Regionale Unterschiede bei der Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen in Heimen und Pflegefamilien

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Transkript:

Datenanalysen der Dortmunder Regionale Unterschiede bei der Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen in Heimen und Pflegefamilien Die Hilfen zur Erziehung sind gemessen an den finanziellen Aufwendungen der Jugendämter nach der Kindertagesbetreuung das zweitgrößte Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe. Die Einzelfallhilfen bieten im Bedarfsfall jungen Menschen und deren Familien Unterstützung bei einem breiten Spektrum an familiären Problemen und Sozialisationsschwierigkeiten. Hierfür steht ein differenziertes Instrumentarium sozialpädagogischer Handlungsformen sowie ein breites Spektrum an Hilfesettings zur Verfügung von Beratungsleistungen über kurzzeitige familienunterstützende Hilfen bis hin zu langfristigen Unterbringungen außerhalb der eigenen Familie, wie bei einer Vollzeitpflege oder einer stationären Erziehungshilfe. Im Fokus stehen im Folgenden die letztgenannte Leistungen gem. 33 und 34 SGB VIII als Formen der Fremdunterbringung. Näher betrachtet werden dabei die regionalen Unterschiede bei der Höhe der so genannten Fremdunterbringungsquote. In einem ersten Teil werden die regionalen Unterschiede mit Blick auf die Höhe der Fallzahlen im Verhältnis zur minderjährigen Bevölkerung ( Fremdunterbringungsquote ) in den Landkreisen und kreisfreien Städten dargestellt (a). Ein zweiter Teil skizziert den Stand der Kinder- und Jugendhilfeforschung zu den Einfluss- und Erklärungsfaktoren für die zum Teil erheblichen regionalen Disparitäten bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung (b). (a) Anzahl der Kinder und Jugendlichen in Pflegefamilien und Heimen im interkommunalen Vergleich Die regionalen Disparitäten bei der Höhe der Fallzahlen für familienersetzende Hilfen zur Erziehung (ohne die Hilfen für junge Volljährige) in Form von Vollzeitpflege und Heimerziehung variiert im bundesweiten Vergleich der über 400 Kreise und kreisfreien Städte beträchtlich (vgl. Abb. 1). Während Stand 2009 in einem Landkreis pro 10.000 der unter 18- Jährigen nicht einmal 20 Unterbringungen über die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik erfasst werden, sind es in anderen Landkreisen bzw. vor allem auch in kreisfreien Städten zwischen 300 und 400. Selbst wenn man von den 410 vorliegenden kommunalen Ergebnissen 1 die jeweils 20 höchsten und 20 niedrigsten Werte unberücksichtigt lässt, bleibt eine Spannweite zwischen etwas mehr als 40 und nicht ganz 210 Fremdunterbringungen pro 10.000 der unter 18-Jährigen. Das heißt: Unabhängig von der Zahl der jungen Menschen in einer Kommune schwankt die Fremdunterbringungsquote im interkommunalen Vergleich mindestens um den Faktor fünf. Mit Blick auf die bevölkerungsrelativierte Anzahl der Fremdunterbringungen in den Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland ist eine rechtsschiefe Verteilung zu beobachten. Im Einzelnen weisen von allen vorliegenden Kommunen 38 eine Fremdunterbringungsquote von weniger als 50 Hilfen gem. 33 und 34 SGB VIII aus. Das entspricht 9% aller Kreise und kreisfreien Städte. In hingegen 165 Kommunen (40%) liegt dieser Wert zwischen 50 und 100 Maßnahmen pro 10.000 der unter 18-Jährigen. In einer nahezu ähnlich hohen Anzahl finden sich Kreise und kreisfreien Städte mit einer Fremdunterbringungsquote zwischen 100 und 150 familienersetzenden Hilfen (32%). Deutlich niedriger ist die Zahl der Kommunen mit einer Fremdunterbringungsquote zwischen 150 und 200 Hilfen pro 10.000 Minderjährigen. Hierbei handelt es sich um 51 Kreise und kreisfreie Städte (12%). Die kleinste Gruppe ist mit 1 Für zwei Kommunen liegen über die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik aufgrund fehlender Angaben bei den Vollzeitpflegehilfen oder Heimerziehungsmaßnahmen keine Werte vor.

Datenanalysen der Dortmunder 26 diejenige mit mehr als 200 familienersetzenden Hilfen im benannten Verhältnis zur altersentsprechenden Bevölkerung. Das entspricht einem Anteil von 6% an den Kreisen und kreisfreien Städten. Diese bundeweite Verteilung berücksichtigt allerdings noch nicht die zu beobachtenden Nord-Süd- sowie Ost-West-Unterschiede bei der Verteilung der Fallzahlen zur Vollzeitpflege und Heimerziehung im Verhältnis zur unter 18-jährigen Bevölkerung. Ganz grob ist hier der Süden mit vergleichsweise niedrigen Werten vom Westen mit einem hohen Anteil an durchschnittlichen Fremdunterbringungsquoten und dem Osten mit den im Durchschnitt höchsten Quoten zu unterscheiden (vgl. Abb. 1). Abb. 1: Minderjährige in Pflegefamilien und Einrichtungen der Heimerziehung nach Kreisen und kreisfreien Städten (Deutschland; 2009; Angaben pro 10.000 der unter 18-Jährigen) 1 1 Die Fälle werden vom zuständigen Jugendamt jährlich den Statistischen Ämtern gemeldet. Berücksichtigt werden hier für jeden Kreis bzw. für jede kreisfreie Stadt die im Laufe des Jahres 2009 beendeten sowie die am Ende des Jahres 2009 andauernden Hilfen. Die Ergebnisse für die kreisangehörigen Jugendämter werden hier nicht separat ausgewiesen. Diese ist allerdings grundsätzlich mit dem Datensatz möglich (vgl. auch Pothmann/Wilk/Fendrich 2011). Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Erzieherische Hilfen 2009; Zusammenstellung und Berechnung So weisen im Einzelnen von den 140 Landkreisen und kreisfreien Städte in Baden- Württemberg und Bayern knapp über 80% eine Fremdunterbringungsquote von weniger als 100 Hilfen pro 10.000 Minderjährigen aus. Im Nordwesten Deutschlands plus die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland liegt dieser Anteil lediglich bei 40%, während weitere 40% zwischen 100 und 150 Hilfen pro 10.000 der unter 18-Jährigen ausweisen. Im Nordosten der Republik zeigt sich noch einmal eine andere Verteilung. Immerhin 42% aller Kommunen weisen hier eine Fremdunterbringungsquote von bevölkerungsrelativiert 150 und

Datenanalysen der Dortmunder mehr Hilfen aus. In knapp 40% der Kommunen werden Werte zwischen 100 und 150 Fremdunterbringungen erreicht. (b) Einflussfaktoren auf die Höhe der Fremdunterbringungsquote Auf der Grundlage dieser Angaben zur Höhe der Fremdunterbringungsquote im Vergleich der Landkreise und kreisfreien Städte ist es unmöglich, zuverlässige und möglicherweise noch abschließende Analysen und Bewertungen vorzunehmen. Gleichwohl ist bekannt, dass eine ganz Reihe von Faktoren Einfluss auf die Ausprägung von regionalen Disparitäten bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung hat. Als bedarfsgenerierende, sich keineswegs ausschließende, sondern eher ineinandergreifende Faktoren sind diesbezüglich in Anlehnung an Bürger (2007) sowie in Ergänzung dazu van Santen (2011) folgende zu nennen (vgl. Abb. 2): Sozioökonomische Lebenslagen oder auch sozialstrukturelle Bedingungen und ihre Auswirkungen auf Entwicklungsmöglichkeiten, Erziehungsverhalten, aber auch potenzielle Kindeswohlgefährdungen. 2 Demografische Entwicklungen, wobei die Bandbreite der Publikationen hierzu mittlerweile ein beträchtliches Ausmaß erreicht hat; dies gilt sowohl bezogen auf die grundsätzliche Bedeutung von demografischen Veränderungen für einen zukünftigen Bedarf an erzieherischen Hilfen als auch hinsichtlich konkreter statistischer Hochrechnungen zur zukünftigen Inanspruchnahme von entsprechenden Maßnahmen (vgl. z.b. Bürger/Schone 2010). Politische Rahmenbedingungen, und zwar sowohl hinsichtlich fachpolitischer als auch fiskalpolitischer Aspekte. Veränderungen in den Rechtsgrundlagen für die Kinder- und Jugendhilfe, wobei damit keineswegs nur das SGB VIII als derzeit gültiges Fachgesetz gemeint ist 3, sondern z.b. auch die Auswirkungen einer Föderalismusreform auf die rechtlichen Strukturen für die Kinder- und Jugendhilfe (vgl. Schmid/Wiesner 2006) oder auch andere Sozialgesetze wie z.b. zurzeit das SGB XII mit Blick auf eine mögliche Neuordnung der Eingliederungshilfen (vgl. Struck/Porr/Koch 2010). Infrastruktur und Angebotsspektrum der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere im präventiven Bereich innerhalb der Hilfen zur Erziehung, in anderen Arbeitsfeldern der Kinderund Jugendhilfe, aber auch in Wechselwirkung zu den Regelsystemen oder auch anderer Agenturen des Bildungs- und Sozialwesen (vgl. am Beispiel offene Ganztagsschule auch ISA/Forschungsverbund (2011)). 2 Zu benennen ist in diesem Zusammenhang der vielfach empirisch nachgewiesene Zusammenhang von regionalen Disparitäten bei der Inanspruchnahme familienersetzender Hilfen und Divergenzen bei der Ausprägung vor Armutsindikatoren (vgl. zusammenfassend Fendrich 2011). Entsprechende Ergebnisse für das Land Rheinland- Pfalz sind von Seiten der Landesregierung veröffentlicht worden (vgl. MASGFF 2010), werden für Baden- Württemberg regelmäßig vorgelegt (vgl. z.b. KVJS 2008) oder zeigen sich auch für Nordrhein-Westfalen (vgl. Pothmann/Wilk/Fendrich 2011, S. 92ff.). 3 Nach den Beobachtungen von Rauschenbach (2004) sind über die Grenzen der Hilfen zur Erziehung hinweg die rechtlichen Grundlagen der zumindest mit entscheidende Faktor für die Historie der Kinder- und Jugendhilfe in den letzten rund 100 Jahren.

Datenanalysen der Dortmunder Wahrnehmungs-, Definitions- und Entscheidungsprozesse der insbesondere am Prozess der Hilfegewährung, aber auch hinterher im Rahmen der Fallsteuerung beteiligten Akteure. 4 Die hier gewählte Reihenfolge der Faktoren orientiert sich an den Möglichkeiten der Einflussnahme aus der Sicht von Jugendämtern. Während also die Jugendhilfeakteure/-innen vor Ort auf Verschlechterungen der sozioökonomischen Lebenslagen oder auch auf demogafische Veränderungen nur reagieren können, sind sie bei der Frage der Gestaltung von Angebotsstrukturen insbesondere innerhalb der Felder der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch beim Thema Wahrnehmungs-, Definitions- und Entscheidungsprozesse dazu in der Lage, Entwicklungen zu initiieren und zu gestalten (vgl. Abb. 2). Abb. 2: Einflussfaktoren auf die Gewährung und Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung Für Jugendämter gestaltbare Faktoren Infrastrukturressourcen (einschl. Personalausstattung) Wahrnehmungsund Definitionsprozesse Inanspruchnahme und Gewährung von Leistungen der Hilfen zur Erziehung (kommunal-) politische Rahmenbedingungen Für Jugendämter nicht beeinflussbare Faktoren Sozialstruktur demografische Entwicklung Rechtsgrundlagen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bürger (2007) Literatur Bürger, U.: Stationäre Erziehungshilfen ein Auslaufmodell der modernisierten Kinder- und Jugendhilfe?, in: Sozialpädagogisches Institut im SOS Kinderdorf e.v. (Hrsg.), Wohin steuert die stationäre Erziehungshilfe?, München 2007, S. 40-59. Bürger, U./Schone, R.: Demografischer Wandel und Jugendhilfeplanung, in: S. Maykus, R. Schone (Hrsg.), Handbuch Jugendhilfeplanung. Grundlagen, Anforderungen und Perspektiven, 3. Aufl., Wiesbaden 2010, S. 245-255. Fendrich, S.: Regionale Disparitäten in den Hilfen zur Erziehung, in: Th. Rauschenbach, M. Schilling (Hrsg.), Kinder- und Jugendhilfereport 3. Bilanz einer empirischen Wende, Weinheim und München 2011, S. 140-159. [ISA/Forschungsverbund] Institut für soziale Arbeit/Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut, Technische Universität Dortmund: Bildungsbericht Ganztagsschule NRW 2011, Dortmund 2011 (www.forschungsverbund.tu-dortmund.de/fileadmin/files/jugend hilfe_und_schule/bildungsbericht_ganztagsschule_nrw_2011_korr.pdf; Zugriff: 01.02.2012). [KVJS] Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Würtemberg Landesjugendamt (Hrsg.): Bericht zu Entwicklungen und Rahmenbedingungen der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen in Baden-Würtemberg 2008, Stuttgart 2008 (www.kvjs.de). [MASGFF] Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen (Hrsg.): Hilfen zur Erziehung in Rheinland-Pfalz Die Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen im Kontext sozio- und infrastruktureller Einflussfaktoren 3. Landesbericht, Mainz 2010 (www.masgff.rlp.de). 4 Überlegungen zur Bedeutung sowie den möglichen Dimensionen dieses bedarfsgenerierenden Einflussfaktors, aber auch den damit verbunden kritischen Anfragen an die gängige Praxis sind nachzulesen bei Rauschenbach (2007, S. 21ff.). Empirische Befunde hierzu finden sich beispielsweise bei Pothmann/Wilk (2009).

Datenanalysen der Dortmunder Pothmann J./Wilk, A.: Wie entscheiden Teams im ASD über Hilfebedarf? Untersuchung zur Gegenüberstellung von Strukturen, Prozessen und Ergebnissen des Fallmanagements kommunaler sozialer Dienste und sich daraus ergebende Konsequenzen für Praxisentwicklung. Abschlussbericht für die Stiftung Jugendmarke, Dortmund 2009 (www.forschungsverbund.tu-dortmund.de/index.php?id=133; Zugriff 01.02.2012). Pothmann, J./Wilk, A./Fendrich, S.: HzE Bericht 2011. Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung in Nordrhein- Westfalen zwischen fachlichen Herausforderungen und regionalen Disparitäten, Dortmund 2011 (www.akjstat.tudortmund.de). Rauschenbach, Th.: Das Recht Schubkraft der Sozialen Arbeit?, in: D. Kreft u.a.: Fortschritt durch Recht. Festschrift für Johannes Münder, München 2004, S. 95-116. Rauschenbach, Th.: Fremdunterbringung und gesellschaftlicher Wandel, in: Sozialpädagogisches Institut im SOS Kinderdorf e.v. (Hrsg.), Wohin steuert die stationäre Erziehungshilfe?, München 2007, S. 8-39. van Santen, E.: Perspektiven, Erklärungsansätze und Analyseoptionen für regionale Disparitäten, in: Th. Rauschenbach, M. Schilling (Hrsg.), Kinder- und Jugendhilfereport 3. Bilanz einer empirischen Wende, Weinheim und München 2011, S. 160-177. Schmid, H./Wiesner, R.: Die Kinder- und Jugendhilfe und die Föderalismusreform in: Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, 2006, Heft 9, S. 392-396 und Heft 10, S. 449-454. Struck, N./Porr, C./Koch, J.: Zeit lassen aber schnell anfangen. Zur aktuellen Debatte um die Große Lösung, in: Forum Erziehungshilfen, 2010, Heft 4, S. 196-201. Jens Pothmann