Vortrag anlässlich der Fachtagung der BAG GPV in Berlin am 04.-05.12.2014 Referentin: Monika Berger, Dipl.-Psychologin und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bürgerservice GmbH, Trier 1
Ziele: Echte Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung verwirklichen Alternativen zu einer Beschäftigung in einer WfbM schaffen Übergänge aus der WfbM in den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern Dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse am allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen Gleichstellung mit anderen Arbeitnehmer/innen Anreize für Arbeitgeber für die Beschäftigung von Menschen mit erheblichen Behinderungen schaffen Verbesserung der Lohnsituation der Betroffenen Eingliederungshilfe entlasten 2
Personenkreis: Menschen mit Behinderung, die im Arbeitsbereich einer WfbM beschäftigt sind Menschen mit Behinderung, die nach Abschluss des Eingangsund Berufsbildungsbereiches Anspruch auf die Aufnahme in den Arbeitsbereich haben Menschen mit Behinderung, die nach einer Qualifizierung durch die Agentur für Arbeit Anspruch auf die Aufnahme in den Arbeitsbereich einer WfbM haben (z. B. UB, InbeB) Menschen deren Arbeitsleistung unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes < 3 Std./Tag ist (volle Erwerbsminderung) 3
Grundlagen, Entwicklung und Zahlen: Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe durch die Reform des SGB IX in 2004: Mehr Teilhabe, Gleichstellung u. Selbstbestimmung! Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe durch das Land als überörtlicher Sozialhilfeträger (Konzept wurde vom Land entwickelt) Rechtsgrundlage: SGB XII, 97, Abs. 5 sowie SGB IX, 33 Ab 2005 Erprobung in 5 Modellregionen in RLP Ab 2008 Einführung als Regelangebot in ganz RLP, zunächst in Verantwortung des Landes Ab 2014 Übergang der Verantwortung auf die Kommunen Ende 2013: 260 Budget-Arbeitsplätze in RLP 4
Leistungen: Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber (Minderleistungsausgleich) in Höhe von 70 % des Arbeitgeberbruttolohnes aus Mitteln der Eingliederungshilfe finanziert zu je 50% durch das Land und den örtlichen Sozialhilfeträger (Kommune) Fortzahlung des Vergütungssatzes an die WfbM für sechs Wochen nach Ausscheiden des Beschäftigten Pauschale für eine berufsbegleitende Betreuung am Arbeitsplatz von 120 / Monat für mindestens ein Jahr Betreuung durch die WfbM oder andere Anbieter (z. B. bei UB und InbeB) 5
Rahmenbedingungen und Prinzipien: Freiwilligkeit der Inanspruchnahme Dauer der Leistungen: solange wie nötig Kein Einsatz von Einkommen und Vermögen Budgetnehmer/in hat Arbeitnehmer/innen-Status Tarifliche Entlohnung Besonderer Kündigungsschutz nach 85 ff SGB IX Aktives und passives Wahlrecht zum Betriebs-/Personalrat Rückkehrmöglichkeit in die WfbM bei einem Scheitern des Arbeitsverhältnisses 6
Sozialversicherung: Budgetnehmer/in ist sozialversichert: Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung Rentenversicherung, allerdings ohne Aufstockung der Beiträge wie in der WfbM Unfallversicherung Ausnahme: Keine Arbeitslosenversicherung, da volle Erwerbsminderung besteht! 7
Rechenbeispiel: Tariflohn (Arbeitnehmerbruttolohn) 1.500 zzgl. Arbeitgeber-Anteil Sozialversicherung ca. 20% 300 Summe: 1.800 30% Kosten Arbeitgeber (für 30% Arbeitsleistung) 540 70% Budget für Arbeit (Minderleistungsausgleich) 1.260 zzgl. Kosten für Betreuungsleistungen: 120 Budgetleistung gesamt: 1.380 8
Verfahren: Voraussetzung: Grundsätzliche Eignung des Beschäftigten durch die WfbM festgestellt Interesse der/des WfbM-Beschäftigten an einem Budgetarbeitsplatz vorhanden Akquise eines geeigneten Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitserprobung durch Praktikum oder Außenarbeitsplatz im Betrieb Erklärung des potentiellen Arbeitgebers über die Bereitschaft, einen Arbeitsvertrag auf Tariflohnbasis abzuschließen 9
Verfahren: Formeller Antrag bei dem zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe + Antrag auf zusätzliche berufsbegleitende Betreuung Abtretungserklärung des Budgetnehmers / der Budgetnehmerin an den Arbeitgeber Evtl. Feststellung der dauerhaften Erwerbsminderung durch DRV (bei Personen, die vorher nicht in der WfbM beschäftigt waren) Beratung und Entscheidung im Integrationsausschuss über die Budgetleistung Bewilligung des Budgets für Arbeit durch den örtlichen Träger der Sozialhilfe Abschluss des Arbeitsvertrages 10
Budgetarbeitsplätze bei der Bürgerservice GmbH 11
Wer sind wir und was tun wir? Gemeinnütziges Integrationsunternehmen (ggmbh) Zwei Geschäftsbereiche: Handwerk und Dienstleistungen (als am Markt arbeitende Fachbetriebe) Bau- und Möbelschneiderei Maler- und Stuckateur Garten- und Landschaftsbau Radstation (Fahrradverleih) Gebäudereinigung Dienste aller Art Entwicklung und Bau von Photovoltaikanlagen Wertstoffsortierung Arbeitsmarktdienstleistungen (Angebote zur beruflichen Orientierung, Qualifizierung und Beschäftigung mit dem Ziel der (Re-)Integration in den allg. Arbeitsmarkt) Angebote im Übergang Schule-Beruf Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen Inklusive Ausbildung Unterstützte Beschäftigung Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose Maßnahmen zur Vermittlung von Menschen mit Behinderung in Ausbildung oder Arbeit Insgesamt ca. 250 Beschäftigte, davon ca. 60 Menschen mit Behinderung 5 Budgetarbeitsplätze 12
Beispiel 1: Johannes M. 61 Jahre, psychische Behinderung, GdB 60 Schule/Ausbildung: 1976 Abitur 1979 1983 Medizinstudium ohne Abschluss Berufspraxis: 1976 1977 Praktikum im Krankenhaus 1977 1978 Freiwilliges Soziales Jahr im Krankenhaus 1978 1979 Verkäufer und Lagerarbeiter bei Karstadt Während des Studium psychische Erkrankung und anschließend lange Arbeitslosigkeit 1991 Eingliederung in die Werkstatt für behinderte Menschen 13
Beispiel 1: Johannes M. 12/2008 07/2009 Praktikum im Dorfladen des Bürgerservice 03/2009 Antrag auf Budget für Arbeit 08/2009 Beginn der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung beim BÜS bis 10/2010 als Verkaufskraft im Dorfladen ab 11/2010 als Mitarbeiter in der Radstation Beschäftigungsumfang: 30 Std./Wo. Stundenlohn: 8, ab 01/2015: 8,50 Tätigkeiten: Verwaltungstätigkeiten, Boten- und Fahrdienste, Mitarbeit im Verkauf und Verleih 14
Beispiel 2: Dennis G. 23 Jahre, Lernbehinderung, GdB 80 Schule: Förderschulabschluss (G-Schule) in 2010 Ab 10/2010 Teilnahme an PIA Projekt zur Integration arbeitsloser junger Menschen in Arbeit individuelle Maßnahme zur Berufsvorbereitung und Qualifizierung als Alternative zur Eingliederung in den Berufsbildungsbereich der WfbM finanziert über das persönliches Budget durch die Agentur für Arbeit Inhalte des Projektes: Berufliche Orientierung und Erprobung in verschiedenen Berufsfeldern (v. a. in den Werkstätten und Zweckbetrieben des BÜS) Praktika zur Erprobung und Qualifizierung in Abteilungen des BÜS und bei externen Betrieben Intensive sozialpädagogische Begleitung Förderung von persönlichen, beruflichen u. Alltagskompetenzen 15
Beispiel 2: Dennis G. Praktika im Rahmen von PIA: Mehrere Erprobungspraktika in den Bereichen Küche und Wäscherei Mehrere Qualifizierungspraktika in Krankenhausund Altenheim-Großküchen und im Kiosk des BÜS 11/2011 Antrag auf Budget für Arbeit 27.02.2012 Beginn der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung beim Bürgerservice als Mitarbeiter im hauseigenen Kiosk Beschäftigungsumfang: 30 Std./Woche Stundenlohn: aktuell 8, ab Januar 2015: 8,50 Tätigkeiten: Mithilfe bei der Zubereitung des Mittagessens Bedienung der Kasse und von Kunden Eindecken/Abdecken vor und nach Besprechungen 16
Fazit: Budget für Arbeit RLP Das Budget für Arbeit in Rheinland-Pfalz: ist ein funktionierendes Instrument, bei dem Mittel der Eingliederungshilfe erfolgreich zur Integration von Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt genutzt werden Stärkt die Teilhabe, Selbstbestimmung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderung Ermöglicht Menschen mit Behinderung, ihren Lebensunterhalt aus ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit (Einkommen) zu bestreiten Wird sowohl von öffentlichen Arbeitgebern (z. B. Ämtern und Behörden), als auch von Integrationsunternehmen und regulären Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes in verschiedenen Arbeits- /Tätigkeitsfeldern in Anspruch genommen. Sollte bundesweit eingeführt werden und der Bund sollte sich nach Möglichkeit angemessen an den Kosten beteiligen 17