Zusammenfassung der Master Thesis Master Studiengang Internationales Projekt Management in der Prozesskette Bauen Systemisches Entscheidungsmanagement Entwicklung einer ganzheitlichen Entscheidungsmethodik für die Planungsphase bei Bauprojekten Eingereicht von: Dipl.-Ing. Jürgen Müller Matrikel Nummer: 810104 Betreuer: Professor Dr.-Ing. Friedrich Hensler Hochschule für Technik Stuttgart Dipl.-Ing. (FH), M. Eng., MBA Jürgen Marc Volm Drees & Sommer GmbH, Stuttgart
- 1 - Hintergrund Die Notwendigkeit zu entscheiden übersteigt die Möglichkeit zu erkennen. Immanuel Kant Wir befinden uns im Wandel von einer überschaubaren Industriegesellschaft zur komplexen Informationsgesellschaft. Aufgrund der Informationsflut sind immer mehr Entscheidungen zu treffen. Dinge, die vor 20 Jahren selbstverständlich und klar definiert waren wie z. B. ein Telefonanschluss bei der Post, sind heute durch die Vielfalt der Anbieter und Angebote komplex geworden. Auch unsere Berufswelt wurde und wird immer komplexer. Insbesondere Bauvorhaben leiden darunter, da durch die Zunahme der allgemein anerkannten Regeln der Technik (DIN, Normen, Gesetze, Richtlinien, Verordnungen, etc.) und den daraus resultierenden Anforderungen die Planung immer komplexer wird. Alleine die Energieeinsparverordnung (EnEV) wurde in den letzten Jahren mehrmals überarbeitet, was zu immer neuen Konsequenzen für mehrere Fachbereiche geführt hat. Hinzu kommt, dass Aspekte wie Bauphysik, Brandschutz, Fassadenplanung, Facilitymanagement und das Projektmanagement eine immer wichtigere Rolle im Projektablauf spielen. Durch die steigende Komplexität der Abläufe im Zusammenspiel der Projektbeteiligten wurde in einer englischen Untersuchung festgestellt, dass die Bauund Planungsbranche Schwierigkeiten hat, ihre eigenen Ablaufprozesse richtig zu identifizieren und zu verstehen (Austina, 2002). Gute Gebäude sind nicht mehr nur auf einen guten Entwurf des Architekten und die zielsicheren Entscheidungen im Zusammenspiel von Architekt und Bauherr zurückzuführen. Vielmehr sind heute Projekterfolg und das Treffen richtiger Entscheidungen nur durch integrale Planung mit einem Team von Experten zu realisieren. Diese Faktoren, der Trend zu immer kürzeren Planungs- und Bauzeiten sowie der steigende Kostendruck, führen verstärkt zu Fehlentscheidungen oder zu Verzögerungen in den zu treffenden Entscheidungen während der Planungsphase. In der Konsequenz führt dies zu Terminverzögerungen und Kostenexplosionen. Mit klassischen Methoden des Projektmanagements wie Checklisten und Matrizen etc. lassen sich diese Schwierigkeiten immer schwerer steuern.
- 2 - Ende der 1970er Jahre wurde von Fredmund Malik mit der Management Kybernetik eine neue Herangehensweise für das Managen von Komplexität entwickelt. Dieser neue Weg der ganzheitlichen Betrachtungsweise ist geprägt durch kybernetische, systemorientierte und evolutionäre Ansätze. Mittlerweile hat dies zu neuen Impulsen für das Projektmanagement geführt. Diese Master Arbeit widmete sich der Entwicklung einer Methodik zum systematischen Managen von Entscheidungen während der Planungsphase bei Bauprojekten. Dazu wurden die (rationale) Entscheidungstheorie und das evolutionäre Projektmanagement zusammengeführt, um Entscheidungsprozesse während der Planungsphase in einer ganzheitlichen Form zu betrachten. Fragestellung Ziel war die Entwicklung des systemischen Entscheidungsmanagements. Es soll dazu dienen, Bauherrenentscheidungen zu vereinfachen und transparenter zu machen sowie die gestiegene Komplexität von Bauvorhaben besser zu managen. Der Autor hatte dazu folgende Untersuchungsfrage gestellt: Kann ein systemisches Entscheidungsmanagement (SEM) in der Planungsphase bei Bauprojekten zum Managen der Komplexität dienen und Entscheidungen für den Bauherren transparenter machen?
- 3 - Aufbau der Arbeit Abb. Aufbau der Master Thesis
- 4 - Zusammenfassung Nach einer ausführlichen Literaturrecherche wurden zwei Theorien als Grundlage ausgewählt. Die erste war die präskriptive Entscheidungstheorie, deren Ziel es ist durch Vorhersagen und Bewertung von Handlungsalternativen möglichst rationale Entscheidungen herbeizuführen. Eine Anwendung dieser Theorie ist die Nutzwertanalyse, eine kompensatorische Methodik zum Variantenvergleich. Die zweite Komponente, das evolutionäre Projektmanagement, geht zurück auf Erkenntnisse der Management- Kybernetik. Geprägt ist diese von der Beherrschung der Komplexität durch Ordnung und durch Problemlösen. Elemente des evolutionären Projektmanagements sind die Systemtheorie, Evolutionstheorie, Theorie der Selbstorganisation und das vernetzte Denken. Durch das Zusammenführen der Entscheidungstheorie und des evolutionären Projektmanagements wurde das SEM entwickelt. Dieses zeichnet sich durch einen ganzheitlichen iterativen Entscheidungsprozess aus. Gemäß der Evolutionstheorie werden die Entscheidungskriterien und Handlungsalternativen parallel entwickelt und durch die gegenseitige Beeinflussung aufgrund der hohen Vernetzung können so optimale Ergebnisse erzielt werden. Abb. Entwicklung des SEM Aufgrund dieser theoretischen Entwicklung wurden folgende Hypothesen formuliert: - SEM vereinfacht Bauherrenentscheidungen, macht sie transparenter sowie nachvollziehbarer. - Fehlentscheidungen werden durch die Involvierung (Partizipation und Motivation) aller notwendigen Projektbeteiligten vermieden. - Die Komplexität von Bauvorhaben wird durch das SEM managbar.
- 5 - Zur Überprüfung dieser Hypothesen wurde das systemische Entscheidungsmanagement anhand der Fassadenplanung erprobt. Dazu wurde erläutert, in welchem Zusammenhang das SEM mit Methoden des klassischen Projektmanagements steht. Anhand der Beurteilungskriterien des DGNB wurde eine Kriterienliste entwickelt, um Synergieeffekte bei einer Zertifizierung nutzen zu können und durch das methodische Vorgehen hohe Wertungen bei den Prozessqualitäten des Zertifikates zu erzielen. Durch das Durchspielen der Entscheidungsmethodik konnte eine Reihe von Vorhersagen über die Vorteile und die Risiken gewonnen werden, die im Wesentlichen die aufgestellten Hypothesen stützen. Abb. Erprobung des SEM Wegen des theoretischen Ansatzes der Arbeit konnten noch keine quantitativen Aussagen getroffen werden. Dies ist erst durch eine Anwendung in der Praxis möglich. Eventuelle Hürden wie die Bereitschaft des Bauherren oder die Fähigkeiten der Planer wurden bereits aufgezeigt. Als Aufgabe einer weiteren Forschungsarbeit sieht der Autor die Anwendung des systemischen Entscheidungsmanagements in der Praxis.