Reform des einstweiligen Rechtsschutzes



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Transkript:

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes n AUS DER PRAXIS Michael Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes Strukturen der Neuordnung des vorläufigen Rechtsschutzes in Familiensachen Teil 2* 1 54 Aufhebung oder ¾nderung der Entscheidung (1) Das Gericht kann die Entscheidung in der einstweiligen Anordnungssache aufheben oder ändern. Die Aufhebung oder ¾nderung erfolgt nur auf Antrag, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Dies gilt nicht, wenn die Entscheidung ohne vorherige Durchführung einer nach dem Gesetz notwendigen Anhörung erlassen wurde. (2) Ist die Entscheidung in einer Familiensache ohne mündliche Verhandlung ergangen, ist auf Antrag auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden. (3) Zuständig ist das Gericht, das die einstweilige Anordnung erlassen hat. Hat es die Sache an ein anderes Gericht abgegeben oder verwiesen, ist dieses zuständig. (4) Während eine einstweilige Anordnungssache beim Beschwerdegericht anhängig ist, ist die Aufhebung oder ¾nderung der angefochtenen Entscheidung durch das erstinstanzliche Gericht unzulässig. 1. Strukturen der Norm 54 behandelt die Überprüfung sowie Aufhebung oder Abänderung von Entscheidungen im Anordnungsverfahren; sie entspricht inhaltlich weitgehend 620 b ZPO. Die weitgehende Abänderungsmöglichkeit ist in Familiensachen der Ersatz für die regelmässig fehlende Anfechtbarkeit. Da eine einstweilige Anordnung nur eine vorläufige Maßnahme darstellt, ist sie in vielfacher Hinsicht auch rückwirkend abänderbar, sowohl für den Antragsteller (ein»mehr«), als auch für den Antragsgegner (Fortfall der Anordnung oder ein»weniger«). Bezüglich der ¾nderungsmöglichkeiten ist zu differenzieren, ob die einstweilige Anordnung schriftlich ohne mündliche Verhandlung oder auf Grund mündlicher Verhandlung erlassen worden ist. Gegen eine ohne mündliche Verhandlung erlassene einstweilige Anordnung sind statthaft: n Antrag auf mündliche Verhandlung ( 54 Abs. 2), n Antrag auf Einleitung des Verfahrens zur Hauptsache ( 52 Abs. 2), n Antrag auf Abänderung ( 54 Abs. 1) der einstweiligen Anordnung, n Beschwerde, jedoch nur in bestimmten Fällen ( 57 S. 2, 58). Hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, stehen folgende ¾nderungsmöglichkeiten zur Verfügung: n Antrag auf Einleitung des Verfahrens zur Hauptsache ( 52), n Antrag auf Abänderung ( 54 Abs. 1) der einstweiligen Anordnung, n Beschwerde, wenn und soweit statthaft ( 57 S. 2). Das Gericht muss über die jeweils zulässige ¾nderungsmöglichkeit eine Rechtsbehelfsbelehrung erteilen, 1 die auf folgende Punkte hinzuweisen hat: n den statthaften Antrag, n das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, n den Sitz dieses Gerichts. Mangels besonderer Zulässigkeitsanforderungen bezüglich Form und Frist bedarf es insoweit keiner ausdrücklichen Belehrung. Vorrangig vor einem Antrag auf Abänderung gem. 54 Abs. 1 ist Antrag auf mündliche Verhandlung gem. 54 Abs. 2 zu stellen, wenn bislang keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat; ein Abänderungsantrag wäre ansonsten mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Unzulässig ist des Weiteren selbst wenn sie statthaft wäre eine Beschwerde ( 57 S. 2, 58), wenn keine mündliche Verhandlung vorausgegangen ist. Vorrang besteht auch gegenüber ¾nderungsanträgen nach 238, da 54 Abs. 1 ein einfacheres Verfahren darstellt, sofern nicht dem Verfahren nach 238 eine weitergehende Wirkung als der nur vorläufig geltenden einstweiligen Anordnung zukommt. Gleichrangig ist der Abänderungsantrag hingegen zu der Möglichkeit eines Antrags auf Einleitung des Hauptsacheverfahrens ( 52) sowie auch zu der Beschwerde nach 57 S. 2, 58, sofern diese auf neue Tatsachen gestützt wird (vgl. 65 Abs. 3). Antragsbefugt ist jeder Beteiligte, der durch die einstweilige Anordnung beschwert, also in seinen Rechten beeinträchtigt ist (vgl. auch 59 Abs. 1); insoweit ge- * Fortsetzung aus 2009, 241 1 Vgl. BT-Dr. 16/6308 S. 201, 380; s. auch Schürmann FamRB 2008, 375, 379 6/2009 321

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 AUS DER PRAXIS n Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes nügt, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt oder auch nur teilweise zurückgewiesen worden ist (vgl. auch 59 Abs. 2). Da der Antrag auf mündliche Verhandlung nach 54 Abs. 2 eine umfassende Rechtsschutzmöglichkeit bieten soll, ist wie bei jedem Rechtsbehelf notwendig, dass (noch) ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Der Antrag ist unbefristet zulässig; er kann also auch noch dann gestellt werden, wenn die einstweilige Anordnung bereits mehrere Jahre zurückliegt, aber noch immer wirkt, 2 etwa eine Anordnung nach 1 Abs. 1 S. 1 oder 3 GewSchG jeweils auch ivm Abs. 2 S. 1 GewSchG, die gem 4 GewSchG strafbedroht ist. Der Antrag kann sowohl auf eine rückwirkende (keine Tatsachenpräklusion in Anordnungsverfahren!) als auch (allein) auf eine künftige ¾nderung (Anpassung an die/veränderung der tatsächliche/n Lage und/oder Rechtslage) der einstweiligen Anordnung gerichtet sein. ¾nderungsgründe isv 238, die gegen die einstweilige Anordnung vorgebracht werden, sind im Verfahren nach 54 Abs. 2 geltend zu machen. 3 Eine einstweilige Anordnung darf nur auf Grund neuer Tatsachen abgeändert werden. Begehrt ein Beteiligter die ¾nderung der getroffenen Entscheidung, ohne neue Tatsachen vorzutragen, fehlt seinem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis; sein Antrag ist unzulässig, 4 und zwar auch dann, wenn es sich um eine von vornherein unanfechtbare einstweilige Anordnung handelt. Will der Beteiligte lediglich bekannte Tatsachen vorbringen, steht ihm allein die Möglichkeit einer Beschwerde soweit diese nach 57 S. 2 überhaupt zulässig ist offen. 2. Abänderung nach mündlicher Verhandlung ( 54 Abs. 1) 54 Abs. 1 regelt die Abänderung einer auf Grund mündlicher Verhandlung ergangenen einstweiligen Anordnung. Das Gericht kann selbstständig oder auf Anregung hin tätig werden; es hat die einstweilige Anordnung in jeglicher Hinsicht zu überprüfen. Es kann die getroffene Regelung bestätigen, inhaltlich ändern oder vollständig aufheben. Abs. 1 S. 1 befugt das Gericht grundsätzlich auch von Amts wegen, auch ohne Antrag Entscheidung in amtswegigen Anordnungsverfahren aufzuheben oder zu ändern, und zwar nicht nur für Entscheidungen, die eine einstweilige Anordnung enthalten (sog. positiv-regelnde), sondern auch für solche, die den Erlass einer Anordnung ablehnen (sog. negativ-regelnde). Nach S. 2 ist hingegen in Antragsverfahren ein Antrag zu stellen, es sei denn, die Entscheidung wurde erlassen, ohne dass eine gesetzlich notwendige Anhörung durchgeführt wurde. Dann ist eine Aufhebung bzw. Abänderung auch von Amts wegen möglich. Antragsbefugt ist jeder Beteiligte, der durch die einstweilige Anordnung beschwert, also in seinen Rechten beeinträchtigt ist. S. 3 normiert, dass das Gericht auch in Antragsverfahren seine Entscheidung von sich aus auch ohne Antrag von Amts wegen aufheben oder ändern muss, wenn es die Entscheidung, deren Aufhebung oder ¾nderung in Frage steht, ohne vorherige gesetzlich notwendige Anhörung erlassen hat. Dies soll sicherstellen, dass das Ergebnis der Anhörung in jedem Fall, also auch wenn kein Antrag gestellt ist, umgesetzt werden kann; zugleich hebt das Gesetz damit die Bedeutung der Anhörung hervor. 3. Abänderung ohne vorherige mündliche Verhandlung ( 54 Abs. 2) Abs. 2 entspricht inhaltlich 620 b Abs. 2 ZPO: Ist die Entscheidung in einer Familiensache ohne mündliche Verhandlung ergangen, ist zum Zwecke der Abänderung der einstweiligen Anordnung auf Antrag auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden. Der Begriff»mündliche Verhandlung«setzt einen Gerichtstermin voraus; eine lediglich mündliche Erörterung ggfs. telefonisch genügt nicht. 54 Abs. 2 bezieht sich auf sämtliche Entscheidungen im Anordnungsverfahren, die ohne mündliche Verhandlung ergangen sind; ihr Inhalt ist ebenso ohne Belang wie die Tatsache, ob das Gericht eine positive oder negative (Zurückweisung eines Antrags teilweise oder insgesamt) Regelung getroffen, oder ob es einen ¾nderungsantrag nach 54 Abs. 1 im schriftlichen Verfahren (also ohne mündliche Verhandlung) abgelehnt hat. 5 Der Antrag eines Beteiligten hängt nicht von besonderen formellen Voraussetzungen ab; insbesondere besteht kein Anwaltszwang ( 114 Abs. 4 Nr. 1). Ein ¾nderungsantrag nach 54 Abs. 1 ist als zulässiger Antrag auf mündliche Verhandlung nach 54 Abs. 2 auszulegen. 4. Zuständigkeit für das Abänderungsverfahren ( 54 Abs. 3) Abs. 3 regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit für das Abänderungsverfahren nach 54. Diese Regelung weicht von der des 620 b Abs. 3 ivm 620 a Abs. 4 ZPO ab, da nunmehr das Anordnungsverfahren nicht mehr von einer Hauptsache abhängig ist. S. 1 normiert die Zuständigkeit im Grundsatz: Für das Abänderungsverfahren ist dasjenige Gericht zuständig, 2 OLG Köln FamRZ 2006, 1402 3 Schürmann FamRB 2008, 375, 379 4 Schürmann FamRB 2008, 375, 380 5 BVerfG FamRZ 2005, 966 322 6/2009

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes n AUS DER PRAXIS das die abzuändernde Entscheidung erlassen hat, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn sich die zuständigkeitsbegründenden Umstände geändert haben. Dieser Grundsatz dient der Verfahrensökonomie, da dieses Gericht bereits einmal mit dieser Sache befasst war. Hat das Beschwerdegericht die einstweilige Anordnung erlassen, dann ist es auch für die Abänderung zuständig. S. 2 normiert hiervon eine Ausnahme für den Fall, dass das Anordnungsverfahren nach Erlass der Entscheidung, deren Abänderung beantragt ist oder in Betracht kommt, an ein anderes Gericht abgegeben oder verwiesen wurde (etwa Eilzuständigkeit nach 50 Abs. 2, vgl. auch 3 f): Dann ist dieses Gericht für den Antrag auf mündliche Verhandlung zuständig. 5. Verhältnis Abänderung / Rechtsmittelverfahren ( 54 Abs. 4) Abs. 4 regelt das Verhältnis der Abänderung zu einem Rechtsmittelverfahren is eines Vorrangs des Rechtsmittelverfahrens während der Anhängigkeit der Sache beim Beschwerdegericht: Ist ein Anordnungsverfahren beim Beschwerdegericht anhängig, dann ist die Aufhebung oder ¾nderung der angefochtenen Entscheidung durch das erstinstanzliche Gericht unzulässig. 6. Gang des Abänderungsverfahrens Für das Abänderungsverfahren gelten dieselben Vorschriften wie für den erstmaligen Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Gericht kann schriftlich entscheiden, was dann das Verfahren nach 54 Abs. 2 auslösen kann. Das Gericht kann die Vollziehung der einstweiligen Anordnung während des laufenden Abänderungsverfahrens aussetzen ( 55 Abs. 1). 6 Ein Antrag ist nicht erforderlich; wird aber ein solcher gestellt, ist über diesen vorab zu entscheiden ( 55 Abs. 2). Der Beschluss über die Aussetzung ist unanfechtbar ( 55 Abs. 1 S. 2). wie bisher auch von Amts wegen erfolgen. Sie kann von Bedingungen und/oder Auflagen abhängig gemacht werden, insbesondere auch von einer Sicherheitsleistung. S. 2 legt nunmehr die Unanfechtbarkeit einer nach S. 1 ergangenen Entscheidung im Gesetz ausdrücklich fest; dies entspricht der bereits bisher herrschenden Auffassung. Abs. 2 stellt klar, dass über einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung vorab entschieden werden muss, unabhängig davon, dass schon das Verfahren selbst regelmässig beschleunigt zu betreiben ist. 56 Außerkrafttreten (1) Die einstweilige Anordnung tritt, sofern nicht das Gericht einen früheren Zeitpunkt bestimmt hat, bei Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung außer Kraft. Ist dies eine Endentscheidung in einer Familienstreitsache, ist deren Rechtskraft maßgebend, soweit nicht die Wirksamkeit zu einem späteren Zeitpunkt eintritt. (2) Die einstweilige Anordnung tritt in Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden, auch dann außer Kraft, wenn 1. der Antrag in der Hauptsache zurückgenommen wird, 2. der Antrag in der Hauptsache rechtskräftig abgewiesen ist, 3. die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird oder 4. die Erledigung der Hauptsache anderweitig eingetreten ist. (3) Auf Antrag hat das Gericht, das in der einstweiligen Anordnungssache im ersten Rechtszug zuletzt entschieden hat, die in den Absätzen 1 und 2 genannte Wirkung durch Beschluss auszusprechen. Gegen den Beschluss findet die Beschwerde statt. 55 Aussetzung der Vollstreckung (1) In den Fällen des 53 kann das Gericht, im Fall des 57 das Rechtsmittelgericht, die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung aussetzen oder beschränken. Der Beschluss ist nicht anfechtbar. (2) Wenn ein hierauf gerichteter Antrag gestellt wird, ist über diesen vorab zu entscheiden. Abs. 1 S. 1 entspricht der Vorschrift des 620 e ZPO. Da ein besonderer Antrag nicht erforderlich ist, kann die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung 1. Strukturen der Norm 56regelt orientiert an 620 f ZPO, jedoch modifiziert das Außerkrafttreten einer einstweiligen Anordnung, auch wenn sie das Beschwerdegericht erlassen hat. Das Gericht darf eine einstweilige Anordnung stets befristen ( 56 Abs. 1 S. 1); mit Ablauf dieser (ge- 6 Die Verweisung in 55 Abs. 1 auf 53 statt auf 54 ist ein gesetzgeberisches Versehen (vgl. die amtl. Begründung zu 55 BT-Dr. 16/6308 S. 202, die auf 620 e ZPO Bezug nimmt; s. auch Schürmann FamRB 2008, 375, 381) 6/2009 323

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 AUS DER PRAXIS n Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes richtlichen) Frist tritt die einstweilige Anordnung dann ohne Weiteres außer Kraft. Da eine einstweilige Anordnung jedoch wenn und soweit das Gericht sie nicht im Entscheidungstenor ausdrücklich befristet hat grundsätzlich unbefristet gilt, also nunmehr weder bei Rücknahme, Abweisung oder Erledigung einer Ehesache außer Kraft tritt, noch vorbehaltlich einer anders lautenden Bestimmung durch das Gericht die Rechtskraft der Ehescheidung per se die einstweilige Anordnung außer Kraft treten lässt, ist 56 künftig wegen der Unabhängigkeit des Anordnungsverfahrens von einer Ehesache oder von einer sonstigen Hauptsache besonders bedeutsam. Das Gesetz sieht in einigen Fällen automatische Befristung der einstweiligen Anordnung vor: n Betreuungssachen ( 302 sechs Monate), n Unterbringungssachen ( 333 sechs Wochen), n Freiheitsentziehungssachen ( 427 sechs Wochen). n gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich der Beteiligten. Die Norm stellt darüber hinaus klar, dass im Falle eines gerichtlich festgesetzten früheren Zeitpunkts dieser für das Außerkrafttreten maßgeblich ist. Wirksam wird ein Beschluss gem 40 Abs. 1 grundsätzlich mit der Bekanntgabe; das Gericht kann jedoch einen früheren Zeitpunkt bestimmen. Handelt es sich bei der anderweitigen Regelung um die Endentscheidung in einer Familienstreitsache (nach 112 etwa Unterhalts- und Güterrechtssachen), dann tritt die einstweilige Anordnung nach S. 2 mit Eintritt der Rechtskraft der Endentscheidung in der Hauptsache außer Kraft, 7 sofern nicht die Wirksamkeit bei Endentscheidungen in einer Familienstreitsache erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt (s. etwa 148); dabei ist naturgemäß nicht auf die Rechtskraft, sondern nach dem Grundsatz des S. 1 wiederum auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Endentscheidung abzustellen. Hat das Gericht in einer Familienstreitsache die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet ( 116 Abs. 3 S. 2), dann können somit für die Zeit bis zum Eintritt der Rechtskraft zwei selbständige Titel die einstweilige Anordnung als vorläufige Vollstreckungsmöglichkeit und die vorläufig wirksame Entscheidung in der Hauptsache nebeneinander existieren. 8 Dies ist in zeitlicher Hinsicht gerade bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Hauptsache problematisch. Bei einer einstweiligen Anordnung in Güterrechtsund/oder sonstigen Familiensachen gilt insoweit der Schadensersatzanspruch aus 945 ZPO entsprechend (vgl. 116 Abs. 1 S. 2). In Unterhaltssachen fehlt dagegen ein solcher Verweis; hier klafft weiterhin eine ärgerliche Lücke. 9 2. Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung ( 56 Abs. 1) Abs. 1 S. 1 stellt wie bereits 620 f Abs. 1 S. 1 ZPO für das Außerkrafttreten der einstweiligen Anordnung auf das Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung ab. Das ist allerdings künftig nicht mehr der Fall, wenn in einer Ehesache eine Rücknahme des Antrags oder eine abweisende Entscheidung ergangen oder eine Erledigung in der Hauptsache eingetreten ist. Es bleibt aber dabei, dass die Rechtskraft der Scheidung nicht das Außerkrafttreten der einstweiligen Anordnung zur Folge hat. Eine einstweilige Anordnung tritt bei Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung außer Kraft ( 56 Abs. 1 S. 1), insbesondere durch n Endentscheidung in der Hauptsache, n Beschluss nach 54 Abs. 1 oder 2, 3. Außerkrafttreten in Antragsverfahren ( 56 Abs. 2) Nach Abs. 2 treten einstweilige Anordnungen in Antragsverfahren zusätzlich zu den in 56 Abs. 1 genannten Möglichkeiten auch dann außer Kraft, wenn 1. der Antrag in der Hauptsache zurückgenommen wird (Nr. 1), 2. der Antrag in der Hauptsache rechtskräftig abgewiesen ist (Nr. 2), 3. die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird (Nr. 3, vgl. 22 Abs. 3) oder 4. die Erledigung der Hauptsache anderweitig eingetreten ist (Nr. 4). Nach Nr. 1 und 2 ist für eine vom Antragsteller erwirkte einstweilige Anordnung über denselben Verfahrensgegenstand kein Raum mehr; zum Schutze des Antragsgegners muss eine solche einstweilige Anordnung daher kraft Gesetzes außer Kraft treten. Gleiches gilt, wenn die Hauptsache aus den in Nr. 3 und 4 bezeichneten Gründen erledigt ist. 4. Verfahren ( 56 Abs. 3) In Abs. 3 werden die in 620 f Abs. 1 S. 2 und 3 sowie Abs. 2 ZPO enthaltenen Regelungen im Wesentlichen 7 So bereits BGH FamRZ 2000, 751 ff zu dem Begriff»Wirksamwerden«in 620 f ZPO für Unterhaltssachen 8 S. hierzu auch Schürmann FamRB 2008, 375, 381 9 Götsche/Viefhues ZFE 2009, 124, 133 324 6/2009

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes n AUS DER PRAXIS inhaltsgleich übernommen und zusammengefasst. Das Gericht hat danach auf Antrag eines Beteiligten auszusprechen, ob und ggfs. ab welchem Zeitpunkt die einstweilige Anordnung außer Kraft getreten ist. Zuständig ist das Gericht, welches im Anordnungsverfahren im ersten Rechtszug zuletzt entschieden hat. Daher ist auch dann das erstinstanzliche Gericht zuständig, wenn das Verfahren mittlerweile dem Beschwerdegericht vorliegt. Der Zeitpunkt, ab dem die einstweilige Anordnung außer Kraft getreten ist, ist genau anzugeben. Der Beschluss nach Abs. 3 ist mit der Beschwerde ( 58 f, nicht aber 117) anfechtbar. Für die Beschwerdefrist gilt allerdings abweichend die allgemeine Regelung des 63 Abs. 1 (Beschwerdefrist: ein Monat). 10 Die Ausnahmevorschrift des 63 Abs. 2 Nr. 1 betrifft allein die einstweilige Anordnung selbst und damit die Beschwerde nach 57. Die systematische Stellung des 56 spricht daher gegen die verkürzte Frist. In Zweifelsfällen sollte es im Übrigen bei der allgemeinen Frist des 63 Abs. 1 bleiben. 11 57 Rechtsmittel Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind nicht anfechtbar. Dies gilt nicht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung 1. über die elterliche Sorge für ein Kind, 2. über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil, 3. über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege oder Bezugsperson, 4. über einen Antrag nach den 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes oder 5. in einer Wohnungszuweisungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung entschieden hat. 1. Strukturen der Norm 57 normiert das Rechtsmittelsystem in Anordnungsverfahren begrenzte Anfechtbarkeit von Entscheidungen, teilweise angelehnt an 620 c ZPO: Nach S. 1 sind Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen grundsätzlich nicht anfechtbar; S. 2 regelt Ausnahmen für bestimmte Fallgruppen, in denen grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Beteiligten in besonderem Maße betroffen sind; allerdings muss eine beschwerdefähige Entscheidung auf Grund mündlicher Erörterung ergangen sein. War dies nicht der Fall, muss zunächst mündliche Verhandlung gem. 54 Abs. 2 (bislang: 620 b Abs. 2 ZPO) beantragt werden. 117 die in Ehe- und Familienstreitsachen grundsätzlich geltende Spezialregelung ist nicht anzuwenden. 117 betrifft als Ersatznorm für das frühere Berufungsverfahren Hauptsacheentscheidungen, nicht jedoch die Anfechtung einer wenngleich eine Endentscheidung darstellende einstweiligen Anordnung. Auch der Zwang einer Begründung der Beschwerde binnen zwei Monaten ( 117 Abs. 1 S. 2) passt nicht zu der lediglich zwei Wochen betragenden Beschwerdefrist nach 57 S. 2, 63 Abs. 2 Nr. 1. 12 2. Statthaftigkeit des Rechtsmittels ( 57 S. 1) Der Reformgesetzgeber hat den Grundsatz des S. 1, wonach einstweilige Anordnungen in Familiensachen nicht anfechtbar sind, nicht beanstandet, da es den Beteiligten nunmehr offen steht, unmittelbar oder über 52 ein Hauptsacheverfahren einzuleiten und auf diese Weise die getroffene Entscheidung durch das Gericht und notfalls auch durch das Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen, oder auf eine Abänderung ( 54) hinzuwirken, die in weitgehendem Umfange möglich ist. Etwaige Verletzungen des Grundrechts auf rechtliches Gehör können mit der Anhörungsrüge ( 44) geltend gemacht werden. 3. Regelungsgegenstände ( 57 S. 2) S. 2 regelt in nunmehr übersichtlicher Weise, in welchen auch bisher in 620 c S. 1 ZPO enthaltenen Fällen eine Anordnungsentscheidung ausnahmsweise mit der Beschwerde anfechtbar ist. Wenn das Gericht des ersten Rechtszugs auf Grund mündlicher Erörterung 1. über die elterliche Sorge für ein Kind (insbesondere gem 1666 BGB), 2. über die Herausgabe eines Kindes an den anderen Elternteil (z. B. bei alleinigem Aufenthaltsbestimmungsrecht, 1631 Abs. 1 BGB), 3. über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege oder Bezugsperson ( 1632 Abs. 4 BGB), 4. über einen Antrag nach 1 und 2 GewSchG, oder 5. in einer Ehewohnungssache (Antrag auf Zuweisung der Wohnung gemäß 1361 b BGB) 10 So auch Schürmann FamRB 2008, 375, 382 11 Götsche/Viefhues ZFE 124, 133 12 Götsche/Viefhues ZFE 2009, 124, 131 6/2009 325

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 AUS DER PRAXIS n Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden hat. Die Frist beträgt dann nach 63 Abs. 2 Nr. 1 zwei Wochen. Im Gegensatz zum bisherigen Recht (vgl. 620 c S. 2 ZPO) sind nunmehr alle Entscheidungen, die einen entsprechenden Antrag ablehnen (sog. negativ-regelnde Entscheidungen), anfechtbar (jetzt daher auch in Verfahren über die elterliche Sorge [Nr. 1] und/oder betreffend die Herausgabe eines Kindes [Nr. 2]). Nr. 3 regelt die Anfechtbarkeit einer Entscheidung über eine Verbleibensanordnung nach 1632 Abs. 4, 1682 BGB. Lebt ein Kind seit längerer Zeit in Familienpflege oder in einem Haushalt mit einer Bezugsperson, greift eine Verbleibensanordnung oder deren Ablehnung ebenso hart in die persönlichen Verhältnisse des Kindes ein wie die Anordnung der Herausgabe an einen Elternteil oder deren Ablehnung. Die Regelungen nach Nr. 4 (Gewaltschutzgesetz) und Nr. 5 (Zuweisung der Ehewohnung) entsprechen geltendem Recht; schon bislang war (auch) die Ablehnung einer entsprechenden Regelung betreffend GewSchG und Zuweisung der Ehewohnung anfechtbar. Eine Anordnung zur Regelung des Umgangsrechts ist nach wie vor (s. 620 c S. 2, 621 g S. 2) nicht anfechtbar, unabhängig davon, ob es sich um eine (positive) Umgangsregelung oder um eine negative Regelung (Begrenzung bzw. Ausschluss des Umgangsrechts, 1684 Abs. 4 BGB) handelt; insoweit besteht nur die Möglichkeit, das Hauptsacheverfahren zu betreiben. 4. Mündliche Erörterung ( 57 S. 2) Nach 57 S. 2 ist das Rechtsmittel der Beschwerde nur dann statthaft, wenn das Gericht auf Grund mündlicher Erörterung entschieden hat. Das Gesetz verwendet damit einen anderen Begriff als in 54 Abs. 2 (»mündliche Verhandlung«innerhalb eines Gerichtstermins, in dem alle Beteiligten gleichzeitig anwesend sein sollen und gleichzeitig Gelegenheit haben, zu informieren und Meinungen auszutauschen). Diese unterschiedliche Wortwahl des Gesetzgebers führt bereits zu Streit über die möglichen unterschiedlichen Inhalte. Teilweise wird vertreten, die Beschwerde sei in den Fällen des 57 S. 2 auch eröffnet, wenn die erstinstanzliche Entscheidung auf bloßer Erörterung beruht (etwa auf einem lediglich mit einem Beteiligten geführten Telefonat), 13 andererseits wird eine mündliche Verhandlung isd 54 Abs. 2 für notwendig erachtet andernfalls sei die Beschwerde unzulässig und der Antrag gemäß 54 Abs. 2 statthaft. 14 Eine differierende Auslegung beider Begriffe führt zu einer sachlich nicht begründbaren Abweichung zum Regelungsbereich des 54 Abs. 2 und zur Unübersichtlichkeit der Rechtsmittel und ist daher mit dem Ziel des Gesetzgebers, das Verfahrensrecht zu vereinfachen, nicht zu vereinbaren. 15 Daher genügt eine einseitige mündliche Verhandlung. Es reicht aus, dass alle Beteiligten ordnungsgemäß geladen worden sind. Eine Säumnisentscheidung ist unzulässig. 5. Beschwerdeverfahren Für die Zulässigkeit einer Beschwerde im Anordnungsverfahren gelten 58 ff, da es sich bei der einstweiligen Anordnung auf Grund der Neuregelung nunmehr um eine Endentscheidung gem. 58 Abs. 1 handelt. Es ist jedoch auf folgende Besonderheiten zu achten: a) Beschwerdebefugnis ( 59 f) Jeder durch die einstweilige Anordnung in seinen Rechten beeinträchtigte Verfahrensbeteiligte ist beschwerdebefugt ( 59 Abs. 1). Dies ist immer der Antragsteller, wenn sein Antrag insgesamt oder teilweise zurückgewiesen wird ( 59 Abs. 2). Kinder ab dem 14. Lebensjahr sind selbst beschwerdeberechtigt ( 60). b) Beschwerdewert ( 61) 61 Abs. 1 (Beschwerdewert in vermögensrechtlichen Angelegenheiten) ist für Beschwerdeverfahren gegen eine einstweilige Anordnung ohne Belang: Einstweilige Anordnungen in vermögensrechtlichen Streitigkeiten sind unanfechtbar ( 57 S. 1), und zwar auch dann, wenn bei einem der in 57 S. 2 genannten Streitgegenstände zugleich eine Anordnung mit vermögensrechtlichem Charakter getroffen worden ist. 16 c) Beschwerdefrist ( 63) Abweichend von der allgemeinen Beschwerdefrist des 63 Abs. 1 (ein Monat) beträgt die Beschwerdefrist in Anordnungsverfahren nur zwei Wochen ( 63 Abs. 2 Nr. 1). Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe der Anordnungsentscheidung ( 63 Abs. 3), spätestens jedoch fünf Monate nach ihrem Erlass ( 63 Abs. 3 S. 2). Der Beschluss wird durch Übergabe an die Geschäftsstelle oder durch Verlesen der Beschlussformel erlassen ( 38 Abs. 3 S. 2). d) Einlegung und Inhalt der Beschwerde ( 64) Die Beschwerde ist abweichend von der bisherigen Rechtslage künftig ausschließlich bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird ( 64 13 So Zimmermann Das neue FamFG [2009] Rdn. 143 mwn 14 So zutr. Götsche/Viefhues ZFE 2009, 124, 131 15 OLG Düsseldorf FamRZ 1992, 1199 16 Vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1306 Zahlung einer Nutzungsentschädigung bei Zuweisung der Ehewohnung 326 6/2009

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes n AUS DER PRAXIS Abs. 1). Die Beschwerde wird entweder durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt ( 64 Abs. 2 S. 1). Es besteht auch zum OLG kein Anwaltszwang ( 114 Abs. 4 Nr. 1). Die Beschwerde muss den angefochten Beschluss bezeichnen, die Erklärung enthalten, Beschwerde einzulegen (Konkludenz genügt) und unterschrieben sein ( 64 Abs. 2 S. 2). e) Begründung der Beschwerde ( 65) Nach der allgemeinen Regelung des 65 Abs. 1 (Sollvorschrift!) muss eine Beschwerde nicht begründet werden; dementsprechend bedarf es auch keiner Beschwerdebegründungsfrist. Daher ist auch eine nicht begründete Beschwerde zulässig; auch ein bestimmter Sachantrag ist nicht notwendig. 17 f) Wegfall der Abhilfebefugnis Das erstinstanzliche Gericht ist nicht mehr abhilfebefugt. Die generelle Abhilfemöglichkeit des 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 gilt gem 68 Abs. 1 S. 2 nicht für Beschwerden in Familiensachen. 246 Besondere Vorschriften für die einstweilige Anordnung (1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung abweichend von 49 auf Antrag die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt oder zur Zahlung eines Kostenvorschusses für ein gerichtliches Verfahren regeln. (2) Die Entscheidung ergeht auf Grund mündlicher Verhandlung, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Beilegung des Verfahrens geboten erscheint. 1. Strukturen des Verfahrens wegen vorläufiger Regelung des Unterhalts Nachdem eine einstweilige Anordnung jetzt nicht mehr von einem Verfahren zur Hauptsache abhängig ist (Wegfall der sog. Akzessorietät), ähnelt die einstweilige Anordnung als eigenständiges Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nunmehr der einstweiligen Verfügung. Dennoch besteht für das summarische Verfahren auch in Unterhaltssachen kein Anwaltszwang ( 114 Abs. 4 Nr. 1). Mit dieser Trennung des Anordnungsverfahrens vom Verfahren zur Hauptsache wollte der Gesetzgeber vereinfachte Unterhaltsregelungen erreichen und dadurch auch die Gerichte entlasten. Da eine einstweilige Anordnung nur einen Vollstreckungstitel als vorläufige Vollstreckungsmöglichkeit schafft, das der Entscheidung zu Grunde liegende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien jedoch ungeregelt lässt, 18 darf der Unterhaltsgläubiger nach wie vor Anträge auf einstweilige Anordnung und zur Hauptsache parallel verfolgen, und schließt eine Unterhaltsanordnung das Regelungsinteresse für die Hauptsache nicht aus. Eine Unterhaltsregelung in der Hauptsache kann durchaus noch rückwirkend abweichend von der Anordnung gestaltet werden. Da es im Anordnungsverfahren keine verbindliche Tatsachenfeststellung gibt, sind bei einem Abänderungsantrag im summarischen Verfahren alle Umstände ohne Bindung an eine frühere Beurteilung erneut zu prüfen. 2. Zulässigkeit von Unterhaltsanordnungen ( 246 Abs. 1) Abs. 1 befugt das Gericht ohne Bindung an die Voraussetzungen des 49, den Unterhaltsschuldner im Wege einstweiliger Anordnung zur Zahlung von Unterhalt und/oder eines Prozesskostenvorschusses (vgl. etwa 1361 Abs. 4 S. 4 ivm 1360 a Abs. 4 BGB) zu verpflichten. Das nunmehr hauptsacheunabhängige Verfahren setzt künftig weder die Anhängigkeit einer Ehesache noch eines isolierten Unterhaltsverfahrens oder eines kongruenten Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe voraus. Die Vorschrift modifiziert gegenüber 49 (Begrenzung auf vorläufige Maßnahmen) die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung in Unterhaltsverfahren. Es ist wie bislang auch kein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts erforderlich; das Gericht darf daher nicht prüfen, ob ein besonderes Bedürfnis an einer sofortigen Regelung besteht. 49 ist insoweit nicht anwendbar. Gleichwohl soll das Gericht jedoch den Zweck des Anordnungsverfahrens beachten: Kurzfristige Sicherung der Leistung dringend benötigten Unterhalts (für Existenzsicherung wie für Prozesskosten). Für den Anspruch auf rückständigen Unterhalt steht das summarische Verfahren auch künftig nicht zur Verfügung. 19 Da 49 in Unterhaltsverfahren nicht anzuwenden ist, kann wie bisher auch durch einstweilige Anordnung der volle Unterhalt ohne zeitliche Begrenzung geregelt werden, wenn und soweit die Voraussetzungen dafür glaubhaft gemacht sind. Es ist daher unzulässig, den verlangten Unterhalt, wenn und soweit er sich nach Auffassung des Gerichts als zutreffend fest- 17 Kroiss/Seiler Das neue FamFG [2009] S. 151 18 Zum bisherigen Recht Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen 2. Aufl. [2005] Rdn. 42 19 Dose aao Rdn. 33 6/2009 327

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 AUS DER PRAXIS n Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt erweist, zeitlich und/oder sachlich (etwa auf den notwendigen Unterhalt) zu beschränken. 20 Die Interessen des Unterhaltsschuldners sind durch 52 Abs. 2 (die Möglichkeit zur Erzwingung eines Hauptsacheverfahrens) und durch 54 (Antrag auf Aufhebung oder ¾nderung der Entscheidung) ausreichend gewahrt. Das Außerkrafttreten der einstweiligen Anordnung nach 246 bestimmt sich nach 56. 3. Mündliche Verhandlung in Anordnungsverfahren ( 246 Abs. 2) Nach 246 Abs. 2 soll das Gericht über den Antrag auf Anordnung von Unterhaltszahlungen auf Grund mündlicher Verhandlung entscheiden, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Beilegung des Verfahrens geboten erscheint. Die Vorschrift bringt zum Ausdruck, dass in der Regel eine mündliche Verhandlung geboten ist. Damit betont das Gesetz die Bedeutung der mündlichen Verhandlung im Verfahren der einstweiligen Anordnung in Unterhaltssachen und trägt dem Umstand Rechnung, dass das Ziel einer Verfahrensbeschleunigung in Unterhaltssachen nicht in der Weise im Vordergrund steht wie in anderen Bereichen des einstweiligen Rechtsschutzes. In der mündlichen Verhandlung können offen gebliebene Gesichtspunkte geklärt und die in Unterhaltssachen nicht selten vorkommenden Rechtsund Wertungsfragen erörtert werden. Die Verhandlungssituation erleichtert zudem das Zustandekommen von Vereinbarungen. Nur in einfach gelagerten oder in besonders eilbedürftigen Fällen kann auch ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. 4. Fortgang des Anordnungsverfahrens ( 54 ff) Hat das Gericht im schriftlichen Verfahren entschieden, ist auf Antrag nach mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden ( 54 Abs. 2). Die Entscheidung ist unanfechtbar, egal ob das Gericht einem Unterhaltsantrag teilweise oder insgesamt stattgegeben, oder ob es ihn teilweise oder insgesamt zurückgewiesen hat ( 57 S. 1). Der Schuldner kann jedoch das Verfahren zur Hauptsache erzwingen: Auf Antrag hat das Gericht dem Unterhaltsgläubiger eine Frist zu bestimmen, innerhalb derer ein Hauptsacheverfahren (zumindest durch einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe) einzuleiten ist ( 52 Abs. 2). Geht der Antrag nicht fristgerecht ein, ist die einstweilige Anordnung durch unanfechtbaren Beschluss aufzuheben. Als weiterer Rechtsbehelf verbleiben dem Unterhaltsschuldner noch der Antrag auf Abänderung ( 54) sowie der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung ( 55). 247 Einstweilige Anordnung vor Geburt des Kindes (1) Im Wege der einstweiligen Anordnung kann bereits vor der Geburt des Kindes die Verpflichtung zur Zahlung des für die ersten drei Monate dem Kind zu gewährenden Unterhalts sowie des der Mutter nach 1615 l Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehenden Betrags geregelt werden. (2) Hinsichtlich des Unterhalts für das Kind kann der Antrag auch durch die Mutter gestellt werden. 1600 d Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 kann auch angeordnet werden, dass der Betrag zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Geburt des Kindes zu hinterlegen ist. 247 ersetzt den verfahrensrechtlichen Gehalt der Regelungen des bisherigen 1615 o BGB. 1. 247 Abs. 1 (Unterhalt für Mutter und Kind vor Geburt des Kindes) 247 Abs. 1 enthält besondere Vorschriften für die Geltendmachung von Unterhalt für das Kind und für die Mutter vor der Geburt eines Kindes. Danach kann bereits vor der Geburt eines Kindes eine einstweilige Anordnung auf Zahlung von Unterhalt für das Kind für die ersten drei Monate nach seiner Geburt erlassen werden, ebenso auf Zahlung von Unterhalt für die nicht mit dem Vater verheiratete Mutter nach 1615 l BGB. Im Interesse von Mutter und Kind soll die Zahlung des Unterhalts in der besonderen Situation kurz vor und nach der Geburt in einem beschleunigten und möglichst einfach zu betreibenden Verfahren zunächst einmal sichergestellt sein. Die Regelung legt ausdrücklich fest, dass der Kindesunterhalt für die ersten drei Lebensmonate sowie der Unterhaltsanspruch der Mutter nach 1615 l BGB, auch vor der Geburt des Kindes geltend gemacht und zugesprochen werden können. Somit kann der in Anspruch genommene Mann nicht einwenden, das unterhaltsberechtigte Kind sei noch nicht geboren. 2. 247 Abs. 2 (verfahrensrechtliche Regelungen) Nach 247 Abs. 2 S. 1 kann der Antrag für den Kindesunterhalt auch durch die Mutter gestellt werden. Da die elterliche Sorge grundsätzlich erst mit der Geburt des Kindes beginnt (vgl. 1626 a BGB), wäre für den vorliegenden Zeitraum ohne diese Regelung die 20 Büte 2008, 537, 539 und 587; Schürmann FamRB 2008, 375, 378 328 6/2009

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes n AUS DER PRAXIS Bestellung eines Pflegers erforderlich. Die Norm erweitert damit die Handlungsbefugnis der Mutter für das Anordnungsverfahren auf den Zeitraum vor der Geburt des Kindes. Die Rechte des Kindes können auch von einem Jugendamt als Beistand geltend gemacht werden ( 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB). 247 Abs. 2 S. 2 ordnet an, dass die abstammungsrechtliche Vaterschaftsvermutung ( 1600 d Abs. 2, 3 BGB) auch für die Unterhaltssache gilt. Als Vater wird daher auch unterhaltsrechtlich vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Dies ist notwendig, wenn die Vaterschaft des in Anspruch genommenen Mannes nicht feststeht, weil vor der Geburt des Kindes noch kein Vaterschaftsfeststellungsverfahren durchgeführt werden kann. Die entsprechende Geltung der Vermutung musste daher ausdrücklich festgelegt werden. S. 3 ermöglicht es dem Gericht wie bereits im bisherigen 1615 o Abs. 1, 2 BGB die Anordnung, dass der Unterhaltsbetrag zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Geburt des Kindes zu hinterlegen ist. Angesichts der ratio legis dieser Norm soll in der Regel Zahlung und nur in Ausnahmefällen Hinterlegung angeordnet werden. 248 Einstweilige Anordnung bei Feststellung der Vaterschaft (1) Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch den ein Mann auf Zahlung von Unterhalt für ein Kind oder dessen Mutter in Anspruch genommen wird, ist, wenn die Vaterschaft des Mannes nach 1592 Nr. 1 und 2 oder 1593 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht besteht, nur zulässig, wenn ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft nach 1600 d des Bürgerlichen Gesetzbuchs anhängig ist. (2) Im Fall des Absatzes 1 ist das Gericht zuständig, bei dem das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft im ersten Rechtszug anhängig ist; während der Anhängigkeit beim Beschwerdegericht ist dieses zuständig. (3) 1600 d Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend. (4) Das Gericht kann auch anordnen, dass der Mann für den Unterhalt Sicherheit in bestimmter Höhe zu leisten hat. (5) Die einstweilige Anordnung tritt auch außer Kraft, wenn der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft zurückgenommen oder rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. In diesem Fall hat derjenige, der die einstweilige Anordnung erwirkt hat, dem Mann den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der einstweiligen Anordnung entstanden ist. Abs. 1 ergänzt 246 durch die Einführung einer zusätzlichen Zulässigkeitsvoraussetzung für einstweilige Anordnungen, die den Unterhalt während eines Verfahrens auf Feststellung der Vaterschaft betreffen. Soll ein Mann, dessen Vaterschaft nicht bereits nach 1592 Nr. 1 und 2 oder 1593 BGB feststeht, im Anordnungsverfahren auf Zahlung von Unterhalt für ein Kind oder dessen Mutter in Anspruch genommen werden, dann ist nach 248 Abs. 1 (bisher 641 d ZPO) ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterhaltsanordnung nur zulässig, wenn nach der Geburt des Kindes ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft nach 1600 d BGB anhängig ist. Damit durchbricht die Vorschrift wie im Hauptsacheverfahren nach 237 die Sperrwirkung des 1600 d Abs. 4 BGB, wonach die Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt der Rechtskraft einer entsprechenden feststellenden Entscheidung geltend gemacht werden können. Die Vorschrift ändert nichts an der Selbstständigkeit beider Verfahren: Anders als nach bisherigem Recht ( 641 d ZPO) ist das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Unterhaltsanordnung nicht mehr Teil des Verfahrens auf Feststellung der Vaterschaft. Abs. 2 enthält besondere Vorschriften betreffend die sachliche und örtliche Zuständigkeit für das Anordnungsverfahren in den Fällen des 248 Abs. 1. Zuständig ist das Gericht, bei dem das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft anhängig ist wie in 237 Abs. 2. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich somit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ( 170 Abs. 1). Während der Anhängigkeit beim Beschwerdegericht ist dieses zuständig. Die Zusammenlegung der Zuständigkeiten war aus verfahrensökonomischen Gründen sinnvoll und notwendig. Abs. 3 ordnet die entsprechende Geltung der Vaterschaftsvermutung ( 1600 d Abs. 2, 3 BGB) an, da diese Vermutung ausdrücklich nur im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft, also im Abstammungsverfahren, anwendbar ist. Anders als nach bisherigem Recht ist das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über den Unterhalt nicht mehr Teil des Abstammungsverfahrens, sondern ein eigenständiges Verfahren, so dass über diese Verweisungsnorm der bisherige sachgerechte Rechtszustand in der Unterhaltssache aufrecht zu erhalten war. Abs. 4 sieht wie bisher 641 d Abs. 1 S. 2 ZPO die Möglichkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung durch den Mann vor. Das Gericht hat auf Antrag Sicherheitsleistung in Höhe eines bestimmten Betrages anzuordnen. 6/2009 329

Jobname: _6-2009.3d 11.5.2009 13:17:21 AUS DER PRAXIS n Klein Reform des einstweiligen Rechtsschutzes Abs. 5 S. 1 ergänzt 56 und enthält zwei zusätzliche Fälle des Außerkrafttretens einer auf Zahlung von Unterhalt nach 248, also im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft, gerichteten einstweiligen Anordnung. Der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft wurde n zurückgenommen, oder n rechtskräftig zurückgewiesen. Beide Konstellationen haben ihren Grund in der Koppelung der einstweiligen Anordnung an das Abstammungsverfahren. Die Vorschrift entspricht inhaltlich, bis auf das Erfordernis der Rechtskraft im Falle der Abweisung, dem bisherigen 641 f ZPO. Das Erfordernis der Rechtskraft einer abweisenden Entscheidung über den Antrag auf Vaterschaftsfeststellung ist sachgerecht, da es sich bei der Verknüpfung des Anordnungsverfahrens mit dem Abstammungsverfahren in erster Linie um einen formalen Gesichtspunkt handelt. Die Frage, ob das Bestehen der Vaterschaft auch nach Erlass einer abweisenden Entscheidung in der Abstammungssache noch als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden kann, ist im Anordnungsverfahren eigenständig auf der Grundlage des dort maßgeblichen Verfahrensstoffs zu beurteilen. Wurde der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft zurückgenommen oder rechtskräftig zurückgewiesen, dann hat derjenige, der die einstweilige Anordnung erwirkt hat, dem Mann den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der einstweiligen Anordnung auf Unterhalts entstanden ist ( 248 Abs. 5 S. 2). Diese Schadensersatzpflicht entspricht inhaltlich dem bisherigen 641 g ZPO. B. Arrest 119 Abs. 2 S. 1 sieht vor, dass in Familienstreitsachen neben der einstweiligen Anordnung auch der persönliche oder der dingliche Arrest des Schuldners möglich ist. S. 2 ordnet die Geltung der diesbezüglichen Vorschriften der ZPO ausdrücklich an. Ob über den Arrest mündlich verhandelt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts ( 922 Abs. 1 ZPO). Der Arrest dient gem. 916 Abs. 1 ZPO der Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung. Der Arrest kommt für Zugewinnausgleichsansprüche in Betracht, grundsätzlich aber auch für Unterhalt. In der Regel ist Arrest im Falle des Unterhalts jedoch unpraktisch, weil er nur der Sicherung des Anspruchs dient, nicht aber zur regelmäßig notwendigen Befriedigung führt. Ein Beispiel für eine Anordnung des dinglichen Arrests in Unterhaltsfragen ist etwa der Fall, dass der Unterhaltsschuldner sich mit seinem Vermögen ins Ausland»abzusetzen«beabsichtigt; dies kann die zukünftigen Unterhaltsansprüche des Unterhaltsgläubigers gefährden. Michael Klein, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht, Regensburg 330 6/2009