Projekttitel Seltene und hochgradig gefährdete Pflanzenarten in Bremen: Handlungshinweise für ihren Erhalt auf der Basis von Erfassung und Bewertung der Bestände Forschungscluster Region im Wandel Laufzeit 06/2011-02/2013 Projektträger Naturwissenschaftlicher Verein zu Bremen, Hochschule Bremen Projektleitung Prof. Dr. Dietmar Zacharias Arbeitsgruppe Angewandte und ökologische Botanik Hochschule Bremen, Fakultät Natur und Technik Projektbeteiligte PD Dr. Maike Isermann Universität Bremen Fachbereich 02: Biologie/Chemie Dipl.-Biol. Andreas Nagler Senator für Umwelt, Bau und Verkehr (SUBV) Bearbeitet Umweltbiologe Jesús Fernández Castro (M.Sc.) Hochschule Bremen
Projektbeschreibung Die Biologische Vielfalt wurde als essentieller Teil der Umwelt des Menschen durch die UN-Biodiversitätskonvention von Rio de Janeiro 1992 (Convention on Biological Diversity, CBD) erkannt und deren Erhalt als Ziel festgelegt, ohne den eine nachhaltige Entwicklung der Menschheit nicht möglich ist. Um den gegenwärtigen Biodiversitätsverlust zu reduzieren, wurde im Folgeprozess der Konvention über die Biologische Vielfalt die Globale Strategie zur Erhaltung der pflanzlichen Vielfalt (Global Strategy for Plant Conservation, GSPC) beschlossen, dessen übergeordnetes Ziel es war, bis 2010 den Verlust an pflanzlicher Vielfalt auf allen Ebenen zu stoppen (CBD 2006), dieses Ziel wurde bis zum Jahr 2020 verlängert. Auf nationaler Ebene wurde 2007 die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt vom Bundeskabinett verabschiedet in der es u.a. um Ziele und Maßnahmen für den Schutz und den Erhalt der Biologischen Vielfalt geht (BMU 2007). Umweltbiologe Jesús Fernández Castro beim Bestimmen eines Filzkrauts In dem hier dargestellten Kontext ist das zweijährige Projekt SELTENE UND HOCHGRADIG GEFÄHRDETE PFLANZENARTEN IN BREMEN: HANDLUNGSHINWEISE FÜR IHREN ERHALT AUF BASIS VON ERFASSUNG UND BEWERTUNG DER BESTÄNDE angesiedelt. In diesem liegt der Fokus auf den Erhalt von 40 seltenen und hochgradig gefährdeten heimischen Pflanzenarten, von denen innerhalb der Stadtgemeinde Bremen Wuchsorte bekannt waren. Ziel hierbei ist es unter anderem, den aktuellen Status der jeweiligen Sippen zu ermitteln und Informationen wie Populationsgrößen,
Vergesellschaftung, aktuelle Gefährdungen und geografische Verteilung zusammenzutragen. Um einschätzen zu können, ob ein Wuchsort den ökologischen Ansprüchen der jeweiligen Art genügt, werden Vegetationsaufnahmen durchgeführt (Abb. 1). Abb. 1: Vegetationsaufnahme des stark gefährdeten (Rote Liste 2) Wasserpfeffer-Tännel (Elatine hydropiper) am Neustädter Hafen 2011. Alle Vorkommen werden punktgenau mittels eines mobilen geografischen Informationssystems erfasst, digitalisiert und anschließend in Verbreitungskarten dargestellt (Abb. 2). Die Summe der Einzelinformation soll es schließlich ermöglichen, Managementpläne und Pflegemaßnahmen für die jeweiligen Sippen zu erarbeiten, um eventuelle Vorkommen nachhaltig zu erhalten.
Abb. 2: Verbreitungskarte des vom Aussterben bedrohten (Rote Liste 1) Geöhrten Habichtskrauts (Hieracium lactucella). Artenschutz bedeutet heutzutage auch den Erhalt der jeweiligen Habitate und ist somit zusätzlich als Biotopschutz zu verstehen. Die Intensivierung der Landwirtschaft, der Nutzungswechsel von Kulturlandschaften, die Ausdehnung von Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsflächen, sowie die starke Regulierung von Wasserständen führten zu einem starken Artenrückgang (WULFF & EGGERS 1982, HARMS et al. 1983, HELLBERG 1996). Am Beispiel des Schwarzen Bilsenkrauts (Hyoscyamus niger) (Abb. 3) soll verdeutlicht werden, wie stark die Verbreitung mancher Arten zurückgegangen ist.
Abb. 3: Das Schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) auf einer Ruderalflur am Allerhafen 2012. Das Schwarze Bilsenkraut ist heute an der Küste und im Tiefland stark gefährdet (Rote Liste 2) (GARVE 2004). Die erste Erwähnung fand die Ruderalart 1855 in der Flora Bremensis (FOCKE et al. 1855), wo sie auf Schutt und an Wegrändern dokumentiert wurde. Vorkommen dieser Art waren über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Das heutige Ordnungsempfinden sorgt nun dafür, dass Wegränder gepflegt und Schutthaufen nicht lange genug liegen bleiben, um einen geeigneten Wuchsort für die zweijährige Art zu bilden. Dieses hat zur Folge, dass in den Jahren 2011-2012 lediglich vier Wuchsorte nachgewiesen werden konnten, die alle in den Bremer Hafengebieten liegen. Die heutigen Vorkommen des Schwarzen Bilsenkrauts beschränken sich auf den Europahafen und den Hemelinger Hafen, wo solche ruderalen Strukturen noch vorhanden sind. Um diese noch verbliebenen Wuchsorte nachhaltig zu erhalten und angemessene Pflegemaßnahmen zu entwickeln, werden alle Vorkommen wie oben beschrieben dokumentiert. Zukünftige Erfolgskontrollen sollten durchgeführt werden, um Aussagen über die Entwicklung der Bestände treffen zu können.
Quellen: BMU (2007): BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT: Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt. Bonifatius GmbH, Paderborn. 178 S. CBD (2006): CONVENTION ON BIOLOGICAL DIVERSITY. https://www.cbd.int/doc/meetings/pc/gspclg-02/official/gspclg-02-03-en.pdf [20.10.2012]. FOCKE, W. O., DREIER, J. & KOTTMEIER, J. (1855): Flora Bremensis. Index plantarum Vascularium circa Bremam urbem sponte crescentium - Bremen's Flora. Verzeichnis der in der Umgegend von Bremen wildwachsenden Gefäßpflanzen (Phanerogamen und Filicoideen) mit Angabe der Standorte. Schünemann, Bremen. 80 S. GARVE, E. (2004): Rote Liste und Florenliste der Farn- und Blütenpflanzen in Niedersachsen und Bremen. Informationsdienst Naturschutz Niederachs. 24: S. 1-76. 5. Fassung. HARMS, K. H., PHILIPPI, G. & SEYBOLD, S. (1983): Verschollene und gefährdete Pflanzen in Baden-Württemberg - Rote Liste der Farne und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta). Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Württ. 32: S. 1-160. HELLBERG, F. (1996): Floristisch-vegetationskundliche Bewertung von Versuchen zur Grünland-Wiedervernässung in nordwestdeutschen Überflutungspoldern. Abh. Naturwiss. Verein Bremen 43 (2): S. 409-427. WULFF, C. & EGGERS, T. (1982): Bemerkungen zum Artenrückgang von Blütenpflanzen unter besonderer Berücksichtigung der Ackerunkraut-Arten. Gesunde Pflanzen 34: S. 106.112.