Kapitel 2 Klinische Untersuchung von Fuß und Sprunggelenk

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Transkript:

Kapitel 2 Klinische Untersuchung von Fuß und Sprunggelenk Allgemeines: Folgender Untersuchungsalgorithmus hat sich bewährt: 1. Patienten beobachten 2. Anamnese 3. Klinik (inklusive Gangbild) 4. Schuhe, Einlagen 5. gezielte Bildgebung (s Kapitel 4) 6. Zusätzliche Diagnostik 1. Beobachtung: Beobachten sie den Patienten sehr genau, vor allem wenn er zu ihnen in die Ambulanz oder in die Ordination kommt. 2. Anamnese: Hier ist es wichtig, den Patienten frei über sein Problem sprechen zu lassen. Mit zunehmender Erfahrung sollte man gezielt den Patienten führen, um möglichst effizient und in kurzer Zeit die wichtigsten Fakten vom Patienten zu erfahren. Wichtig ist es aber auch, den Patienten frei sprechen zu lassen und ihn nicht unnötig zu unterbrechen. Generell haben Patienten die Angewohnheit, mit eigenen Worten ihre Probleme gut zu beschreiben. 2.1. Was ist bei der Anamneseerhebung wichtig: Seit Wann tut es weh, Wann tut es weh, Wo tut es weh, Wie tut es weh, Warum tut es weh? Seit wann bestehen die Beschwerden. Wann treten die Beschwerden auf. Wo bestehen die Beschwerden und wie äußern sie sich. Man sollte auch nach dem Warum fragen (z.b. beim Kind, das sich dann über zu kleine Schuhe beklagt ) 1

Auch die Frage nach empfundenem kausalen Zusammenhang sollte gestellt werden (seit ich gestürzt bin, wenn ich meine Menses habe, nach Infekt ) Weiters Geschlecht, Beruf, Freizeit, Schuhe und etwaige Sportausübungen. 2.2.Schmerz: Wie äußert sich der Schmerz. Ist er eher punktuell, ist er stumpf oder spitz, besteht er unter Belastung oder auch in Ruhe, sind diese Beschwerden ausstrahlend (können z.b. auch von der Wirbelsäule im Sinne einer Ischialgie kommen). 3. Klinische Untersuchung: 3.1.Inspektion: Die Schuhe, Socken und Strümpfe müssen ausgezogen werden. Begutachten der Beine, ob z.b. Varus- oder Valgusdeformität vorhanden sind. Kontrolle von Haut und Nägeln, gibt es Schwellungen, besteht eine Fettatrophie nach langem Cortison Gebrauch, gibt es Temperaturunterschiede zwischen den Füssen, sind die Fußpulse tastbar? Beobachten der Füße im Stehen. Hier vor allem von allen Seiten, respektive vor allem auch von hinten bzw. auch im Zehenspitzen- und Fersenstand und - Gang. 3.2.Gangbild: Im Rahmen der Beobachtung ist es wichtig den Patienten und sein Gangbild genauestens zu detektieren. Wichtig ist das Gangbild sowohl mit, als auch ohne Schuhe anzusehen. Hier wiederum sind verschiedene Punkte die weiterhelfen können wie Schrittlänge, Schrittabfolge, das Abrollverhalten, die Schrittdauer und das Verhalten des restlichen Körpers, wie z.b. ein Schwanken, ein Humpeln, ein Vorneüberbeugen. Kommt es z.b. zu einer Kompensation des Gangbildes oder eines pathologischen Gangbildes durch den restlichen Körper. 3.3.Klinische Untersuchung: Neurologischer Status, Tasten der Fußpulse und eben das wichtigste, das Begreifen von Fuß und Sprunggelenk (und seiner Strukturen wie Sehnen, Muskel etc. siehe unten bzw. bei den 2

einzelnen Pathologien). Viele auch nur leichte Druckstellen oder starke Verhornungen können gut ertastet und zum Teil auch gesehen werden. Des Weiteren auch Erkennen und Beschreiben von Pseudoexostosen und dergleichen. 3.3.1. Spezifische anatomische Regionen: MTP Gelenke: Erkennen und Beschreiben von Luxationen, Fehlstellungen, Instabilitäten. Langzehen: Beschreiben der Stellung der Zehen, ob es Hammerzehen gibt, Krallenzehen, Beweglichkeit in den einzelnen Gelenken, Druckstellen, Nageldeformitäten. Fußsohle: Genaues Beobachten der Fußsohle, sind Druckstellen vorhanden, gibt es Ulzera, atypische Hautveränderungen, Fremdkörper. Fußformen: Senkfuß, Spreizfuß, Plattfuß, Knickfuß, Hohlfuß, Klumpfuß, Sichelfuß, Rückfuß varus.. Wichtig ist es, diese Fußformen sowohl ohne Belastung als auch mit Belastung genauestens zu beobachten, da es hier zu großen Unterschieden kommen kann. Die verschiedenen Fußformen können für die Diagnose bzw. Behandlung sehr wichtig sein. Ein Hohlfuß hat z.b. viel kleinere Druckauflageflächen als ein Senkfuß. Gerade Druckspitzen können aber zu Problemen führen. OSG: Bewegungsumfang, Gelenksstabilität, z.b. den Talusvorschub und die med und lat. Aufklappbarkeit. 3.3.2. Schmerz: Suche nach dem Locus dolendi, z.b. durch gezielte, gefühlvolle Schmerzprovokation. Ertasten von z.b. Ansatztendinopathien oder Schwellungen. Im Zuge der Palpation Untersuchung von Sehnen, Bändern, Muskeln und einzelner Gelenke. 3

3.3.3. Spezielle Pathologien: Achillessehne: In Bauchlage ertasten sie den Verlauf der Achillessehne. Man kann hier Verplumpungen, Verdickungen oft genauso ertasten wie ein verklebtes, schlecht bis gar nicht verschiebliches Sehnengleitgewebe. Durch Zusammendrücken der Gastrocnemiusmuskulatur wird der sogenannte Thompson Test durchgeführt. Im Normalfall sollte das Zusammendrücken zu einer Plantarflexion führen. Plantarfasciitis: Ertasten des Verlaufs der Plantarfascie bis zum Ansatz am Calcaneus. Unter Dorsalextension und Extension in den Zehen, unter Druck Abtasten des Verlaufs der Plantarfascie bis zum Ansatz der selbigen am Calcaneus. Hier kann eine Schmerzprovokation in der Diagnosefindung hilfreich sein. Flexor hallucis longus: Ertasten des Verlaufes hinter dem oberen Sprunggelenk nach distal. Das Bild einer springenden Sehne bzw. Großzehe liegt vor, wenn es beim Verlauf im Sulcus, an der Rückseite des Talus zu einer Verdickung wie beim schnellenden Finger kommt und dadurch Schmerzen provoziert werden können. Musculus peroneus longus et brevis: Ertasten des Verlaufes hinter dem Außenknöchel. Durch Stresstests (Eversion / Extension) können hier auch Luxationen der Sehnen vor dem Außenknöchel ertastet werden. Syndesmose: Hier sind mehrere Untersuchungen wichtig. Einerseits die forcierte Außenrotation bei Stabilisierung des Unterschenkels in Normalstellung im OSG. Dies kann zu Schmerzen vor allem in der ventralen Syndesmose führen. Des Weiteren der Stresstest unter Zusammendrücken von Fibula und Tibia im Übergang vom proximalen zum mittleren Drittel am Unterschenkel. Zusätzlich maximale Dorsalextension im Bereich des OSG, da dies bei Syndesmosenverletzung oder Instabilität zu Schmerzen führt (der Talus wird nach vorne zu breiter, um physiologisch bei Dorsalextension die Malleolengabel und den Talus gemeinsam zu stabilisieren). 4

Knochen: Wichtig ist es auch, verschiedene Knochenstellen zu palpieren, wenn man einen Verdacht auf eine knöcherne Läsion hat wie z.b. an der Basis des Os metatarsale V nach Supinationstrauma (Ansatz des musculus peroneus brevis). Außenknöchelspitzen bzw. auch proximal hin im Sinne von knöchernen Bandläsionen genauso wie einer Malleolarfraktur. Druck am N-Spot am Naviculare bei Verdacht auf naviculare Fraktur (bzw. Stressfraktur). Des Weiteren auch der Zangengriff im Bereich des Calcaneus bei Verdacht auf eine knöcherne Verletzung des Fersenbeins. 4. Schuhe und orthopädietechnische Hilfsmittel: Untersuchen sie die getragenen Schuhe oder allenfalls vorhandenen orthopädietechnischen Hilfsmittel wie Einlagen. Schauen sie auf die Schweißspuren im Schuh, ob diese Überbelastungen im Sinne einer Verdunkelung zeigen bzw. beobachten sie auch die Schuhsohlen um hier allenfalls ein entsprechend schlechtes oder falsches Gangbild erkennen zu können. Wie ist z.b. die Schuhsohle abgetreten und versuchen sie das in Einklang mit der Fußsohle des Patienten zu bringen. 5. Bildgebung: s. Kapitel 4 6. Zusätzliche Diagnostik: Labor: Laborparameter können ergänzend für die Diagnosefindung wichtig sein (Entzündungsparameter, HbA1c, rheumatische Abklärung). Conclusio: 1. Patienten beobachten 2. Anamense erheben 3. Klinik und Gangbild 4. Schuhkontrolle 5. Gezielte Bildgebung 6. Zusätzliche Diagnostik 7. Diagnose, Therapie und Kontrolle 5