Germanistik Kathleen Harm Die Lebhaftigkeit der Jugendsprache Aktuelle Beispiele Studienarbeit
Universität Hamburg Institut für Germanistik 1 Wintersemester 2012 / 2013 BA- Studiengang Deutsch Sprache und Literatur Modul DE V1 Seminar II: 52 149 Metaphern von Sprache Jugendsprache ist lebhafter als die Standardsprache. Dargestellt an aktuellen Beispielen. Eingereicht von:
Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG... 1 2 BEGRIFF JUGENDSPRACHE... 19 3 SPRACHLICHE PHÄNOMENE... 35 3.1 LEXIKALISCHE MERKMALE... 47 3.2 SPRÜCHEKULTUR PHRASEOLOGISMEN IN DER JUGENDSPRACHE... 71 4 ANALYSE... 102 4.1 ERLÄUTERUNG DER MATERIALERHEBUNG... 106 4.2 ANALYSE LEXIK... 112 4.3 ANALYSE PHRASEME... 157 5 FAZIT... 242 LITERATURVERZEICHNIS... 264 ANHANG... 282 EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG... FEHLER! TEXTMARKE NICHT DEFINIERT. II
1 Einleitung Das Phänomen Jugendsprache ist ein viel diskutiertes Thema in der Sprachforschung also auch in der Gesellschaft. Bei dem Gebrauch des Wortes Jugendsprache ist jedoch zu beachten, dass mit diesem Begriff keine Sprache mit eigener Grammatik, differenziertem Wortschatz und normativer Geltungen gemeint ist. 1 Es sind vielmehr jugendliche Sprechweisen, welche ein [ ] Ausweich- und Überholmanöver [ ] 2 ihrer zugrundeliegenden Standardsprache repräsentieren. Die menschliche Sprache, die einer Sprechergemeinschaft als Verständigungsmittel dient und nach Hockett u.a. die Merkmale Produktivität, Arbitrarität sowie Semantizität inne hat 3, erweist sich in der jugendlichen Sprachproduktion als besonders innovativ. Es kommt dabei nicht selten zu einem Spiel mit der Arbitrarität und einer überraschenden Veränderung der Semantizität, sodass daraus zahlreiche Wörterbücher wie Endgeil - Das voll konkrete Lexikon der Jugendsprache von Hermann Ehmann hervorgebracht werden. Ausgehend von dieser kreativen Leistungsfähigkeit der Jugendlichen, stellen wir folgende Hypothese auf: Jugendsprache ist lebhafter als die Standardsprache. Davon ausgehend soll herausgearbeitet werden, inwieweit der jugendliche Sprechstil lebhafter ist und woran sich dieses kennzeichnen lässt. Dafür wird zunächst der Begriff Jugendsprache kurz erläutert sowie deren sprachliche Phänomene theoretisch dargelegt. Der Fokus liegt dabei auf die Entstehung eines Sonderwortschatzes und dem phraseologischen Sprechen. Um die Ausgangshypothese analysieren zu können, haben wir aktuelle Ausdrücke und Redewendungen mittels Fragebogen erhoben. In einem abschließenden Fazit werden die Ergebnisse der Analyse zusammengefasst und hinsichtlich unserer These kritisch reflektiert. 1 vgl. Henne, Helmut: Jugend und ihre Sprache. 1986, S. 208 2 Henne 1986, S. 208 1
2 Begriff Jugendsprache Jugendsprache lässt sich als gruppenspezifische Sprechweise definieren und ist demnach ein Gruppenphänomen bzw. wird als Soziolekt 4 betrachtet. 5 Sie ist somit eine Sprache, welche die Jugend spricht und ein konventioneller Code, der von einer Gemeinschaft mit dem Ziel der Verständigung verwendet wird. Allerdings gibt es nicht die eine Jugendsprache weil [ ] es die Jugend als homogene Gruppe nicht gibt. Vielmehr existieren mehrere Jugendsprachvarietäten nebeneinander [...] 6, welche sich informeller Konventionen bedienen. Jener Sprachgebrauch setzt bestimmte Kenntnisse über das Sprachsystem und gemeinsame Vorerfahrungen voraus. Die Gründe für die Verwendung von Jugendsprache sind vielfältig. Dabei kann Jugendsprache ein Medium der Selbstdarstellung von Jugendlichen [ ] 7 sein und der Identifikation und Kommunikation im Rahmen der Gruppe [ ] 8 dienen. Durch das gemeinsame Abweichen von der Standardsprache wird ein Wir-Gefühl erzeugt, welches u.a. eine Voraussetzung für den Gruppenzusammenhalt ist. Dieses Wir- Gefühl wird zusätzlich verstärkt, indem die Bedeutungen vieler jugendsprachlicher Begriffe von Außenstehenden oft nicht nachvollzogen werden können. 9 3 Sprachliche Phänomene Die Jugendsprache besitzt eine große Dynamik, die durch extreme Wandlungsfähigkeit sowie experimentelle und kreative Sprachproduktion gekennzeichnet ist. 10 Mit der Standardsprache als Fundament, entwickeln sich sogenannte Sprachspiele d.h. ein Spiel mit dem gegebenen standardsprachlichen Material. 11 Der jugendsprachliche Ton findet seine Besonderheit im Vergleich zum standardsprachlichen Ausdruck 3 vgl. Hockett, C. F.: The origin of speech. 1960, S. 88 ff. 4 Soziolekt (= Gruppenvarianten) ist für eine bestimmte Sprechergruppe charakteristisch und wird dem Forschungsgebiet der Soziolinguistik zugeordnet, wer spricht mit wem in welcher Sprache? vgl. Löffler, Heinrich: Germanistische Soziolinguistik. 2005, S.21 5 vgl. Schlobinski, Peter, Kohl, Gaby, Ludewigt, Irmgard: Jugendsprache. Fiktion und Wirklichkeit. 1993, S. 67 6 Ehmann, Hermann: Endgeil. Das voll konrekte Lexikon der Jugendsprache. 2005, S. 23 7 Brockhaus Enzyklopädie: 20. Band. 1993. S.263 8 Brockhaus Enzyklopädie 1993, S.263 9 David, Barbara: Jugendsprache zwischen Tradition und Fortschritt. Ein aktuelles Phänomen im historischen Vergleich. 1987, S.86 10 vgl. Schlobinski 1993, S. 180 2
nicht nur in der innovativen lexikalischen Struktur, sondern auch im phraseologischen Sprechen. 12 Diese sogenannte Sprüchekultur 13 ist [ ] von [der Benutzung] bestimmter klischeehafter idiomatischer Redewendungen [und] eine[r] Vorliebe für übertriebene oder flotte technischer Vergleiche, die Verwendung von Wörtern der Gemeinsprache in spezieller Bedeutung [ ] 14 gekennzeichnet. Da die jugendlichen Sprüche u.a. Lexeme aus ihrem Sonderwortschatz 15 enthalten, werden zunächst die lexikalischen Merkmale und anschließend der Phraseologismus in der Jugendsprache näher erläutert. 3.1 Lexikalische Merkmale Auf der lexikalischen Ebene weist die Jugendsprache u.a. Neologismen (z.b. fluffig) und kreative Wortspiele (z.b. okidoki) auf. Weiterhin prägen Wortveränderungen (z.b. Alpha-Tier) und Verbalisierungen von Substantiven (z.b. müllen) die Lexik der Jugendsprache. Ökonomisierungen (z.b. Spezi) und Internationalismen (z.b. Feeling) führen ebenfalls zum Ausbau eines Sonderwortschatzes sowie Superlativierungen (z.b. superlustig, übelst). 16 Onomatopoetische Begriffe (z.b. knallhart) auch Lautwörter genannt, tragen zur jugendlichen Wortbildung bei. 17 Nach Androutsopoulos ist die Jugendsprache darüber hinaus durch vulgäre Wortnester (z.b. scheiß) gekennzeichnet. Diese lexikalischen Einheiten werden auch Fäkaliensprache genannt und haben einen niedrigen semantischen Gehalt. 18 Die Jugendsprache zeigt sich als [ ] ergiebigste und kreativste Quelle für sprachliche Neuschöpfung[ ] 19. Im Bereich der Wortbildung werden Regeln verletzt wie die Übergehung gültiger semantischer Beschränkungen. Das Substantiv Schrott wird im Beispiel sich schrott lachen als Adverb verwendet. 20 Der Geltungsbereich der Wortneubildung (z.b. Mucke) ist meist auf einzelne Gruppen beschränkt. Die Wort- 11 vgl. Schloinski 1993, S. 145 12 vgl. Henne 1986, S.210 13 Henne 1986, S. 115 14 Pörksen, Uwe, Weber, Heinz: Spricht die Jugend eine andere Sprache? 1984, S. 47 15 vgl. Henne 1986, S. 155 16 vgl. Ehmann 2005, S.9-10 17 vgl. David 1987, S. 37 18 vgl. Androutsopoulos, Jannis K.: Deutsche Jugendsprache. Untersuchungen zu ihren Strukturen und Funktionen. 1998, S.417 19 Pörksen 1984, S.93 20 vgl. Pörksen 1984, S.93 3