INSTITUT FIR PSYCHOLOGESCH GESONDHEETSFËRDERONG IPG zu Bartreng an Ettelbréck 1
PSYCHODIAGNOSTIK in der PSYCHOTHERAPIE Ergänzungskurs (C1) Dr. Lucien NICOLAY (2009) Klinischer Psychologe & Psychotherapeut (ECP/WCP) 2
VI. GESPRÄCHS- PSYCHOTHERAPEUTISCHE DIAGNOSTIK Ergänzungskurs (C1) Siehe weiterführend: Sachse, R. (2000). Diagnostik in der Gesprächspsychotherapie. In A.-R. Laireiter (Hrsg.) Diagnostik in der Psychotherapie; S.167-177. Wien. Springer 3
Statements zum Stellenwert der GPT-Diagnostik nach R. Schwab in Psychotherapeut 3/2009, 211-229 Ein Psychotherapieverfahren muss den üblichen diagnostischen Standards genügen Erhebung 1 umfassenden psychologischen Statusdiagnose ist ein invasiver Vorgang. Diagnostische Verfahren dienen der wissenschaftlichen Dokumentation. Die Therapie selbst ist ein permanenter diagnostischer Prozess. Diagnostische Instrumente fördern den selbstdiagnostischen Prozess des Patienten. 4
Würzburger Leitfaden (WLF) von Tscheulin (2001) zur Verlaufs- & Erfolgskontrolle personzentrierter Beratung & Psychotherapie Gilt als Manual zur diagnostischen Vorgehensweise in der klientenzentrierten Psychotherapie Für Einzelfall in ambulanter Praxis mit Erwachsenen Zu Beziehungs- & Inkongruenzanalysen von intrapsychischen sowie interpersonellen Konstellationen Verfahren sind nach Eingangs-, Prozess-, Abschlussdiagnostik & Nachuntersuchung geordnet 5
A. Eingangsdiagnostik: Sinn & Zweck Analyse der Befindlichkeit des Pn (zur Indikation, Prognose & Therapieplanung) sowie Erhebung der Daten für die Evaluation & Qualitätssicherung Einsatz orientierungsspezifischer Verfahren (betr. Prozesse & Effekte der spez. Therapie) & orientierungsübergreifender Instrumente (betr. Vergleich mit anderen Therapieverfahren/-einrichtungen) & störungsspezifischer Verfahren (betr. Stör.-Diagnostik) 6
A. Eingangsdiagnostik: Aufgaben 1. Störungs- & Problemscreening (klin. Interview, Selbstbeurteilungsskalen) 2. Erfassen des psychopathologischen Status (Kriterienlisten, Ratings) 3. Störungs- & Differenzialdiagnose (nach ICD oder DSM, Selbst-& Fremdbeurteilungsverfahren) 4. Ermitteln der Schwere der Störung (Komorbidität, Beeinträchtigungs-Schwere-Score) 5. Erhebung somatischer Beschwerden (Screening-Fragen im DSM-IV, Symptom Checklist-90 R, Selbstbeurteilungsverfahren) 7
6. Ermitteln des Grades der sozialen Anpassung (Global Assessment of Functioning Scale, Selbstbeurteilungsverf.) 7. Anamnese zur Biografie, Entwicklung der Störung & aktuellen Situation (klin. Interviews, Selbstbeurt.-verfahren) 8. Erfassen der therapeutischen Ziele (Interview, Psychotherap. Basisdokumentation) 9. Orientierungsbezogene, also auf GPT bezogene Diagnostik (GPT Erstgespräch, Feelings, Reactions and Beliefs Survey) 10. Weiterführende Diagnostik nach Bedarf (z.b. somatisch-medizinische U.) 11.Indikations- & Prognoseerstellung (Interview, 8 weitere erhobene Daten)
A. Eingangsdiagnostik: Verfahren 1. Klinische Interviews & Diagnoselisten Strukturiertes Klinisches Interview für DSM- IV, Achse I sowie Achse II: SKID-I & SKID-II Internationale Diagnosechecklisten für ICD- 10: IDCL Gesprächspsychotherapeutisches Indikationsinterview bzw. Erstgespräch von Eckert (2006) 9
2. Fragebögen & Persönlichkeitstests => Orientierungsunabhängige Verfahren: Freiburger Persönlichkeitsinventar; rev.: FPI-R Gießen-Test: GT Neo-Fünf-Faktoren-Inventar: NEO-FFI Trierer Persönlichkeitsfragebogen: TPF => GPT-spezifische Verfahren: Anamnesebogen von Tscheulin (2001) Kieler Änderungssensitive Symptomliste: KASSL Feelings, Reactions & Beliefs Survey: FRBS Regensburger Inkongruenz-Analyse-Inventar: RIAI Selbstbild-Idealbild Q-Sortierung: SB/IB-Q-Sort Frageb. z. Erfassung d. Selbstakzeptierung: SESA 10
3. Erfassen individueller Therapieziele, Patientenerwartungen & Therapiemotivation Psychotherapeutische Basisdokumentation: Psy- BaDo Bielefelder Fragebogen zu Klientenerwartungen: BFKE Fragebogen zur Messung der Psychotherapiemotivation: FMP Fragebogen zur Psychotherapiemotivation: FPTM 11
4. Klinische Selbst- & Fremdbeurteilungsverfahren Symptom-Checkliste von Derogatis: SLC-90-R Brief Symptom Inventory: BSI Beeinträchtigungs-Schwere-Score: BSS Global Assessment of Functioning Scale: GAF => Sowie viele weitere störungsübergreifende & störungspezifische Verfahren 5. Spezielle Verfahren Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme (deutsche Version): IIP-D Hamburger Kognitionsinventar: HAKI 12
Eine an der Theorie der GPT orientierte Diagnose erfasst: Das phänomenale Feld des Pn (dessen persönliche Sicht) Den aktuellen Konflikt gemäß Inkongruenzmodell psych. Stör. & dem Prozessmodell der Persönlichkeit Art & Ausprägung der Abwehrmöglichkeiten des Pn Subjekt. Krankheits- & Behandlungstheorie des Pn Leidensdruck & Änderungsmotivation des Pn. Ansprechen auf das therapeut. Beziehungsangebot als Hinweis auf Indikation zur GPT Emotionale wie kognitive Reaktionen des Thn auf den Pn als Hinweis darauf, wie weit sich Th. dem Pn empathisch zuwenden kann. 13
Indikationsstellung Wenn ICD-10 oder DSM-IV-TR-Diagnose zusätzliche Fragen: Welches Therapieverfahren bietet größte Aussicht auf Heilung/Erfolg? Wann ist GPT indiziert? Antwort: 1. Bei psychischer Störung, die Inkongruenz als Grundlage hat 2. Bei Klienten mit Selbstkonzept & einem gewissen Ausmaß von Beziehungsfähigkeit zu sich selbst 14
3. Wenn Klient Inkongruenz wenigstens im Ansatz als solche wahrnimmt & diese Wahrnehmung mit Wunsch nach Veränderung vebindet 4. Wenn P. GPT-Beziehnungs-Angebot zumindest in Ansätzen wahrnehmen & annehmen kann 5. Wenn in der Aufhebung der Inkongruenz im Erleben des Pn wenigstens ein Schritt zur Behebung seiner psychischen Stör. bzw. zur Lösung seiner Probleme gesehen werden kann & sei es auch nur die Klärung des Problems 15
Als Leitlinie zur Diagnose der Stabilität des Selbstkonzepts empfiehlt die moderne GPT die Strukturachse des multiaxialen Klassifikationssystems OPD-2 mit ihrem Fokus auf folgende Aspekte (siehe Kurs B, Psychodynamische Diagnostik, ab Folie 23.). 1. Allgemeine Charakterstik (betr. Selbststrukt. in Bezug z. Anderen) 2. Selbstwahrnehmung (betr. Selbsrreflexion etc.) 3. Objektwahrnehmung (betr. sichere Unterscheid. innere & äußere Realität) 4. Selbststeuerung (betr. eigene Bedürfnisse, Affekte, SWG, ) 5. Abwehr/Bewältigung (betr. Erhaltung & Wiederherstellung des seel. Gleichgewichts) 6. Kommunikation (betr. Mitteil & Verstehen affektiver Signale) 7. Bindung (betr. Errichtung innerer Repräsentanzen des Anderen) 16
A. Eingangsdiagnostik: Methoden & Vorgehensweisen Wichtig für Therapieerfolg entsprechend Allgemeinem Modell der Psychotherapie (AMP) nach Orlinsky & Howard (nach Nicolay 1999, S. 146-148): PASSUNG zwischen Therapeut & Patient! Betr.: Behandlungsmodell des Thn Störungsbild des Pn Person & Verhalten des Thn Person & Verhaltendes Pn 17
Die aufgezählten Verfahren zur Eingangsdiagnose sind einerseits ein Beitrag zur Indikationsstellung, andererseits zur Erfolgsmessung in Vebindung mit einer Testwiederholung im Nachtest oder zur Katamnese. Die Vorgehensweise entspricht der anderer Psychotherapieverfahren. GPT-spezifische Verfahren kommen als Indikationsinterview (Erstgespräch) resp. im Rahmen der Anamneseerhebung zum Tragen (z.b. WLF von Tscheulin, 2001) resp. zur Erhebung des IST-Zustandes (betr. Un-Reife, In- Kongruenz, Selbst-Idealbild, Selbstakzeptanz, Bindungsstil & Erwartungen, Therapiemotivation). Der Therapeut erhält darüber wichtige Informationen zur Beziehungsgestaltung und es wird ein späterer Prä-/Post- Vergleich möglich. (Als Beispiel auf Folie 19: FRBS- Kurzbeschreibung n. Höger, 2003; zum Herunterladen: www.dpgg.de/frbs.htm) 18
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B. Prozess- & Verlaufsdiagnostik: Sinn & Zweck Verfahren zur Messung des Therapieprozesses sind neben den Methoden der Dokumentation der Therapiergebnisse Bestandteil der Qualitätskontrolle & Qualitätssicherung In Alltagspraxis liefern sie fortlaufende diagnostische Erkenntnisse über bestimmte Therapieprozesse & den Verlauf der Therapie bzw. über das sich verändernde Befinden des Pn & über das eigene therap. Vorgehen, also Anhaltspunkte für optimal auf Pn ausgerichtetes Vorgehen; => adaptive Indikation (Adaptivität = Merkmal moderner GPT) 20
Als Hilfe zur Beurteilung des Fortschritts: Prozesskontinuum oder Prozessskala von Rogers entsprechend den 7 Stufen der Persönlichkeitsentwicklung «von einer rigiden Festgelegtheit der Einstellungen, Konstrukte & Wahrnehmungen hin zu einer fließenden Veränderlichkeit in all diesen Bereichen» (Rogers 1977). Patienten beginnen auf einer der unteren Prozessskalastufen & entwickeln sich bei positivem Therapieverlauf in Richtung des Skalenendpunkts Gemeint sind folgende Persönlichkeitsaspekte => => => => 21
1. Offenheit für emotionale Erfahrung 2. Fähigkeit zur Selbstexploration (experiencing) 3. Kognitive Flexibilität 4. Kommunikationsfähigkeit 5. Gefühl der Eigenverantwortlichkeit 6. Übernahme von Eigenverantwortung 7. Beziehungsfähigkeit 22
B. Prozess- & Verlaufsdiagnostik: Einsatz von GPT-Verfahren! 1. Selbstbeurteilungsverfahren Stundenerfahrungsbögen nach Barrett- Lennard-Inventar (n. Tausch, 1973) Klienten-Erfahrungsbogen: KEB Bielefelder Klienten-Erfahrungsbogen: BIKEB Therapeuten-Erfahrungsbogen: TEB Gruppenerfahrungsbogen: GEB Helping Alliance Questionnaire: HAQ 23
2. Rating-Skalen Rogers Prozessskala der Veränderung von 1977 Selbstexploration des Patienten: SE Skala «Verbalisierung persönlichemotionaler Erlebnisinhalte des Klienten durch den Psychotherapeuten»: VEE Experiencing-Skala u. weitere neuere Skalen 3. Sonstiges: Supervision (!), Tonaufnahmen, 24 Tagebücher, visuelle Analogskalen,
C. Erfolgsdiagnostik & Nachtestung via Wiederholung der wichtigsten im Vortest eingesetzten Instrumente zum Abschluss der Psychotherapie (Nachtest) bzw. Monate oder Jahre danach (Katamnese) - hier: Testdifferenzen resp. Testwertverläufe; Erhöhung/Erniedrigung? als Therapieziel - &/oder via direkte, retrospektive Befragung der Veränderungen & der Zufriedenheit des Patienten im Nachtest bzw. zur Katamnese. 25
C. Verfahren der ED & Nachtestung; 1. Messwiederholung mit gleichen Verfahren 2. Direkte Veränderungsdiagnose & Zielerreichungserfassung Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens (bipolarer Veränderungsfaktor): VEV Selbsteinschätzungsbogen für Klienten nach Strupp: STRUPP, im WLF enthalten Einschätzung individueller Therapieziele durch den Patienten und den Therapeuten (unabhängig voneinander): Psy-BaDo 26
FAZIT Nach Schwab (2009) hat GPT heute ein positives Verhältnis zur wissenschaftlichen Diagnostik, einschl. Qualitätssicherung & Evaluation. Theorieunabhängige & therapieorientierte Methoden werden genutzt; störungsspezifische Verfahren Messinstrumente werden im Einzelfall ebenfalls empfohlen. In der GPT wird selbstverständlich großen Wert auf den Kontakt mit KollegInnen im Rahmen von Inter- & Supervision gelegt. 27
Unterstützt durch Tonaufnahmen der Gespräche geschehe in diesen Supervisionssitzungen eine quasi Prozessdiagnostik der besonderen Art, die dem Therapeuten zu vertieften Erkenntnissen über den Patienten, den Verlauf der Therapie & über sich selbst bzw. das eigene therapeutische Vorgehen verhelfe. Empfohlene Literatur: Eckert, J., Biermann-Ratjen, E.-M., Höger, D. (Hrsg.)(2006). Gesprächspsychotherapie: Lehrbuch für die Praxis. Berlin, Heidelberg: Springer 28
Es folgt Ergänzungskurs (C2): VII. Systemtherapeutische Diagnostik 29