MAT746 Seminar über Euklidische Geometrie Philipp Becker

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Übersicht zur Vorlesung

Transkript:

MAT746 Seminar über Euklidische Geometrie Philipp Becker R

David Hilbert (1862-1943) Den Begriffen aus der Anschauungswelt fehlt die notwendige mathematische Exaktheit. Gebäude der Geometrie soll nicht mehr auf wackeligen Füssen stehen. Bestreben, die bislang v.a. auf Anschauung basierende und auf Euklid zurückgehende Geometrie möglichst rein axiomatisch zu begründen. Grundlagen der Geometrie (1899), veöffentlicht zur Feier der Enthüllung des Gauß-Weber-Denkmals in Göttingen. (1886)

Hilbert s Grundlagen der Geometrie (1899) (1932) Hilbert entwirft für die euklidische Geometrie ein vollständiges Axiomensystem und darauf aufbauend eine streng axiomatisch begründete Geometrie. Jede Geometrie, die dem Hilbert schen Axiomensystem genügt, ist bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt, nämlich isomorph zum reellen 3D-Vektorraum.

Hilbert s Grundlagen der Geometrie (1899)

Das Hilbert sche Axiomensystem Hilbert verwendet die drei Dinge Punkte, Geraden und Ebenen. Hilbert verwendet die drei Beziehungen liegen, zwischen und kongruent. kongruent wird als eine Beziehung zwischen Strecken und zwischen Winkeln definiert. (andere Bezeichnung: gleich oder gleich lang; )

Kongruenz von Segmenten: Wir formulieren die Axiome (C1) bis (C3) C1 Gegeben sei das Segment AB sowie ein Strahl r ausgehend vom Punkt C. Dann! D r sodass AB CD C2 Sei AB CD und AB EF. Dann gilt CD EF. Jedes Segment ist kongruent zu sich selbst. C3 Gegeben seien die Punkte A, B, C, D, E, F mit A*B*C und D*E*F. Falls AB DE und BC EF, dann gilt auch AC DF.

Vergleich der Hilbert schen Axiome mit Euklid s Aussagen C1 Gegeben sei das Segment AB sowie ein Strahl r ausgehend vom Punkt C. Dann! D r sodass AB CD C2 C3 Sei AB CD und AB EF. Dann gilt CD EF. Jedes Segment ist kongruent zu sich selbst. Gegeben seien die Punkte A, B, C, D, E, F mit A*B*C und D*E*F. Falls AB DE und BC EF, dann gilt auch AC DF. Das was demselben gleich ist, ist unter sich gleich. (Grundsatz 1 in Buch 1) Gleichem das Gleiche hinzugefügt ergibt Gleiches. (Grundsatz 2 in Buch 1)

Vergleich der Hilbert schen Axiome mit Euklid s Aussagen Euklid beweist seine Postulate durch Konstruktionen Hilbert dagegen geht von Existenzen aus: z.b. existieren gewisse Punkte (Axiom C1) bzw. Winkel (Axiom C4) Die Axiome (C1) bis (C3) sind nun unsere Werkzeuge, um Segmente zu verschieben etc. Wir verwenden sie, um die Propositionen zu beweisen.

Definition Summe von Segmenten Seien AB und CD Segmente. Sei E r (s. Abb.) sodass CD BE. (Die Existenz von E ist durch das Axiom (C1) gegeben.) Dann ist AE die Summe der Segmente AB und CD und wir schreiben AE := AB + CD

Proposition Kongruenz ist eine Äquivalenzrelation Kongruenz von Segmenten ist eine Äquivalenzrelation. reflexiv: Jedes Segment ist kongruent zu sich selbst Beweis: Axiom (C2). symmetrisch: zu zeigen: AB CD impliziert CD AB. Beweis: AB CD und AB AB (wegen Reflexivität) Dann folgt mit Axiom (C2) CD AB transitiv: zu zeigen: AB CD und CD EF impliziert AB EF. Beweis: CD AB (wegen Symmetrie) und CD EF Dann folgt mit Axiom (C2) AB EF Bemerke: Häufige Verwendung von Axiom (C2) als Werkzeug für den Beweis.

Proposition Summen kongruenter Segmente sind kongruent Gegeben seien die jeweils kongruenten Segmente AB A B und CD C D. Dann gilt AB + CD A B + C D Beweis: Tafel

Proposition Subtraktion von Segmenten In der folgenden Proposition interpretieren wird Euklid s Grundsatz: Gleichem das Gleiche weggenommen ergibt Gleiches Seien A, B, C Punkte, sodass A*B*C. Sei r ein Strahl, ausgehend von D, mit E und F auf r. Seien AB DE und AC DF. Dann liegt E zwischen D und F (d.h. D*E*F) und es gilt BC EF. BC ist die Differenz von AC und AB. Das Ganze ist grösser als ein Teil davon. (Euklid) d.h. aus A*B*C folgt, dass AB AC (es sei denn B=C). Wir müssen kleiner und grösser definieren.

Definition: kleiner und grösser Seien AB und CD (Linien-) Segmente. Dann definieren wir: AB < CD : E mit C*E*D sodass AB CE.

Proposition zu kleiner und grösser Die Definition kleiner/grösser ist kompatibel mit dem Kongruenz-Begriff: (a) Seien AB A B und CD C D. Dann gilt: AB < CD A B < C D (b) Die Relation < stellt eine Ordnungsrelation auf Kongruenzklassen dar: i. AB < CD, CD < EF AB < EF. ii. Seien AB, CD Segmente. Es gilt genau eine der folgenden Aussagen: AB < CD AB CD AB > CD Beweis zu (b) i.: Tafel

Anwendung: Kongruenz von Segmenten in der kartesischen Ebene Ziel: Wir wollen den Begriff Kongruenz mit Leben füllen Die kartesische Ebene im R 2 soll ein Modell für die Axiome (I1)-(I3), (B1)-(B4) und (C1)-(C3) sein. Definiere die Distanz zwischen zwei Punkten A=(a 1,a 2 ) und B=(b 1,b 2 ) durch (Euklidische Distanz / Metrik auf R 2 ) Es gilt d(a,b) 0 und d(a,b) = 0 A=B Wir interpretieren nun den Kongruenz-Begriff wie folgt: AB CD : d(a,b) = d(c,d)

Anwendung in der Ebene der reellen Zahlen Wir wollen die Axiome (C1)-(C3) überprüfen! Tafel

Anwendung in der Ebene der rationalen Zahlen Gelten die Axiome (C1) bis (C3) auch in der kartesischen Ebene der rationalen Zahlen 2? (C2) gilt (C3) gilt (C1) gilt jedoch i.a. nicht Gegenbeispiel an Tafel

Anwendung in der Taxi-Geometrie Wir definieren eine andere Distanzfunktion: à Die taxicab geometry (C1) Sei d(a,b) = δ und sei C=(c 1,c 2 ). Gesucht D auf dem Strahl mit Steigung m>0. D=(c 1 +h, c 2 +mh) d(c,d)= c 1 - (c 1 +h) + c 2 - (c 2 +mh) = h(1+m) == δ h = δ/(1+m) Die Koordinaten von D sind eindeutig: D = (c 1 + δ/(1+m), c 2 + mδ/(1+m))

Anwendung in der Taxi-Geometrie Wir definieren eine andere Distanzfunktion: à Die taxicab geometry (C2) Sei d(a,b) = δ AB CD d(a,b) = d(c,d) d(c,d) = δ AB EF d(a,b) = d(e,f) d(e,f) = δ d(c,d) = δ = d(e,f) CD EF

Anwendung in der Taxi-Geometrie Wir definieren eine andere Distanzfunktion: à Die taxicab geometry (C3) Wir zeigen, dass die taxicab-distanzfunktion additiv ist. Seien hierzu A, B und C Punkte auf der Linie mit der Gleichung y=mx+b A = (a 1, a 2 ) B = (a 1 +h, a 2 +mh) C = (a 1 +h+k, a 2 +m(h+k)) d * (A,B) = h(1+m) d * (B,C)= a 1 +h-a 1 -h-k + a 2 +mh-a 2 -mh-mk = -k + -mk = k(1+m) d * (A,C)= a 1 -a 1 -h-k + a 2 -a 2 -mh-mk = -(h+k) + -(mh+mk) = (h+k)(1+m) d * (AB) + d * (B,C) = d * (A,C)

Anwendungen mit unterschiedlichen Distanzfunktionen Frage: Wie sieht ein Kreis mit Mittelpunkt (0/0) und Radius 1 in dieser Taxi-Geometrie aus? mit der supremum-distanzfunktion aus? und mit dieser?, falls AB horizontal oder senkrecht, sonst

Kongruenz von Winkeln Winkel: Vereinigung von zwei Strahlen, die dem selben Punkt entspringen Strahlen liegen nicht auf der gleichen Linie 180 Winkel ist in diesem Sinne kein Winkel Einführung vom Begriff der Kongruenz von Winkeln, in Zeichen BAC EDF

Hilbert s Axiome zur Kongruenz von Winkeln C4 Gegeben sei der Winkel BAC und ein Strahl DF ausgehend D. Dann! Strahl DE ausgehend von D sodass BAC EDF C5 Gegeben seien drei Winkel α, β, γ mit α β und α γ. Dann gilt β γ. Jeder Winkel ist kongruent zu sich selbst. C6 (SAS) Gegeben seien 2 Dreiecke ABC u. DEF, wobei AB DE und AC DF und BAC EDF. Dann sind die beiden Dreiecke kongruent und es gilt: BC EF, ABC DEF, ACB DFE.

Vergleich von Hilbert und Euklid Hilbert betrachtet (C4) als Axiom: Aussage, dass ein solcher Winkel existiert. Euklid beweist dies durch eine Konstruktion mit Lineal und Winkelmesser (I.23) Hilbert hat realisiert, dass Euklid seinen Kongruenzsatz (SWS), zumindest seinen wesentlichen Inhalt, nicht beweisen kann (erstmals angedeutet von Peletarius, 1557). Er führt die Aussage deshalb als Axiom (C6) ein. Die Einführung von (C6) ist essentiell, da dieses Axiom unabhängig von den anderen Axiomen ist. Wie bei der Kongruenz von Linien-Segmenten werden wir auch hier die Axiome als Werkzeuge benutzen, um Propositionen zu beweisen.

Proposition: Kongruenz ist eine Äquivalenrelation Kongruenz von Winkeln ist eine Äquivalenzrelation. Beweis: Analog zum Beweis für Segmente unter Verwendung von Axiom (C5) statt (C2).

Zur Summe von Winkeln Die Summe von zwei Winkeln sollte wieder ein Winkel sein Sei BAC ein Winkel und der Strahl AD, ausgehend von A, liege im Innern dieses Winkels. Dann können wir sagen: BAC ist die Summe von DAC und BAD. Beginnend mit 2 gegebenen Winkeln kann es sein, dass die Summe kein Winkel in unserem Sinne mehr ist, z.b. wenn sie 180 = 2 rechte Winkel ist grösser als 180 ist (die 2 ursprünglichen Winkel sind nicht mehr im Innern des Summenwinkels) Im Folgenden werden wir sehen, wie wir mit Summen und Ungleichheiten umgehen.

Definitionen: Ergänzungswinkel, Scheitelwinkel, rechter Winkel Sei BAC ein Winkel und D ein Punkt auf der Linie AC (s. Abb.), dann ergänzen sich die Winkel BAC und BAD (Ergänzungswinkel) Als Scheitelwinkel bezeichnen wir zwei gegenüberliegende Winkel, wenn sich zwei Linien schneiden. Als rechten Winkel bezeichnen wir einen Winkel α, welcher kongruent zu einem seiner Ergänzungswinkel β ist.

Proposition zu Ergänzungswinkeln Seien BAC und BAD sowie B A C und B A D jeweils Ergänzungswinkel, wobei BAC B A C. Dann gilt: BAD B A D. Diese Proposition entspricht Euklid s (I.13): Winkel, die durch einen Strahl, der von einer Linie ausgeht, entstehen, sind entweder rechte Winkel oder gleich zwei rechten Winkeln.

Ein Korollar zu Scheitelwinkeln Scheitelwinkel sind kongruent. Beweis: Die beiden Scheitelwinkel α und α sind jeweils Ergänzungswinkel von β. Der Winkel β ist kongruent zu sich selbst. Wir haben zwei Paare von Ergänzungswinkeln: (α, β) und (α, β). Da β β, gilt gemäss vorheriger Proposition auch α α.

Proposition zur Addition von Winkeln Sei BAC ein Winkel und AD ein Strahl im Innern dieses Winkels. Sei D A C DAC und B A D BAD, wobei die Strahlen A B und A C nicht auf der gleichen Seite von A D liegen (s. Abb.). Dann beschreiben die Strahlen A B und A C einen Winkel B A C (die Summe!) und es gilt B A C BAC und A D ist ein Strahl im Innern von B A C. Kurz: Die Summen zueinander kongruenter Winkel sind kongruent.

Definition zur Ungleichheit von Winkeln Gegeben seien zwei Winkel BAC und EDF. Dann gilt: BAC < EDF : Strahl DG, ausgehend von D, im Innern von EDF, sodass BAC GDF

Ungleichheit: Ordnungsrelation auf Kongruenzklassen (a) (α α und β β ) (α < β α < β ) (b) Ungleichheit definiert eine Ordnungsrelation auf Kongruenzklassen von Winkeln, d.h. i. α < β und β < γ, dann gilt α < γ ii. Für zwei beliebige Winkel α, β gilt genau einer der folgenden Aussagen: α < β α β α > β Beweis: Analog zur analogen Proposition über Segmente.

Proposition zu rechten Winkeln Je zwei rechte Winkel sind zueinander kongruent. Beweis: Diese Aussage kann tatsächlich bewiesen werden und muss nicht - wie bei Euklid als Axiom vorausgesetzt werden.

Die Axiome (C4)-(C6) in der kartesischen Ebene im R 2 Die Axiome (C4) bis (C6) gelten in der kartesischen Ebene. Diese Aussage werden wir erst später zeigen und zwar sehr allgemein: Jede kartesische Ebene über einen geordneten Körper, welcher gewisse algebraische Anforderungen erfüllt, ist ein Modell für Hilbert s Axiome.

Die Kongruenz-Axiome für Winkel in der Taxi-Geometrie Wir nehmen die Betrags-Distanzfunktion: à Die taxicab geometry (C4) und (C5) gelten (Tafel) (C6) gilt jedoch i.a. nicht Gegenbeispiel: Wähle A=(0/0), B=(0.1/0.9), C=(1/0) D=(0/0), E=(0.4/0.5), F=(0.5/-0.5) Für ABC gilt: d(a,b)= 0-0.1 + 0-0.9 =1 und auch d(a,c)=1. tan(α)= 9-0 = 9 (m = 9 (A nach B) und m = 0 (A nach C)) 1+0.9 Für DEF gilt: d(d,e)= 0-0.4 + 0-0.5 =1 und auch d(d,f)=1. tan(α)= m -m 1+m m tan(γ)= 1.25-(-1) = 9 (m = 1.25 (D nach E) und m = -1 (D nach F)) 1+(1.25 (-1)) Voraussetzungen erfüllt, aber: d(b,c) = 1.8 1.1 = d(e,f) BC EF

Danke für eure Aufmerksamkeit!