Gutachterliche Stellungnahme

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Transkript:

Brüssel, 09.09.2016 Unser Zeichen: 295/2016horo Gutachterliche Stellungnahme zur Bauproduktenverantwortung Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M. Dr. Edwin Schulz Dr. Christian Wagner für Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. Gemeinschaft für Überwachung im Bauwesen E.V. E-Mail: robin.vanderhout@kapellmann.de edwin.schulz@kapellmann.de christian.wagner@kapellmann.de Durchwahl: +32 (0)22341160 Telefax: +32 (0)22341169 Sekretariat: Teresa Akil Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.v. Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.v. erstellt durch Rechtsanwälte Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M. Dr. Edwin Schulz Dr. Christian Wagner 1

Der Deutsche Beton- und Bautechnik-Verein, die Gemeinschaft für Überwachung im Bauwesen, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes haben uns gebeten, im Hinblick auf den zurzeit diskutierten Entwurf der Musterbauordnung (E-MBO) und der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (E MVV TB) zu prüfen, ob und in welcher Art und Weise im Rahmen der Objektplanung nach 34 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) die sich aus dem E-MBO und dem E MVV TB an die einzelnen baulichen Anlage abzuleitenden Anforderungen an Bauprodukte zu berücksichtigen sind. 1. Executive Summary 1. Zu einer vollumfänglichen Genehmigungsplanung (Leistungsphase 4) nach 34 HOAI zählt die Berücksichtigung sämtlicher im E MVV TB aufgeführten Vorschriften. Gemäß 54 Abs. 1 Satz 2 MBO ist der Entwurfsverfasser für die Vollständigkeit und Brauchbarkeit seines Entwurfs verantwortlich. Brauchbar ist der Entwurf, wenn er u.a. gemäß den als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln aufgestellt wurde und technisch durchführbar ist. Auf Grundlage von 85a E-MBO werden durch den E MVV TB technische Regeln als Technische Baubestimmungen eingeführt, welche gemäß 85a Abs. 1 Satz 2 E-MBO zu beachten sind (dazu unter 2.). 2. Zu einer vollständigen Ausführungsplanung (Leistungsphase 5) nach 34 HOAI zählt die Ermittlung und entsprechende Beschreibung aller besonderen Anforderungen an für die Errichtung der baulichen Anlage zu verwendenden Bauprodukte. Gemäß 54 Abs. 1 Satz 3 MBO hat der Entwurfsverfasser dafür zu sorgen, dass die für die Ausführung des Bauvorhabens notwendigen Einzelzeichnungen, Einzelberechnungen und Anweisungen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen, zu denen auch die als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln gehören. Da den bauausführenden Unternehmer keine Verpflichtung trifft, die Bauunterlagen und Anweisungen des Entwurfsverfasser auf ihre Vereinbarkeit mit baurechtlichen und sonstigen Vorschriften zu prüfen, hat bereits der Entwurfsverfasser in der Ausführungsplanung die im E MVV TB enthaltenen besonderen Anforderungen an für die Errichtung der baulichen Anlage zu verwendenden Bauprodukte zu ermitteln sowie zu beschreiben (dazu unter 3.). 3. Eine vollständige Ausführungsplanung (Leistungsphase 5) nach 34 HOAI macht auch die Prüfung der Verwendbarkeit von Bauprodukten erforderlich. Hat der Entwurfsverfasser in der Ausführungsplanung die im E MVV TB enthaltenen besonderen Anforderungen an für die Errichtung der baulichen Anlage zu verwendenden Bauprodukte zu ermitteln sowie zu beschrei- 2

ben, so ist in diesem Zusammenhang auch die Verwendbarkeit der entsprechenden Bauprodukte nach Maßgabe der 16b ff. E-MBO zu prüfen. Hierbei bedarf es der Klärung und Festlegung der spezifischen Anforderungen, die sich für einen bestimmten Verwendungszweck bauseitig ergeben, wobei die spezifischen Anforderungen auch umfangreicher als die Anforderungen an die CE-Kennzeichnung sein können; der erforderlichen Leistungsmerkmale des jeweiligen Bauproduktes; des Erfordernisses eines Verwendbarkeitsnachweises nach 17 ff. E-MBO; der Anforderungen an die Übereinstimmungserklärung des Herstellers gemäß 22 E-MBO (dazu unter 4.). 3

2. Zu einer vollumfänglichen Genehmigungsplanung (Leistungsphase 4) nach 34 HOAI zählt die Berücksichtigung sämtlicher im E MVV TB aufgeführten Vorschriften. 4. Die Verantwortlichkeiten für die Einhaltung der Vorschriften des Bauproduktenrechts am Bau sind im vierten Teil der MBO (Die am Bau Beteiligten) gemäß 52 ff. MBO geregelt. 1 Nach den in 52 MBO geregelten Grundpflichten sind der Bauherr und im Rahmen ihres Wirkungskreises die anderen am Bau Beteiligten verantwortlich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und der Beseitigung von Anlagen eingehalten werden. Soweit der Bauherr nicht selbst zur Erfüllung der Verpflichtungen nach den 52 bis 56 MBO in der Lage ist, hat er zur Vorbereitung, Überwachung und Ausführung eines nicht verfahrensfreien Bauvorhabens sowie der Beseitigung von Anlagen geeignete Beteiligte zu bestellen. 5. In 54 MBO sind die öffentlich-rechtliche Verantwortung des Entwurfsverfassers und seine bauordnungsrechtlichen Pflichten geregelt. Entwurfsverfasser im Sinne des Baurechts ist, wer die technischen Unterlagen für den Bauantrag und/oder die Bauausführung anfertigt oder unter seiner Verantwortung anfertigen lässt. 2 Als Entwurfsverfasser kommen in erster Linie Architekten, aber auch andere geeignete Personen in Betracht. 6. Gemäß 54 Abs. 1 Satz 2 MBO ist der Entwurfsverfasser für die Vollständigkeit und Brauchbarkeit seines Entwurfs verantwortlich. Der Begriff des Entwurfs wird in 54 MBO nicht definiert oder näher umrissen, sondern wird vorausgesetzt, obwohl auch im zivilen Baurecht keine Regelungen hierzu vorhanden sind. 3 Aus 54 Abs. 1 Satz 2 und 3 MBO ergibt sich jedoch, dass der Entwurf die notwendigen Unterlagen zur Erlangung der Baugenehmigung beinhaltet. Im (zivilrechtlichen) Verhältnis zwischen Entwurfsverfasser und Bauherrn entspricht der Entwurf im Sinne des 54 Abs. 1 Satz 1 MBO bezogen auf das Leistungsbild Gebäude und Innenräume im Sinne des 34 HOAI der Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung) gemäß Anlage 10 zur HOAI. 4 1 Winkelmüller/van Schewick/Müller, Praxishandbuch Bauproduktrecht, 2015, Rn. 673. 2 Shirvani, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 122. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2016), Art. 51 Rn. 16. 3 Zur gleichlautenden Regelung in der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz: Kerkmann/Schmidt, in: Jeromin, LBauO Rh-Pf, 4. Aufl. 2016, 56 Rn. 12. 4 Vgl. Shirvani, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 122. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2016), Art. 51 Rn. 50. 4

7. Vollständig ist der Entwurf, wenn er in allen Teilen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere den Anforderungen, die das Muster einer Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen (Musterbauvorlagenverordnung MBauVorlV) bzw. die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen aufstellt. 5 Für die Bearbeitung eines Bauantrages sind im Allgemeinen folgende Unterlagen erforderlich: Auszug aus der Liegenschaftskarte und Lageplan ( 7 MBauVorlV), Bauzeichnungen bestehend aus den Grundrissen aller Geschosse, Schnitten und Ansichten ( 8 BauVorlV), Baubeschreibung mit anrechenbaren Bauwerten ( 9 MBauVorlV), Standsicherheitsnachweis ( 10 MBauVorlV), Brandschutznachweis ( 11 MBau- VorlV), Nachweis für Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz ( 12 MBauVorlV). 8. Der Entwurf ist brauchbar, wenn er nach den baurechtlichen und sonstigen öffentlichrechtlichen Vorschriften sowie gemäß den als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln aufgestellt wurde und technisch durchführbar ist. 6 So sind beispielsweise nach der bauordnungsrechtlichen Generalklausel in 3 Abs. 1 MBO bzw. 3 Satz 1 Halbsatz 1 E-MBO Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Weitere allgemeine Anforderung an die Bauausführung von baulichen Anlagen sind u.a. in 12 MBO (Standsicherheit), 13 MBO (Schutz gegen schädliche Einflüsse), 14 MBO (Brandschutz) sowie 15 MBO (Wärme-, Schall-, Erschütterungsschutz) geregelt. 9. Gemäß 85a Abs. 1 Satz 1 E-MBO können die Anforderungen nach 3 durch Technische Baubestimmungen konkretisiert werden. Die Konkretisierungen können dabei nach 85a Abs. 2 E-MBO durch Bezugnahmen auf technische Regeln und deren Fundstellen oder auf andere Weise erfolgen. Abs. 2 enthält in Ziffer 1 bis 6 detaillierte Vorgaben dazu, welche Arten von Regelungen möglich sind. 7 In diesen Technischen Baubestimmungen gehen sowohl die Technischen Regeln, die bislang in der Liste der Technischen Baubestimmungen ( 3 Abs. 3 MBO) enthalten waren als auch diejenigen, die bislang in den Bauregellisten ( 17 MBO) geführt wurden auf. 8 10. Auf Grundlage von 85a E-MBO wurde seitens der Bauministerkonferenz der E MVV TB veröffentlicht. Der E MVV TB enthält in seinen vier Abschnitten Regelungen zu 5 Zur gleichlautenden Regelung in der Bayerischen Bauordnung: Shirvani, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 122. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2016), Art. 51 Rn. 52. 6 Vgl. Shirvani, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 122. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2016), Art. 51 Rn. 53. 7 Vgl. E-MBO, Begründung (Stand: 04.03.2016), Seite 16. 8 E-MBO, Begründung (Stand: 04.03.2016), Seite 16. 5

Technischen Baubestimmungen, die bei der Erfüllung der Grundanforderungen an Bauwerke zu beachten sind (Abschnitt A); Technischen Baubestimmungen für Bauteile und Sonderkonstruktionen, die zusätzlich zu den in Abschnitt A aufgeführten Technischen Baubestimmungen zu beachten sind (Abschnitt B); Technischen Baubestimmungen für Bauprodukte, die nicht die CE- Kennzeichnung haben (Abschnitt C); Bauprodukten, die keines Verwendbarkeitsnachweises bedürfen (Abschnitt D). 11. Da die Technischen Baubestimmungen nach der ausdrücklichen Regelung in 85a Abs. 1 Satz 2 E-MBO zu beachten sind, sind beim Entwurf im Sinne des 54 Abs. 1 Satz 2 MBO und damit im Rahmen der Genehmigungsplanung (Leistungsphase 4) sämtliche im E MVV TB aufgeführten Vorschriften zu berücksichtigen. 3. Zu einer vollständigen Ausführungsplanung (Leistungsphase 5) nach 34 HOAI zählt die Ermittlung und entsprechende Beschreibung aller besonderen Anforderungen an für die Errichtung der baulichen Anlage zu verwendenden Bauprodukte. 12. Gemäß 54 Abs. 1 Satz 3 MBO hat der Entwurfsverfasser dafür zu sorgen, dass die für die Ausführung des Bauvorhabens notwendigen Einzelzeichnungen, Einzelberechnungen und Anweisungen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen. 13. Unter Einzelzeichnungen, Einzelberechnungen und Anweisungen im Sinne des 54 Abs. 1 Satz 3 MBO versteht man die weitere Durcharbeitung des Entwurfs mit allen Maßen und allen für die Ausführung der baulichen Anlage erforderlichen Angaben und Anweisungen. 9 Diese weitere Durcharbeitung des Entwurfs im Detail ermöglicht es dem Unternehmer, den Entwurf in die Wirklichkeit umzusetzen. Dies entspricht den Anforderungen der Ausführungsplanung (Leistungsphase 5) gemäß Anlage 10 zur HOAI. 10 Ein- 9 So zur gleichlautenden Regelung in der Bayerischen Bauordnung: Shirvani, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 122. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2016), Art. 51 Rn. 55. 10 Zur gleichlautenden Regelung in der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz: Kerkmann/Schmidt, in: Jeromin, LBauO Rh-Pf, 4. Aufl. 2016, 56 Rn. 12. 6

zelzeichnungen sind maßstabliche Darstellungen von baulichen Anlagen oder Teilen davon oder von Bauteilen in Grundriss, Schnitt und Ansicht mit Maßangaben. Anweisungen sind notwendig z.b. für die aufgrund der statischen Berechnung zu wählenden Betongüte oder aber etwa aufgrund der Berechnung erforderliche Abstützungen während der Bauausführung. 11 Die Ausführungsplanung ist das Bindeglied zwischen genehmigten Entwurf und Bauausführung und bezweckt, dass der Unternehmer gefahrlos und mit der erforderlichen Genauigkeit bauen kann. 12 14. Gemäß 54 Abs. 1 Satz 3 MBO ist der Entwurfsverfasser dafür verantwortlich, dass die zur Ausführung notwendigen Einzelzeichnungen, Berechnungen und Anweisungen wie auch bereits der Entwurf nach 54 Abs. 1 Satz 2 MBO (Genehmigungsplanung im Sinne der Leistungsphase 4) im Einklang mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehen, zu denen auch die als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln gehören. 13 Da den bauausführenden Unternehmer im Sinne des 55 MBO mit Blick auf die Aufgabenteilung keine Verpflichtung trifft, die Bauunterlagen und Anweisungen des Entwurfsverfasser auf ihre Vereinbarkeit mit baurechtlichen und sonstigen Vorschriften zu prüfen 14, hat bereits der Entwurfsverfasser in der Ausführungsplanung die im E MVV TB enthaltenen besonderen Anforderungen an für die Errichtung der baulichen Anlage zu verwendenden Bauprodukte zu ermitteln sowie zu beschreiben. 4. Eine vollständige Ausführungsplanung (Leistungsphase 5) nach 34 HOAI macht auch die Prüfung der Verwendbarkeit von Bauprodukten erforderlich 15. Hat der Entwurfsverfasser in der Ausführungsplanung die im E MVV TB enthaltenen besonderen Anforderungen an für die Errichtung der baulichen Anlage zu verwendenden Bauprodukte zu ermitteln sowie zu beschreiben, so ist in diesem Zusammenhang auch die Verwendbarkeit der entsprechenden Bauprodukte zu prüfen. 16. Die 16b ff. E-MBO enthalten Anforderungen an Bauprodukte. In 16b E-MBO sind allgemeine Anforderungen für die Verwendung von Bauprodukten geregelt. Nach 11 Vgl. Shirvani, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 122. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2016), Art. 51 Rn. 56 und 62. 12 Vgl. Wenzel, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, 58 Rn. 23 unter Hinweis auf OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.1976 IV Ss Owi 976/76, BRS 30 Nr. 188. 13 Vgl. Shirvani, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 122. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2016), Art. 51 Rn. 63. 14 So ausdrücklich Landesbauordnung Rheinland-Pfalz: Schmidt, in: Jeromin, LBauO Rh-Pf, 4. Aufl. 2016, 57 Rn. 5. 7

16b Abs. 1 E-MBO dürfen Bauprodukte nur verwendet werden, wenn bei ihrer Verwendung die baulichen Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer dem Zweck entsprechenden angemessenen Zeitdauer die Anforderungen der MBO oder aufgrund der MBO erfüllen und gebrauchstauglich sind. 17. Bauprodukte, die die Anforderungen des 16b E-MBO erfüllen, dürfen verwendet werden, soweit die Vorschriften der 16c ff. E-MBO in Verbindung mit dem E MVV TB keine weitere Anforderungen an sie stellen. 15 So müssen beispielsweise Bauprodukte, für die es im E MVV TB in Abschnitt C (ehemals Bauregelliste A) Technische Baubestimmungen gibt und die mit diesen übereinstimmen oder von diesen nicht wesentlich abweichen, mit diesen Technischen Baubestimmungen im E MVV TB übereinstimmen. Wann ein Verwendungsnachweis erforderlich bzw. nicht erforderlich ist, ergibt sich aus 17 E-MBO sowie dem Abschnitt D des E MVV TB. So ist in 17 Abs. 1 E-MBO geregelt, in welchen Fällen die in den 18-20 E-MBO aufgeführten Verwendbarkeitsnachweise (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis, Zustimmung im Einzelfall) erforderlich sind. 16 Dies ist der Fall, wenn es keine Technische Baubestimmung und keine allgemeine anerkannte Regel der Technik gibt ( 17 Abs. 1 Nr. 1 E-MBO), das Bauprodukt von der Technischen Baubestimmung wesentlichen abweicht ( 17 Abs. 1 Nr. 2 E-MBO) oder eine Verordnung nach 85 Abs. 4a E-MBO es vorsieht ( 17 Abs. 1 Nr. 3 E-MBO). 18. Die einzelnen Regelungen über die Zulässigkeit der Verwendung von bestimmten Bauprodukten beziehen sich immer auf die abstrakte Frage, ob ein Bauprodukt, das bestimmte Eigenschaften aufweist, verwendbar ist. Noch nicht geklärt ist aber, ob das jeweils gefertigte Bauprodukt bzw. die jeweilige Produktionscharge auch wirklich den Anforderungen der Verwendungserlaubnis genügt. 17 Vor diesem Hintergrund bedürfen Bauprodukte der Übereinstimmungsbestätigung nach 21 E-MBO. Gemäß 21 Abs. 2 E-MBO erfolgt die Bestätigung der Übereinstimmung durch die Übereinstimmungserklärung des Herstellers ( 22 E-MBO). Der E MVV TB legt in Kapitel C 2 und C 3 (i. V. m. 85a Abs. 2 Nr. 5 E-MBO) in Spalte 4 die Anforderungen fest, die an die Abgabe einer Übereinstimmungserklärung des Herstellers gestellt werden (Übereinstimmungserklärung des Herstellers (ÜH), Übereinstimmungserklärung des Herstellers nach vorheriger Prüfung des Bauprodukts durch eine anerkannte Prüfstelle (ÜHP), Übereinstimmungszertifikat durch eine anerkannte Zertifizierungsstelle (ÜZ)). 15 E-MBO, Begründung (Stand: 04.03.2016), Seite 6. 16 E-MBO, Begründung (Stand: 04.03.2016), Seite 9. 17 Winkelmüller/van Schewick/Müller, Praxishandbuch Bauproduktrecht, 2015, Rn. 611. 8

19. Anforderungen für die Verwendung von CE-gekennzeichneten Bauprodukten sind in 16c E-MBO geregelt. Nach 16c Satz 1 E-MBO darf ein Bauprodukt, das die CE- Kennzeichnung trägt, verwendet werden, wenn die erklärten Leistungen den in der MBO oder aufgrund der MBO festgelegten Anforderungen für diese Verwendung entsprechen. 16c Satz 1 E-MBO stellt das rechtliche Scharnier zwischen den erklärten Leistungen eines Produkts und den spezifischen Anforderungen, die sich für einen bestimmten Verwendungszweck bauseitig ergeben, dar. 18 Es ist Aufgabe der am Bau Beteiligten und damit auch des Entwurfsverfassers, sicherzustellen, dass die für ein Bauprodukt erklärten Leistungen ausreichend sind, um die Anforderungen zu erfüllen die sich für die Bauprodukte aus den Bauwerksanforderungen ergeben. 19 20. Aus 16c Satz 2 E-MBO ergibt sich, dass die 17 bis 25 Abs. 1 E-MBO (aus europarechtlichen Gesichtspunkten) für Bauprodukte, die eine CE-Kennzeichnung aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 20 tragen, unangewendet bleiben müssen. 21 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass in 16c Satz 2 E-MBO die allgemeine Vorschrift des 16b E-MBO ausdrücklich nicht ausgeschlossen wird. Daher gilt auch für CE-gekennzeichnete Bauprodukte, dass sie nur verwendet werden dürfen, wenn bei ihrer Verwendung die bauliche Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer dem Zweck entsprechenden Zeitdauer die Anforderungen der MBO oder aufgrund der MBO erfüllen und gebrauchstauglich sind. Dies zu überprüfen und festzustellen ist Aufgabe der unteren Bauaufsichtsbehörde, die in Verbindung mit 79 Abs. 1 Satz 1 E-MBO grundsätzlich die Einstellung der Arbeiten verfügen kann. 22 Daraus folgt, dass für CE-gekennzeichnete Bauprodukte zwar keine Verwendbarkeitsnachweise und Übereinstimmungsbestätigungen gefordert werden dürfen. 23 Die Einhaltung der allgemeinen Anforderungen nach 16b Abs. 1 E-MBO muss sich aber dennoch nachweisen lassen. 21. Nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen bedarf es im Rahmen der Ausführungsplanung auch der Klärung und Festlegung 18 E-MBO, Begründung (Stand: 04.03.2016), Seite 8. 19 E-MBO, Begründung (Stand: 04.03.2016), Seite 8. 20 Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.03.2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates. 21 So ausdrücklich E-MBO, Begründung (Stand: 04.03.2016), Seite 9. 22 Vgl. auch E-MBO, Begründung (Stand: 04.03.2016), Seite 7. 23 E-MBO, Begründung (Stand: 04.03.2016), Seite 9. 9

der spezifischen Anforderungen, die sich für einen bestimmten Verwendungszweck bauseitig ergeben, wobei die spezifischen Anforderungen auch umfangreicher als die Anforderungen an die CE-Kennzeichnung sein können; der erforderlichen Leistungsmerkmale des jeweiligen Bauproduktes; des Erfordernisses eines Verwendbarkeitsnachweises nach 17 ff. E-MBO (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis, Zustimmung im Einzelfall); der Anforderungen an die Übereinstimmungserklärung des Herstellers gemäß 22 E-MBO (Übereinstimmungserklärung des Herstellers, Übereinstimmungserklärung des Herstellers nach vorheriger Prüfung des Bauprodukts durch eine anerkannte Prüfstelle, Übereinstimmungszertifikat durch eine anerkannte Zertifizierungsstelle). 22. In diesem Zusammenhang ist schließlich darauf hinzuweisen, dass die vorbenannte Klärung und Festlegung der erforderlichen Leistungsmerkmale des jeweiligen Bauproduktes, des Erfordernisses eines (bestimmten) Verwendbarkeitsnachweises nach 17 ff. E-MBO sowie der Anforderungen an die einer Übereinstimmungserklärung des Herstellers gemäß 22 E-MBO nicht nur im Rahmen der Objektplanung im Leistungsbild Gebäude und Innenräume gemäß 34 HOAI von Bedeutung ist, sondern auch im Rahmen der Fachplanung, beispielsweise im Leistungsbild Tragwerksplanung gemäß 51 HOAI. Problematisch ist dabei, dass jeder Fachplaner grundsätzlich nur die für ihn notwendigen Produkteigenschaften definieren kann. Somit müssen die spezifischen Anforderungen an die betreffenden Bauprodukte für den Standsicherheitsnachweis, Brandschutznachweis etc. zunächst einzeln formuliert und sodann vom Entwurfsverfasser bauteil- und bauproduktspezifisch im Hinblick auf Widersprüche geprüft und zu einer Gesamt-Bauproduktenplanung gebündelt werden. Hinzu kommt, dass die Klärung und Festlegung der erforderlichen Leistungsmerkmale des jeweiligen Bauproduktes, des Erfordernisses eines (bestimmten) Verwendbarkeitsnachweises nach 17 ff. E-MBO sowie der Anforderungen an die einer Übereinstimmungserklärung des Herstellers gemäß 22 E-MBO in der künftig notwendigen Art und Weise nicht zu den Grundleistungen der HOAI gehört. 24 24 Ebenso: Baukammer Berlin, Merkblatt 10/2016 (EuGH-Urteil zu nationalen Zusatzanforderungen an europäisch harmonisierte Bauprodukte Hinweise und Empfehlungen). 10