Medien Nathaniel Mandal 'Satz' und 'Periode' in den Beethovenschen Klaviersonaten Zur Janusköpfigkeit zweier Begriffe der musikalischen Syntax Studienarbeit
Gliederung Satz und Periode... 2 Definition des Themenbegriffs bzw. Motivs nach Martin Wehnert... 3 Periode und Satz in Erwin Ratz Einführung in die musikalische Formenlehre - Diskussion... 4 Anwendung der Ratzschen Begriffsklärung der Periode und des Satzes auf die Beethovensonaten... 7 I. Eindeutige Fälle... 7 II. Mehrdeutige Fälle... 10 Neues Verständnis von Satz und Periode... 12
Satz und Periode - Zur Janusköpfigkeit zweier Begriffe der musikalischen Syntax- Für mich gibt s kein größeres Vergnügen, als meine Kunst zu treiben und zu zeigen. (Ludwig van Beethoven) In dieser Arbeit will ich mich mit den beiden Termini Periode und Satz auseinandersetzen, welche beide wohl zu den grundlegendsten musikalischen Formprinzipien klassischer Musik gehören. Auf der Grundlage von Erwin Ratz Buch Einführung in die musikalische Formenlehre will ich mich diesen Begriffen theoretisch nähern und sie anschließend anhand ausgewählter Beispiele aus den Beethovensonaten praktisch exemplifizieren. Im Zuge dieser Untersuchungen soll zum einen deutlich werden, von welch grundlegendem Stellenwert diese beiden Begriffe für klassische Kompositionen sind und zum anderen gezeigt werden, dass Ludwig van Beethoven mit seinen 32 Klaviersonaten einen Paradigmenwechsel in musikgeschichtlicher und vor allem kompositorischer Hinsicht eingeleitet hat, der sich besonders gut an diesen beiden Begriffen und ihrer Unterscheidung nachvollziehen lässt. Für dieses Vorhaben eignen sich die Beethovenschen Klaviersonaten deswegen so hervorragend 1, da keine musikalische Gattung die Phänomenologie des Beethovenschen Sonatensatzes so deutlich, damit aber auch in seiner ganzen Vielfalt widerspiegelt, wie Beethovens Klaviersonaten. 2 Bevor ich direkt in die Thematik einsteige und diese beiden wichtigen musikalischen Formprinzipien vor- und darstelle, möchte ich zu Beginn kurz auf einen Begriff eingehen, der mit der Periode und dem Satz eng verschränkt ist: dem Themenbegriff. Dies scheint mir insbesondere bei der Beschäftigung mit dem Beethovenschen Oeuvre äußerst angebracht, vielleicht sogar erforderlich; denn: Der Weg der Beethoven-Analyse ist die Funktion ihrer Themenbestimmung. 3 So soll uns diese einleitende Darstellung das Fundament liefern, auf dem wir die weiteren Betrachtungen und Überlegungen vornehmen wollen. 1 Satz und Periode waren selbstverständlich vor Beethoven auch schon bei Bach, Mozart oder Haydn vorhanden 2 Klaus Kropfinger, Beethoven, Stuttgart: Bärenreiter-Verlag 2001, S.209 3 Ebd., S.199 2
Definition des Themenbegriffs bzw. Motivs nach Martin Wehnert Martin Wehnert hat in der alten Fassung der Musikenzyklopädie Musik in Geschichte und Gegenwart 4 einige für unsere Thematik erhellende Erläuterungen bezüglich des Themenbegriffs vorgenommen: Der Themenbegriff leitet sich etymologisch von dem griechischen Begriff To Thema ab, was soviel wie das Gesetzte, Aufgestellte oder auch der Satz bedeutet. So definiert Quintilian beispielsweise in seinem institutio oratoria 5 das Thema als Sentenz oder aufgestellte Behauptung. Das Thema bildet eine begriffliche Gegenüberstellung zu dem sogenannten propositum - das Vorgestellte bzw. Verheißene. Die Analogie zur Rhetorik wird hierbei deutlich ersichtlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Hauptsatz die begriffliche Übertragung des Themenbegriffs ins Deutsche darstellt. So bleiben die Begriffe Thema und Hauptsatz in der zweiten Hälfte des 18. und 19. Jahrhunderts Synonyme. Das Thema ist ein konstitutiver Faktor in einer Komposition und hat als solches eine formale und inhaltliche Bedeutung für ein musikalisches Ganzes. Die konstitutive Aufgabe des Themas besteht in erster Linie darin, funktionales Zentrum im Beziehungsgeflecht einer Komposition zu sein. Alle Formglieder hängen in ihrem Sinngehalt und in ihrer Sinnhaftigkeit vom Thema bzw. von den Themen ab 6, schreibt Wehnert in dem Artikel des MGG. Das Thema ist in diesem Sinne also das erste Ergebnis eines musikalischen Formungsprozesses. Im 18. Jahrhundert jedoch erfährt das Thema schließlich eine Wandlung. Es ist nicht mehr allein ein formauslösendes Moment 7, sondern bereits selbst ein Geformtes. Die Themen werden nunmehr selbst zur zentralen Aufgabe einer Komposition. Ein interessanter Zusammenhang zur Periode stellt der Umstand dar, dass die ersten 4 Takte einer 8-taktigen Periode als Thema bzw. Hauptsatz bezeichnet werden, was auch unter der sogenannten viertaktigen Satznorm bekannt ist. Johann Christian Lobe bestimmt 4 Takte als Satz, und 8 Takte als Periode. 8 Nach dieser kurzen Begriffsabsteckung wollen wir uns nun im Folgenden intensiv mit der musikalischen Periode und dem musikalischen Satz auseinandersetzen. Die Primärquelle soll hierfür die Einführung in die musikalische Formenlehre von Erwin Ratz sein. Wir wollen näher betrachten, wie Erwin Ratz diese Begriffe in seinem Buch versteht und für seine 4 Martin Wehnert, Art. Thema und Motiv, MGG XIII, Kassel 1966 5 Marcus Fabius Quintilianus, institutio oratoria IV 2, 28. Dort heißt es wörtlich : scholarum consuetudo, in quibus certa quaedam ponnutur, quae themata dicimus. 6 Martin Wehnert, Art. Thema und Motiv, MGG XIII, Kassel 1966 7 Ebd. 8 Johann Christian Lobe, Compositions-Lehre oder umfassende Theorie von der thematischen Arbeit und den modernen Instrumentalformen, Georg Olms Verlag: 1988, S.5 (Auflage: Reprint der Ausgabe Weimar 1844) 3