Suizidalität Definition => Oberbegriff für Suizidhandlungen und gefährdungen. Neigung zu Suizidhandlungen gibt sich mehr oder weniger in Suizidphantasien, konkreten Plänen und Vorbereitungen zu erkennen. Suizid => Handlung mit eindeutiger Absicht zur Selbsttötung Suizidversuch => alle lebensbedrohenden Handlungen, auch wenn sie abgebrochen werden erweiterter Suizid => unter Mitnahme anderer Suizidhandlung =>ist jeder Akt freiwilliger Selbstbeschädigung, bei welcher der Handelnde nicht sicher sein kann, zu überleben. Statistik => Suizid gehört zu den 10 häufigsten Todesarten in den europäischen Ländern und den USA (Suizide und versuche in der BRD 2007) Verhältnis Suizid : Suizidversuch = 1:10 20. In den letzten Jahrzehnten Zunahme von Suizidhandlungen, besonders in Gesellschaften mit starkem kulturellen Wertewandel, Suizide in Deutschland 2007 = 9242, davon Männer = 7009 und Frauen = 2233. Fast 76% der Suizide (75,83856) werden von Männern durchgeführt und knapp 24 % von Frauen. Faktoren für Suizidalität älterer Menschen 1. Gesellschaftliche Faktoren => nicht zur Last fallen wollen, Suizid älterer wird eher akzeptiert, Suiziddrohungen und versuche werden nicht so ernst genommen, nutzlose Rolle, Selbstwertverlust, Identitätsverlust, Vorurteil vom Abbau im Alter nichts hilft mehr 2. Individuelle Faktoren => Alte Menschen, die sich selber töten sind krank (Erwin Ringel, Psychiater aus den USA), 50% der Suizidkranken sind über 65 Jahre alt und depressiv HOPS, erhöhte Suizidalrate bei ehemals psychisch Kranken, vor allem Depressionen, Alkoholkrankheiten, Neurosen, schwere körperliche Erkrankung häufig eine Mitursache Suizid = Kränkung, Bedrohung des Selbstwertgefühls Suizid = Illusion einer Selbstbestimmung, der Betroffene flieht aus einer unerträglichen Situation, Wunsch nach Ruhe, Wärme und Erlösung
Ältere sind in ihrem Selbstwertgefühl verletzlich wenn sie: sich hilfllos oder minderwertig fühlen, zu hohe Ansprüche an sich selber stellen, ein strenges Gewissen haben, sich als Versager fühlen, die Realität falsch einschätzen, weil sie schlecht sehen, hören oder ein HOPS haben, mit Aggressionen nicht umgehen können und diese gegen sich selber richten, einen Liebesverlust nicht ertragen können, Verlust an körperlicher / sexueller Leistung, vor allem bei Männern, Mangel an religiöser Bindung, subjektive negative Bewertung von Ereignissen und Situationen. 3. soziale Faktoren => gestörte Beziehungen Familie, Partner, Kinder soziale Bindungen wirken dem Suizid entgegen-, soziale Konflikte, nicht arme begehen Suizid, sondern verarmte 4. psychologische Faktoren => wichtig sind nicht die lebensgeschichtlichen Faktoren, sonder die subjektive Bewertung Prozeßmodell nach Norbert Erlenmeier (Prof. Dr. phil. FH Münster) Suizid Motive => Konflikte mit Bezugspersonen werden als Verlust erlebt, Angst vor Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Einsamkeit präsuizidierendes Syndrom nach Erwin Ringel 1. Einengungen => der Lebensmüde sieht nur seine Situation, sieht keinen Ausweg, keine Alternative, schränkt seine Kontakte immer mehr ein, sieht alles wert- und sinnlos (für ihn lohnt es sich nicht mehr, zu leben) 2. Aggressionshemmung / -stau, => der Lebensmüde richtet seine Aggressionen gegen sich selbst, die Wut kann nicht nach außen gerichtet und angemessen ausgelebt werden, dies erkennt man zb. An anklagenden Abschiedsbriefen, gespannter Körperhaltung, Gereiztheit, Flucht in suizidale Phantasien und Katastrophenträume, die immer drängender werden. Risikogruppen für Suizid => psychisch Kranke, vor allem Depressive besonders in der Besserungsphase der Erkrankung (vor allem Frauen), Schziphrene (vor allem Männer) Psychisch Kranke suizidieren sich oft in der Klinik oder bei regulären Beurlaubungen, Ausgängen, die Rate ist 10 20x höher als der Durchschnitt, Alkoholkranke und andere Abhängige (Medis, Drogen), Menschennach vorausgegangenen suizidalen Handlungen, ca. 10% der Suizidanten suizidieren sich innerhalb von 10 Jahren nach dem Versuch, Suizidhandlungen in der Familie oder der Umgebung Äußerungen über konkrete Durchführung, Vorbereitungen, Selbstvernichtungs-, Sturz-, Katastrophenträume, ängstlich agitiertes Verhalten, Affekt- und Aggressionsstau, Schuldund Insuffizienzgefühle, Selbstvorwürfe Unheilbar chronisch Kranke, wenn Patienten die Befürchtung einer unheilbaren Krankheit haben, Krankheitswahn, Zerrüttete Familienverhältnisse in der Biographie, Verlust von Kontakten, Einsamkeitsgefühle, Verlust, fehlen von Aufgaben, finanzielle Sorgen.
Stadien der Entwicklung eines Suizid 1. Stadium => Erwägung, der Betroffene zieht einen Suizid in die Überlegung zur Problemlösung mit ein. Er wirkt aggressionsgehemmt und isoliert sich sozial 2. Stadium => Ambivalenz, der Betroffene ist unschlüssig, er steht einen inneren Kampf durch, in diesem Stadium werden Suiziddrohungen geäußert. Er wendet sich hilfesuchend an seine Umwelt. 3. Stadium => Entschluss, er ist entschlossen, sich umzubringen, erplant und bereitet die Tat konkret vor, es wird jedoch keine Absicht mehr geäußert, Ruhe vor dem Sturm, Suizidhandlung Erweiterter Suizid => der Suizidant nimmt in Kauf, das andere mit ihm sterben: Tötung durch das herbeiführen einer Gasexplosion im Mehrfamilienhaus, Tötung der Familie mittels Schuss- oder Stichwaffen, Tötung anderer durch Amoklauf, bis er selbst getötet wird. Suizidgründe => Demonstrationscharakter, politischer / religiöser Fanatismus, Bestrafung der Konfliktpartner, Aggressionen gegen sich selbst Vergessen von Sorgen, unlösbare Konflikte (Liebeskummer, Familienkonflikte), Drogenabhängigkeit / Alkoholismus (Suizid auf Raten), affektive, überschießende Reaktion Wunsch nach Gottesurteil, Aufkündigung aller Beziehungen, Erpressungsmotiv, Selbstwertrettung, Bilanzselbstmord, körperliche Krankheit Isolation / Einsamkeit, Wohnungssorgen, Hilflosigkeit, wirtschaftliche / berufliche Nöte, keine Zukunftserwartung angewendete Methoden => Medikamenteneinnahme (2/3 aller Versuche), erhängen, erschießen, Sturz in die Tiefe, Schnittverletzungen, und andere bei 20% aller Suizuidversuchen werden 2 oder mehr Methoden oder Medikamentenkombinationen eingesetzt besonders Suizidgefährdet sind Personen => die gerade einen Suizidversuch hinter sich gebracht haben und deren Situation sich nicht gebessert hat, die von Suizidgedanken oder wünschen bedrängt werden, die unter Depressionen leiden und deren Antrieb durch Medikamente gesteigert, aber deren Stimmung noch nicht gebessert ist. Psychotiker, die Bilanz ziehen, Neurotiker (vor allem Süchtige), alte menschen ( vor allem bei Partnerverlust, Pensionierung, Isolation Allgemein Menschen in Lebenskrisen, Männer über 50, die allein leben. Jede Suizidhandlung oder drohung sollte ernst genommen werden. Man sollte nicht versuchen, den Konflikt allein mit dem Betroffenen zu lösen, sondern sich Hilfe holen. In 80% wird der Suizid angekündigt, häufig Kurzschlussreaktionen: zwischen dem 1, Suizidgedanken und der Tat liegen weniger als 24 Stunden, in 50% der Fälle weniger als 2 Stunden Bilanzselbsttötung => selten, meist bei älteren Menschen, wird sorgfältig geplant und konsequent ausgeführt
Umgang mit Suizidanten 1. Krise beschreiben => was ist es, dass ihr Leben so aussichtslos macht, wie leben sie, haben sie die ganze Zeit gegen ihre Wut, Angst, Wünsche angekämpft Sind sie sicher, dass es so wie bisher nicht weitergeht, das nichts mehr möglich ist, dass sie nur noch Schluss machen können Was verstärkt die Krise, was nicht 2. Schuldzuschreibung => welche Teile ihrer Krise sind durch sie, welche durch andere bedingt 3. Erwartungen => wie empfinden sie es, wie die anderen auf ihren Zustand reagieren 4. Frühere Krisen => als es ihnen früher schon mal schlecht ging, wie kam das, wie haben sie herausgefunden, durch Andere, durch Selbsthilfe 5.Sinn => welche Bedeutung hat ihr jetziger Zustand für sie eigenes Empfinden 1. sich eigener Gefühle bewusst werden 2. schnelle Kontaktaufnahme => Gelegenheit zur Aussprache geben, möglichst dicht an der Wahrheit bleiben, Sinn der Selbsttötung erkennen Bedürfnisse des Suizidanten berücksichtigen, Bezugspersonen mobilisieren, Kränkungen klären, realistische Lösungen suchen 3.Was kann der / die pflegende machen => Beziehungen aufbauen, Gefühl des gebraucht werden geben, Möglichkeiten zur Konfliktlösung finden Informationen geben, wo Hilfe zu finden ist, erreichbar bleiben (während der Dienstzeit), Androhungen ernst nehmen, ärztliche Therapie bei Depressionen veranlassen 4. wonach Fragen => drängen sich Suizidgedanken auf, wie würde er es machen, hat er schon mit jemandem darüber gesprochen, unterdrückt er Wut, schränkt er Kontakte ein 5. Was sollte man nicht machen => Androhungen bagatellisieren, Ratschläge geben, erpressen lassen (wenn sie immer da währen ) Wut überbewerten, Suizidkontrakt, Ehrgeiz, allein zu helfen, Trennungsängste übersehen, sich zu ärgerlichen Reaktionen provozieren lassen, andere anschuldigen, übertrieben vorsichtig reagieren psychologische Hilfen im Notfall => Beziehung und offene Kommunikation aufbauen, Betroffenen an seine Identität erinnern, mit seinem Namen ansprechen, ihm helfen das Problem heraus zu finden, welches ihn in die krise gestürzt hat Hilfen bei der Lösung des Problems anbieten, Familie und Freunde des Suizidanten heranziehen, den Suizidanten daran erinnern, das andere sich um ihn sorgen Maßnahmen bei Suizidversuch => Vitalzeichenkontrolle, Gift entfernen (soweit möglich), symptomatische Therapie zur Lebenserhaltung, geeignete Gegenmittel falls möglich
Inspektion der umgebung, Abschiedsbrief, leere Medikamentenschachteln, Arzneimittekreste in Gläsern, Spritzen, Kontrolle Abfalleimer WC Küche (Achtung, bewusste Täuschung möglich) Befragung des Betroffenen oder Angehörigen => welche Erkrankungen, Welche Medikamente werden eingenommen, welche Medikamente sind im Haus, hat der Betroffene schwere Probleme, war / ist der Betroffene depressiv, ist der Betroffene in psychiatrischer Behandlung, hat er Suizidgedanken geäußert, wurde schon ein Suizidversuch unternommen Nachbetreuung nach Versuch => Wiedereingliederung, das Gefühl geben, angenommen und verstanden zu werden, ansprechen Stadien nach Versuch 1. Schock => stets verfügbar sein, zur Seite stehen 2. Reaktionsphase => Entlastung durch ansprechen der Gefühle 3. Bearbeitungsphase => den Anlass überdenken, ermutigen 4. Neuorientierung => helfen, einen neuen Lebensstil zu planen Katharsis Effekt => kurzes Stimmungshoch nach einem Suizidversuch Wiederholungsrisiko ist vor allem in den ersten 6 Monaten nach dem Versuch sehr hoch, auch danach noch höher als in der Durchschnittsbevölkerung Nachsorge => Gesprächstherapie, Sozialtherapie, Familientherapie, Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen bester Schutz: feste mitmenschliche Verankerung und Verpflichtungen. Besser als Kontrolle und Überängstlichkeit ist ein vertrauensvolles Klima