Griechenlands Staatsbankrott konnte nur mit



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Transkript:

BICC Focus Griechenland: Hohe Militärausgaben trotz Finanzkrise Von Jan Grebe und Jerry Sommer Griechenlands Staatsbankrott konnte nur mit erheblichen Kreditmitteln aus der EU und des Internationalen Währungsfond abgewendet werden. Athens hohe Rüstungsausgaben und umfangreiche Waffenkäufe der letzten Jahre haben zur desolaten Haushaltslage beigetragen. Ihr in Europa beispielloses Ausmaß wird im Folgenden ebenso analysiert wie die aktuellen Planungen für künftige Rüstungsausgaben. Die griechische Regierung hat im Rüstungs- und Militärbereich zwar Sparmaßnahmen eingeleitet, um damit einen Beitrag zur Haushaltssanierung zu leisten. Dennoch hat in Athen bei der Rüstungsbeschaffungspraxis offenbar noch kein grundsätzliches Umdenken eingesetzt. Die deutsche und europäische Politik muss sich deshalb die Frage stellen, ob mit EU-Krediten neue Waffenkäufe Griechenlands ermöglicht werden sollen bzw. wie dies gegebenenfalls zu verhindern ist. Griechische Militärausgaben Im Jahr 2000 betrugen die griechischen Militärausgaben laut SIPRI 5,921 Mrd. Euro. Acht Jahre später waren sie auf 8,620 Mrd. Euro angestiegen 1. Lag ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2000 noch bei 4,3 Prozent, betrug er laut SIPRI 2008 3,6 Prozent vom BIP 2. Die Berechnungen der NATO weichen teilweise von den SIPRI-Angaben ab. Demnach stiegen die griechischen Militärausgaben von 5,921 Mrd. Euro im Jahre 2000 auf 7,263 Mrd. Euro im Jahre 2009 3. 1 SIPRI Jahrbuch 2010, Armaments, Disarmament and International Security, Oxford University Press: Oxford, 2010, S. 223. Angaben sind in aktuellen Preisen. 2 Ebd., S. 233. 3 NATO, Financial and economic data relating to NATO defence, Press Release (2010)078, 10 Juni 2010, S. 4; online unter: http:// www.nato.int/nato_static/assets/pdf/pdf_2010_06/20100610_pr_ CP_2010_078.pdf Angaben sind in aktuellen Preisen und daher Unabhängig von den unterschiedlichen Werten im Einzelnen ist unumstritten, dass Griechenland seit mehreren Jahrzehnten gemessen am BIP weit mehr für das Militär ausgibt als der Durchschnitt der anderen europäischen Staaten. Laut Berechnungen der NATO lag der Durchschnitt der europäischen NATO-Staaten 2009 bei 1,7 Prozent, während Griechenland 3,1 Prozent vom BIP für Rüstung zur Verfügung stellte 4. Vergleicht man auf der Basis der SIPRI-Berechnungen die gesamten Militärausgaben der 15 alten EU-Staaten von 2000 bis 2008, so liegt deren Durchschnitt bei 1,6 Prozent des BIP, während Griechenland gleichzeitig 3,6 Prozent des BIP für sein Militär verwendete 5. Der griechische Haushaltsplan für 2010 sieht vor, 6,1 Mrd. Euro für das Militär auszugeben. Gemessen an den Angaben der griechischen Regierung ist damit eine Reduktion der Rüstungsausgaben gegenüber 2009 um 6,7 Prozent vorgesehen 6. Für Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen sind 2010 zwei Mrd. Euro und damit 200 Millionen Euro weniger geplant als 2009. Der Anteil der Rüstungsausgaben am BIP soll nach Angaben des stellvertretenden griechischen Verteidigungsministers Panajotis Beglitis im Jahre 2010 auf 2,8 Prozent fallen 7. Mittelfristig ist eine weitere Senkung auf nicht inflationsbereinigt. Die Unterschiede zu SIPRI kommen unter anderem dadurch zustande, dass die NATO andere Truppen wie paramilitärische Polizeiformationen seit 2002 nicht mehr berücksichtigt, SIPRI aber doch. 4 Ebd. S. 6. 5 Vgl. Kollias, Christos Universität Thessalien, Griechenland nach SIPRI- Angaben und seinen eigenen Berechnungen, unveröffentlichtes Manuskript, 2010. 6 Haushaltsplan Griechenlands 2010, Kap. 3, S. 80 http://www.mofglk.gr/proypologismos/2010/books/proyp/index.html; demnach betrugen die Militärausgaben Griechenlands 2009 6,55 Mrd. Euro (NATO-Angaben für 2009: 7,263 Mrd. Euro; s. Anm. 3). 7 Vgl. AFP Greece Will Cut Defense Budget: Minister, 14 May 2010. In einem anderen Interview wird Beglitis hingegen mit der Aussage zitiert, der Anteil der Rüstungsausgaben am BIP würde 2010 2,48

Schaubild 1: Griechische und EU-15 Militärausgaben im Vergleich Quelle: Kollias, Christos 8 2,3 bis 2,5 Prozent des BIP vorgesehen. Davon soll ein Drittel für den Ankauf von neuen Waffensystemen ausgegeben werden 9. Eine schwankende Entwicklung lässt sich bei Ausgaben für Ausstattung und Material beobachten. Im Zeitraum zwischen 2000 und 2004 fand eine deutliche Reduktion dieser Ausgaben statt, als ihr Anteil an den Gesamtausgaben von knapp 15 Prozent (1,569 Mrd. US- Dollar) auf acht Prozent (451 Millionen US-Dollar) gefallen war. Zwischen 2004 und 2005 schnellte der Anteil jedoch Prozent betragen. S. AP INTERVIEW: Greece military purchases delayed, 2 June 2010, http://www.businessweek.com/ap/financialnews/d9g34io83.htm. 8 Tabelle: Kollias, Christos Universität Thessalien, Griechenland nach SIPRI-Angaben und seinen eigenen Berechnungen, unveröffentlichtes Manuskript, 2010. 9 Ebd.. um 129 Prozent, d.h. auf 1,033 Mrd. US-Dollar, hoch, was auf umfangreiche Rüstungsimporte zurückzuführen ist. Basierend auf SIPRI-Angaben lag in den Jahren um die Jahrtausendwende der Anteil der Militärausgaben am BIP in Griechenland (4,3 Prozent) und in der Türkei (3,7 Prozent) auf einem ähnlich hohen Niveau. Ab 2002 zeigt sich jedoch ein neuer Trend: während in der Türkei der BIP-Anteil der Militärausgaben von 3,9 Prozent auf 2,2 Prozent im Jahr 2008 drastisch sank, sind Griechenlands Militärausgaben nach einer Phase der Reduktion ab 2005 wieder in die Höhe gegangen und betrugen 2008 3,6 Prozent des BIP. Betrachtet man hingegen die absoluten Ausgaben, wird deutlich, dass Ankara im vergangenen Jahr nur rund fünf Mrd. US-Dollar mehr für das Militär aufgewendet hat als Athen. 2 BICC Focus 9 Juli 2010

Schaubild 2: Griechische und türkische Militärausgaben im Vergleich Griechische und türkische Militärausgaben Griechische und türkische Militärausgaben (Anteil am BIP) 25000 5 4,5 Mio. US-Dollar (konstant 2008) 20000 15000 10000 5000 Griechenland Türkei Anteil am BIP (in Prozent) 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 Griechenland Türkei 0,5 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Jahr 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Jahr Eigene Darstellung, Quelle: SIPRI Jahrbuch 2010 Rüstungsgeschäfte Griechenlands Neben den USA gehören Deutschland und mit etwas Abstand Frankreich zu den größten Lieferanten für das griechische Militär. In den letzten zehn Jahren hat Griechenland Rüstungsgüter im Wert von mehr als elf Mrd. US-Dollar importiert und rangierte im Zeitraum zwischen 2005 und 2009 auf Platz 5 der größten Rüstungsimporteure der Welt 10. In den vergangenen fünf Jahren kamen allein Waren im Wert von 4,6 Mrd. US-Dollar aus den USA und von 2,1 Mrd. US-Dollar aus Deutschland. Insbesondere Kampfflugzeuge, Schiffe hier besonders U-Boote sowie gepanzerte Fahrzeuge und Kampfpanzer wurden an Griechenland verkauft. Entgegen früherer Planungen, das europäische Kampfflugzeug Eurofighter anzuschaffen, bestellte das griechische Verteidigungsministerium 2005 im Rahmen des Xenia IV Programms dreißig F 16 C/D Block-52+ bei der US-amerikanischen Firma Lockheed Martin für einen Preis von mehr als zwei Mrd. US-Dollar, die inzwischen alle ausgeliefert worden sind 11. Zuvor hatte die griechische Regierung einen Vertrag über den Kauf von 10 SIPRI Arms Transfer database, http://www.sipri.org/databases/armstransfers/armstransfers. Angaben sind in 1990 konstanten US-Dollar und werden nach dem TVI-System SIPRIs berechnet und entsprechen daher nicht den reelen Werten. 11 Defence Industry Daily, Greek F-16 & Weapons Sale Take Off, 4 Juli 2007; SIPRI Arms Export Database. zwölf AH-64D Apache Longbow Kampfhubschrauber mit Boeing geschlossen, deren Lieferung 2007 begann und weitestgehend abgeschlossen ist. Die Option auf den Kauf vier weiterer Kampfhubschrauber hat Griechenland hingegen nicht wahrgenommen 12. Deutschland hat zuletzt 183 Leopard 2-A4 Panzer nach Griechenland geliefert, die Teil eines ursprünglichen Vertrags im Wert von 420 Millionen Euro waren. Neben der Modernisierung von 183 Panzern in Deutschland (130) und in Griechenland (53) im Wert von 150 Millionen Euro 13 waren darin auch 150 Leopard 1A5 Panzer als Geschenk enthalten. Die Gesamtkosten des Panzergeschäfts mit Krauss-Maffei Wegmann (KMW) sollen sich inklusive aller Extras und Spezialpanzerlieferungen auf 1,7 Mrd. Euro belaufen 14. Zwar hat KMW die Kampfpanzer sowie Spezialpanzer inzwischen ausgeliefert. Griechenland steht bei KMW aber noch mit rund 180 Millionen Euro in der Kreide. 12 Boeing Press Release, Boeing Begins Delivery of New AH-64DHA Apache Longbows for Greece, 16 Januar 2007; Defense Daily, Greece Signs For A Dozen Apache Longbows, Boeing Says, 3 September 2003. 13 Defense Industry Daily, Greece Signs Contract for 183 Leopards 2s, 150 Leopards 1s, 5 August 2005; SIPRI Arms Export Database. 14 Der Spiegel, Ein paar Millionen draufschlagen, 10. Mai 2010. 3 BICC Focus 9 Juli 2010

Im Rahmen des Projekts Archimedes bestellte Griechenland im Jahre 2000 vom deutschen Unternehmen ThyssenKrupp vier neue U-Boote des Typs 214 sowie die Modernisierung von drei alten U-Booten. Griechische und deutsche Staatsanwaltschaften ermitteln, ob es dabei zu Korruptionszahlungen gekommen ist 15. Wegen finanzieller Differenzen und technischer Probleme bei dem in Kiel hergestellten ersten U-Boot kam es immer wieder zu Streitigkeiten. Im März dieses Jahres wurden diese in einem Memorandum of Understanding vorläufig beigelegt 16. Bereits im Jahr 2000 bestellte die griechische Luftwaffe bis zu 25 Mirage 2000-5 Mk-2 als Teil eines 1,6 Mrd. Euro Vertrages, der ebenfalls die Modernisierung alter Mirage-2000EG in Griechenland vorsah und bis 2007 abgeschlossen war 17. Athens aktuelle Rüstungsplanungen vor dem Hintergrund der Finanzkrise Gegenwärtig wird im Athener Verteidigungsministerium ein neuer mittelfristiger Fünfjahresplan für Rüstungsmodernisierungen der griechischen Streitkräfte (EMPAE 18 ) vorbereitet. Eigentlich sollte er schon im Januar 2010 dem Parlament vorgelegt werden. Dies ist jedoch bei Redaktionsschluss im Juli noch immer nicht geschehen. Nach Medienberichten plant das Verteidigungsministerium Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen für die Jahre 2011 bis 2015 in Höhe von 8,2 bis 8,5 Mrd. Euro 19. Im Haushaltsjahr 2011 sind nach Aussagen des Verteidigungsministers Evangelos Venizelos angesichts der akuten Finanzkrise allerdings nur 685 Millionen Euro, im Jahr 2012 sogar nur 105 Millionen Euro für militärische Beschaffungsmaßnahmen geplant 20. 15 Der Spiegel, Ein paar Millionen draufschlagen, 10. Mai 2010. 16 Siehe zum aktuellen Stand Abschnitt 3 dieses BICC-Focus. 17 Sipri Arms Transfer Databse, http://www.sipri.org/databases/armstransfers/armstransfers. 18 Enaio Mesoprothesmo Programma Anaptixis-Eksynxronismou (Einheitliches mittelfristiges Programm für Entwicklung und Modernisierung ). 19 Defensenet.gr, Athens; News v. 10 Juni 2010: Ermutigende Zeichen für Rüstungsindustrie aus dem Verteidigungsministerium das neue EMPAE kommt ; http://www.defencenet.gr/defence/index. php?option=com_content&task=view&id=12608&itemid=40. 20 Rede von Verteidigungsminister Evangelos Venizelos im griechischen Parlament am 23. Dezember 2009; http://www.evenizelos. gr/politicalspeeches/speeches2009/1603-proypologismos. Außer dem Ankauf von Ersatzteilen und Munition, zum Beispiel 12.000 Stück für den Leopard-Panzer von Rheinmetall, werden trotz Finanzkrise mehrere größere Modernisierungsprogramme sowie Rüstungskäufe diskutiert, die schon in den vergangenen Fünfjahresmodernisierungsplänen enthalten, bisher aber noch nicht umgesetzt worden sind. Es sind die folgenden: Fregatten: Der Kauf von sechs französischen FREMM- Fregatten, mit einem Finanzvolumen von insgesamt 2,5 Mrd. Euro. Die Verhandlungen sollen ohne Zeitlimit fortgesetzt werden und frühestens im Jahre 2011 abgeschlossen sein. Kampflugzeuge: Die Modernisierung von Kampfugzeugen vom Typ Mirage 2000 und F-16 für zusammen 818 Millionen Euro ist geplant. Zudem möchte die Luftwaffe bis zu 40 neue, hochmoderne Kampfflugzeuge kaufen und dazu bis zu 2,3 Mrd. Euro im EMPAE 2011 bis 2015 einplanen 21. Zur Auswahl stehen amerikanische F-16 Stealth-Bomber, französische Rafael, schwedische Gripen und die Eurofighter, die von Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien gemeinsam produziert werden. Verhandlungen haben jedoch noch nicht begonnen. Laut Aussage des stellvertretenden Verteidigungsministers Beglitis steht das Thema nicht einmal auf der Tagesordnung des Kabinetts 22. Schützenpanzer: Heer und Marine planen den Ankauf von 400 bis 1.000 Schützenpanzern. Das russische Modell BMP-3HEL wurde schon 2007 vom griechischen Verteidigungsministerium ausgewählt und eine Vereinbarung über den Ankauf von 450 Schützenpanzern zwischen der griechischen und der russischen Regierung abgeschlossen. Seitdem laufen Verhandlungen, die nicht abgeschlossen sind. Geplante Gesamtkosten belaufen sich auf mindestens 1,5 Mrd. Euro 23. U-Boote: Bei Nachverhandlungen mit ThyssenKrupp Marine Systems wurde im März 2010 ein Memorandum of Understanding unterschrieben, das nach dem Ankauf von vier neuen U-Booten in den vergangenen Jahren den Kauf 21 Defensenet.gr, Athens; News v. 14. Juni 2010. 22 Vgl. AP INTERVIEW: Greece military purchases delayed, 2 June 2010, http://www.businessweek.com/ap/financialnews/ D9G34IO83.htm. 23 Kulebi, Ali: The Effect of Greece s Economic Crisis on Military Purchases, Eurasia Critic, März 2010. 4 BICC Focus 9 Juli 2010

von weiteren zwei neuen U-Booten vorsieht. Dafür wird die ursprünglich vereinbarte Modernisierung alter griechischer U-Boote gestrichen. Zuzüglich der von Griechenland schon an ThyssenKrupp bezahlten 2,3 Mrd. Euro wird Athen dafür weitere 1,3 Mrd. Euro zahlen müssen, wenn ein Vertrag endgültig vereinbart und auch vom griechischen Parlament angenommen wird 24. Die Regierung hat vor, eines der fertigen neuen U-Boote weiterzuverkaufen. Griechische Militärstrategie: Die türkische Bedrohung Griechenland ist 1952 gleichzeitig mit der Türkei in die NATO eingetreten. Seine Streitkräfte waren nach dem Bürgerkrieg von 1945 bis 1949 vor allem zur Abwehr des inneren Feindes der Kommunisten bestimmt. Gleichzeitig war Griechenland auch an der Einhegung des Nachbarstaates Türkei interessiert 25. Spannungen mit der Türkei waren schon in den 1950 und 1960 Jahren eine Triebfeder griechischer Sicherheitsund Militärpolitik. Aber erst nach 1974 wurde die Türkei zur Hauptbedrohung Griechenlands erklärt und die Militärstrategie dementsprechend ausgerichtet. Vorausgegangen war ein Putsch auf Zypern, in dessen Folge die türkische Armee einmarschierte und den nördlichen Teil Zyperns besetzte. Die türkische Gefahr wurde nun zum Dreh- und Angelpunkt des griechischen sicherheitspolitischen Denkens 26. Während sich Griechenland dabei als Status quo - Macht begreift, unterstellt es der Türkei revisionistische Absichten. Darin stimmen die Öffentlichkeit und die politische Elite mit sehr wenigen Ausnahmen überein. Die Bedrohung durch den NATO-Partner Türkei wird stark überzeichnet. So werden die grundlegenden Veränderungen der türkischen Außenpolitik der vergangenen acht Jahre sowie die 24 Vgl. Framework Agreement vom März 2010; veröffentlicht in: http://www.defencenet.gr/defence/media/pdf_2.pdf; sowie Abschrift Pressekonferenz des Verteidigungsministers Evangelos Venizelos am 17. März 2010 in Athen. 25 Vgl. Thanos Dokos, Greek Security Doctrine in the Post-Corld War Era, in: A Journal of foreign Policy issues 1998, S. 2; http://www.hri. org/mfa/thesis/summer98/security.html. 26 Vgl. Stergios Tsilikas Greek Military Strategy: the Doctrin of Deterrence and its Implications on Greekturkish Relations, Monterey (USA), 2001, S. 12ff (http://www.dtic.mil/cgi-bin/gettrdoc?ad=ad A397555&Location=U2&doc=GetTRDoc.pdf). Verminderung des Einflusses des türkischen Militärs auf die Regierungsführung in Ankara unterschätzt. Zwar gehen griechische Sicherheitsexperten heute nicht mehr davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit eines großflächigen Angriffes der Türkei zur Besetzung griechischer Inseln oder Territorien sowie zur Eroberung auch der südlichen Hälfte Zyperns besteht 27. Allerdings existiert nach wie vor die Sorge vor heißen Zwischenfällen zum Beispiel über den Status von einzelnen bewohnten und unbewohnten griechischen Inseln. Ein solcher Zwischenfall nach der Hissung einer türkischen Flagge auf der Insel Imia hatte Griechenland und die Türkei 1996 an den Rand eines Krieges gebracht. Mit dieser Sorge wurden und werden überproportionale Militär- und Rüstungsausgaben gerechtfertigt. Das militärische Ziel Griechenlands bestand und besteht darin, ein gewisses militärisches Gleichgewicht mit der Türkei herzustellen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Griechenland circa elf Millionen Einwohner hat, die Türkei rund 77 Millionen. Zudem hat die Türkei eine weit größere Fläche und liegt im konfliktreichen Mittleren Osten. Darüber hinaus führt Ankara noch eine militärische Auseinandersetzung mit der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Griechenland ist in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder von Rüstungslücken sowie strategischen Ungleichgewichten und massiver Unterlegenheit ausgegangen, die es durch große Aufrüstungsprogramme auszugleichen versucht hat 28. Der damalige griechische Ministerpräsident Kostas Simitis (1996 bis 2004) rühmte sich zum Beispiel, das größte Aufrüstungsprogramm in der modernen Geschichte Griechenlands in Gang gesetzt 29 zu haben. Es sah Waffenkäufe von 1996 bis 2006 im Wert von 25 Mrd. Euro vor. Sein Nachfolger Kostas Karamanlis plante für den Zeitraum 2006 bis 2016 Waffenkäufe im Wert von 26,7 Mrd. Euro ein. 27 Thanos Dokos, Direktor des griechischen Forschungsinstitutes Eliamep (Hellenic Foundation for European and Foreign Policy), Gespräch mit Jerry Sommer, Athen, Mai 2010. 28 Vgl. Thanos Dokos 1998, S. 19. 29 Thanos Dokos/Panayiotis Tsakonas: Greece-Turkish Relations in the Post-Cold War Era, S. 30; in: Christos Collias/Gülys Günluk-Senesen (eds): Greece and Turkey in the 21th Century: Conflict or Cooperation, New York 2003. 5 BICC Focus 9 Juli 2010

Internationales Konversionszentrum Bonn Bonn International Center for Conversion (BICC) GmbH Pfarrer-Byns-Straße 1 53121 Bonn Tel.: 0228-911 96-0 Fax: 0228-911 96-22 E-Mail: bicc@bicc.de Internet: www.bicc.de Redaktion: Susanne Heinke (heinke@bicc.de) Layout: Katharina Moraht Als sich die Schuldenkrise des Landes Ende 2009 zuspitzte, war es für die dann neue Regierung unter Ministerpräsident Papandreou unumgänglich, auch an die Rüstungsausgaben heranzugehen. Was blockiert den Sparwillen bei den Rüstungsausgaben? Als der türkische Ministerpräsident Erdogan vor seinem Athen-Besuch im Mai 2010 die Hoffnung auf eine parallele Reduzierung griechischer und türkischer Rüstungsausgaben formulierte, blieb die Reaktion von Regierung und Öffentlichkeit Griechenlands verhalten. Im Mittelpunkt stand die Sorge, dass die aktuelle ökonomische Schwäche Griechenlands ausgenutzt werden und zur Einschränkung der Verteidigungsfähigkeit führen könnte. Solange andere Streitpunkte nicht ausgeräumt seien, könne man keine kooperative Rüstungsreduzierung ins Auge fassen. Trotzdem ist sich die griechische Regierung bewusst, dass sie angesichts des drohenden Staatsbankrotts an weiteren Kürzungen im Rüstungshaushalt sowie den Beschaffungsplänen nicht vorbeikommt. Allerdings hält sie an überkommenen Bedrohungswahrnehmungen fest und hat nicht das Ziel, die Rüstungsausgaben des Landes auf den Durchschnitt der europäischen NATO-Länder von gegenwärtig 1,7 Prozent des BIP abzusenken. Für die Jahre 2010 bis 2015 sind nach wie vor Rüstungsbeschaffungsmaßnahmen in Höhe von insgesamt über zehn Mrd. Euro geplant. Ebenso wenig ist bisher eine Reduzierung des Umfangs der griechischen Streitkräfte geplant, der im Verhältnis zur Bevölkerungszahl außerordentlich groß ist. Deutschland hat mit einer siebenfachen Bevölkerungszahl 250.000 Soldaten und plant diese weiter zu reduzieren während Griechenland 156.000 Soldaten unter Waffen hat. In Griechenland sind 2,9 Prozent aller Erwerbstätigen bei den Streitkräften beschäftigt, während der Durchschnitt in NATO-Europa nur ein Prozent beträgt 30. Diese Rüstungsplanungen werden durch das Abkommen zwischen Griechenland, der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfond nicht behindert. Während dort konkrete Sparmaßnahmen im sozialen Bereich gefordert werden, fehlen entsprechende Vorgaben für das Militär gänzlich 31. Wenn EU-Kredite für den Ankauf von neuen Waffensystemen benutzt werden sollten, wäre dies weder sozial vertretbar noch ökonomisch sinnvoll. Empfehlungen an Griechenland Eine neue Bedrohungsanalyse könnte dazu führen, die Rolle militärischer zugunsten von diplomatischen Maßnahmen abzuschwächen. Sie sollte auch zu einer deutlichen Reduktion der für notwendig gehaltenen Waffensysteme und Soldaten führen. Griechenland wird empfohlen, den Umfang seiner Armee und seine Rüstungsausgaben so zu planen, dass sie dem Durchschnitt der europäischen NATO-Staaten entsprechen; so lange keine großen neuen Modernisierungsund Rüstungsbeschaffungsprojekte abzuschließen, wie seine Finanzen angespannt sind und es auf Kredithilfsprogramme der EU angewiesen ist; die wieder aufgenommene Kooperations- und Entspannungspolitik gegenüber der Türkei zu forcieren und Maßnahmen der militärischen Vertrauensbildung und Deeskalation, unter Umständen auch im Rahmen der NATO, zu vereinbaren. 30 Siehe NATO Press Release 10 June 2010 Financial and Economic Data Relating to NATO Defence, S. 9. 31 Memorandum of Economic and Financial Policies und Memorandum of Understanding on Specific Economic Policy Conditionality 4. Mai 2010. 6 BICC Focus 9 Juli 2010

Jerry Sommer, BICC Research Associate, ist Politikwissenschaftler und Historiker. Er arbeitet als freier Publizist Jan Grebe, BICC Researcher, ist Projektleiter im Bereich Rüstungsexporte und Globale Militarisierung. Empfehlungen an Deutschland und die anderen EU- bzw. NATO-Staaten Regierungen und Parlamente innerhalb der EU sollten deutlich machen, dass sie die Alimentierung neuer griechischer Modernisierungs- und Rüstungsbeschaffungsprojekte mit Mitteln des EU- Stützungsfonds ablehnen. Die Kreditzahlungen der EU und des Internationalen Währungsfonds müssen mit einer Verwendungssperre für Rüstungskäufe belegt werden. Die Bundesregierung darf, solange Griechenlands Finanzen desolat und von Hilfsprogrammen der EU abhängig sind, keine Ausfuhrgenehmigungen sowie Exportbürgschaften im Rahmen des Hermes- Programms für neue Rüstungsprojekte, wie zum Beispiel U-Boote, Kampfflugzeuge etc., erteilen. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass der geplante Kauf zweier neuer U-Boote für 1,351 Mrd. Euro durch Griechenland von ThyssenKrupp nicht zustande kommt. Dabei dürfen Griechenland keine zusätzlichen Kosten entstehen. Innerhalb der NATO sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Mitgliedländer Türkei und Griechenland mit Hilfe des NATO-Generalsekretärs zu vertrauensbildenden militärischen Maßnahmen (z.b. Entmilitarisierung des Luftraums über der Ägäis), die zu einer Entspannung in der Region beitragen, angehalten und von unangemessen hohen Rüstungsprogrammen abgehalten werden. Generell sollte bei solchen Genehmigungen geprüft werden, ob diese Rüstungskäufe angesichts der finanziellen Lage der Empfängerländer vertretbar sind. Darüber hinaus sollte sich die Bundesregierung bei ihren Entscheidungen stärker an den europäischen Kriterien und den eigenen politischen Leitlinien zu Rüstungsexporten orientieren. 7 BICC Focus 9 Juli 2010