DNotI Deutsches Notarinstitut Dokumentnummer: 11299 letzte Aktualisierung: 27.03.2003 BGB 631, 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 2 Vereinbarung alter DIN-Normen für Beton in Bauträgervertrag (Bezug auf Gutachten, DNotI-Report 2002, 41) I. Zum Sachverhalt Die bisherigen DIN-Normen für Beton (DIN-1045 Beton, DIN-4227 Spannbeton, DIN-4219 Leichtbeton) wurden durch neue DIN-Normen ersetzt. Dabei gelten sowohl die alten als auch die neuen DIN-Normen bis zum Ablauf des 31.12.2004 nebeneinander. II. Fragestellung Welche Anforderungen gelten zivilrechtlich für die Betonqualität eines vom Bauträger errichteten Objekts, nachdem die bisherige DIN-1045 (alt) von dem Konzept der neuen DIN- 1045 und EN-206 abgelöst wurde? III. Zur Rechtslage Eine vergleichbare Fragestellung haben wir bereits im Gutachten DNotI-Report 2002, 41 ff. besprochen. 1. Zur Bedeutung der DIN-Normen a) Der Werkvertragsunternehmer ist auch beim BGB-Werkvertrag mangels abweichender vertraglicher Vereinbarungen (vgl. BGHZ 139, 16, 18 f.; BGH NJW- RR 1995, 472, 473; Staudinger/Peters, Neubearb. 2000, 633 Rn. 40; Basty, Der Bauträgervertrag, 4. Aufl. 2001, Rn. 592; Gutachten DNotI-Report 2002, 41, 42) zur Herstellung des Werkes entsprechend den anerkannten Regeln der Technik verpflichtet (vgl. allg. für das Werkvertragsrecht BGHZ 139, 16, 19; BGH NJW- RR 1995, 472, 473; OLG Hamm NJW-RR 1995, 17, 18; Oppler, in: Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl. 2001, B 4 Nr. 2 Rn. 144; Staudinger/Peters, 633 Rn. 40; zum Bauträgervertrag vgl. Basty, Der Bauträgervertrag, 4. Aufl. 2001, Rn. 592; Brych/Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 3. Aufl. 1999, Rn. 484; Gutachten DNotI-Report 2002, 41, 42). Unter den anerkannten Regeln der Technik werden diejenigen technischen Regeln für die Fertigung bzw. Konstruktion von Bauwerken und Bauleistungen verstanden, die in der Wissenschaft als theoretisch anerkannt sind und sich in der Baupraxis als zutreffend bewährt haben (Oppler, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B 4 Nr. 2 Rn. 151; Staudinger/Peters, 633 Rn. 40; Brych/Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, Rn. 484; Basty, Der Bauträgervertrag, Rn. 594; Gutachten-DNotI-Report 2002, 41, 42). Deutsches Notarinstitut Gerberstraße 19 97070 Würzburg Telefon 09 31/3 55 76-0 Telefax 09 31/3 55 76-2 25 e-mail: dnoti@dnoti.de Internet: http://www.dnoti.de mr pool Gutachten/11299.doc
Seite 2 Für den BGB-Bauvertrag liest dies die Rechtsprechung in die vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung hinein, für den VOB-Vertrag ergibt sichdie Pflicht zur Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik aus 13 Nr. 1 VOB/B. b) Dabei ist im Werkvertragsrecht allgemein auf die anerkannten Regeln der Technik im Zeitpunkt der Abnahme des Werkes abzustellen (BGHZ 139, 16, 19; BGH NJW-RR 1995, 472, 473; Palandt/Sprau, 62. Aufl. 2003, 633 Rn. 3; Oppler, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B 4 Nr. 2 Rn. 143; Staudinger/Peters, 633 Rn. 40). Basty (Der Bauträgervertrag, Rn. 593) vertritt speziell für den Bauträgervertrag eine abweichende Ansicht: Der Zeitpunkt der Abnahme sei deshalb nicht sachgerecht, weil im Bauträgervertrag ein Festpreis vereinbart werde. Die Sollbeschaffenheit würde im Zeitpunkt des Vertragschlusses festgelegt; dieser Zeitpunkt bestimme daher die Kalkulation des Bauträgers. Eine neuen Erkenntnissen angepasste höherwertige Leistung könne ihm daher nicht zugemutet werden. Allerdings werde man erwarten können, dass der Bauträger auf die betreffenden Änderungen und ihre Bedeutung hinweist und eine Vertragsanpassung anbiete. Ob diese Auffassung von der Rechtsprechung übernommen wird, ist unsicher, zumal auch Stimmen in der Literatur zum Bauträgervertrag auf den Zeitpunkt der Abnahme abstellen (so etwa Brych/Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, Rn. 486; Schmidt, MittBayNot 1995, 434, 436 f.; zum ganzen vgl. Gutachten DNotI-Report 2002, 41, 42). c) DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter (BGHZ 139, 16, 19 f.; BGH NJW-RR 1991, 1445, 1447). Schon daher ist es missverständlich, von einer Geltung der DIN-Normen zu reden. DIN-Normen können über die anerkannten Regeln der Technik hinausgehen oder hinter diesen zurückbleiben (BGHZ 139, 16, 19; OLG Hamm NJW-RR 1995, 17; Basty, Der Bauträgervertrag, Rn. 594). Der BGH führt in diesem Zusammenhang aus: Maßgebend ist nicht, welche DIN-Norm gilt, sondern ob die Bauausführung zur Zeit der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben. (BGHZ 139, 16, 19). Entscheidend ist alleine, ob die DIN-Norm den allgemeinen Begriff der anerkannten Regeln der Technik erfüllt, d. h. ob die DIN-Norm in den betroffenen Branchen gehandhabt wird und sich bei den maßgeblichen Verkehrskreisen durchgesetzt hat (BGH NJW-RR 1991, 1445, 1447). Jedoch soll eine jederzeit widerlegbare Vermutung dafür bestehen, dass die DIN-Vorschriften den anerkannten Regeln der Technik entsprechen; hat der Auftragnehmer die DIN-Normen beachtet, so wird dem ersten Anschein nach vermutet, dass auch die erkannten Regeln der Technik beachtet wurden (OLG Hamm NJW-RR 1995, 17, 18; Oppler, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B 4 Nr. 2 Rn. 162; Staudinger/Peters, 633 Rn. 42; Brych/Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, Rn. 485; vgl. auch Gutachten DNotI- Report 2002, 41, 42).
Seite 3 Damit bleibt festzuhalten, dass eine DIN-Norm nur dann gilt, wenn deren Geltung vertraglich vereinbart wurde oder wenn mangels besonderer vertraglicher Vereinbarung die anerkannten Regeln der Technik zur Anwendung kommen und diese von der DIN-Norm richtig wiedergegeben werden. Dabei besteht jedoch eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die DIN-Norm den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Faktisch gilt also die DIN-Norm solange, als nicht bewiesen ist, dass sie hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleibt. d) Zum Inkrafttreten neuer DIN-Vorschriften wird vertreten, bereits der Entwurf könne ein Indiz für eine Änderung der anerkannten Regeln der Technik sein (Basty, Der Bauträgervertrag, Rn. 594; vgl. auch Gutachten DNotI-Report 2002, 41, 42). Andererseits betont der BGH, dass eine DIN-Norm nicht bereits bei Inkrafttreten zur anerkannten Regel der Technik wird, sondern einer Branchenübung und der Durchsetzung bei den beteiligten Verkehrskreisen bedarf (BGH NJW-RR 1991, 1445, 1447). Dies entspricht den soeben in Ziff. 1 c) erläuterten Grundätzen. Da wir anderslautende Stimmen in Rechtsprechung und Literatur nicht auffinden konnten, gehen wir davon aus, dass die oben erörterte Vermutungswirkung bei zeitgleichen Bestehen zweier DIN-Normen beiden Normen zukommen dürfte. Hierfür spricht, dass die DIN-Normen von kompetenten und verantwortungsbewussten Fachleuten (Oppler, in: Ingenstau/Korbion, VOB, B 4 Nr. 2 Rn. 154) erarbeitet werden, wobei auch das Verfahren der Aufstellung im Einzelnen festgelegt ist. Da für Beton bis zum 31.12.1994 verschiedene DIN-Normen gleichzeitig gelten (vgl. Motzke/Litzner/Meyer, Beton, Heft 7 + 8 2002, S. 368), ist auf den Grundsatz der Dispositionsfreiheit des Unternehmers hinzuweisen. Abweichend von 4 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B und mangels anderer Vereinbarungen ist es im Werkvertragsrecht dem Unternehmer überlassen, auf welche Art und Weise er die Mangelfreiheit sicherstellen will (Staudinger/Peters, 633 Rn. 12). Beachtet der Unternehmer eine der beiden Normen, so hat der Besteller zu beweisen, dass das Werk den anerkannten Regeln der Technik nicht entspricht. e) Damit ist folgendes Zwischenergebnis festzuhalten: Zivilrechtlich gelten für die geschuldete Betonqualität mangels abweichender Vereinbarungen die anerkannten Regeln der Technik. Es besteht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass diese durch DIN-Normen richtig wiedergegeben werden. Gelten gleichzeitig verschiedene DIN-Normen, so kommt die Vermutungswirkung jeder dieser Normen zu. Der Unternehmer hat mangels besonderer Vereinbarungen die Wahl, auf welche Weise er die Mangelfreiheit sicherstellt. 2. Zur Möglichkeit von Vereinbarungen der Beteiligten a) Wie bereits eingangs (Ziff. 1 a) erwähnt wurde, können die Beteiligten vertraglich von den allgemeinen Regeln der Technik abweichen, wobei sowohl ein höherer als auch ein niedrigerer Standard vereinbart werden darf (BGHZ 139, 16, 18; BGH NJW-RR 1995, 472, 473; Staudinger/Peters, 633 Rn. 40; Basty, Der Bauträgervertrag, Rn. 596; Gutachten DNotI-Report 2002, 41, 42). Erst recht können die Beteiligten von den aktuellen DIN-Normen abweichen, da diese ohnehin nur ein Indiz für die Beachtung der allgemeinen Regeln der Technik darstellen. Vereinbaren die Beteiligten eine derartige Abweichung, so scheidet u. E. eine Inhaltskontrolle nach 308 Nr. 8 b BGB hinsichtlich der Abweichung aus; die Beteiligten
Seite 4 haben nämlich eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, wegen der Festlegung der Sollbeschaffenheit liegt ein Mangel nicht vor. b) Basty (Der Bauträgervertrag, Rn. 596) führt allerdings in diesem Zusammenhang aus, die Abweichung könne eine überraschende Klausel darstellen und gem. 305 c Abs. 1 BGB (früher 3 AGBG) nichtig sein. Der Besteller müsse daher über die Abweichung vom Bauunternehmer klar und unmissverständlich aufgeklärt werden (so auch Staudinger/Peters, 633 Rn. 38). Dies gelte insbesondere, wenn die Baubeschreibung vom Werkunternehmer vorgegeben werde, da der Besteller davon ausgehen dürfe, dass sie den zeitgemäßen technischen Anforderungen und den aktuell anerkannten Regeln der Baukunst entspreche. Es reiche daher nicht aus, wenn auch im Zeitpunkt des Vertrags schlusses auf bereits überholte DIN-Vorschriften oder ähnliches Bezug genommen werde (Basty, Der Bauträgervertrag, Rn. 597). c) Nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform ist zudem das in 307 Abs. 1 S. 2 BGB enthaltene Transparenzgebot unabhängig davon zu beachten, ob es sich bei der fraglichen Vereinbarung um eine sog. Leistungsbeschreibung (und damit einen Bestandteil der Vereinbarung über die Hauptleistung) handelt ( 307 Abs. 3 BGB). Basty (Der Bauträgervertrag, Aktuelle Ergänzungen zur 4. überarbeiteten und erweiterten Auflage 2002, Rn. 28) führt hierzu aus: Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist insbesondere auch denkbar, wenn in der Baubeschreibung auf im Zeitpunkt der Beurkundung veraltete und überholte DIN-Normen oder vergleichbare Regelungen verwiesen wird. Da das Transparenzgebot gerade die Vergleichbarkeit verschiedener Angebote sicherstellen soll, kann der Erwerber sich grundsätzlich darauf verlassen, dass er nicht durch eine Verweisung auf alte Normen eine schlechtere Ausführung als bei Vergleichsobjekten erhält. Nach dem oben Gesagten (Ziff. 1) müsste allerdings streng genommen auf die Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik und nicht von den aktuell geltenden DIN-Normen abgehoben werden. Wegen der Vermutungswirkung der DIN-Normen dürfte diese Differenzierung allerdings nicht von größerer Bedeutung sein. Dies gilt erst Recht dann, wenn die DIN-Normen die anerkannten Regeln der Technik richtig wiedergeben. d) Damit bleibt folgendes Ergebnis festzuhalten: Selbst nach Ablauf der Übergangsfrist kann die Geltung der alten DIN-Vorschrift vereinbart werden, wobei allerdings dem Transparenzgebot und dem Verbot überraschender Klauseln durch klare und unmissverständliche Hinweise Rechnung getragen werden muss. Basty (Der Bauträgervertrag, aktuelle Ergänzungen zur 4. überarbeiteten und erweiterten Auflage 2002, Rn. 29) schlägt zur vergleichbaren Problematik bei der Energieeinsparverordnung folgendes Formulierungsbeispiel vor: Dem Käufer ist bekannt, dass die Anforderungen der zum 01.02.2002 in Kraft getretenen Energiesparverordnung nach öffentlichem Recht nicht eingehalten werden müssen und tatsächlich auch nicht eingehalten werden; insofern wird der bis dahin geltende Standard hinsichtlich des Wärmeschutzes und für heizungstechnische und Warmwasseranlagen vereinbart.
Seite 5 Dieses Formulierungsbeispiel kann ohne weiteres auf DIN-Normen abgewandelt werden. e) Zu beachten ist weiter, dass der Bauträger in der Regel ein den Vorschriften des öffentlichen Baurechts entsprechendes Werk schulden wird. Mangelfreiheit ist unter diesem Gesichtspunkt somit nur gewährleistet, wenn trotz Verwendung der alten DIN-Vorschriften die öffentlich-rechtlichen Erfordernisse gewahrt bleiben (vgl. hierzu Art. 3 Abs. 2 BayBO). Diese Erfordernisse sind jedoch nicht Gegenstand der Anfrage.