1 Einführung in die Welt des Neuromarketing Seit der Geburtsstunde der Betriebswirtschaftslehre im Jahre 1898 beschäftigt sich dieses Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaften mit der Beschreibung und Erklärung sowie der konkreten Unterstützung von Entscheidungsprozessen in Untemehmen. Dabei bedient sich die Betriebswirtschaftslehre seit jeher der Erkenntnisse aus Ökonomie, Philosophie, Soziologie sowie der Psychologie und seit kurzem immer häufiger auch aus den Erkenntnissen der Neurowissenschaften. Die daraus entstandene junge Disziplin der Neuroäkonomie im weiteren und des Neuromarketing im engeren Sinne erlebte innerhalb der vergangenen acht Jahre einen rasanten Aufwind, da klar wurde, dass die Neurowissenschaften wertvolle Konzepte und Techniken liefem können, die bei traditionellen, betriebswirtschaftlichen überlegungen und Entscheidungsfindungsprozessan bisher völlig außer Acht gelassen wurden. Dies gilt insbesondere für die Rolle menschlicher Emotionen und Stimmungen, denen die Neurowissenschaft empirisch mit Hilfe so genannter bildgebender Verfahren auf der Spur ist. Ziel des vorliegenden Buches ist es, dem interessierten Leser einen umfassenden Einblick in die noch relativ junge Disziplin des Neuromarketing - einer Teildisziplin der Neuroäkonomie - zu geben. Dazu werden die wichtigsten Erkenntnisse aus den Gebieten der Neurowissenschaften zusammen mit aktuellen Forschungsstudien des Neuromarketings um klassische, betriebswirtschaftliche Gedankengänge ergänzt. Ein besonderer Fokus soll dabei auf der Anwendung dieser Ergebnisse für das Markenmanagement liegen. In diesem Zusammenhang soll insbesondere gezeigt werden, dass der Konsument, beziehungsweise der Kunde, kein rational handelndes Subjekt ist, sondern innerhalb seines (Kauf-) Entscheidungsprozesses maßgeblich von impliziten, unbewussten Gedankengängen und Prozessen bestimmt wird und eine Entscheidung letztlich nicht rational, sondem immer (auch) emotional getroffen wird. Die Lektüre des Buches soll beim Leser nicht nur ein tieferes Verständnis für die Bedeutung und praktische Relevanz des Neuromarketing fördem, sondern ihn auch zur weiteren, eigenständigen Literaturrecherche motivieren. Femer sollen ihn die hier vorgestellten Konzepte dazu befähigen und motmeren, eigene kleine Untersuchungsreihen im Rahmen des Neuromarketing durchzuführen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen des Marketingmanagements praktisch anzuwenden. G. Raab et al., Neuromarketing, DOI 10.1007/978-3-8349-6723-7_1, Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
2 Einführung in die Welt des Neuromarketing Das Buch richtet sich demnach an alle, die sich für die Inhalte und Möglichkeiten des Neuromarketing interessieren: an den betriebswirtschaftlichen Praktiker im Unternehmen, den Marketingmanagar nationaler und internationaler Markenhersteller, den interessierten Neugierigen, den Studenten der Betriebswirtschaftslehre oder verwandter Disziplinen sowie an all diejenigen, die an Praxistipps für ihre Marketingund Vertriebsarbeit interessiert sind, Ihnen allen wird ein bisher einzigartiger Zugang zu dem ebenso brisanten wie auch komplexen Thema des Neuromarketing gegeben, Dabei erhebt dieses Buch den Anspruch, praxisrelevante Aussagen zur ökonomischen Anwendung neuronaler Erkenntnisse auf ein solides, neurowissenschaftliches Fundament zu stellen. Zunächst soll daher das Wesen des Neuromarketing näher betrachtet werden. Was versteht man unter dem Begriff des Neuromarketing überhaupt? Wie hat sich diese Disziplin entwickelt? Welche Möglichkeiten bietet sie? Was sind Vor- und Nachteile in der Anwendung? Und nicht zuletzt: Wo liegen die Grenzen? 1,1 Die Neurowissenschaft Die Neurowissenschaft (Englisch "neuroscience") ist eine komplexe, sehr junge interdisziplinäre Wissenschaftsdisziplin, die alle UntersUChungen über die Struktur und Funktion von Nervensystemen zusammenfasst und integrativ interpretiert (Lexikon der Neurowissenschaft, 2005). Sie repräsentiert die Verschmelzung zwischen verschiedenen biologischen, medizinischen und psychologischen Disziplinen, unter ihnen die Molekularbiologie, die Evolutionsbiologie, die Elektrophysiologie, die Neurophysiologie, die Anatomie, die Entwicklungsbiologie, die Zellularbiologie, die Neurologie, die kognitive Neuropsychologie, sowie die Psychologie (Kandel, 2000). Diese ursprünglich getrennt arbeitenden Disziplinen werden im Rahmen der Neurowissenschaft in ihren auf das Nervensystem bezogenen Untersuchungen interdisziplinär mit dem Ziel zusammengefasst, neuronale Funktionen auf allen Komplexitätsebenen zu verstehen (Lexikon der Neurowissenschaft, 2005). Im Groben lässt sich die Neurowissenschaft in drei Fragmente aufgliedern: die Neurobiologie, die Neurophysiologie sowie die Neuropsychologie. Untersuchungsgegenstände sind der Aufbau und die Funktionsweise des biologischen Nervensystems. Die rasante Entwicklung der Neurowissenschaft gerade in den letzten Jahren beruht nicht zuletzt auf einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen den genannten Disziplinen sowie ihrem Bemühen, unter Einbezug all ihrer Erkenntnisse zu einer ganz-
Einführung in die Welt des Neuromarketing 3 heitlichen Betrachtung über das Zusammenspiel und die Interaktion aller Teile des Organismus zu gelangen (Lexikon der Neurowissenschaft, 2005). Mit dem vereinten Wissen aus diesen Gebieten lässt sich bspw. das Entstehen von Gedanken und Gefühlen erklären und lokalisieren, was Voraussetzung zum Verständnis der Beziehung zwischen Gedanke und Handlung ist. Genauere Erkenntnisse über letztgenannten Zusammenhang fordern traditionelles Wissen, etwa aus der Entscheidungstheorie, nicht nur heraus sondern stellen diese teilweise auch kritisch in Frage (Loewenstein, 2003). Durch neue, so genannte bildgebende Verfahren, wurde die Neurowissenschafl in jüngerer Vergangenheit äußerst populär, da diese es erstmals ermöglichen, Gehimaktivitäten in Bezug auf Reizstimuli konkret zu lokalisieren und sichtbar zu machen (mehr dazu in Kapitel 111). Mit Hilfe dieser Techniken versucht die Neurowissenschafl herauszufinden, wie das Gehirn organisiert ist und im Einzelnen funktioniert, um eine Antwort auf die Frage zu finden:.was macht unser Gehirn eigentlich?". Die kognitive Neurowissenschaft wird als der Wissenschaftszweig der Neurowissenschaft bezeichnet, der die experimentellen Strategien der kognitiven Psychologie mit verschiedenen Techniken wie bildgebenden Verfahren nutzt, um zu erforschen, weiche kortikalen Prozesse den verschiedenen mentalen Aktivitäten (wie Gedächtnis, AufmerksamkaH und Sprache) zugrunde liegen (Lexikon der Neurowissenschaft, 2005). Während sich die Neurowissenschaftft also grundlegend mit den Strukturen, Funktionsweisen und der Entwicklung des Nervensystems befasst, zeigt die kognitive Neurowissenschaft, wie Verhalten und Nervensystem bei Menschen und bei Tieren zusammenarbeiten (Thompson, 2001; Pirouz, 2004). 1.2 Dia Nauroökonomia Die NeuI"DÖkonomie (Englisch "neuroeconomics") ist ein seit einigen Jahren immer häufiger verwendeter Sammelbegriff für eine Wissenschaft, bei der Ökonomen, Neurowissenschaftler und Psychologen ihre jeweiligen Erkenntnisse untereinander austauschen und diese zu verbinden versuchen. Im Rahmen der Neuroökonomie soll dabei die geisteswissenschaftliche Perspektive der Ökonomie mit der naturwissenschaftlichen Perspektive der Neurowissenschaft in Beziehung gesetzt werden (Kenning, 2004). Die Neuroökonomie nutzt die Möglichkeiten der Neurowissenschaft, um speziell Antworten auf die Frage zu erhalten, wie Menschen Entscheidungen treffen. Weiterhin versucht sie, neuronale Prozesse innerhalb unseres Gehims, die für die
4 Einführung in die Welt des Neuromarketing Wahl einer bestimmten Option bzw. für finale Entscheidungen verantwortlich sind, zu identifizieren und zu erklären (Pirouz, 2004). Damit einher geht auch die Intention, die vorhandene Kluft zwischen den äußerst starren, theoretisch-ökonomischen Denkmodellen des "homo oeconomicus" und dem lebendigen, tatsächlichen Handeln des "homo vivens" zu schließen. Das bedeutet, dass mit Hilfe neuer Techniken versucht wird, die Gedanken- und Gefühlswelt der Menschen zu erforschen und zu erklären, um sie dann in ökonomischen Modellen abbilden zu können bzw. ökonomisch nutzbar zu machen. Eine weitläufig bekannte Schwachstelle rein ökonomischer Betrachtungsweisen ist das Ausblenden eines schwer quantifizierbaren, aber höchst entscheidungsrelevanten Faktors, nämlich dem der Emotionen. Um deren Bedeutung innerhalb ökonomischer Handlungen zu vergegenwärtigen, stehen der Neurowissenschaft die bereits erwähnten bildgebenden Verfahren zur Verfügung. Mit ihnen konnte bspw. empirisch nachgewiesen werden, dass es einen Unterschied in der Entscheidungsfindung zwischen Menschen gibt, die Emotionen verwerten können und Menschen, deren Gehirn die Emotionen aufgrund der Beschädigung emotionaler Zentren nicht nutzen kann. Auf diesen Sachverhalt soll im vierten Kapitel dieses Buches näher eingegangen werden. Daneben soll dort gezeigt werden, dass Emotionen in Entscheidungsprozesse integriert sind und die klassische Ökonomie einen Fehler macht, wenn sie diesem Sachverhalt zu wenig Aufmerksamkeit schenkt oder ihn gar ignoriert. Sowohl die Neurowissenschaft als auch die Ökonomie profitieren von dem interdisziplinären Charakter der Neuroökonomie. Kann die Neurowissenschaft bereits vorhandene ökonomische Entscheidungsmodelle zur Erklärung neuronaler Vorgänge anwenden, so erhält die Ökonomie insbesondere durch die bildgebenden Verfahren verlässlichere Daten als bisherige Methoden wie bspw. die Befragung sie liefern, da "das Gehirn und nicht die Person befragt wird". Erkenntnisse aus kooperativen Experimenten sollen in Zukunft neue, ökonomisch relevante Gehirnmechanismen aufzeigen, die dann wiederum in bestehende ökonomische Modelle einfließen und diese korrigieren. Letztendlich können dadurch Abweichungen zwischen theoriegestütztökonomischem und realitätsbezogen..,molionalem Verhalten besser erklärt werden. 1.3 Das Nauromarkating Ein Teilgebiet der übergeordneten Neuroökonomie ist das Neuromarketing. Es bezeichnet eine ebenfalls sehr junge, interdisziplinäre Forschungsrichtung, die durch
Einführung in die Welt des Neuromllfketing Induktives Vorgehen Erkenntnisse und Verfahren aus den Neurowlsaenschaften, der Kognitionswissenschaft und der Marktforschung vor dem Hintergrund marketingrel& vantbr Themen intbgriert und vartmüpfl:. DiBBe Multidisziplinarität wird in Abbildung 1 dargestellt. Es wird deutlich, dass Im Neuromar1<etlng Erkenntnlue und Vorgehen& weisen unterschiedlichster WissenschaftsausrichbJngen miteinander verbunden werden, um umfassende Ergabnissa zu erzielen. Dabei spialbn, naben nabjrwissenschaft1ich or1en1lerten Disziplinen, auch sozial-geselischaflilch und ökonomisch ausgerichtete Forschungsfelder eine Rolle. P5ychoph ysl~ KOn 5t1I~h, Inhliligenz Ma'kottlng Hlmfo, s~ hung Neuromarketing Enlwl~klun gspsychologie Ku~u,_ wlssllnschaft Abbildung 1: NlU'Omar10tlng Im Spannunglfeld dlll' WlAIII'lllChaflen (SeheI.., 2008, S. 22) Im Zentrum der ebenfalls noch recht Jungen InterdIszIplinIren Kognltlonswlssenschaften steht die Erforschung kognitiver Fähigkeiten wie Denkprozesse, Wahrnehmung, Motorik, Spracha und Lernen. Sie vereint Disziplinen wie Psychologie, Informatik (darunter fäll auch Künstliche Intelligenz, d.h. Erforschung der Funktion neuronaler Netzwerke), Phil06ophie, Unguistik und KulbJrwissenschaflen. Forschungsgegenstand Ist somit die UntersUchung von Lernprozessen, die Im Rahmen kulturell-
6 Einführung in die Welt des Neuromarketing gesellschaftlicher Gegebenheiten eine Rolle spielen. (Zimmermann, 2006; Scheier & Held. 2006; Ahlert & Kenning. 2006). 11 Neuroakonomle I I Neuromarketinal I r--+ I Ökonomie Kognitionswissenschaften Neurowissenschaften L-- I V,Ik..,,,,,,,"""" ~ P~!tl;hQI2Si!: I I Neurobiolosie I I BetriebswirtschaftSlehre! Informatik Spezielle Betriebswirtschaftslehre I Marketing 1- Lingustik 1 1 Vertrieb 1- Kulturwissens<:haft I istik I Produkion 1 I I Neuropsychologie I Phi losophie I Neurologie ' weitere Untergruppen möglich Abbildung 2: Vereinfachter Aufbau dar Neur06konomieldes Neummarketing Bislang fällt es schwer, eine genaue Definition für das Neuromarketing zu finden. Im Allgemeinen kann diese Disziplin als die Anwendung der Erkenntnisse der Neurowissenschaft auf das traditionelle Marketing verstanden werden. Dies geschieht unter dem Einnuss neuer Techniken, bspw. bildgebender Verfahren, die in diesem Zusammenhang versuchen, die Reizwirkung von Produktspezifikationen, Verpackung, Werbung und anderer Marketingelemente innerhalb des Gehirns zu messen. Laut Kenning definiert sich Neuroäkonomie als.. the application cf neuroscientific methods to analyze and understand economically relevant behaviour" (Kenning et al., 2005). Demnach wendet das Neuromarketing neurowissenschafhiche Methoden an, um menschliches Verhalten in Bezug auf Märkte und Marketingeinflüsse zu analysieren.
Einführung in die Welt des Neuromllfketing 7 Im ökonomischen Kontext bedeutet dies die Analyse der neuronalen Wirkung absatzmarktpolitischer Maßnahmen. Das Hauptziel des Neuromarketing besteht somit aus der Erforschung der Entscheidungs- und Urt8llsflndung und der Identlnzlerung (Sanfey et al., 2006) der unseres Verhaltens zugrundeliegenden Beweggrunde, die lich nicht durch Befragungen ermitteln lassen (Scheier & Held, 2006). Im Unterschied zu vielen anderen Marketlngtrends basiert das Neuromarketing dabei auf wissenschaftlichen Erkenntnissen (Scheier & Held, 2006), mit deren Hilfe ein besseres Verständnis von Kundenvarhalten als Reaktion auf Marketingslimuli angestrebt wird. Damit einhergehend soll durch die Analyse von Gehlmprozessen die Effektlvltit und E1fIzienz von Marketlngaktlvltllan verbessert werden. Das Neuromarkeling versucht also, das Wissen über Gehirnfunktionen und -prozesae zu vereinen, um die Effizienz der Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden besser zu verstehen und zu optimieren (Braidot. 2006). kund.,nanalyse t Verstehen, wie mentale Aktivität entsteht '0 Og'SC u Biologische Prozesse p~y<:hologische Prozesse Abbiklung 3: ~nntn.",ic:hli Kund.llllnlllYH f.z-bnan. 2004. S. 20) Die Neurowissenschaften halten dabei eine Vielzahl neuer und komplexer Techniken bereit, welche durch das NeuromarketIng for die MarketIngpraxIs nutzbar gemacht werden (Scheier & Held, 2006). Vor allem die Fragen, wie Kaufentscheidungen im Gehirn des Kunden entatehen und durch welche Maßnahmen diese durch Unternehmen zu beeinflussen sind, haben dabei eine hohe Praxisrelevanz (HAusei, 2OO6b). Letztendliches Ziel des Neuromarketing ist es mithin, Verbraucher zielgerichtet zu Käufern zu machen und Marken nachhaltig irn Konsumentengehirn zu manifestieren (BBDO, 2(04). Dabei versucht Neuromarketing nicht, die traditionelle
8 Einführung in die Welt des Neuromarketing Marktforschung zu ersetzen. Vielmehr versucht das Neuromarketing, Kenntnisse aus klassischen Teilgebieten wie der empirischen Sozial- und Marktforschung und der Psychologie unter Einfluss der Gehimforschung zu konsolidieren, um zu einem ganzheitlichen Verständnis über das Kaufverhalten des Kunden zu gelangen (Häusei, 2006a). Darüber hinaus.erhalten die Erkenntnisse der Gehirnforschung erst durch die Verknüpfung mit der Psychologie und der Marktforschung eine praxisrelevante Erklärungskraft" (Häusel, 2006a). Dabei soll innerhalb dieses Buches vor allem deutlich werden, dass die bereits angesprochenen biologischen und neurobiologisehen Vorgänge, die durch die Gehimforschung zu Tage gebracht werden, in den Köpfen der Kunden und Konsumenten einen wesentlich stärkeren Einfluss haben als bislang vermutet. Viele Erkenntnisse, die sich das Neuromarketing zu Nutze macht, sind nicht neu. Fundierte Einblicke in Vorgänge wie Gedächtnisleistungen, Emotionen und unbewusste Wahrnehmung gab die Neuropsychologie schon vor Jahrzehnten. Scheier & Held (2006) wie auch andere Autoren des Neuromarketing stellen jedoch einvernehmlich fest, dass bislang.das Vehikel" fehlte, mit dem dieses praxisrelevante Wissen Eingang in den Marketingalltag finden konnte. Neuromarketing greift heute U.8. die bereits vor mehr als vierzig Jahren entstandene Idee von Herbert Krugmann auf, der für das amerikanische Großunternehmen General Eleetric im Rahmen der Marktforschung Hirnaktivitäten bei Probanden mit dem EEG (Elektroencephalogramm) aufzeichnete (Krugman, 1965, 1971; Scheier& Held, 2006). Konkrete Forschung auf dem Gebiet des Neuromarketing begann erstmals an der Harvard Universily Ende der neunziger Jahre unter der Leitung des Professors für Marketing, Gerry Zalbnan. Zalbnan selbst konstatiert, dass "unterschwellige Motivation" den Entscheidungsprozess beim Kauf eines Produktes oder generell bei einer Meinungsbildung beeinflusst. Da ungefähr 95% aller Gedanken unbewusst auftreten, wurde dem Unbewussten von der traditionellen Forschung fälschlicherweise eine zu geringe Bedeutung eingeräumt (Zaltman, 2004). Zaltman, wie viele weitere Neurowissenschaftler in diesen Tagen, entdeckt das Unbewusste wieder, das jahrelang aus den Wissenschaften verbannt wurde, weil es als zu unwissenschaftlich und nicht quantifizierbar galt (Scheier & Held, 2006). Unter dem Einfluss der Hirnforschung wurde der Begriff des "Unbewussten" durch das "Implizite" wieder salonfähig gemacht. Der Begriff soll deutlich machen, dass es sich bei impliziten Vorgängen im Gehim nicht nur um Emotionen, sondern vor allem um kognitive Vorgänge wie die
Einführung in die Welt des Neuromarketing 9 des Gedächtnisses, des Lemens, der Wahmehmung und der Entscheidungen handelt, auf die wir keinen bewussten Einfluss haben (Scheier & Held, 2006). Nach Kenning et al. (2005) gibt es heute weltweit knapp 50 Forschungsgruppen, die sich mit dem Thema des Neuromarketing bzw. der Neuroökonomie beschäftigen. Die Neuroökonomie bezieht sich - wie bereits gesehen - im Gegensatz zum Neuromarketing nicht nur auf das Marketing, sondem auf die gesamte Ökonomie (Kenning et al., 2005). Die Tabelle 1 gibt einen überblick über einige der wichtigsten Forschungsgruppen. Diese Liste erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll lediglich einen groben überblick geben: Tabelle 1: Wichtige Forschungsgruppen der NeuroOkonomie Institution Forscher Universität Münster Kenning, PIassmann, Deppe, Ahlert Life&Brain Center Bonn Elger, Weber Deutschland Universität Heidelberg Plessner, Betsch Universität München Pöppel Universität Ulm Walter c:j Yale University University of lowa Princeton University Bargh Damasio Kahneman, Cohen
10 Einführung In die Wall das Neul'OmarXetlng Abbildung 4: Wellw'lllte FOI1IdIungsgruppen" Neul'()IMrtmtlng Es wird deutlich, dass die Betriebswirtschaftslehre, die Psychologie sowie die in diesem Kapitel angesprochenen NeurowIssenschaften jeweils von den Erkenntnissen der anderen Disziplinen profilieren können, um den menschlichen Entscheidungspro Z9SS verstehen und ihn zuminde&t in Ansätzen ertdären zu können (Loewanstein et 81.,2005). Das Neuromarketing stellt ebenfalls einen neuen Ansatz im Bereich der Erforschung du Kaufverhaltens dar. Es baut dabei auf den sog. Stimulus-Organismus-Response (S-o-R) Modellen auf. Diese S-O-R Modelle beschäftigen sich nicht nur - wie die.,aiten M Stlmulus-Response-Modelle (8-R Modelle) (oder auch.blackbox-modelle" genannt) - mit den beobachtberen Stimuli, die auf die Konsumenten einwirken und den darauf folgenden beobachtbaren Reaktionen der Konsumenten, sondern beziehen expllztt die Inlrapersonellen, Im Gehirn der Konsumenten ablaufenden VorgInge, die einer direkten Beobachtung nicht zugänglich sind, in den Erklärungsansatz mit ein. Genau an dieser Stelle setzt das Neurcmarketing an. Durch den interdisziplinären Charakter versucht das Neurcmarketing, diese intrapersonellen Vorgänge zu erfor Ichen und darauf aufbauend praxlsrelevante Erkenntnisse for das MarkeUngmanagament abzuleiten. Wie bei dem durch Ellis und Dryden (1987) vorgestellten A-B-C Modell, einer Abwandlung des 8-O-R Modells, beschäftigt sich das Neurcmarketing
http://www.springer.com/978-3-8349-2572-5