Was macht eine Therapie so schwierig? Therapiemotivation und Gestaltung der therapeutischen Beziehung

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Workshop Essstörungen - Anorexia nervosa und Bulimia nervosa Klinikum Mutterhaus Trier, 04.09.2013 Was macht eine Therapie so schwierig? Therapiemotivation und Gestaltung der therapeutischen Beziehung

Allgemeine Aspekte der Beziehungsgestaltung Fundament der Behandlung schaffen: Klärung der Erwartungen klare, auch konfrontative Psychoedukation Definition klarer Regeln - kein Machtkampf Betroffene können nicht über Gefühle sprechen starres, arrogantes, distanziertes Verhalten als Folge chronischer Mangelernährung (vgl. Stice, 2002) Beachten des körperlichen und psychischen Entwicklungsstandes Einbindung der Familien und Wahrung der Loyalität zwischen Klientin und Eltern - Allparteilichkeit der Psychotherapeutin

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Was macht Therapie von Essgestörten schwierig? Essgestörte gelten als schwierige Klientinnen mit geringer Therapiemotivation! Konsens: Es handelt es sich um schwere psychische Störungen! Erfolgsprognosen von Therapie sind mäßig! Es gilt: Je früher die Betroffenen eine Behandlung erfahren, desto besser die Erfolgsaussichten. Je länger die Betroffenen im Kreislauf der Essstörung gefangen sind, desto schwerer sind sie zu erreichen.

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Erreichbarkeit und Therapiemotivation von Essgestörten Wie steht es um die Therapiemotivation von Essgestörten? Die Therapiemotivation ist das Ziel und nicht der Ausgangspunkt einer Behandlung; und zwar über die gesamte Behandlung hinweg.

Selbstwahrnehmung und Beziehungsgestaltung Prämissen zur Entstehung und Aufrechterhaltung des Selbstkonzepts: (1) das Selbstbild entwickelt sich aus den Beziehungs-/ Bindungserfahrungen mit wichtigen Bezugspersonen im Laufe des Lebens prägend sind hier die ersten Lebensjahre. (2) Es gibt sowohl ein Bedürfnis nach Erhöhung des Selbstkonzeptes als auch nach Schutz des bestehenden Selbstkonzeptes. D.h. Selbstwahrnehmungen werden in einem nicht bewussten Prozess - verteidigt, auch wenn sie negativ sind. Spezifika der Selbstwahrnehmungen von Essgestörten: Perfektionismus, Orientierung an den Erwartungen anderer, Selbsthass, Selbstvernachlässigung und Selbsttadel (vgl. Fairburn et al. (1999); Björck et al. (2003) Die therapeutische Beziehung sollte hierzu komplementär sein!

Ausgangssituation und Ziele einer komplementären Therapiebeziehung I Selbstwahrnehmung/Ausgangssituation Zwanghaftigkeit, Angst vor Veränderungen Ziele einer komplementären Therapiebeziehung Bereitschaft wecken für Flexibilität; Verständnis für Angst vor Neuem; Klärung der Ambivalenz bzgl. Erwartungen und Therapiezielen Perfektionismus, hohe Erwartungen an sich selbst Akzeptanz von Möglichkeiten und Grenzen, nicht an Leistung gebundene Zuwendung Starke Angst vor Kontrollverlust, extremes Kontrollbedürfnis Selbsthass, Selbsttadel, besonders in Hinblick auf den Körper Spielräume für autonome Entscheidungen schaffen Wertschätzung, Respekt für den eigenen Körper und die gesamte Person Ambivalente Bindung zu Bezugspersonen wenig Vertrauen, wenig Selbstöffnung wegen Angst vor negativer Bewertung Sichere, verlässliche Beziehung, Wertschätzung statt Bewertung

Ausgangssituation und Ziele einer komplementären Therapiebeziehung II Selbstwahrnehmung/Ausgangssituation Orientierung an Erwartungen anderer Ziele einer komplementären Therapiebeziehung Interesse an eigenständigen Merkmalen der Klientin autonome Anteile stärken Zentrierung auf Essen/Fasten als wichtigste Aspekte der eigenen Person Andere Ressourcen erschließen; Erweiterung von Spielräumen der Lebensgestaltung, Zurückgewinnen von Humor, Spontaneität, Lebensfreude, Genuss Zusammenfassend: Focus auf die gesamte Person die Essstörung ist nur ein Teil der Person, auf die sich die Betroffene selbst und das Umfeld reduziert.

Zusammenfassung und Fazit Psychotherapie ist das Verfahren der Wahl zur Behandlung von Essstörungen. Voraussetzung hierfür ist ein Minimalgewicht, Reines Ess-Management greift zu kurz. Therapieziel ist nicht Normalgewicht, sondern Mündigkeit gegenüber der Krankheit. Fazit: Psychotherapie mit essgestörten Klientinnen: erfordert einen langen Atem; erfordert die Kooperation zwischen ärztlichen und psychologischen Therapeuten stellt hohe Anforderungen an Psychotherapeuten, insbesondere in der Gestaltung der therapeutischen Beziehung