Das neue EEG 2.0 im europäischen Kontext Energiekonferenz 2014 Strausberg, 20. November 2014 Dr. Jürgen Weigt
Artikel 194 AEUV Die Zuständigkeit für Energie ist zwischen der EU und den Mitgliedstaaten geteilt* Prinzipiell dürfen die Mitgliedstaaten ihre Energiepolitik selbst gestalten Nutzung ihrer Energieressourcen Energiemix Allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung Aber: Die EU kann zur Verwirklichung der energiepolitische Ziele (Energiemarkt, Versorgungssicherheit, Effizienz, Energieeinsparung, erneuerbare Energien, Interkonnektion der Energienetze) Maßnahmen erlassen. Ein Großteil der Energiegesetze in Deutschland hat seinen Ursprung im EU-Recht * Artikel 4 Absatz 2 i) Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) 2
Die EU verpflichtet die Mitgliedstaaten, erneuerbare Energien zu fördern. Bei der Wahl der Mittel sind sie grundsätzlich frei. EE- Richtlinie 2001 EE- Richtlinie 2009 Die Mitgliedstaaten erlassen geeignete Maßnahmen, um Strom aus EE zu fördern Verbindliche Ziele für den EE-Anteil am Energieverbrauch (Deutschland: 18% bis 2020) Fördersysteme in nationaler Zuständigkeit 2000 2004 2009 2012 2014 Einführung des EEG EEG-Novellen Grundlegende EEG-Reform 3
In der EU wird Strom aus erneuerbaren Energien unterschiedlich gefördert Steuerlich Anreize und andere Systeme Einspeisevergütung Quotenmodell/grüne Zertifikate Bonus System Es dominieren preisbasierte Fördersysteme (Einspeisevergütungen und/oder Bonussysteme), die überwiegend technologiespezifisch ausgestaltet sind. Das konkurrierende Quoten- /Zertifikatmodell wird nur in Italien, Polen, Rumänien, Schweden und UK praktiziert. Steuerliche Anreize in Finnland und Lettland Quelle: ewi (Stand: 2010) 4
Nationale Förderregelungen müssen mit höherrangigem EU-Recht vereinbar sein. Elementarer Bestandteil des EU-Rechts ist der freie Wettbewerb Staatliche Beihilfen können den Wettbewerb beeinträchtigen Beeinträchtigungen des Wettbewerbs sind grundsätzlich verboten Beihilferecht Warenverkehrsfreiheit Ziel der EU ist die Errichtung des Binnenmarktes Der Binnenmarkt ist gekennzeichnet durch den freien Verkehr von Waren* Hindernisse für den freien Warenverkehr sind grundsätzlich verboten * neben dem freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen und Kapital 5
Was ist eine Beihilfe? Artikel 107 AEUV Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt (drohende) Verfälschung des Wettbewerbs Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten Kommission entscheidet, ob eine Beihilfe gewährt werden darf. Hierbei prüft sie, ob Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. 6
Was muss ein Staat beachten, wenn er eine Beihilfe einführen oder umgestalten will? Artikel 108 AEUV Notifizierung Mitgliedstaaten müssen die EU-Kommission grds. über jede beabsichtigte Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen unterrichten Kommission prüft Dauer: 2 20 Monate Kommission prüft: Ob die Maßnahme eine Beihilfe ist Wenn ja, ob die Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist Vor abschließender Entscheidung der Kommission darf Beihilfe nicht gewährt werden! Foto: Peter Smola/pixelio.de 7
Die EU-Kommission nimmt bei der Genehmigung von Beihilfen eine Abwägung vor Für viele Beihilfetypen wurden die Abwägungsvorgänge vorweggenommen: Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien Erklärt bestimmte Beihilfen für binnenmarktkonform Unmittelbare Geltung Notifizierungspflicht entfällt Auslegungshilfen für die Kommission Keine unmittelbare Geltung, aber faktische Bindungswirkung Notifizierungspflicht bleibt bestehen 8
Ist das EEG eine Beihilfe? Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige? vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt (drohende) Verfälschung des Wettbewerbs Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten Fraglich ist der Einsatz staatlicher Mittel Bundesregierung: Die EEG-Umlage wird nicht durch ein staatlich kontrolliertes Unternehmen erhoben. EU-Kommission: Die Verwaltung des EEG-Fördermechanismus wird durch den Staat kontrolliert, gesteuert und beeinflusst. 9
18. Dezember 2013: EU-Kommission leitet Beihilfeprüfverfahren gegen das EEG 2012 ein Einspeisetarife und Marktprämien Beihilfen, die aber mit den Leitlinien der Kommission über staatliche Umweltschutzbeihilfen 2008 in Einklang stehen Besondere Ausgleichsregelung (BesAR)? Beihilfen, die in den Leitlinien der Kommission über staatliche Umweltschutzbeihilfen 2008 nicht vorgesehen sind BesAR kann unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein Eingehende Prüfung durch die Kommission (Entscheidung steht noch aus) 10
Das EEG 2014 misst sich an den strengeren Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien vom 9.4.2014 Wichtigste Voraussetzungen: 2015 Für 5 % des jährlichen Zubaus wird die Förderung im Wege der Ausschreibung vergeben 2016 Keine Einspeisevergütung, sondern Marktprämie 1 2017 Förderung wird grundsätzlich im Wege der Ausschreibung vergeben 2 1 gilt nur für Anlagen ab 500 kw, bei Windkraft ab 3 MW oder 3 Anlagen 2 gilt nur für Anlagen ab 1 MW, bei Windkraft ab 6 MW oder 6 Anlagen Bestehende Förderinstrumente, die auf der Grundlage der bisherigen Leitlinien genehmigt wurden, werden von den neuen Leitlinien nicht berührt. 11
Die Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien erlauben Befreiungen von der EEG-Umlage für Unternehmen, die energieintensiven Wirtschaftszweigen angehören (abschließende Liste der Kommission) für Unternehmen, die zwar anderen Wirtschaftszweigen angehören, aber trotzdem sehr energieintensiv sind * Begrenzung auf 15 % EEG-Umlage sowie auf bis zu 0,5 % der Bruttowertschöpfung möglich * Stromkosten 20 % der Bruttowertschöpfung + EU-Handelsintensität 4 % 12
Die neuen Beihilfeleitlinien haben die EEG-Reform geprägt Direktvermarktung mit Marktprämie wird Regelfall Einspeisevergütung nur noch für kleinere Anlagen (< 100 kw in Stufen bis 2017) und als Ausfallvergütung Einführung eines Ausschreibungsmodells Förderhöhe soll bis 2017 durch Ausschreibung ermittelt werden Vorher: Pilotausschreibungen für PV-Freiflächenanlagen Neuregelung der Besonderen Ausgleichsregelung Die Industrie erreichte, dass die Ausnahmetatbestände im Ergebnis weitgehend beibehalten wurden. 13
Keine Zertifikate für Ålands Vindkraft? Åland-Inseln (finnisch) F i n n l a n d S c h w e d e n Energieverbraucher Quoten-Zertifikatesystem: Pflicht zum Erwerb von Grünstromzertifikaten die nur in Schweden ansässigen Erzeugern ausgestellt werden Finnischer Windstrom wird im schwedischen Quoten-/Zertifikatesystem nicht anerkannt. Finnischer Windparkbetreiber rügt Verletzung der Warenverkehrsfreiheit 14
Urteil des Europäischen Gerichtshofs v. 1.7.2014: Hindernisse für den freien Warenverkehr sind grundsätzlich verboten, können aber gerechtfertigt sein Mitgliedstaaten dürfen den in ihrem Hoheitsgebiet erzeugten Strom exklusiv fördern. 15
Also droht dem EEG aus Brüssel keine Gefahr, oder? Einer Genehmigung des EEG durch die Kommission steht jetzt nichts mehr im Wege. Sigmar Gabriel am 01.07.2014 Vielleicht hat er (Gabriel) zu schnell reagiert und hatte keine Zeit, sich die Einzelheiten des sehr komplizierten Falles anzugucken. Joaquin Almunia am 03.07.2014 Foto: Bundesregierung/Bergmann Foto: European Union, 2014 Die Förderung erneuerbarer Energien bleibt umstritten. 16
Einige Streitpunkte wurden ausgeräumt 23. Juli 2014: Kommission erteilt beihilferechtliche Genehmigung für das EEG 2014 Bedingungen: - Eigenverbrauch aus fossilen KWK-Anlagen stärker an EEG- Umlage beteiligen - Erneuerbare Energien-Anlagen aus anderen Mitgliedstaaten in das Ausschreibungssystem einbeziehen Noch offen: Beihilferechtliche Genehmigung des EEG 2012 Foto: Jorma Bork/pixelio.de 17
Zusammenfassung und Ausblick Die Kompetenz für Energiepolitik ist zwischen Brüssel und Berlin geteilt. Die EU-Kommission wird bei der Förderung erneuerbarer Energien weiterhin mitreden! Seit 01.11.2014 ist Wettbewerbskommissarin Vestager im Amt Auf das EEG 2.0 folgt das EEG 3.0 Ausschreibungsmodell 2017 18