Gerechte Ressourcenallokation und Priorisierung im Gesundheitswesen

Ähnliche Dokumente
Umgang mit knappen Mitteln im Gesundheitswesen

Was ist Priorisierung?

Fragen der Gerechtigkeit

Priorisierung und Medizinethik: Wie können wir Verteilungsgerechtigkeit erreichen?

Priorisierung im Gesundheitswesen: Begriffe. Prof. Dr. med. Harald-Robert Bruch, M.Sc., Ph.D.

Wie kann uns die Medizinethik bei den Fragen der Finanzierung des Rettungsdienstes helfen?

Allokationsethische Herausforderungen der individualisierten Medizin

Kosten-Nutzen Bewertung als Weg von der Rationierung zur Rationalisierung? Chance und Risiken für den Patienten

Vorwort... VII. Inhaltsverzeichnis... IX. Abbildungsverzeichnis... XVII. Tabellenverzeichnis... XVIII. Abkürzungsverzeichnis... XIX. Einleitung...

Gesundheitsökonomie vs. Sozialmedizin Perspektive Gesundheitsökonomie

Patientenverfügung, die Freiheit nehme ich mir. Verbindlichkeit und Grenzen der Patientenautonomie.

Ethische Bewertung einer impliziten und expliziten Ressourcenallokation

Neubestimmung des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung. - Ein Handlungskonzept-

Szenarien einer zukünftigen Gesundheitsversorgung Faktoren der Bedarfsänderung und Folgen für das Angebot an Versorgungsleistungen: Ethische Sicht

Ethische Herausforderungen in der Sterbebegleitung

Patientenverfügung. - aus der Sicht des Arztes

Patientenverfügung Ihr Wille ist uns wichtig. Ethikforum

Palliative Care Kompetenzzentrum. Palliative Care Kompetenzzentrum. Akutspital Psychiatrie Geriatrie Palliative Care

Onkologie, quo vadis? Stunde der Wahrheit : Alles für alle geht nicht mehr!? Berlin, 6. Februar Ulrich Dietz Bundesministerium für Gesundheit

Gliederung des Vortrags

Therapiebegrenzung am Lebensende: Ethische (und rechtliche) Grundlagen der Entscheidungsfindung

Priorisierung von Gesundheitsleistungen

Inhalt. Teil A: Beiträge. Vorwort

Inklusion Herausforderungen und Stolpersteine

DAK-Gesundheit im Dialog Patientenorientierung im Gesundheitswesen

Ethische Kriterien der Allokation von Gesundheitsleistungen

Patientenverfügung Betreuungsverfügung (General)Vollmacht

Wann sind invasive Therapieformen gerechtfertigt?

Theoretische Rahmenkonzepte

Und wo bleibt da die Ethik?

Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaft. Begründet von Joseph Höpfner Herausgegeben von Karl Gabriel

ZHAW Gesundheit Forum Pflege 2014 Ökonomische Anreize im Gesundheitswesen: Die Guten und die Bösen

9. ICF-Anwenderkonferenz Bochum 16. März Sind personbezogene Faktoren ein Tabu oder brauchen wir sie?

Ökonomie und Gerechtigkeit. Ernst Basler + Partner, , Mühlebachstrasse 11, 8032 Zürich

Nutzenmaximierung mit gerechtigkeitsethischen Constraints: Perspektiven einer ethisch vertretbaren Kosten-Nutzen-Bewertung

Klinisch-ethische Entscheidungen am Lebensende Medizin des Alterns und des alten Menschen

Priorisierung medizinischer Leistungen: Einschätzungen und Erwartungen von Ärzten und Pflegepersonal

Konsequenzen des demographischen Wandels für die Finanzierung der Gesundheitsausgaben

Angemessenheit als ethisches Grundprinzip der Gesundheitsversorgung

Spielregeln eines solidarischen Krankenversicherungswettbewerbs. Wettbewerb, Solidarität und Nachhaltigkeit nach der Gesundheitsreform 2007

Nutzung von Daten der Versorgungsforschung für die Kosten-Nutzen-Analyse

Versorgungsmodell Gesundheitskonto mit Solidargutschrift (VGS) Ein neues Modell für die ambulanten Versorgung

Sterben? Sorgen im Angesicht des Todes Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD

2. Gesundheitsfinanzierung

Ethische Fallbesprechungen. Petra Mayer Freiberufliche Referentin Trainerin für Palliative Care (DGP) Kontakt:

Gesundheitspolitik, Gelingt die Quadratur des Kreises?

EINFÜHRUNG IN DIE GESUNDHEITSÖKONOMIK. Dr. Kerstin Roeder Junior-Professor für Finanzwissenschaft

Ethik im Krankenhaus Mehr als nur ein PR-Gag?

Gesundheitsökonomische Aspekte der Pharmakotherapie älterer Menschen

Medizinethik. Sommersemester 2010 Thomas Schramme Sterbehilfe

Alt werden wollen alle aber alt sein?

Fachtagung des Caritasverbands in Frankfurt

Ethik, Recht Entscheidungsfindung

Kosten-Nutzen-Bewertung bei medizinischen Leistungen - zwischen Patientenwohl und Rationierung. Dr. Stefan Etgeton, Verbraucherzentrale Bundesverband

Workshop zur Ethik der Kosten-Nutzen- Bewertung medizinischer Maßnahmen

Patientenverfügung. Ethikforum

Altersrationierungen im Gesundheitswesen als Thema sozialer Gerechtigkeit

Kriterien zur Kosten-Nutzen-Analyse von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel

Rechtliche Dimensionen der Sterbehilfe

Statement. In Würde sterben Zur aktuellen Diskussion über Sterbehilfe, Hospiz- und Palliativstrukturen. Sterbehilfe im Sinne einer Sterbebegleitung

12. Die Zukunft des Gesundheitswesens

1. Bundesdeutscher Malteser Versorgungskongress Demenz 2014

Nationale Strategie Palliative Care. Pia Coppex, Projektleiterin Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren GDK

Auswirkungen einer stärker wettbewerbsorientierten Gesundheitsversorgung auf die öffentlichen Haushalte

Gesetzliche Mindestlöhne: Ein Weg aus der Krise am Arbeitsmarkt?

Menschen mit Autismus

Auf dem Prüfstand der Gesundheitsreform

Ergebnisse der öffentlichen Befragung. Katrin Amunts Mitglied des Deutschen Ethikrates

Therese Stutz Steiger, Vorstandsmitglied Esther Neiditsch, Geschäftsleiterin

Inhaltsverzeichnis. Vorwort. 1. Theorie und Institutionen der Sozialpolitik 1

Das Altern meistern:

Mittwoch, 17. Mai 2017 um 17:00 Uhr

Leitlinien in der Rehabilitation Chancen und Risiken. Franz Petermann Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation Universität Bremen

Beihilfe zur Selbsttötung. Mögliche Regelungsmodelle und ihre Implikationen. Prof. Dr. Christiane Woopen Prof. Dr. C. Woopen.

Ethik versus Ökonomie

Deutschland hat Zukunft Soziale Sicherung demografische Herausforderung

Arbeit, Krankheit, Invalidität: Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragen

Sterbehilfe aus juristischer Sicht

Entscheidungen am Lebensende

QALY versus andere Konzepte zur Bewertung des Nutzens

Kopfpauschale vs. Bürgerversicherung

Arzneimittelforschung mit Kindern: Ethische Herausforderungen

Themenfindung und Priorisierung von Qualitätssicherungsthemen im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)

Q D ie M e n s c h e n s te r b e n, w ie s ie g e le b t h a b e n... 13

Qualitätsmodelle: ungeliebte Zusatzarbeit oder Hebel zum Erfolg?

Von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. der Universität Hannover zur Erlangung des Grades einer DOKTORIN DER WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN

Vorwort Einfuhrung der 1. Auflage von Auszüge aus Texten der Evangelischen Kirche in Deutschland 17

GUTE GRÜNDE GEGEN DIE BÜRGERVERSICHERUNG

Wie planwirtschaftliches Denken die medizinische Versorgung verteuert. Liberales Institut Werner Widmer

Natürlichkeit als Wert in der medizinischen Ethik. Prof. Dr. Ludwig Siep Philosophisches Seminar der Universität Münster

Lebensqualität Was genau ist das eigentlich? Konkretisieren eines Schlüsselbegriffes

Gesundheitsversorgung in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität Rechtslage und Perspektiven

Unheilbar krank und jetzt?

Gesundheit und Alter Alter(n) als Risiko? Alter(n) als Chance?

Patientenverfügung. Vertretungsperson in medizinischen Angelegenheiten

And Fairness For All? Wie gerecht ist die Finanzierung im deutschen Gesundheitssystem? Eine Berechnung des Kakwani-Index auf Basis der EVS

Gesundheit und Ökonomie in der Medizin:

Hartmut Reiners Reizwort Ökonomisierung

Sprechzettel. Svenja Schulze Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen

Wertigkeit von Patientenverfügungen aus ärztlicher Sicht

Transkript:

Gerechte Ressourcenallokation und Priorisierung im Gesundheitswesen Vortrag im Rahmen der Tagung Gerechtigkeit im Gesundheitswesen Akademie Die Wolfsburg 26.09.2011 Folie Nr. 1von 20

Gliederung 1. Ausgangspunkt und Problemlage 2. Begriffsklärungen 3. Gerechte Allokation nicht nur von Gesundheitsleistungen 4. Explizite oder implizite Priorisierung und Rationierung? 5. Kriterien für Priorisierung und Rationierung 1. Formale und inhaltliche Kriterien 2. Kosten-Nutzen-Verhältnis als Kriterium 3. Individuelle Tragbarkeit und Nähe zu Konsumgütern 4. Eigenverantwortung und Beeinflussbarkeit des Risikos 5. Keine Alterdiskriminierung 6. Begrenzung der Leistungen auf wirksame Maßnahmen 7. Begrenzung auf sinnvolle Maßnahmen kurz vor dem Lebensende 6. Schluss Folie Nr. 2von 20

1. Ausgangspunkt und Problemlage steigende Gesundheitsausgaben keine direkte Verbindung von Gesundheit und Gesundheitsausgaben hohe Kosten kurz vor dem Tod weitere Kostensteigerungen durch medizinischen Fortschritt höhere Lebenserwartung Probleme der Finanzierung angesichts zurückgehender Erwerbspersonenzahl Verdrängung dieser Probleme in der politischen Öffentlichkeit Folie Nr. 3von 20

2. Begriffsklärungen Allokation Rationierung implizit versus explizit hart versus weich Priorisierung (versus Posteriorisierung) Rationalisierung Folie Nr. 4von 20

3. Gerechte Allokation nicht nur von Gesundheitsleistungen Gerechtigkeit im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechtigkeit was ist Bedarf? weder Maximalismus noch Minimalismus Diskriminierungsfreiheit welche Kriterien sind auszuschließen? Abwägung verschiedener Bedarfe Verbindung zu Gerechtigkeitsproblemen außerhalb des Gesundheitssystems Bildung Umwelt Arbeit Folie Nr. 5von 20

4. Explizite oder implizite Priorisierung und Rationierung pro explizit tranparent regelhaft demokratisch legitimiert ermöglich individuelle Vorsorge pro implizit Probleme nicht im Diskurs lösbar Entwertung bisher funktionierender Kriterien sehr individuelle Dilemmata Folie Nr. 6von 20

5. Kriterien für Priorisierung und Rationierung formal: siehe Abschnitt pro explizit inhaltlich: Menschenwürde, Grundrechte Stufenmodell Lebensschutz und Schutz vor schwerem Leid und Schmerzen (z. B. Herzinfarkt) Schutz vor dem Ausfall oder der Beeinträchtigung wesentlicher Organe und Körperfunktionen (z. B. Behandlung eines verletzten Auges) Schutz vor weniger schwer wiegenden oder nur vorübergehenden Beeinträchtigungen des Wohlbefindens (z. B. Behandlung einer Erkältung) Verbesserung und Stärkung von Körperfunktionen (z. B. Schönheitsoperationen) Problem: genaue Einordnung von Diagnose Therapie Paaren in diese Ebenen Folie Nr. 7von 20

5. Kriterien für Priorisierung und Rationierung formal: siehe Abschnitt pro explizit inhaltlich: Menschenwürde, Grundrechte Stufenmodell Lebensschutz und Schutz vor schwerem Leid und Schmerzen (z. B. Herzinfarkt) Schutz vor dem Ausfall oder der Beeinträchtigung wesentlicher Organe und Körperfunktionen (z. B. Behandlung eines verletzten Auges) Schutz vor weniger schwer wiegenden oder nur vorübergehenden Beeinträchtigungen des Wohlbefindens (z. B. Behandlung einer Erkältung) Verbesserung und Stärkung von Körperfunktionen (z. B. Schönheitsoperationen) Problem: genaue Einordnung von Diagnose Therapie Paaren in diese Ebenen Folie Nr. 8von 20

5. Kriterien für Priorisierung und Rationierung Besonders diskutierte Kriterien Kosten Nutzen Vergleich intrapersonell o.k. interpersonell problematisch, aber utilitaristischer Umschlagpunkt infrastrukturell unvermeidbar Probleme des QALY Verfahrens Individuelle Tragbarkeit und Nähe zu Konsumgütern z. B. Brillen (?) Eigenverantwortung und Beeinflussbarkeit des Risikos positive Anreize, Sanktionen für eigene Gesundheitsgefährdung, Ausschluss bestimmter Risiken Folie Nr. 9von 20

5. Kriterien für Priorisierung und Rationierung Alterdiskriminierung welche Leistungen sind gemeint? pro hohes Einsparpotenzial trifft nach Übergangszeit alle gleich Eindeutigkeit des Kriteriums Vorhersehbarkeit contra Individuelle Differenzen gegen feste Altersgrenze ökonomisch nicht immer sinnvoll Verbot der Diskriminierung Dammbruch in Richtung weiterer Diskrimnierung Folie Nr. 10 von 20

5. Kriterien für Priorisierung und Rationierung Begrenzung auf Wirksamkeit Problem der Überversorgung/Übertherapie falsche Anreize eigentlich Rationalisierung aber Problem strittiger Wirksamkeit Zumutbarkeit des Ausschlusses strittiger Maßnahmen, wenn es weniger strittige gibt hohe Plausibilität Folie Nr. 11 von 20

5. Kriterien für Priorisierung und Rationierung Begrenzung auf sinnvolle Maßnahmen kurz vor dem Lebensende falsche Anreize Aktionismus zur Bewältigung von Ohnmacht und zur Vermeidung unangenehmer Gespräche hohes Einsparpotenzial allgemeine Regelbarkeit? Mentalitätswandel, Palliativmedizin Patientenverfügung Folie Nr. 12 von 20

6. Schluss Priorität auf Ausschluss von nicht oder wenig wirksamen Maßnahmen, vor allem kurz vor dem Lebensende Werden die so möglichen Einsparungen ausreichen oder sind weitere Rationierungen nötig? Folie Nr. 13 von 20