Erben und Vererben Die wesentlichen Änderungen durch das Erbrechtsänderungsgesetz 2015 16. Februar 2017
Ziele des Gesetzgebers ØSprachliche Modernisierung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem Jahr 1811. ØAnpassung an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts. ØAnpassung des österreichischen Erbrechtes an die EU- Erbrechtsverordnung 2015. 2
Inkrafttreten ØDas ErbRÄG 2015 ist mit 01.01.2017 in Kraft getreten, gilt somit für alle Todesfälle nach dem 31.12.2016. ØJene Teile, welche die Anpassung an die EU-ErbrechtsVO betreffen, gelten seit 17.08.2015 (Verfahrensvorschriften). 3
Änderungen im Überblick 1) Terminologie 2) Stärkung der Position der Ehegatten (EP) 3) Stärkung der Position der Lebensgefährten 4) Anrechnungsrecht 5) Stundungsmöglichkeit 6) Testament 7) Pflegevermächtnis 8) Schenkung auf den Todesfall 4
1) Terminologie alte Terminologie Noterbe Gemeine Substitution Fideikommissarische Substitution Legat, Legatar Erblasser Nachlass Kodizill neue Terminologie Pflichtteilsberechtigter Ersatzerbschaft Nacherbschaft Vermächtnis, Vermächtnisnehmer Verstorbener Verlassenschaft letztwillige Verfügung ohne Erbeinsetzung 5
2) Stärkung der Position der Ehegatten (EP) a) Entfall des gesetzlichen Erbrechtes von Geschwistern neben dem Ehegatten (EP) Ø Das gesetzliche Erbrecht von Ehegatten (EP) beträgt neben den Kindern weiterhin 1/3. Ø Hinterlässt der Verstorbene keine Kinder, erbt der Ehegatte (EP) neben den Eltern des Verstorbenen weiterhin 2/3. Ø Sind die Eltern des Verstorbenen bereits vorverstorben, so fällt deren Erbteil dem Ehegatten (EP) zu. 6
2) Stärkung der Position der Ehegatten (EP) b) Entfall des Pflichtteilsrechts in aufsteigender Linie Ø Das Pflichtteilsrecht der Eltern/Großeltern ist ersatzlos entfallen. Ø Damit sind nur mehr Ehegatten (EP) und Kinder des Verstorbenen pflichtteilsberechtigt. 7
3) Stärkung der Position der Lebensgefährten a) Außerordentliches Erbrecht Die Verlassenschaft fällt dem Lebensgefährten zur Gänze zu, wenn Ø Ø keine gesetzlichen Erben vorhanden sind, der Verstorbene nicht anderweitig letztwillig verfügt hat und Ø der Lebensgefährte mit dem Verstorbenen zumindest die letzten 3 Jahre vor dem Tod im gemeinsamen Haushalt gelebt hat (Ausnahme: erhebliche Gründe). 8
3) Stärkung der Position der Lebensgefährten Lebensgemeinschaft : Ø Keine Legaldefinition des Gesetzgebers. Ø Kriterien aus dem Mietrecht: Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft. 9
3) Stärkung der Position der Lebensgefährten b) Gesetzliches Vermächtnis Inhalt: Ø Recht in der gemeinsamen Wohnung weiter zu wohnen. Ø Recht auf die zum gemeinsamen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen (soweit zur Fortführung der bisherigen Lebensverhältnisse notwenig). Ø Endet 1 Jahr nach dem Tod des Verstorbenen. 10
3) Stärkung der Position der Lebensgefährten Voraussetzungen: Ø Der Lebensgefährte hat mit dem Verstorbenen zumindest die letzten 3 Jahre im gemeinsamen Haushalt gelebt. Ø Der Verstorbene war zum Zeitpunkt des Todes weder verheiratet noch in einer eingetragenen Partnerschaft. Achtung: Weiterhin kein Pflichtteilsanspruch von Lebensgefährten! 11
4) Anrechnungsrecht a) Neue Terminologie und Systematik Ø Hinzurechnung zur Verlassenschaft Ø Anrechnung auf den Erb- bzw. Pflichtteil 12
4) Anrechnungsrecht b) Anrechnung auf den Erbteil Ø Grundsätzlich erfolgt keine Anrechnung, außer der Verstorbene ordnet dies in einer letzwilligen Verfügung an oder die Anrechnung wurde mit dem Geschenknehmer vereinbart. Ø Bei Kindern erfolgt die Anrechnung nur auf Verlangen, außer der Verstorbene hat die Anrechnung durch letzwillige Verfügung erlassen oder der Erlass der Anrechnung wurde vereinbart oder das Stammvermögen des Verstorbenen wurde durch die Schenkung nicht geschmälert. 13
4) Anrechnungsrecht c) Anrechnung auf den Pflichtteil Grundsatz: Auf Verlangen eines Pflichtteilberechtigten sind Schenkungen bei der Verlassenschaft hinzuzurechnen und auf den Pflichtteil anzurechnen. Ausnahmen: Ø Ø Der Verstorbene hat das Gegenteil letztwillig verfügt. Der Verstorbene hat zu Lebzeiten Gegenteiliges mit dem Geschenknehmer vereinbart. 14
5) Stundungsmöglichkeit Ø Möglichkeit der Stundung des Pflichtteilsanspruches für die Dauer von 5 Jahren durch letzwillige Verfügung des Verstorbenen oder durch das Gericht, auf Verlangen der Pflichtteilsschuldner. Ø Der Zeitraum kann durch das Gericht auf maximal 10 Jahre verlängert werden. 15
6) Testament a) Neuerungen beim fremdhändigen Testament Ø Eigenhändiger Bekräftigungszusatz statt der bisherigen Nuncupatio (z.b. das ist mein letzter Wille ). Ø Gleichzeitige Anwesenheit von 3 fähigen Testamentszeugen. Ø Identität des Zeugen muss aus der Urkunde hervorgehen. 16
6) Testament b) Ausgeschlossene Testamentszeugen Ø Erbe oder Vermächtnisnehmer selbst, sowie dessen Ehegatte (EP), Lebensgefährte, Eltern, Kinder oder Geschwister. Ø Eltern, Kinder und Geschwister des Ehegatten (EP) oder Lebensgefährten des Erben oder Vermächtnisnehmers. Ø G e s e t z l i c h e Ve r t r e t e r, Vo r s o r g e b e v o l l m ä c h t i g t e, vertretungsbefugte Organe, Gesellschafter, Machthaber und Dienstnehmer bedachter Personen oder rechtsfähiger Gesellschaften. 17
6) Testament c) Aufhebung der letztwilligen Verfügung durch Verlust der Angehörigenstellung Ø Ø Ø Mit Auflösung der Ehe (EP) oder Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten werden betreffende davor errichtete letztwillige Verfügungen aufgehoben. Gilt auch bei Aufhebungen einer Abstammung oder Aufhebung/ Widerruf einer Annahme an Kindesstatt. Verstorbener kann ausdrücklich das Gegenteil anordnen. 18
6) Testament Ø Im Zweifel gilt dies auch dann, wenn ein gerichtliches Verfahren zur Auflösung der Ehe (EP) oder ein gerichtliches Verfahren zum Widerruf bzw. der Aufhebung einer Adoption oder ein gerichtliches Abstammungsverfahren zu Lebzeiten eingeleitet wurde. 19
6) Testament d) Neuerungen bei letztwilligen Anordnungen von Besachwalteten Ø Nunmehr keine Formbeschränkungen für letztwillige Verfügungen einer besachwalteten Person mehr. Ø Komplizierte Rechtslage bezüglich der Überprüfungspflicht des Notars. 20
7) Pflegevermächtnis Dem Verstorbenen nahestehende Personen haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf ein gesetzliches Geldvermächtnis. Tatbestand: Ø Eine nahestehende Person des Verstorbenen hat diesen in einem nicht bloß geringfügigen Ausmaß in den letzten 3 Jahren vor seinem Tod mindestens 6 Monate gepflegt und wurde weder eine Zuwendung gewährt noch ein Entgelt vereinbart. 21
7) Pflegevermächtnis a) Nahestehende Personen Ø Personen aus dem Kreis der gesetzlichen Erben sowie deren Ehegatte (EP), Lebensgefährte und Kinder Ø Lebensgefährte des Verstorbenen und dessen Kinder 22
7) Pflegevermächtnis b) Der geforderte Pflegeumfang Ø Die Pflege muss innerhalb der letzten 3 Jahre vor dem Ableben zumindest 6 Monate umfasst haben. Ø Die Pflege darf nicht bloß geringfügig gewesen sein. Durchschnittlich werden mehr als 20 Stunden pro Monat verlangt. 23
7) Pflegevermächtnis c) Die geforderte Qualität der Pflege Ø Pflege bedeutet jede Tätigkeit, die dazu dient, einer pflegebedürftigen Person soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern, sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. 24
7) Pflegevermächtnis d) Die Höhe des Anspruchs Ø Höhe richtet sich nach Art, Dauer und Umfang der Leistung Orientierung an der kollektivvertraglichen Abgeltung einer Pflegekraft bzw. Heimhilfe und Orientierung am verschafften Nutzen. 25
7) Pflegevermächtnis e) Die Verhinderung der Doppelhonorierung Ø Um eine Doppelhonorierung zu verhindern, entsteht der Anspruch in dem Ausmaß nicht, in dem ein Entgelt vereinbart oder eine Zuwendung gewährt wurde. Ø Unentgeltlichkeit darf nicht vereinbart worden sein. 26
7) Pflegevermächtnis f) Die Implementierung in das Verlassenschaftsverfahren Ø Ø Ø Der Gerichtskommissär muss versuchen, eine Einigung hinsichtlich des Pflegevermächtnisanspruches herzustellen, widrigenfalls der Anspruch im Prozessweg durchgesetzt werden muss. Der Anspruch aus dem Pflegevermächtnis geht anderen Vermächtnisansprüchen vor, Ansprüchen anderer Gläubiger aber nach. Der Verstorbene kann einseitig die Anrechnung auf den Erb-, nicht aber auf den Pflichtteil anordnen. 27
8) Schenkung auf den Todesfall Ø Gültig nur in Form eines Notariatsaktes. Ø Gilt als Schenkung unter Lebenden: Geschenkte Sache zählt zum Aktivvermögen der Verlassenschaft des Verstorbenen. Der Beschenkte hat einen Herausgabeanspruch gegen die Verlassenschaft. Der Beschenkte ist demnach Verlassenschaftsgläubiger. Der Beschenkte geht den Vermächtnisnehmern vor. 28
8) Schenkung auf den Todesfall Problem: Das freie Viertel : Ø Es darf nur über 3/4 des Vermögens verfügt werden, 1/4 muss frei bleiben (Verweis auf die Regelungen über den Erbvertrag). Ø Wahlrecht des Beschenkten bei Verletzung der Bestimmung: Ausgleichszahlung in die Verlassenschaft oder anteilige Freigabe des Schenkungsgegenstandes. 29
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