Fachbereich VI Geographie/Geowissenschaften Freizeit- und Tourismusgeographie. Bachelorarbeit

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Transkript:

Fachbereich VI Geographie/Geowissenschaften Freizeit- und Tourismusgeographie Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science [B. Sc.] Die Umsetzung von Corporate Social Responsibility in Lateinamerika mit dem Fokus auf Kuba Herausforderungen und Chancen bei der Implementierung in einem sozialistischen Staat Eine Studie am Beispiel des CSR-zertifizierten Reiseveranstalters aventoura Erstgutachter: Prof. Dr. Andreas Kagermeier Zweitgutachterin: Dr. Anja Reichert-Schick Trier, im Dezember 2013 Verfasserin: Isabelle Bauer Anschrift: Bruchhausenstr. 11 54290 Trier Telefon: 0176/84355363 E-Mail: i_panema@rocketmail.com Matrikelnr.: 1036865

1 Einführung Tourismusunternehmen tragen Verantwortung für die Bedingungen, unter denen eine Reise stattfindet. Diese Verantwortung erstreckt sich auf soziale, ökologische und ökonomische Bereiche (KATE ET AL. 2008, S. 3). Mit diesem Zitat umschreibt die Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung (KATE) den Grundgedanken der Corporate Social Responsibility (CSR) im Tourismus: Reiseunternehmen müssen in den verschiedenen Destinationen für ihr Handeln Verantwortung übernehmen. Viele Reisen werden in Länder angeboten, in denen soziale, ökologische und wirtschaftliche Missstände herrschen. Im Zuge der negativen Auswirkungen der Globalisierung werden diese Probleme oftmals noch verschärft. Aufgrund dessen können Tourismusunternehmen heutzutage nicht mehr nur eine Profitmaximierung anstreben. Sie sind dazu verpflichtet, durch ihre Arbeit einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern zu leisten. Bei der Umsetzung von CSR im Tourismus sollten daher ökologische, soziale und ökonomische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden. Hierbei stehen Reiseveranstalter, die sich auf den lateinamerikanischen Kontinent spezialisiert haben, oft vor einigen Herausforderungen, da das Konzept der CSR und des nachhaltigen Tourismus dort meist nicht im Bewusstsein der Bevölkerung und der Leistungsträger verankert ist. Zudem hängt es oft von politischen, sozioökonomischen oder infrastrukturellen Rahmenbedingungen ab, inwieweit nachhaltiger Tourismus in den einzelnen Destinationen betrieben werden kann. Wie lässt sich jedoch CSR in einem Land umsetzen, in dem der Staat einen derart starken Einfluss auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hat wie in Kuba? Fungiert die Politik eher als Hindernis bei der Implementierung von CSR-Prinzipien oder können sich politische Reformen auch positiv auf die nachhaltige Entwicklung auswirken? In kaum einem anderen Land wird die Tourismusbranche jedenfalls so von der Politik gesteuert und kontrolliert: Die Besonderheit des touristischen Modells auf Kuba hängt damit zusammen, dass es in diesem Fall der Staat selbst ist, der die Entwicklung des Tourismus steuert. Er entscheidet über Intensivierung und Ausweitung des Tourismus, mit allen positiven wie negativen Wirkungen, die dadurch erzielt werden (JURADO 2010, o. S.). 1

1.1 Problemstellung und Zielsetzung In Kuba herrscht seit über 50 Jahren Staatssozialismus. Dementsprechend ist die politische Ideologie von sozialistischen Grundsätzen und einer antikapitalistischen Haltung geprägt, was sich deutlich in der kubanischen Gesellschaft widerspiegelt. Die Erschließung des internationalen Tourismus erfolgte auf Kuba zu Beginn der 1990er Jahre, da das Land einen Ausweg aus der damaligen Wirtschaftskrise suchte. Fidel Castro verfolgte seither das Ziel, die Wirtschaft Kubas durch den Tourismus wieder anzukurbeln, dabei aber gleichzeitig am Sozialismus festzuhalten. Daher betrachtete die politische Führung den Tourismus eher als notwendiges Übel. In Kuba trifft also eine revolutionäre Ideologie auf einen kapitalistisch organisierten Wirtschaftssektor, was zu diversen Spannungen und Problemen führt (vgl. NAU 2008, S. 67 f.). Die touristische Entwicklung auf Kuba wurde seit der internationalen Öffnung immer wieder von wirtschaftlichen Reformen bestimmt. Seit dem Amtsantritt Raúl Castros im Jahr 2008 und der verabschiedeten Reformagenda 2011, die eine weitere Liberalisierung der Wirtschaft unter anderem durch eine stärkere Förderung marktwirtschaftlicher Tätigkeiten vorsieht, ergeben sich auch für die Tourismusbranche neue Freiheiten und Möglichkeiten (vgl. HOFFMANN 2011, S. 2 ff.). Diese Entwicklungen bilden den inhaltlichen Schwerpunkt der vorliegenden Bachelorarbeit. Neben der Grundthematik der CSR im Tourismus sowie deren Umsetzung in Lateinamerika und Kuba richtet sich der Fokus dieser Arbeit aufgrund der aktuellen politischen Situation insbesondere auf die Stärken und Schwächen, welche sich für die CSR-Arbeit von aventoura bisher vor allem durch die politischen Rahmenbedingungen ergeben haben. Des Weiteren werden Chancen und Risiken analysiert, die sich aus der wirtschaftlichen Öffnung für die CSR-Umsetzung ergeben könnten. In diesem Zusammenhang sollen folgende Leitfragen beantwortet werden: Wodurch zeichnet sich die gesellschaftliche Verantwortung eines Reiseveranstalters aus? Vor welchen Herausforderungen steht ein Reiseveranstalter bei der Umsetzung von CSR in Lateinamerika? Wie können CSR-Prinzipien in einem sozialistisch geführten Staat wie Kuba umgesetzt werden, welche Rolle spielt dabei die Politik und welche speziellen Anforderungen ergeben sich dadurch? 2

Aufgrund des autoritären sozialistischen Systems sind in Kuba quantitative Daten von offiziellen Instituten kritisch zu betrachten: NAU (2008, S. 22 f.) fasst die Problematik folgendermaßen zusammen: [ ] in den jährlichen Veröffentlichungen der kubanischen nationalen Statistikbehörde ONE [ ] liegen in der Regel keine Angaben darüber zugrunde, auf welchen Erhebungen und Quellen diese Daten basieren. Studien [ ] unterliegen darüber hinaus [ ] der Zensur (NAU 2008, S. 22 f.). Nach HOFFMANN (2011, S. 4) sind die kubanischen Statistiken zudem kaum noch überprüfbar bzw. international vergleichbar, seit 2005 die Berechnungsmethode für das Bruttosozialprodukt von der Regierung geändert wurde, um das Wirtschaftswachstum positiver darzustellen. Außerdem werden Berechnungen zur wirtschaftlichen Effizienz des Landes durch die Doppelwährung auf Kuba verzerrt. Somit wurde bei der vorliegenden Arbeit darauf geachtet, möglichst wenig Bezug auf offizielle kubanische Daten zu nehmen und stattdessen auf internationale Quellen zurückzugreifen. Jedoch kann eine vollständige Richtigkeit der Daten nicht gewährleistet werden, da auch die internationale Forschung zum Teil mit Daten aus kubanischen Instituten arbeitet. 2 Fazit 2.1 Resümee Abschließend werden die wichtigsten Erkenntnisse aus der vorliegenden Bachelorarbeit zusammengefasst, potenzielle Problemfelder analysiert und Handlungsempfehlungen gegeben. Hierbei wird auch auf die zu Beginn der Arbeit gestellten Leitfragen eingegangen. Corporate Social Responsibility ist mittlerweile zu einem wichtigen Konzept in der Wirtschaft geworden, an dem sich Unternehmen orientieren, um gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Gerade der Tourismusbranche kommt hierbei eine besondere Verantwortung zu. Ihre Aktivitäten wirken sich unmittelbar auf die bereisten Länder aus und können vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern negative Folgen für die Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt haben. Eine große Problematik ergibt sich hinsichtlich der Freiwilligkeit des CSR-Ansatzes: Unternehmen nutzen vermehrt das hohe gesellschaftliche Ansehen von CSR, um ihr Image aufzuwerten. Oft besteht das Engagement daher nur aus gemeinnützigen Aktionen nach dem Prinzip der Corporate Citizenship, was jedoch kaum einer umfassenden CSR-Umsetzung entspricht. Es gibt zahlreiche Ansätze und Normen zur Operationalisierung und Bewertung des CSR- Engagements, die jedoch oftmals nur einen Empfehlungscharakter haben bzw. nicht alle Aspekte der Nachhaltigkeit umfassen. Der CSR-Reporting-Leitfaden der KATE in 3

Verbindung mit dem Zertifizierungssystem von TourCert kann für kleine und mittlere Reiseveranstalter als geeignetstes Instrument angesehen werden, um die CSR-Tätigkeit mess- und vergleichbar zu machen und transparent darzustellen. Das Nachhaltigkeitsengagement des in der vorliegenden Arbeit untersuchten Reiseveranstalters aventoura ist in vielerlei Hinsicht als positiv zu bewerten: Hinsichtlich der ökonomischen Nachhaltigkeit ist das Unternehmen bemüht, möglichst viel zur lokalen Wertschöpfung beizutragen. Dies geschieht vor allem durch die Integration von privaten Leistungen in das Reiseangebot sowie durch den Besuch von sozialen und ökologischen Projekten. Dadurch ermöglicht aventoura den Kunden authentische Begegnungen mit der einheimischen Bevölkerung und erfüllt somit auch die soziokulturellen Aspekte der Nachhaltigkeit. Um den Anforderungen der ökologischen Dimension gerecht zu werden, versucht das Unternehmen, seine Reisen möglichst umweltfreundlich zu gestalten bzw. die CO²-Belastung durch eigene Klimaprojekte zumindest teilweise zu kompensieren. Bei den Individualreisen, die am häufigsten in Kuba angeboten werden, lässt sich aufgrund der Gestaltungsfreiheiten jedoch oft nur schwer einschätzen, inwieweit die Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden. Bei der Umsetzung der CSR-Kriterien in Lateinamerika steht aventoura einigen Herausforderungen gegenüber, da in diesen Ländern das Bewusstsein für Nachhaltigkeit nur sehr gering ausgeprägt ist und den Leistungsträgern für eine Zertifizierung oft die finanziellen und personellen Ressourcen fehlen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass diese Problematiken nicht nur für Lateinamerika typisch sind, sondern sich vermutlich aufgrund des niedrigeren Lebensstandards und Entwicklungsstandes grundsätzlich in Entwicklungs- und Schwellenländern ergeben. Die Überprüfung der Produktverantwortung anhand des Zielgebiets- bzw. der Nachhaltigkeits-Checks muss in vielen Punkten kritisch betrachtet werden: Ein großes Problem liegt in der mangelnden Objektivität und Validität der Bewertungen. Da sich die Leistungsträger meist gegenseitig bewerten, können sie bei der Beurteilung keine unvoreingenommene Einschätzung abgeben. Zudem liegen oft zu wenige oder unvollständige Bewertungen vor. Dies liegt zum Teil auch an den problematischen Fragestellungen, die wiederum die Berechnungen beeinflussen und dadurch teilweise zu Verzerrungen des Gesamtindexes führen. In den lateinamerikanischen Destinationen sind durch die verschiedenen natürlichen, gesellschaftlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten zum Teil sehr unterschiedliche Voraussetzungen für die CSR-Umsetzung vorhanden. Bei der parallelen Betrachtung der Expertenmeinungen sowie den Ergebnissen der Zielgebiets- und Nachhaltigkeits-Checks lässt sich schlussfolgern, dass vor allem die Destinationen Costa Rica, Ecuador und Peru hinsichtlich der ökologischen, soziokulturellen 4

und ökonomischen Nachhaltigkeit gute Voraussetzungen für die CSR-Umsetzung von aventoura haben. Für die CSR-Arbeit auf Kuba ergeben sich aufgrund der speziellen politischen Rahmenbedingungen deutliche Unterschiede zu anderen Destinationen: Die kubanische Regierung hat seit der Revolution die Wirtschaft und die Gesellschaft Kubas nachhaltig geprägt. Speziell auf die Tourismusbranche übt der Staat eine starke Kontrolle aus. Auf Kuba ist daher ein klarer Zusammenhang zwischen den politischen Phasen und der touristischen Entwicklung zu erkennen: Je nachdem, ob sich das Staatsregime eher an sozialistischen oder marktwirtschaftlichen Prinzipien orientierte, gab es mehr Einschränkungen bzw. Freiheiten in der Tourismusbranche. Allgemein kann festgestellt werden, dass der starke Einfluss der Politik auf den Tourismus bei der CSR-Umsetzung von aventoura in erster Linie ein Hindernis darstellt: So gibt es kaum zertifizierte Leistungsträger, mit denen zusammengearbeitet werden kann. Hinsichtlich der ökonomischen Dimension der Nachhaltigkeit stellen zudem vor allem die Beschäftigungsund Entlohnungsregelungen eine Herausforderung dar. Durch die hohen Transportemissionen infolge der zahlreichen Importe für den Tourismus, kann der ökologischen Nachhaltigkeit auf Kuba vor allem bezüglich der Unterkünfte oftmals nicht nachgekommen werden. Der Privatsektor auf Kuba bietet im Gegensatz zu den staatlichen Betrieben gute Voraussetzungen für die CSR-Umsetzung. So können insbesondere inhabergeführte Unterkünfte, Restaurants und private Dienstleistungen als positiv für die nachhaltige Entwicklung bewertet werden, da aventoura dadurch die Möglichkeit hat, die kubanische Bevölkerung direkt in das Reiseangebot miteinzubeziehen und an den touristischen Einnahmen zu beteiligen. Aus der Mangelsituation auf Kuba resultieren zum einen die relativ nachhaltige Lebensweise der Bevölkerung und zum anderen Maßnahmen zur Selbstversorgung wie die organopónicos, die ebenfalls als gute Voraussetzungen einzustufen sind. Stellten die politischen Rahmenbedingungen in Kuba insbesondere unter der Regierung Fidel Castros ein Hindernis bei der CSR-Umsetzung dar, haben die Reformen seit dem Amtsantritt Raúl Castros durchaus positiv zur nachhaltigen Entwicklung beigetragen. Vor allem die Zugeständnisse der Regierung gegenüber dem Privatsektor sind zukünftig in jedem Fall als positiv für die CSR-Arbeit von aventoura zu bewerten. Auf der Nachfrageseite könnte sich eine Chance durch die zunehmende Veränderung der Lebensstile ergeben, da aventoura mit den Individualreiseangeboten auf Kuba eine größere Zielgruppe ansprechen könnte. Der Anstieg ausländischer Kapitalinvestitionen im kubanischen Tourismussektor ist als größtes Risiko für die CSR-Umsetzung von aventoura einzustufen. Hinsichtlich der 5

Zusammenarbeit mit internationalen Tourismusunternehmen bleibt abzuwarten, für welchen Weg sich die kubanische Regierung entscheidet: Lässt sie sich auf Kooperationen mit Joint- Venture-Unternehmen ein, die eine Steigerung der Tourismuszahlen auch auf Kosten möglicher negativer sozialer, ökonomischer sowie ökologischer Auswirkungen erreichen wollen und weitere Touristenenklaven schaffen? Oder wird sich die künftige politische Führung bemühen, die weitere touristische Erschließung auch sozial- und umweltverträglich zu gestalten und bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen auf diese Aspekte zu achten. Eine Prognose lässt sich aufgrund der noch nicht vorhersehbaren politischen Entwicklung kaum stellen. 2.2 Handlungsempfehlungen Zum Abschluss der vorliegenden Arbeit sollen nun ausgehend von den Erkenntnissen aus den theoretischen Grundlagen, der empirischen Erhebung und den Daten der Zielgebietsund Nachhaltigkeits-Checks Handlungsempfehlungen für den Reiseveranstalter aventoura, den CSR-Leitfaden von KATE und den kubanischen Staat gegeben werden. Um die Objektivität und Validität der Zielgebiets- und Nachhaltigkeits-Checks zu erhöhen, sollten zum einen die Fragestellungen klarer formuliert sein und sich nur auf die wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekte beziehen, um ungenaue Angaben zu vermeiden und präziser darzustellen, inwieweit die Leistungsträger die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Zum anderen sollten diese von unabhängigen Instituten wie zum Beispiel TourCert bewertet und überprüft werden, die eine unvoreingenommenere Haltung gegenüber den Leistungsträgern haben. Angesichts der Problematiken, die sich für die CSR-Arbeit in Lateinamerika ergeben, sollten Reiseveranstalter wie aventoura verstärkt Bildungsarbeit leisten, um die Bevölkerung in diesen Ländern mehr für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Im Zuge dessen gilt es auch, mit den Mitarbeitern und Reiseleitern in den Zielgebieten intensivere Schulungen durchzuführen. Zudem sollten private und inhabergeführte Betriebe finanziell und durch die Vermittlung von Knowhow unterstützt werden, um zukünftig nachhaltiger wirtschaften zu können. Die Entwicklung von einfacheren und kostengünstigen Bewertungsstandards wäre als weitere Maßnahme nötig, um den Zertifizierungsprozess gerade für kleinere Betriebe zu erleichtern. Hinsichtlich der ökologischen Nachhaltigkeit ergibt sich bei Reisen nach Lateinamerika vor allem die Problematik der hohen CO²-Emissionen durch die weiten Flugstrecken und den Transport während der Reise. Da bei solchen Entfernungen nicht auf Flüge verzichtet werden kann, sollte aventoura bemüht sein, diese Umweltbelastungen weiterhin durch die Unterstützung klimafreundlicher Projekte zu kompensieren und insbesondere die Transportemissionen in den Zielgebieten zu reduzieren. Dies könnte zum einen durch die bewusste Zusammenarbeit mit zertifizierten Unterkünften in Verbindung mit strengeren 6

Kontrollen der Betriebe erfolgen. Zum anderen gilt es, kleinere und inhabergeführte Unterkünfte verstärkt über nachhaltiges Wirtschaften und Maßnahmen wie den Kauf von lokalen Produkten, die Reduzierung des Wasserverbrauchs oder Recycling aufzuklären. Wo sich Inlandsflüge nicht vermeiden lassen, sollte aventoura auf umweltschonende Transportmittel zurückgreifen, für eine hohe Auslastung der Kapazitäten sorgen und zusätzlich Klimaprojekte unterstützen. Um der ökonomischen und soziokulturellen Nachhaltigkeit weiterhin gerecht zu werden, sollte eine stärkere Zusammenarbeit mit privaten Leistungsträgern angestrebt werden. Auf Kuba sollte aventoura private Leistungen neben den Gruppenreisen auch mehr in die Individualreisen integrieren, da es bislang bei Angeboten wie La combinación perfecta oder Cuba flexi drive für Reisende keine Möglichkeit gibt, private Unterkünfte zu nutzen. Wenn in Zukunft die Nachfrage nach individuellen Reiseangeboten weiter steigt, könnte dadurch ein größerer Beitrag zur ökonomischen, soziokulturellen und ökologischen Nachhaltigkeit geleistet werden. Zudem gilt es, Projekte wie die organopónicos gezielt zu fördern, um auch außerhalb der Tourismusbranche die nachhaltige Entwicklung auf Kuba zu unterstützen. Die kubanische Regierung sollte zukünftig mehr auf die nationale Selbstversorgung setzen und dafür eine Ausweitung der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion anstreben. So ließe sich eventuell auch die hohe Sickerrate im Tourismus reduzieren. Eine zu starke Importabhängigkeit das haben die Probleme aus der Vergangenheit gezeigt ist für eine nachhaltige Entwicklung in jedem Fall kontraproduktiv. Damit die Bevölkerung künftig mehr vom Tourismus profitieren und ihren Lebensstandard dadurch erhöhen kann, sollte die Regierung auch in diesem Wirtschaftsbereich eine nachhaltige Entwicklung anstreben und nicht wie andere Negativbeispiele aus der Karibik zeigen eine touristische Erschließung ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Kosten anstreben. Hierbei sollten Reiseveranstalter wie aventoura bei ihrer CSR-Arbeit unterstützt werden, indem den Unternehmen eine angemessene Bezahlung der Angestellten nach eigenen Vorstellungen erlaubt wird. In welche Richtung sich die Politik auf Kuba entwickelt und dadurch die Tourismusbranche beeinflusst wird, lässt sich kaum vorhersagen. Abschließend bleibt jedoch zu hoffen, dass aventoura auch zukünftig die Möglichkeit haben wird, mit der CSR-Arbeit einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in Kuba zu leisten. 7