Stefan F. Hossfeld S A V Betriebsverfassungsrecht

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I Gestaltungsformen zur Zusammenfassung und Umsetzung von erarbeiteten Ergebnissen in die Praxis der Betriebspartner Man unterscheidet 2 grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten, derer sich die Betriebspartner bedienen können. I) die Betriebsvereinbarung II) die Regelungsabrede I) Die Betriebsvereinbarung - 77 Abs.2 BetrVG 77 BetrVG Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen (1) (2) (3) (4) 1 Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. 2 Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen. 1 Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. 2 Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. 3 Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen. 1 Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. 2 Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. 1 Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. 2 Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. 3 Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. 4 Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen. (5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. (6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. 1.) Begriff, Rechtscharakter und Wirkungen Bei der Betriebsvereinbarung handelt es sich um einen Vertrag, der schriftlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Festsetzung von Rechtsnormen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen abgeschlossen wird. Diese Definition geht auf Nipperdey zurück. SAV_2007 1 von 11

77 Abs.4 S.1 BetrVG legt fest, dass Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend gelten. Gemeint ist damit die normative Wirkung ähnlich 4 Abs.1 S.1 TVG. Die Betriebsvereinbarung stellt ein Mittel dar, für alle Betriebsangehörigen mit normativer Wirkung einheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Gemeint ist damit, dass normative Teile in Betriebsvereinbarungen ohne Umweg direkt in die einzelnen Arbeitsverträge wirken, diese ergänzen oder abändern sogar ohne Wissen und Wollen der betroffenen Arbeitnehmer. Bsp.: Werden in einer Betriebsvereinbarung die Pausenzeiten von bislang 12:30 Uhr 13:00 Uhr nunmehr auf 12:00 Uhr 12:30Uhr vorverlegt ( 87 Abs.1 Nr.2 BetrVG), so gilt dies für alle Arbeitnehmer im Betrieb verbindlich ohne jegliche Ergänzung ihrer Arbeitsverträge. Gleiches gilt auch etwa für die Einführung von Betriebsurlaub immer für 2 Wochen in Sommer-Schulferien ( 87 Abs.1 Nr.5 BetrVG). Unabdingbarkeit wie auch Verwirkungsfreiheit der durch eine Betriebsvereinbarung individuell eingeräumten Rechte ist in 77 Abs.4 S.2 u. 3 BetrVG festgeschrieben. Dies sichert den einzelnen Arbeitnehmer vor Verlust seiner erworbenen Rechte. Lediglich das Betriebsratsgremium kann ähnlich wie bei Tarifverträgen (Zustimmung der tarifschließenden Partei) eine Abweichung zulassen. Günstigere Einzelvereinbarungen sind aber aus dem Prinzip, dass die arbeitsrechtlichen Bestimmungen in erster Linie dem Arbeitnehmerschutzgedanken entspringen, durchaus zulässig. 2.) Zustandekommen Es gibt 2 Möglichkeiten des Zustandekommens einer Betriebsvereinbarung : SAV_2007 2 von 11

(1) Vertragsabschluss zwischen den Betriebspartnern (2) Spruch einer Einigungsstelle 77 Abs.2 S.1 u.2 BetrVG verlangt zur Wirksamkeit die Einhaltung der Schriftform. Die Betriebsvereinbarung er auf muss auf derselben Urkunde von den Parteien unterzeichnet werden (vgl. 126 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ein Austausch nur wechselseitig unterschriebener Urkunden ( 126 Abs. 2 Satz 2 BGB) genügt nicht. Ist die Betriebsvereinbarung jedoch Ausfluss eines Einigungsstellen-verfahrens, so ist im Falle des Beschlusses der Einigungsstelle dieser schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben (vgl. 76 Abs. 3 Satz 3 BetrVG). 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verlangt zwar, dass die Betriebsvereinbarung an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen ist. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Ordnungsvorschrift, deren Nichtbeachtung die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung nicht beeinträchtigt. 3.) Geltungsbereich Räumlich erstreckt sich der Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung zunächst nur für den Betrieb, für den sie abgeschlossen wurde. Haben etwa Gesamtbetriebsräte oder der Konzernbetriebsrat im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Betriebsvereinbarungen abgeschlossen, entfalten diese auch Wirkung für die hierin bestimmten Betriebe oder aber für alle Betriebe des Unternehmens oder Konzerns. Persönlich werden alle Arbeitnehmer, die nicht zu den in 5 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG genannten Personengruppen zählen (namentlich: leitende Angestellte), erfasst. Dies gilt auch für später hinzutretende Arbeitnehmer. SAV_2007 3 von 11

4.) Inhalt im Allgemeinen Es ist keine exakte Vorgabe im Gesetz enthalten über Inhalte von Betriebsvereinbarungen. Lediglich in 77 Abs.3 BetrVG wird ein Tarifvorrang für Arbeitsentgelte und Arbeitsbedingungen ebenso kodifiziert wie in 87 Abs.1 BetrVG. In letzterem Fall kommt noch der Hinweis auf den Gesetzesvorrang hinzu. Betriebsvereinbarungen sind nicht zulässig : (1) über Arbeitsentgelte im Geltungsbereich eines Tarifvertrages (2) über Arbeitsbedingungen im Geltungsbereich eines Tarifvertrages (3) über die in den Nrn. 1 13 bei 87 Abs.1 BetrVG aufgeführten Themata, sofern eine gesetzliche Regelung oder tarifliche Regelung hierüber bereits abschließend besteht Öffnungsklauseln in Tarifverträgen oder privatdispositive gesetzliche Normen können in diesen Fällen doch zur Zulässigkeit des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung führen. Ferner ist zu unterscheiden zwischen : (1) Betriebsvereinbarungen, die sich auf gesetzliche Vorgaben nach dem BetrVG beziehen (z.b. 95 Abs.1 BetrVG Auswahlrichtlinien; 87 Abs.1 Nr. 3 vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit) und (2) freiwilligen Betriebsvereinbarungen, deren Regelungsfeld deutlich weitergehen kann - 88 BetrVG SAV_2007 4 von 11

Generell können in Betriebsvereinbarungen enthalten sein : (1) Inhaltsnormen Gemeint sind damit Normen über Inhalt und auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (z.b. Vorruhestandsregelungen, Altersteilzeitbestimmungen - 3 Abs.1 Nr. 1 ATG) (2) Betriebsnormen Hierunter versteht man Regelungen der betrieblichen Ordnung (z.b. Rauchverbot in der Kantine; Zulassung einer ausgewiesenen Parkfläche für die Fahrzeuge der Belegschaft) (3) Abschlussnormen Paradebeispiel ist hier die Vereinbarung von Auswahlrichtlinien gem. 95 Abs.1 BetrVG. (4) rein schuldrechtliche Regelungen Betriebsvereinbarungen beinhalten auch Regelungen, die ohne direkte Drittwirkung auf die Belegschaft nur im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Unternehmen Wirkung entfalten. So hat der Betriebsrat einen Anspruch auf Durchführung der Betriebsvereinbarung - 77 Abs.1 S.1 BetrVG. Auch kann eine solche schuldrechtliche Verpflichtung darin bestehen, nur Arbeitsverträge mit einer bestimmten Wochenarbeitszeit abzuschließen. Rückwirkende Betriebsvereinbarungen sind in dem Umfang begrenzt zulässig, als hierdurch nicht im Nachhinein belastend in Arbeitsverhältnisses eingegriffen werden darf. SAV_2007 5 von 11

Aufgrund der Bestimmung des 613a BGB führt ein Inhaberwechsel nicht zur vorzeitigen Beendigung der Wirkung einer Betriebsvereinbarung. 5.) Mängel der Betriebsvereinbarung Beim Abschluss können bereits Mängel vorliegen, die zur Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung führen : (1) fehlende Schriftform (Verstoß gegen 77 Abs.2 S.1 BetrVG) (2) Willensmängel der Betriebspartner (3) fehlerhafte Beschlussfassung des Betriebsrates (4) festgestellte Nichtigkeit einer Betriebsratswahl entzieht dem Betriebsrat das Mandat (5) Abschluss mit Überschreitung des räumlichen und persönlichen Bereichs des Betriebes Konsequenzen der Nichtigkeit (1) keine Wirksamkeit auf kollektivrechtlicher Ebene (etwa keine verbindliche Umsetzung der neuen Pausenregelung) (2) bei Teilnichtigkeit über 139 BGB Geltung der übrigen Regelungen in der Betriebsvereinbarung (3) keine Ansprüche der Belegschaft auf Leistungen aus einer nichtigen Betriebsvereinbarung, wenn der Arbeitgeber in Unkenntnis der Nichtigkeit Leistungen erbringt (4) Anspruch der Belegschaft auf Leistungen aus einer nichtigen Betriebsvereinbarung (Gleichbehandlung, betriebl. Übung), wenn der SAV_2007 6 von 11

Arbeitgeber trotz Kenntnis von der Nichtigkeit bislang die Betriebsvereinbarung durchgeführt hat 6.) Geltungsdauer und Nachwirkung Die Geltung von Betriebsvereinbarungen endet in 4 Fällen : (1) mit Ablauf der in der Betriebsvereinbarung festgelegten Zeit (2) durch (formlos) möglichen Aufhebungsvertrag (3) durch ablösende Neuregelung in einer jüngeren Betriebsvereinbarung (4) durch Kündigung - 77 Abs.5 BetrVG (Regelfrist: 3 Monate, falls nichts anderes vereinbart wurde) Hinsichtlich der Nachwirkung unterscheiden sich Betriebsvereinbarungen, die nach den im Gesetz vorgesehenen Fällen abgeschlossen wurden von den freiwlligen Betriebsvereinbarungen. (1) 77 Abs.6 BetrVG: In Fällen, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung der Betriebspartner ersetzt, gelten Betriebsvereinbarungen solange weiter, bis sie durch eine neue Betriebsvereinbarung abgelöst werden (Anm.: Dies neue Betriebsvereinbarung kann aber auch nur darin bestehen, dass ein 0 -Leistung festgeschrieben wird). Bsp.: Wird eine Betriebsvereinbarung über den regelmäßigen Beginn der Arbeitszeit um 07:00 Uhr ( 87 Abs.1 Nr.2 BetrVG) aufgekündigt, gilt dieser Arbeitsbeginn für die Belegschaft solange, bis in einer neuen Betriebsvereinbarung eine andere Uhrzeit festgelegt worden ist. Eine SAV_2007 7 von 11

Abmahnung wegen Nichteinhaltung der alten Beginnzeit wäre also unwirksam. (2) freiwillige Betriebsvereinbarungen Betriebsvereinbarungen aus dem Bereich der freiwilligen Mitbestimmung kommt keine Nachwirkung zu im Unterschied zu denjenigen aus dem Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung. Bsp. : Mit Ablauf der Kündigungsfrist endet die Wirkung einer ordentlich gekündigten Betriebsvereinbarung über die Gewährung eines übertariflichen Urlaubsgeldes. Eine solche Nachwirkung kann aber vereinbart werden (vgl. FITTING / ENGELS / SCHMIDT / TREBINGER / LINSENMAIER, Komm. Zum BetrVG, 23. Aufl. München 2006, Rn 187 zu 77 BetrVG; BAG 28. 4. 1998 AP BetrVG 1972 77 Nachwirkung Nr. 11 ; KANIA in ERFURTER KOMMENTAR ZUM ARBEITSRECHT, 7. Aufl. München 2007, Rn 109 zu 77 BetrVG). II Die Regelungsabrede 1.) Begriff Unter Regelungsabrede versteht man eine Verständigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, die nicht den Regularien einer Betriebsvereinbarung unterworfen ist. Sie wird auch als Betriebsabsprache oder betriebliche Einigung bezeichnet. 2.) Zustandekommen SAV_2007 8 von 11

Es handelt sich auch bei der Regelungsabrede um einen Vertrag, der nach allgemeinen schuldrechtlichen Regeln zustande kommt. Die Regelungsabrede unterliegt allerdings keiner Form. Sie kann damit also auch durch konkludentes Verhalten zum Leben erweckt werden. Voraussetzung ist aber wie bei der Betriebsvereinbarung auch, dass ein zustimmender Beschluss des Betriebsrates vorliegt. 3.) Anwendungsbereich Es gibt einen weiten Anwendungsbereich, wobei nur vorausgesetzt wird, dass der Gegenstand in den funktionalen Zuständigkeitsbereich des Betriebsratsgremiums fällt. Zu denken ist u.a. an : (1) nähere Absprachen über Kosten und Sachaufwand des Betriebsrates (2) Festlegung von Ort und Zeit abzuhaltender Sprechstunden (3) Vereinbarung von Betriebsversammlungsfrequenzen (4) Ablauf der Behandlung von Beschwerden (5) menschengerechte Gestaltung der Arbeit nach 90 BetrVG / Ausgleichsmaßnahmen nach 91 BetrVG (6) Maßnahmen zugunsten beosnderer Gruppen von Arbeitnehmern (z.b. Schwerbehinderte, ältere Arbeitnehmer, ausländische Belegschaftsmitglieder) SAV_2007 9 von 11

(7) Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Betriebspartnern (z.b. Festlegung von Regularien zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen für Betriebsratsmitglieder) (8) bei Unzulässigkeit des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung (z.b. nähere Abreden über Arbeitsentgelte oder Arbeitsbedingungen) (9) auch dort möglich, wo eine Betriebsvereinbarung an sich zulässig wäre (z.b. Urlaubsregelung für einen Einzelfall - 87 Abs.1 Nr. 5 BetrVG) 4.) Geltungsbereich / rechtliche Wirkung Der Geltungsbereich deckt sich mit dem räumlichen, persönlichen und funktionalen Zuständigkeitsbereich des Betriebsrates. Im Gegensatz zur Betriebsverinbarung kommt jedoch der Regelungsabrede keine Normwirkung zu. Zur Einbeziehung in die Einzelarbeitsverhältnisse bedarf es ergänzender Vereinbarungen in den Arbeitsverträgen bzw. entsprechender Änderungskündigungen. Lediglich zwischen den Betriebspartnern besteht eine schuldrechtliche Verpflichtung, die Regelungsabrede einzuhalten. 5.) Geltungsdauer und Nachwirkung Es gibt mehrere Möglichkeiten der Beendigung der Geltung einer Regelungsabrede : (1) Zweckerreichung (z.b. bei Zustimmung zu einer personellen Maßnahme oder Verlegung der Arbeitszeit) (2) Zeitablauf, wenn eine bestimmte Laufzeit vereinbart wurde (3) Eintritt einer auflösenden Bedingung SAV_2007 10 von 11

(4) Aufhebungsvertrag (5) Ersetzung durch eine neue Regelung (6) Wegfall der Geschäftsgrundlage (7) Kündigung (8) Ablösung durch eine Betriebsvereinbarung Eine Nachwirkung kommt einer Regelungsabrede grundsätzlich nicht zu. Wird jedoch eine Regelungsabrede in einer Angelegenheit der zwingenden Mitbestimmung gekündigt, so wird ihr in entsprechneder Anwendung des 77 Abs.6 BetrVG Nachwirkung zugebilligt ((vgl. FITTING / ENGELS / SCHMIDT / TREBINGER / LINSENMAIER, Komm. Zum BetrVG, 23. Aufl. München 2006, Rn 226 zu 77 BetrVG; BAG vom 23.06.1992 in AP Nr. 51 zu 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). SAV_2007 11 von 11