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Transkript:

Frankreich Info Juli 2002 Herausgeber: Französische Botschaft - Presse- und Informationsabteilung - Pariser Platz 5-10117 Berlin E-Mail: info@botschaft-frankreich.de Internet: www.botschaft-frankreich.de Serie: Analysen und Betrachtungen Die Renten in Frankreich von Yannick Moreau * Die Rente ist für die Franzosen ein sehr wichtiger Faktor. Sie ist ein im Laufe des Berufslebens erworbener Anspruch und erlaubt, aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung, mehrere Jahre ohne berufliche Tätigkeit in beachtlicher finanzieller Sicherheit und Unabhängigkeit zu leben. Außerdem ist sie aufgrund ihrer Organisationsform ein Träger beruflicher Identität und ein starkes Element für den sozialen Zusammenhalt. Doch wirft der starke Anstieg der Rentnerzahlen, trotz der seit den 90er Jahren eingeleiteten Reformen, Schwierigkeiten für die Rentenversicherung auf. Deshalb ist eine breite Debatte über die Höhe der Renten und die Politik zu ihrer Finanzierung im Gange. Die heutige Lage Ein auf der Basis der Berufszugehörigkeit organisiertes System Das französische Rentenversicherungssystem besteht aus zahlreichen Einzelsystemen, die auf der Basis der Berufszugehörigkeit organisiert sind. Das allgemeine System sichert alle Beschäftigten des privaten Sektors ab. 1945 war es eines der Ziele des französischen Plans zum Aufbau eines Sozialsystems (Sécurité sociale), ein allgemeines und einheitliches Rentenversicherungssystem aufzubauen. Diese Vereinheitlichung erwies sich als schwierig, da es nicht möglich war, den Beschäftigten sofort ein hohes Rentenniveau zu garantieren, das die Vereinigung mit den bestehenden Systemen erlaubt hätte. Aufgrund dieser Situation sowie des Widerstands der Nicht-Arbeitnehmer gegen den Plan zum Aufbau eines Sozialsystems wurden die Rentensysteme auf der Basis der Berufszugehörigkeit organisiert. Es bestehen also mehrere Systeme nebeneinander; welchem man angehört, ist nicht frei wählbar, sondern hängt von der beruflichen Tätigkeit ab. Das allgemeine System, das die meisten Beschäftigten des privaten Sektors umfasst (15 Millionen Beitragszahler, d.h. zwei Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung, sowie 9 Millionen Rentenbezieher), ist der Hauptpfeiler des Systems. Die anderen Beschäftigtengruppen (öffentlicher Dienst des Staates, der Gebietskörperschaften und des Gesundheitswesens, www.botschaft-frankreich.de

2 Bergbau, Landwirtschaft, Eisenbahnen, öffentliche Unternehmen) gehören speziellen Systemen an. Für die nicht abhängig Beschäftigten wurden mit dem Gesetz vom 1. Januar 1948 drei eigenständige Rentenversicherungsorganisationen (Handwerk, Industrie und Handel, freie Berufe) geschaffen. Die Besonderheit der Agrarberufe wird durch ein Versicherungssystem auf Gegenseitigkeit aufrechterhalten. Das allgemeine System besteht aus zwei Stufen, einem Grundsystem und einem Ergänzungssystem. Die Ergänzungssysteme wurden zur Ergänzung des 1945 geschaffenen Grundsystems eingeführt. Sie sind, ebenso wie das Grundsystem, umverteilende Systeme. Das Gesetz vom 29. Dezember 1972 hat die bis dahin freiwillige Zugehörigkeit zu einem Rentenergänzungssystem obligatorisch gemacht 1. So wurden 1947 die Allgemeine Vereinigung der Renteneinrichtungen der leitenden Beschäftigten (AGIRC) und 1961 die Vereinigung der Ergänzungsrentensysteme (ARCCO) für die nicht leitenden Beschäftigten eingeführt. Die Sondersysteme für abhängig Beschäftigte decken meist in einem einheitlichen System die Grundsicherung und die obligatorische Ergänzungssicherung ab. Die Rentensysteme werden paritätisch verwaltet und hängen nicht vom staatlichen Haushalt ab. Mit Ausnahme des Sondersystems für zivile und militärische Beamte des Staates werden die Rentensysteme von den Sozialpartnern paritätisch verwaltet, d.h. von einer gleich großen Zahl von Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern. Das allgemeine System umfasst 16 regionale Kassen, die in der Nationalen Rentenversicherungskasse der beschäftigten Arbeiter (CNAVTS) als Dachverband zusammengefasst sind. Paritätisch verwaltet werden in der Regel auch die Ergänzungssysteme, in denen die Sozialpartner besonders ausgedehnte Befugnisse haben. Auch wenn die Rentensysteme sich autonom verwalten, werden die wichtigsten Regeln für die Festlegung der Renten vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Jedes Jahr wird dem Parlament im Rahmen des Finanzgesetzentwurfs für das Sozialsystem eine Bilanz der Einnahmen und Ausgaben vorgelegt. Es gibt zwei Hauptarten von Rentensystemen: die Systeme nach Beitragsjahren und die Systeme nach Punkten. In den Systemen nach Beitragsjahren erfolgt die Berechnung der Rentenansprüche nach der Versicherungsdauer (in Jahren oder Vierteljahren). Nach diesem Modell arbeiten fast alle Grundsysteme und die Sondersysteme für die Beschäftigten des öffentlichen Sektors. In den Systemen nach Punkten erwirbt der Beitragszahler während seines Erwerbslebens Punkte, die auf der Grundlage der Höhe der gezahlten Beiträge berechnet werden. Nahezu alle Ergänzungssysteme arbeiten nach diesem Modell. Mit der bemerkenswerten Ausnahme der Ergänzungssysteme für die Arbeitnehmer berechnen also die meisten Systeme nach Beitragsjahren. Der Grundsatz der Solidarität Das französische Rentensystem ist im Wesentlichen ein Umverteilungssystem.

3 Es beruht auf der Solidarität der Generationen. Von den Beiträgen auf die Löhne, welche Beschäftigte und Arbeitgeber gemeinsam leisten, werden die Renten bestritten, sowohl im Grundsystem als auch in den Ergänzungssystemen. Die auf privatem Kapitalaufbau beruhenden Rentensysteme, die es für verschiedene Gruppen gibt (Handwerker und Händler, Zusatzversorgungssysteme in bestimmten Unternehmen) sind im allgemeinen freiwillig und ihre Bedeutung ist begrenzt. Der Solidaritätsgrundsatz greift auf mehreren Ebenen: Innerhalb jedes Systems führt er zur rentenrechtlichen Anerkennung von Zeiten ohne Arbeitsleistung (Krankheit, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit) und garantiert eine Mindestrentenhöhe unabhängig von der Gesamtbeitragshöhe. Zwischen den Systemen wurden Finanzausgleichsmechanismen eingeführt, um die demographischen Ungleichgewichte aufzufangen. So erhalten Systeme wie zum Beispiel das des Bergbaus, das aufgrund des Rückgangs der Wirtschaftstätigkeit dieses Sektors nur noch sehr wenige Beitragszahler hat, aber dennoch weiter Renten zahlen muss, einen finanziellen Ausgleich von jenen Systemen, deren demographisches Gleichgewicht positiv ist. Auf nationaler Ebene unterstützt der Staat bestimmte Systeme, die unter strukturellen Defiziten leiden (Landwirte, Seeleute, Bergleute etc.). Außerdem werden seit 1993 die Ausgaben, die nicht auf Beitragszahlungen beruhenden Ansprüchen entsprechen, das heißt ohne Beitragszahlungen erworben wurden oder in keinem Verhältnis zu den geleisteten Beitragszahlungen stehen, auf Dauer vom Rentensolidaritätsfonds (FSV) übernommen. Ein gutes Niveau finanzieller Unabhängigkeit für die Rentner Im allgemeinen System muss ein Rentner, um eine Vollrente zu erhalten, 60 Jahre alt sein und mindestens 40 Jahre Beitragszahlungen nachweisen. Dieselben Regeln gelten für Handwerker und Händler. Die Voraussetzungen für den Rentenbeginn sind in anderen Systemen unterschiedlich. Für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes beträgt die Mindestbeitragszeit 37,5 Jahre; bestimmte Gruppen von Beschäftigten, die hohen beruflichen Belastungen ausgesetzt sind, können auch vor dem 60. Lebensjahr in Rente gehen. Die Höhe der Renten entspricht der bei den Beschäftigten des privaten Sektors. Die Höhe der Bezüge erlaubt den Rentnern eine finanzielle Unabhängigkeit. Eine Untersuchung über die Rentner des Geburtsjahrgangs 1926 ohne Unterbrechung im Erwerbsleben zeigt, dass die Höhe der Renten für Beschäftigte des privaten Sektors bei durchschnittlich 85% des früheren Nettogehaltes liegt; bei den niedrigen Gehältern sind es 100 % und bei den hohen Gehältern 65%. Vorhersehbare Schwierigkeiten Aufgrund der demographischen Entwicklung werden die Rentensysteme in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten, wenn die bereits eingeleiteten Reformen nicht ergänzt werden. Mehrere Berichte haben diese Schwierigkeiten aufgezeigt und Finanzvorhersagen erstellt. Die Diskussion über die künftigen Entwicklungen ist in vollem Gange. Die gestiegene Zahl der Rentner

4 Der starke Anstieg der Rentnerzahlen wird sich aus dem Zusammentreffen zweier Phänomene ergeben: Die geburtenstarken Jahrgänge des Baby-Booms der Nachkriegszeit werden ab 2005 das Rentenalter erreichen. Während zur Zeit jährlich rund 600.000 Beschäftigte in Rente gehen, wird sich diese Zahl ab 2005 auf über 800.000 erhöhen. Die gestiegene Lebenserwartung führt zu einer verlängerten Rentenbezugsdauer. Während ein 1910 geborener Beschäftigter durchschnittlich 10 Jahre lang Rentenempfänger war, bezieht ein 1940 geborener Beschäftigter durchschnittlich 20 Jahre lang eine Rente. Und die Lebenserwartung bei der Geburt dürfte sich weiter erhöhen. Im Jahr 2040 könnte die Lebenserwartung bei der Geburt bei den Männern 81 und bei den Frauen 89 Jahre erreichen. Hinzu kommt eine Verlängerung der Lebenserwartung mit 60 Jahren. Die Dauer des Rentenbezugs wird sich also weiter erhöhen. Beide Tendenzen zusammen werden die Zahl der über 60-Jährigen zwischen 2000 und 2040 um 10 Millionen steigen lassen - bei einer Gesamtbevölkerungszahl von heute 60 Millionen. Der Rückgang der Geburtenzahlen Der Anstieg der Rentnerzahlen wird aufgrund des Rückgangs der Geburtenzahlen seit 1960 nicht durch eine Zunahme der erwerbstätigen Bevölkerung ausgeglichen werden. Der Rückgang der Geburtenzahlen ist ein allen europäischen Ländern gemeinsames Phänomen. In Deutschland und in Italien liegt die durchschnittliche Kinderzahl je Frau unter 1,5. In Frankreich ist der Geburtenrückgang weniger ausgeprägt; doch die durchschnittliche Zahl der Kinder je Frau hat sich seit 1965 von 2,5 auf heute 1,8 verringert. Dieser Trend ist um so bedeutsamer, als die Dauer der Erwerbsphase seit einigen Jahren sinkt, zum einen aufgrund des späteren Eintritts der jungen Menschen ins Berufsleben (durch längere Ausbildungszeiten und höhere Arbeitslosigkeit), zum anderen durch das ständige Sinken des Renteneintrittsalters. Diese Entwicklung ist in vielen Ländern festzustellen. In Frankreich ist sie sehr stark ausgeprägt. Die Erwerbsquote der älteren Arbeiter ist relativ gering. Bei den 55- bis 65-Jährigen liegt sie bei 37%. Aufgrund einer Arbeitslosenquote von 9% bei dieser Gruppe stehen nur 34 % der Erwerbstätigen der Altergruppe der 55- bis 65-Jährigen tatsächlich in einem Beschäftigungsverhältnis. Bei der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen liegt die Erwerbsquote nur noch bei 10,1%. Ein höherer Anteil an Rentnern Diese Situation wird zu einem Anstieg des Anteils der Rentner an der Gesamtbevölkerung führen. Die Zahl der über 60-Jährigen macht heute in Frankreich 40% der Bevölkerung zwischen 20 und 59 Jahren aus. Dieser Prozentsatz wird bis 2040 auf 71 steigen, vorausgesetzt, dass die Fruchtbarkeitsziffer von 1,8 Kindern pro Frau gleich bleibt. Unter der Hypothese einer schrittweisen Rückkehr zur Vollbeschäftigung und der Beibehaltung der derzeitigen Regeln in den Rentensystemen, könnte der Anteil der Ausgaben für Renten am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 12,6% im Jahr 2000 auf 14,3% im Jahr 2002 und 16,7% im Jahr

5 2040 steigen. Anders ausgedrückt: Die Rentenausgaben könnten von 2000 bis 2040 um rund 4 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts steigen. Gleichzeitig werden aufgrund der spärlicher fließenden Einnahmen aus Beiträgen Ungleichgewichte in allen Systemen auftreten, vor 2005 bei den Beamten, etwa 2010 im allgemeinen System und um 2015 in den Ergänzungssystemen. Die eingeleiteten Reformen und die Debatte über die Zukunft Frankreich hat in den 90er Jahren umfangreiche Reformen durchgeführt. Diese werden aber nicht ausreichen, um das langfristige Gleichgewicht des Sozialsystems zu gewährleisten. Um den derzeitigen Stand der Debatte in Frankreich zu verstehen, ist es hilfreich zu erklären, wie diese seit der Erstellung eines Weißbuches im Jahr 1991 geführt wurde. Erste Überlegungen, erste Reformen Nachdem 1991 das Weißbuch über die Renten erschienen war, das die schwierigen Perspektiven für die Rentensysteme aufzeigte, leitete das Gesetz von 22. Juli 1993 eine erste bedeutende Reform des allgemeinen Systems ein: Die Zahl der Beitragsjahre, die für den Bezug einer Vollrente erforderlich ist, steigt innerhalb von 10 Jahren von 37 auf 40, wobei die Übergangszeit im Jahr 2003 ausläuft. Der durchschnittliche Referenzlohn für die Berechnung der Rente wird künftig aus den 25 und nicht mehr nur 10 besten Beschäftigungsjahren errechnet, wobei die Übergangszeit 2008 ausläuft. Die Jahresgehälter, die in die Berechnung des durchschnittlichen Referenzlohns eingehen, werden nach dem Verbraucherpreisindex und nicht mehr nach der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst. Die Rente selbst wird jährlich entsprechend dem Verbraucherpreisindex angepasst und nicht mehr nach der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung. Von 1993 bis 1996 haben die Sozialpartner Vereinbarungen über die obligatorischen Ergänzungssysteme geschlossen. Diese sehen einen begrenzten Anstieg der Beiträge und eine Senkung des Rentenniveaus gegenüber den Gehältern vor. Diese beiden Reformen hatten einen großen Einfluss auf das Rentenniveau und werden ihn auch weiterhin haben. Zwar steigt die Kaufkraft der Renten (vor Sozialabgaben) aufgrund des Renteneintritts von Generationen mit höheren Gehältern weiterhin, doch dieser Anstieg verlangsamt sich deutlich. Im Übrigen haben die Sozialpartner im Jahr 2001 die Maßnahmen mit konkreten Auswirkungen auf das Rentenniveau abgemildert. Angesichts des schwachen Arbeitsmarkts bleiben die Auswirkungen einer verlängerten Mindestbeitragsdauer jedoch begrenzt. Diese ersten Reformen haben die Besorgnisse nicht beseitigt (die Ziele für das Rentenniveau sind nicht klar, und das Gleichgewicht für die Zeit nach 2010 ist noch nicht erreicht). Die Reformen stellen jedoch einen wichtigen Wendepunkt in der Entwicklung der Rentensysteme dar. Auf dem Weg zu neuen Reformen

6 Der Charpin-Bericht. Im Mai 1998 beauftragte der Premierminister den Kommissar für den Wirtschaftsplan, Jean-Michel Charpin, einen ersten Bericht über den Zustand der Rentensysteme vorzubereiten. 1999 legte dieser nach Abstimmung mit den Sozialpartnern, aber ohne einen Konsens mit ihnen gefunden zu haben, dem Premierminister einen umfangreichen Bericht vor, in dem mehrere Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt wurden und vor allem eine Verlängerung der Mindestbeitragsdauer auf 42,5 Jahre vorgeschlagen wurde. Ein Reservefonds für die Renten wurde 1999 geschaffen mit dem Ziel, einen Kapitalstock zu schaffen, um die Zukunft des französischen Rentensystems durch Umverteilung zu sichern. Es ist vorgesehen, ihn bis 2020 mit rund 4,5 Milliarden Euro pro Jahr auszustatten. Seine Mittel werden sich also bis dahin auf mehr als 152 Milliarden Euro belaufen. Er wird dann Zahlungen an die Rentensysteme leisten, um ihr Gleichgewicht sicherzustellen, die mit dem demographischen Prozess verbundenen Belastungen abzuschwächen und eine bessere Umverteilung der Belastungen zwischen den Generationen zu ermöglichen. Die Schaffung des Orientierungsrats für die Renten kennzeichnet eine Weiterentwicklung in der Art der Vorbereitung der Reformen. Der Rat wurde per Verordnung vom 10. Mai 2000 als ständige Struktur für Gutachten und Abstimmung geschaffen. Ihm gehören Abgeordnete, Sozialpartner, der öffentliche wie der private Sektor, Vertreter des Staates, Experten und Vertreter der Familienverbände sowie Rentner und ältere Menschen an. Der Rat kommt jeden Monat zusammen. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Entwicklungen der Altersversicherungssysteme regelmäßig zu beobachten und unter Berücksichtigung der ihr obliegenden Vorausberechnung der Ausgaben Beurteilungen, Reformvorschläge oder Empfehlungen zu unterbreiten. Mindestens alle zwei Jahre wird dem Premierminister ein Gesamtbericht vorgelegt. Der Rat hat seinen ersten Bericht am 6. Dezember 2001 2 nach etwas mehr als einem Jahr der Abstimmung vorgelegt. Er hat keine schlüsselfertigen Reformen vorgeschlagen, jedoch Beurteilungen erarbeitet und Entscheidungen vorbereitet, die bei den Verhandlungen oder in Zukunft zu treffen sind. Nach Darstellung der derzeitigen Lage und Analyse der künftig zu berücksichtigenden Elemente schlägt der Bericht hauptsächlich drei Richtungen vor: Erneuerung des Generationenvertrags, auf dem das Rentensystem begründet ist; Festlegung eines Ziels betreffend die Rentenhöhe, damit den Sorgen der Franzosen entsprochen wird; und Festsetzung einer großen Beschäftigungspolitik für die über 50jährigen. Dann stellt er deutlich dar, welche finanziellen Entscheidungen zu treffen sind (Umverteilung der bestehenden Finanzierungen, Erhöhung der Beiträge, Erweiterung der Finanzierungsgrundlagen, Verlängerung der Beitragsdauer usw.) und macht zusätzliche Vorschläge. Es muss hervorgehoben werden, dass die Finanzbedarfsanalyse und die drei vorgeschlagenen Leitlinien einstimmig erfolgt sind. Natürlich werden die Verhandlungen, die den Reformen vorausgehen, schwierig sein. Der Rat setzt seine Arbeit fort und wird neue Fragen und die Erstellung regelmäßiger Finanzhochrechnungen vertiefen. Der Wille, das Umverteilungssystem zu bewahren, wird bekräftigt. Unter Berücksichtigung der Perspektiven des französischen Rentensystems und der Notwendigkeit neuer Reformen hat die seit Mai 2002 amtierende Regierung ihren Willen bekräftigt, die Zukunft des Rentensystems durch Umverteilung zu sichern. Dieser Wille gründet sich auf zwei Feststellungen, über die in Frankreich weitgehend Konsens herrscht: Das Prinzip der Umverteilung ist die Grundlage der Solidarität zwischen den Generationen sowie der Solidarität zwischen den Mitgliedern ein und der selben Generation; die Umverteilungssysteme haben erlaubt, den Rentnern einen guten Lebensstandard zu sichern. Das Vorgehen der Regierung, das in der Regierungserklärung des Premierministers vom 3. Juli 2002 dargelegt wird, beruht auf mehreren Grundsätzen: mehr Gleichheit unter den Franzosen unter Berücksichtigung der Vielfalt und Identität der

7 öffentlichen und privaten Systeme, die jeweils gesondert behandelt werden müssen; mehr Entscheidungsfreiheit, ohne jedoch das Rentenalter von 60 Jahren in Frage zu stellen; mehr Möglichkeiten, die Berufstätigkeit zu verlängern; Steueranreize für Sparpläne zur Ergänzung der Rente. Die Regierung hat auch die Wichtigkeit der Abstimmung und der Verhandlung bei der Erarbeitung von Maßnahmen unterstrichen. Mit der Vorbereitung der Reform müsste gleich im Herbst 2002 begonnen werden, aber 2003 dürfte das bedeutende Jahr für die geplanten Reformen sein. Die Franzosen besitzen heute ein Rentensystem, das ihnen ein gutes Rentenniveau garantiert. Die Debatte über die nach den Reformen der 90er Jahre und der Schaffung des Reservefonds einzuleitenden Reformen ist weitgehend eingeläutet, und mehrere politische Maßnahmen (Arbeitsmarktpolitik, Transfer und Anhebung der Beiträge, Harmonisierung und eventuell Anhebung der Mindestbeitragszeit) werden ins Auge gefasst. Um den Besorgnissen der Franzosen zu begegnen, die Entscheidungen über das Rentenniveau erwarten und die Maßnahmen fürchten, die zur Wiederherstellung des Gleichgewichts der Rentensysteme erforderlich sind, muss die Diskussion noch weiter voranschreiten. Diese bezieht sich auf wichtige Fragen: Welches Rentenniveau muss gesichert werden? Welche politischen Maßnahmen sind erforderlich, um das Gleichgewicht herzustellen? Müssen Maßnahmen ergriffen werden, um eine größere Gleichheit zwischen den Beitragszahlern der verschiedenen Systeme sicherzustellen? Es wird auch die Frage gestellt, ob den Pensionsfonds eine größere Bedeutung beizumessen ist. Viele wünschen, dass diese Diskussion auf jeden Fall zu einem klaren Entwurf hinsichtlich des Rentenniveaus und der Art der vorgesehenen Maßnahmen führt und dass die Reformen schrittweise eingeführt werden. Für diesen Artikel zeichnet nur der Verfasser verantwortlich. Weitere Informationen www.espaceretraite.tm.fr - Informationsseiten der Altersversicherungskasse und mehrerer anderer Einrichtungen www.ladocumentationfrancaise.fr - Sie erreichen den Rentenbericht über die Rubrik "Bibliothèque des rapports publics" (BRP); hier geben Sie bitte "retraites" ein. *Yannick Moreau, Conseiller d Etat, ist Vorsitzender des Orientierungsrats für die Renten 1 Für die nicht in der Landwirtschaft Beschäftigten 2 "Renten: Erneuerung des Generationenvertrags. Leitlinien und Debatten", La Documentation française, Paris, 2002