Multiple Zielverfolgung auf der Ebene der Organisation und ihrer individuellen Akteure

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Transkript:

Universitäre Lehre in Zeiten der Studienreform und Exzellenz-Initiative: Multiple Zielverfolgung auf der Ebene der Organisation und ihrer individuellen Akteure Wiebke Esdar, Julia Gorges (Universität Bielefeld) & Katharina Kloke (FÖV Speyer) Conflicting Goals@universities Projektleitung: Prof. Dr. Elke Wild (Universität Bielefeld), Prof. Dr. Georg Krücken (FÖV Speyer) Tagung des CHE / BMBF Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung Analysen und Impulse 13./14. Dezember 2010, Berlin BMBF Förderlinie Empirische Bildungsforschung Schwerpunkt Hochschulforschung als Beitrag zur Professionalisierung der Hochschullehre

Ausgangspunkt: Multiplizierung von Erwartungen und Anforderungen Durch Bologna-Reform rückt Lehrqualität ins Zentrum hochschulpolitischer sowie universitärer Bemühungen Multiple Zielverfolgung und Zielkonflikte auf der Ebene der Organisation UND der Individuen Interdisziplinärer Ansatz: Soziologie (organisationssoziologische Ansätze) Psychologie (Handlungs- und Motivationsansätze) Forschungsfragen: 1) Welche Ziele werden von individuellen und kollektiven Akteuren verfolgt? Welche Zielkonflikte treten auf? Welche Rolle spielt dabei die Lehre? 2) Unter welchen Bedingungen sind Universitäten und die dort Lehrenden bereit und in der Lage, Ressourcen in Lehre zu investieren? 2

Stichprobe: 9 Universitäten (groß / klein; lehr- oder forschungsstark; besondere Maßnahmen im Bereich Nachwuchsförderung bzw. Qualitätsmanagement in der Lehre) Psychologie: Befragung von NachwuchswissenschaftlerInnen (NW) Standardisierte Online-Befragung sowie vertiefende Leitfadeninterviews mit systematisch aus der Basisstichprobe ausgewählten Personen Soziologie: Organisationsanalyse: Leitfadengestützte Interviews mit der Hochschulleitung, mit Personen in Support-Einrichtungen (Qualitätsmanagement Lehre / Hochschuldidaktik / Nachwuchsförderung) 3

Ad 1) Welche Ziele werden von individuellen und kollektiven Akteuren verfolgt? Welche Zielkonflikte treten auf? Welche Rolle spielt dabei die Lehre? Organisationale Ebene Zielspektrum der Hochschulen hat sich in letzten Jahren deutlich erhöht Lehre hat durch den Bologna-Prozess an Bedeutung gewonnen Es ist durch den Bologna-Prozess ein Grundverständnis für die Lehre entstanden, für die Bedeutung der Lehre (Präsident großer forschungsstarker Universität) Dennoch generelle Priorisierung forschungsbezogener Ziele Wahrgenommener Zielkonflikt Forschung und Lehre, Humboldtsche Vereinbarkeit von Forschung und Lehre unter aktuellen Bedingungen (Undergraduate Ausbildung, Massifikation) erschwert 4

Ad 1) Welche Ziele werden von individuellen und kollektiven Akteuren verfolgt? Welche Zielkonflikte treten auf? Welche Rolle spielt dabei die Lehre? Individuelle Ebene Persönliche Ziele erfasst als konkrete Vorhaben (Teilziele), die in den Dienst übergeordneter mittel- und langfristiger beruflicher Ziele gestellt sind. (Kruglanski et al 2002) N = 356, 704 konkrete Ziele/Vorhaben 26,6 % Lehre (N = 189) 54,1 % Forschung (N = 385) 18,3 % Sonstiges (N = 130) Keine Unterschiede in der Wichtigkeit der Forschungs- und Lehrziele (Wichtigkeit, Erreichbarkeit, Selbst- vs. Fremdbestimmtheit (Deci & Ryan 2002)). N = 163 berichten über (stärkere) Belastung durch Lehr-Forschungs- Konflikte z.b. Begutachtung einer BA-Arbeit fertigstellen, Seminar vorbereiten, wissenschaftliche Publikation, Arbeit an der Dissertation 5

Ad 2) Unter welchen Bedingungen sind Universitäten und die dort Lehrenden bereit und in der Lage, Ressourcen in Lehre zu investieren? Organisationale Ebene Umsetzung (und Investition von Ressourcen) wird v.a. durch drei Faktoren behindert: * Knappe finanzielle Ausstattung der Hochschulen kann vor allem durch Drittmittel aufgefangen werden * Exzellenzinitiative ist von herausragender Bedeutung Die Exzellenzinitiative hat in meinen Augen den Kollateralschaden, dass insbesondere in den geförderten Bereichen die Kollegen meinen, dass die Lehre eigentlich 'ne Last für sie ist. (Präsident einer technischen Universität) * Geringer Marktwert für Lehre (Reputation; Studienortwahl nach Wohnortnähe und weniger nach Qualitätskriterien) 6

Ad 2) Unter welchen Bedingungen sind Universitäten und die dort Lehrenden bereit und in der Lage, Ressourcen in Lehre zu investieren? Organisationaler Ebene Relativer Grad der Verfolgung strategischer Ziele an den einzelnen Standorten hängt vom Commitment und der Überzeugung der Hochschulleitung ab Zeigt sich unter anderem in der * Berücksichtigung Lehre bei Berufungsentscheidungen * Aufnahme Lehre in Zielvereinbarungen und leistungsorientierte Mittelvergabe * Aktive Unterstützung von Support-Einheiten im Bereich der Lehre, vor allem enge Rückkopplung von QM- Ergebnissen an strategische Ausrichtung 7

Ad 2) Unter welchen Bedingungen sind Universitäten und die dort Lehrenden bereit und in der Lage, Ressourcen in Lehre zu investieren? Individuelle Ebene unabhängige Variable Mediatorvariable abhängige Variable Autonomieerleben Zielkonflikt Lehre-Forschung Lehrmotivation Quantität: Qualität: Höhe intrinsisch extrinsisch Kompetenzerleben 8

Ad 2) Unter welchen Bedingungen sind Universitäten und die dort Lehrenden bereit und in der Lage, Ressourcen in Lehre zu investieren? Individuelle Ebene Kein direkter Zusammenhang zwischen Belastung durch Zielkonflikte und Lehrmotivation Zusammenhänge mit den psychologischen Grundbedürfnissen nach Autonomie und Kompetenz (Deci & Ryan 2000) NWs die über ein hohes Autonomie- und Kompetenzerleben berichten, haben eine höhere Lehrmotivation und fühlen sich weniger durch Zielkonflikte belastet Kompetenzerleben vermittelt den Zusammenhang zwischen Belastung durch Zielkonflikte und höherer extrinsischer und geringerer intrinsischer Motivation (Deci & Ryan 2008) 9

Fazit Tentative Schlussfolgerungen, da Erhebung noch läuft. Agenda-Setting Lehre auf Organisationsebene durch externen Druck Dennoch messen Hochschulleitungen angesichts struktureller Rahmenbedingungen (Unterfinanzierung, Reputation ) der Lehre eine eher untergeordnete Bedeutung zu Umsetzungsprozess hängt maßgeblich vom Lehrengagement der Hochschulleitung sowie der Lehrenden ab Positiv: starke Identifikation von NWs mit der Hochschullehrerrolle; keine Unterschiede in der Wichtigkeit von Lehr- und Forschungszielen Dadurch steigt Wahrscheinlichkeit von belastenden Zielkonflikten Durch Befriedigung des Bedürfnisses nach Kompetenz- und Autonomieerleben können Zielkonflikte verringert und Lehrengagement gesteigert werden. 10

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 11

Back Up 12

Ausblick Erfolg der Studienreform abhängig von * Bildungspolitischer Umsteuerung (Aufwertung der Lehre) * Auf organisationaler Ebene: - Veränderte Angebote zur Nachwuchsförderung (Umgang mit Zielkonflikten, Selbstregulationskompetenz) - Veränderte Angebote zur Personalentwicklung (transformationale Führung von ProfessorInnen) 13

Literaturverzeichnis: Kruglanski, A.W., Shah, J., Fishbach, A., Friedman, R., Chun, W. Y., & Sleeth-Keppler, D. (2002). A Theory of Goal Systems. In M. P. Zanna (Ed.), Advances in Experimental Social Psychology (Vol. 34, pp. 331-378). San Diego, CA, US: Academic Press. Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The 'what' and 'why' of goal pursuits: Human needs and the selfdetermination of behavior. Psychological Inquiry, 11, 227-268. Deci, E. L., & Ryan, E. L. (2002): Handbook of Self-Determination Research. Rochester, NY: University of Rochester Press. Deci, E. L., & Ryan, E. L. (2008). Self-determination theory: A macro theory of human motivation, development, and health. Canadian Psychology, 49, 182-185. doi:10.1037/a0012801 14