Placebo und Nocebo in der Onkologiepflege. Ernst Näf, MNS, PgDip Oncology Pflegeexperte Medizin soh

Ähnliche Dokumente
Placebo: Selbstheilung durch Täuschung? PD Dr. med. Konrad Streitberger

Der mentale Placebo-Effekt

Arthroskopie des Kniegelenks bei Arthrose: kein Nutzen erkennbar

Cannabis und Multiple Sklerose

Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens:

Abhängigkeit: Krankheit oder Schwäche? Prof. Ion Anghelescu Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Wenn Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich bitte an die Praxisassistentin.

Grundlagen der medizinischen Psychologie und Soziologie

Patienten-Universität Städtisches Klinikum Braunschweig 12. Juni 2012

Onkologische Erkrankungen und Fahreignung - Einschränkungen aus der Sicht der Psychologie

Johanniskraut Metaanalyse 2005

Gebrauchsinformation: Information für Anwender

Verbesserte Lebensqualität für Brustkrebspatientinnen unter Chemotherapie

Nahtoderfahrungen. Dr.med. Walter Meili. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Basel

Frage: Führt die antibiotische Behandlung der Helicobacter pylori Infektion bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie zur Beschwerdefreiheit?

AMD kann das scharfe Sehen zerstören, das notwendig ist für Aktivitäten wie Lesen, Autofahren und für das Erkennen von Gesichtern.

Prof. Dr. T. Heidenreich Achtsamskeitstraining als Option der Burnout-Prophylaxe bei Psychotherapeutinnen und -therapeuten

AMNOG: Wenn Innovation aufs System trifft: Ist das AMNOG System fit für Innovation- Beispiel Onkologie

Beeinflussung des Immunsystems

GEHT DA MEHR? Fragen und Antworten zum Thema Erektionsstörung

Wissenswertes rund um Ihre Therapietreue bei Gilenya. Ihre Therapietreue unter GILENYA

Prädiktoren der Medikamenten-Adhärenz bei Patienten mit depressiven Störungen

Psychosoziale Onkologie - quo vadis?

Pflegeheim Am Nollen Gengenbach

Wie sage ich, dass der Patient nix hat?

Welt Lymphom Tag Seminar für Patienten und Angehörige 15. September 2007 Wien

Diese Massnahmen hat die Schweizerische Alzheimervereinigung in einem Forderungskatalog festgehalten.

Kopfschmerz. -tagebuch. Forum Schmerz. im Deutschen Grünen Kreuz e.v.

Faktenbox Medikamentöse Therapie bei Agoraphobie mit und ohne Panikstörung

VALDOXAN (Agomelatin)

FOSUMOS Persönlichkeitsstörungen: Ein alternativer Blick. Felix Altorfer 1

Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung - ein Einblick

Dr. med. Christa K. Baumann

Künstliche Ernährung am Lebensende. ... wie lange noch?... und was dann?

GEBRAUCHSINFORMATION: INFORMATION FÜR ANWENDER

Therapeutisches Drug Monitoring der Antidepressiva Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin und Maprotilin unter naturalistischen Bedingungen

Achtsamkeit, Akzeptanz und A-Tradition vom therapeutischen Potential spiritueller Tugenden

Tumorkrank und trotzdem fit!

WHO Definition von "Palliative Care

Inhaltsverzeichnis. Bibliografische Informationen digitalisiert durch

Recovery: Wie werden psychisch kranke Menschen eigentlich wieder gesund?

Eingangsfragebogen. 1. Persönliche Daten

Medizinische Forschung am Menschen

Resilienz die unsichtbare Kraft. Dr. Maren Kentgens Hamburger Forum Interim Management Managerin Asklepios Connecting Health

Unheilbar krank und jetzt?

Was ist eigentlich Fatigue?

Sport bei Leukämie und Lymphomerkrankungen

Psychologische Schmerztherapie. Dr. Frank Kaspers

Palliative Care. In der Begleitung von Menschen mit geistiger Behinderung

Ressourcen aktivieren in Verlustsituationen

ADHAS KINDER WERDEN CHEMISCH STILLGELEGT

15. Internationales Wiener Schmerzsymposium. Schmerztherapie zwischen Fakten und Mythen

GEBRAUCHSINFORMATION: INFORMATION FÜR ANWENDER

Menschen mit schweren psychischen Krankheiten wie Untertitel können Erfahrungen Betroffener einbezogen werden?

UNERWÜNSCHTE ARZNEIMITTELWIRKUNGEN? So schützen Sie sich!

Inhaltsverzeichnis. I. Teil: Ein Überblick über die gegenwärtige klient-bezogene Gesprächstherapie

Sterben,Tod und Trauer

Gebrauchsinformation: Information für Anwender. APOZEMA Bettnässer Plantago major complex Nr.8-Tropfen

Gebrauchsinformation: Information für Patienten. Osanit Hustenkügelchen Wirkstoff: Drosera D6

Wirkstoff: Natriumchondroitinsulfat

Gebrauchsinformation: Information für Anwender. APOZEMA Blutarmut China complex Nr.38-Tropfen

Angaben zu internationalen/kulturellen Unterschieden beim Placeboeffekt

Wenn Alkohol zum Problem wird

"Ich bilde mir den Schmerz doch nicht ein!"

Suchtentwicklung. Ablauf

Dr. Mstyslaw Suchowerskyi

Angst und Atemnot in der Palliativpflege

Cimicifuga racemosa. Die Wirksamkeit ist dosisabhängig. Prof. Dr. med. Reinhard Saller Abteilung Naturheilkunde Universitätsspital Zürich

GEBRAUCHSINFORMATION: INFORMATION FÜR ANWENDER

Inhalt. Basiswissen. Grundlegende Informationen 11. Alkohol: Zahlen und Fakten 32. Vorwort 9. Was Sie über Alkoholismus wissen sollten 12

O f f e n e S t u d i e n - August

Entdecken Sie. Chiropraktik!

Wie erkennen Pflegefachpersonen, was Angehörige von onkologischen Patienten brauchen?

? Können Wechselwirkungen mit

Gebrauchsinformation: Information für Anwender Apozema Dreiklang Globuli bei akuten Hals- und Rachenschmerzen Belladonna D4/D6/D12

Ich begrüsse Sie zum Impulsvortrag zum Thema: «Körpersprache geht uns alle an»

Zum Thema Feedback passen einige der Vorannahmen, mit denen wir uns im Bereich Kommunikation beschäftigen:

»NICHT FORT SOLLT IHR EUCH ENTWICKELN, SONDERN HINAUF!«

Komplementärmedizin nach Transplantation?

GEBRAUCHSINFORMATION: Information für den Anwender

Aripiprazol. Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) Für Ärzte und andere Angehörige der Gesundheitsberufe. Stand November 2016

Gebrauchsinformation: Information für Patienten. Tabletten gegen Magen-Darm-Beschwerden Similasan

Patient beharrt auf somatischem

!!! Medikamente richtig einnehmen

Video-Thema Begleitmaterialien

DAUER DER STUDIE: Läuft seit Nov mindestens bis 2017.

Erste Befunde zum Caring Dads Programm in Deutschland. Christoph Liel

Modul Psychische Gesundheit (Bella-Studie)

Geschlossene Unterbringung bei Demenz - muss das sein?

Bipolare Störungen und ADHS. Dr. med. M. Roy

GEBRAUCHSINFORMATION: INFORMATION FÜR ANWENDER

Geplante Änderungen an den relevanten Abschnitten der Packungsbeilage

Fleherstraße Düsseldorf-Bilk Tel Fax

Was sind die Folgen von Resistenzen?

Transkript:

Placebo und Nocebo in der Onkologiepflege Ernst Näf, MNS, PgDip Oncology Pflegeexperte Medizin soh

Definitionen Placebo (lat. «ich werde gefallen») pharmakologisch unwirksame, indifferente Substanz in Arzneimittelform Scheinintervention z. B. Scheinoperation, Scheinakupunktur Scheinpsychotherapie (Psychotherapieforschung) 1

Definition Placebo-Effekt Heilung, welche durch den Kontext der Klinischen Begegnung geschieht Placeboeffekte sind positive Veränderungen des subjektiven Befindens und von objektiv messbaren körperlichen Funktionen, die der symbolischen Bedeutung einer Behandlung zugeschrieben werden. Sie können bei jeder Art von Behandlung auftreten, also nicht nur bei Scheinbehandlungen 2

Beeinflussende Faktoren Placebo-Effekt Medizinisches Equipment Rituale rund um die Behandlung Verpackung, Beschriftung, Preisangabe Verbale und nonverbale Kommunikation der Heilperson Beziehung Patient-Heilperson (gute «Allianz»?) 3

Wie wird der Placebo-Effekt erklärt? Lernen durch Erfahrung (Konditionierung) Erwartung, z.b geweckt durch Information (Angstlinderung) (Aufmerksamkeitsmodifikation) (verbesserte persönliche Kontrolle) (Änderung der Bedeutung der Krankheitserfahrung) 4

Konditionierung: Beispiel ADHS Während 30 Tagen: Während 30 Tagen: Outcome: 1 Tbl. Ritalin Normaldosis & 1 Tbl. Placebo Ritalin ½ Dosis & 1 Tbl. Placebo Keine Wirkungsredukt. 1 Tbl. Ritalin Normaldosis Ritalin ½ Dosis Wirkungsreduktion 1 Tbl. Ritalin Normaldosis Ritalin Normaldosis Keine Wirkungsred. Nebenwirkungen 5

Erwartung: Beispiel Migränewirkstoff 6

Erwartung: Marketing-Placebo-Effekt Angeblich teurer Wein schmeckt besser (auch bei Bier, Schokolade, Milchshake) Angeblich bessere Marke oder Gesundheitsversprechen Bewertung eines Geruchs: guter Käse versus Körpergeruch Genuss bei Betrachtung eines Gemäldes: Künstler versus Hobby- Maler 7

Bildgebung von Placebo-Effekten Reizdarmsyndrom Reduktion in schmerzverantwortlichen Hirnarealen durch Placebo-Effekt (funktionelle Magnetresonanz- Bildgebung) 8

Gibt es eine «Placebo-Persönlichkeit»? Ja Nein Doch ja? optimism / introversion / extraversion / dopamine-related trait / ego resiliency / acquiescence / suggestibility / absorption / church-going etc.. 9

Beeinflussbarkeit durch Placebo-Effekte Subjektive Störung des Wohlbefindens Schmerz Nausea psychischer Stress etc. Domäne der Pflege 10

Die Reiki-Studie Doppelblind Randomisierte klinische Studie, n=189 Onkologisches Ambulatorium, während der i/v-chemotherapie Drei Gruppen, je n = 63: Standard-Pflege echtes Reiki Schein-Reiki (Placebo) Zielvariablen: physisches, emotionales, transzendentes Wohlbefinden 11

Schein-Reiki 20 Min. genau vorgeschriebene Handbewegungen über dem Patienten Ausführende Person glaubt nicht an die Wirksamkeit von Reiki Ausführende Person: Kopfrechnen / Einkaufsliste zusammenstellen Ausführende Person gleicht der tatsächlichen Reiki-Therapeutin Patienten und Pflegefachpersonal wissen nicht, ob Pat. Reiki oder Schein-Reiki erhält 12

Resultate Bei der Standard-Pflege erfolgt keine Verbesserung des Wohlbefindens Signifikant verbessertes Wohlbefinden bei Reiki und Schein-Reiki 13

Placebo-Effekt fördern Placebo-Effekt unterstützende Kommunikation Positive persönliche Haltung den jeweiligen Medikamenten gegenüber nonverbale Kommunikation Erwartungen wecken: Klare Information, wofür / wogegen ein Medikament ist verbale Kommunikation Beim Patienten sein (vgl. Caring-Theorien) ev. Placebo-Effekt thematisieren 14

Placebo-Effekt thematisieren Jedes Mal wenn Sie ein Medikament einnehmen, schlucken Sie auch Ihre Erwartungen an das Medikament mit runter. Deshalb sollten Sie von Ihren Medikamenten immer das Beste erwarten! Unser Denken bringt die Selbstheilungskräfte auf Touren; dies ist bekannt als Placebo-Effekt. Mit einer Haltung, dass die Behandlung sowieso nichts nützt, würden Sie in gewisser Hinsicht auch die therapeutische Wirkung untergraben. Solche negativen Gedanken können Sie aber in positive umwandeln: Einstellung wie bei der Einnahme von Vitaminen. In Gedanken ein Bild, entwickeln, wie das Medikament nützt. Antibiotikum: kräftiger Besen gegen Krankheitserreger Hormontabletten: Lücke in den chemischen Abläufen ausfüllen Nicht vergessen, weshalb das Medikament eingenommen wird 15

Definitionen Nocebo (lat. nocere schaden) Wahrnehmung eines der Gesundheit abträglichen, unerwünschten Effekts einer Behandlungsmaßnahme ohne fassbaren Kausalzusammenhang Wirkungsmechanismen Konditionierung Erwartung kontextuelle Effekte z.b. fehlende Empathie durch Betreuungsteam 16

Nocebo: Fragmente aus der Forschung Aspirin: Studienabbrüche durch Informed Consent Ähnliches Nebenwirkungsmuster in Placebo-Gruppen Lachgas führt paradoxerweise zu Hyperalgesie Typischerweise schmerzlose Prozeduren werden schmerzhaft Nocebo-Wirkung ist in bildgebenden Verfahren nachvollziehbar 17

Gibt es «Nocebo-Persönlichkeiten»? Höhere Gefahr für Nocebo bei Patienten: die schon einmal eine entsprechende NW gehabt haben (Konditionierung) mit psychischen Erkrankungen (Angst Depression) mit Somatisierungstendenz mit Typ-A-Persönlichkeit (Ungeduld, Ehrgeiz, Wettbewerbsstreben, Ärger und Feindseligkeit) 18

Ethisches Dilemma 19

Nocebo hemmen Medikamente Die positive Seite der Botschaft wählen (Anteil jener ohne NW) Die spezifischen und potenziell gefährlichen NW erwähnen «Wenn sonst etwas beunruhigendes auftritt, melden Sie sich» Erhöhtes Nausearisiko nicht erwähnen; (besser: gute Wirksamkeit der Antiemetika betonen) Nocebo-Effekt thematisieren; «warnen» vor der Packungsbeilage, vor Informationen aus dem Internet? Prozeduren Neutral formulieren: Jetzt lege ich den Zugang (anstatt auf den «Stich» vorbereiten) 20

Angaben zur Literatur können direkt beim Seminarleiter angefragt werden. 21