeln) - Jod (Seefisch, Jodsalz) - Vitamin B2 (Leber, Eiern, Fleisch, Hefe, Vollkornprodukten, Pilzen, verschiedenen Gemüsen, Kartoffeln) weitgehend erreicht werden (letzteres kritisch bei Kleinkindern). Der Calciumbedarf ist ohne Kuhmilch jedoch nur schwer zu decken. Mit einem Calciummangel ist u.a. das Risiko für die Entwicklung einer späteren Osteoporose erhöht.

Zu den nennenswerten natürlichen pflanzlichen Calciumlieferanten gehören - Nüsse und Samen - Vollkornprodukte - Sojabohnen bzw. -produkte (u.a. Tofu) - andere Hülsenfrüchte - einige Gemüsesorten und Gartenkräuter Zusätzlich kann calciumreiches Mineralwasser (>150 mg Ca/l) wesentlich zur Bedarfsdeckung beitragen, ebenso calciumangereicherte Fruchtsäfte (bis zu 1200 mg/l, Achtung: u.u. Milchzusatz!).

Univ.-Doz. DI DDr. Hans J. Schön, Chemiker, Biologe, FA f. med. & chem. Labordiagnostik und Allgemeinmediziner, A-1170 Wien, Ranftlgasse 5/Top 1 Tel:+43-1-4098220, A-3500 Krems, Herzogstraße 13, Tel: +43-2732-79575, e-mail: office@labmed.at, www.labmed.at