FÜ 1: Der unwillige Verkäufer

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Transkript:

FÜ 1: Der unwillige Verkäufer Herausgabeansprüche aus 861, 985, 1007 I, II, 823 I, 812 I 1 Alt. 1 BGB, Weitergabe einer Sache durch Besitzdiener, Besitzschutz, 56 HGB Gliederung: I. Anspruch E gegen K auf Herausgabe des Bildes aus 985 BGB 1. Besitz des K 2. Eigentum des E a) Ursprünglicher Eigentümer b) Verlust des Eigentums an K gem. 929 S. 1 BGB aa) Einigung bb) Übergabe cc) Einigsein dd) Verfügungsbefugnis II. Anspruch E gegen K auf Wiedereinräumung des Besitzes aus 861 Abs. 1 BGB 1. Der Verkauf und die Übergabe an K durch L a) Besitzverlust des E b) Verbotene Eigenmacht 2. Das Entreißen des Bildes durch K III. Anspruch E gegen K auf Herausgabe des Bildes aus 1007 Abs. 1 BGB IV. Anspruch E gegen K auf Herausgabe des Bildes aus 1007 Abs. 2 BGB V. Anspruch E gegen K auf Herausgabe des Bildes aus 823 Abs. 1 BGB VI. Anspruch E gegen K auf Herausgabe des Bildes aus 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB Seite 1 von 6

Lösung: I. ANSPRUCH E GEGEN K AUF HERAUSGABE DES BILDES AUS 985 BGB E könnte aber einen Anspruch auf Herausgabe des Bildes aus 985 BGB haben. Dazu müsste E Eigentümer des Bildes sein, und K müsste Besitzer ohne Recht zum Besitz sein, 986 Abs. 1 BGB. 1. Besitz des K K ist Besitzer des Bildes (s.o.). 2. Eigentum des E a) Ursprünglicher Eigentümer Ursprünglich war E der Eigentümer des Bildes. Dafür spricht auch die Vermutung des 1006 Abs. 1 S. 1 BGB. b) Verlust des Eigentums an K gem. 929 S. 1 BGB E könnte sein Eigentum aber durch Übereignung gem. 929 S. 1 BGB verloren haben. Dazu müssten sich E und K über den Eigentumsübergang geeinigt haben, dem K müsste die Sache übergeben worden sein, sie müssten sich bei der Übergabe noch einig gewesen sein und E müsste Verfügungsbefugnis gehabt haben. aa) Einigung E hat sich nicht selbst mit K über den Eigentumsübergang geeinigt. Eine Einigung zwischen L und K könnte aber für und gegen E wirken, wenn die Voraussetzungen für eine wirksame Stellvertretung, 164 Abs. 1 BGB, vorgelegen haben. Das Stellvertretungsrecht ist auch bei der dinglichen Einigung anwendbar. L hat eine eigene Willenserklärung abgegeben und aus den Umständen, 164 Abs. 1 S. 2 BGB, konnte der K erkennen, dass E und nicht L Vertragspartner werden sollte. Eine ausdrücklich erteilte Vollmacht, 167 Abs. 1 BGB, ist aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich. Die Vertretungsmacht wird aber wegen dem Vorliegen der Voraussetzungen des 56 HGB (s.o.) unwiderleglich vermutet. Die Beschränkung im Wortlaut des 56 HGB auf den Verkauf ist untechnisch zu verstehen und umfasst auch die Übereignung. 1 Die dingliche Einigung wirkt somit für und gegen E. bb) Übergabe Die Übergabe im Rahmen des 929 S. 1 BGB setzt sich aus drei Elementen zusammen. Der Veräußerer muss seinen Besitz vollständig verlieren, der Erwerber muss Besitz erlangen und die Besitzerlangung muss auf Veranlassung des Veräußerers und in Vollziehung der Übereignung erfolgen. 2 E hat seine Sachherrschaft über die Sache, ausgeübt durch seinen Besitzdiener L, vollständig eingebüßt (s.o.). K hat Besitz erlangt (s.o.). Fraglich ist allerdings, ob dies auch auf Veranlassung des E geschah, der von der Übereignung gar nichts wusste und das Gemälde auch grundsätzlich nicht nochmals verkaufen wollte. Es ist unstreitig das 56 HGB auch auf die dingliche Einigung anwendbar ist. Wären in diesen Fällen die Veranlassung der Besitzübertragung durch den Ladenangestellten nicht ausreichend, wäre eine Übereignung nicht möglich und 56 HGB faktisch für dingliche Übereignung gem. 929 S. 1 BGB wirkungslos. Es reicht somit aus, dass die Veranlassung zur Übertragung des Besitzes von L ausging. Die Übergabe liegt damit vor. Anmerkung: Da die Übergabe ein Realakt ist, kann man 56 HGB nicht direkt anwenden cc) Einigsein Bis zur Übergabe ist die dingliche Einigung frei widerrufbar 3, dies ist hier aber nicht der Fall. 1 Baumbach/Hopt, HGB, 56, Rn. 4. Umfasst ist z.b. auch die Entgegennahme von Mängelanzeigen. 2 Palandt/Bassenge, 929, Rn. 11 ff. 3 h.m. Palandt/Bassenge, 929, Rn. 9, mit dem Argument dieser Fall müsste so wie in 873 Abs. 2 BGB behandelt werden; a.a. mit guten Argumenten Schödermeier/Woopen, JA 1985, 622. Seite 2 von 6

dd) Verfügungsbefugnis Für einen wirksamen Eigentumserwerb müsste der Übereignende auch verfügungsbefugt sein, dies ist beim Eigentümer regelmäßig gegeben. K hat somit wirksam Eigentum an dem Bild erworben. E ist damit nicht mehr Eigentümer. Ergebnis: E hat keinen Anspruch aus 985 BGB gegen K auf Herausgabe des Bildes. II. ANSPRUCH E GEGEN K AUF WIEDEREINRÄUMUNG DES BESITZES AUS 861 ABS. 1 BGB E könnte gegen K einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes an dem Bild aus 861 Abs. 1 BGB haben. Dazu müsste ihm der Besitz durch verbotene Eigenmacht, 858 Abs. 1 BGB, entzogen worden sein und K müsste fehlerhaften Besitz innehaben. 1. Der Verkauf und die Übergabe an K durch L a) Besitzverlust des E E müsste Besitzer des Gemäldes gewesen sein und seinen Besitz verloren haben. Als er das Geschäft verließ, hat dies nicht automatisch einen Besitzverlust mit sich gebracht. Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache, 854 Abs. 1 BGB, getragen vom Besitzwillen, wobei für die Frage, ob tatsächliche Gewalt über die Sache ausgeübt wird, die Verkehrsanschauung maßgeblich ist. 4 856 Abs. 2 BGB regelt ausdrücklich, dass eine nur vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt nicht zu einem Besitzverlust führt. Zudem übt L als Besitzdiener des E, 855 BGB, für ihn die tatsächliche Gewalt über das Inventar des Geschäfts aus. Anmerkung: In der Regel ist derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache ausübt, der unmittelbare Besitzer. Es gibt auch Fälle, in denen jemand zwar die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache innehat, aber er dennoch nicht Besitzer ist. Dies ist gem. 855 BGB der Fall, wenn er die Sachherrschaft für einen anderen 4 Palandt/Bassenge, 854, Rn. 1, 3. ausübt, zu dem er in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis steht. Man spricht dann von einem Besitzdiener. Der Besitzdiener ist selbst kein Besitzer, nur der Besitzherr ist Besitzer. Als L dem K das Gemälde übergibt, erwirbt K die tatsächliche Gewalt mit Besitzbegründungswillen über das Bild. Der Besitz des E wird in diesem Moment beendet. b) Verbotene Eigenmacht Der Besitzverlust müsste durch verbotene Eigenmacht, 858 Abs. 1 BGB, herbeigeführt worden sein. Verbotene Eigenmacht ist jede ohne Gestattung und ohne Willen des Besitzers vorgenommene Beeinträchtigung (Entziehung oder Störung) des Besitzes. 5 Durch die Übergabe könnte L verbotene Eigenmacht gegenüber E begangen haben, die über 858 Abs. 2 BGB dem K zugerechnet werden könnte, sog. fehlerhafter Besitz. Anmerkung: K hat dem E nicht selbst den Besitz entzogen, da ihm von L das Gemälde übergeben worden ist. Er hat damit selbst keine verbotene Eigenmacht gegenüber E begangen. Als L den Besitz des E beendete geschah dies nicht nur ohne, sondern sogar gegen den Willen des E, der das Bild wegen des bereits erfolgten Verkaufs, nicht mehr verkaufen wollte. Bei der Weitergabe einer Sache durch den Besitzdiener ist für die Frage, ob dies mit dem Willen des Besitzherrn geschieht grundsätzlich nicht auf den Willen des Besitzdieners, hier L, sondern auf den Willen des Besitzherrn abzustellen. L übt zwar die tatsächliche Sachherrschaft über das Bild aus, aber als Besitzdiener sieht das Gesetz vor, dass er keinen eigenen Besitz über die Sache hat. Damit wäre die Übergabe an sich ohne den Willen des E geschehen und in Ermangelung einer Gestattung der Übergabe, läge an sich verbotene Eigenmacht vor. Fraglich ist allerdings, wie sich der Umstand, dass L als Ladenangestellter in dem Geschäft des E angestellt ist, auf das Vorliegen einer verbotenen Eigenmacht auswirkt. Eine Ansicht vertritt die Auffassung, dass die Weitergabe durch den Besitzdiener ohne den Willen des Eigentümers immer verbotene 5 Palandt/Bassenge, 858, Rdnr.1. Seite 3 von 6

Eigenmacht darstellt. 6 Dies wird aber für manche Konstellationen richtigerweise eingeschränkt. 7 In den Fällen, in denen der Besitzdiener mit Vertretungsmacht für den Besitzherrn wirksam Verträge abschließen kann, wäre es widersprüchlich, wenn er in der Erfüllung der Verträge immer automatisch verbotene Eigenmacht begehen würde. Es ist für den Erwerber regelmäßig auch nicht erkennbar, ob der Vertreter auch zur Übergabe befugt ist. Würde man trotzdem auf den Willen des Besitzherrn abstellen, wäre der Verkehrsschutz zu stark beeinträchtigt. Die Ermächtigung zum Abschluss von Verträgen ergibt sich im vorliegenden Fall aus 56 HGB, dessen Voraussetzungen unproblematisch vorliegen. L ist in der Galerie des E angestellt und der Verkauf eines Bildes ist für eine Galerie auch ein gewöhnliches Geschäft. Außerdem ist dem K auch keine Beschränkung oder Fehlen der Vertretungsmacht bekannt oder fahrlässig unbekannt, 173 BGB, 54 Abs. 3 HGB analog. Anmerkung: 56 HGB stellt selbst nicht das Erfordernis auf, dass der Kunde bezüglich der Vertretungsmacht gutgläubig sein muss, er also die fehlende Vertretungsmacht weder kennt noch fahrlässig nicht kennt. Allerdings stellt 56 HGB einen gesetzlich geregelten Fall der Rechtsscheinhaftung dar. 8 Auf einen Rechtsschein kann man sich aber nur berufen, wenn man gutgläubig ist. Daher ist die Heranziehung des Rechtsgedanken der 173 BGB, 54 Abs. 3 HGB gerechtfertigt. Daher gilt L gegenüber K unwiderleglich als zur Vornahme gewöhnlicher Geschäfte ermächtigt. In diesem Fall stellt also die Besitzverschaffung an K ohne den Willen des E keine verbotene Eigenmacht dar. E kann somit seinen Anspruch aus 861 Abs. 1 BGB nicht auf den Verkauf und die Übergabe des Bildes an K gründen. 6 MüKo/Joost, 855, Rn. 23. 7 Zusammenfassung der Meinungen bei Staudinger/Bund, 855, Rn. 28; wie hier Palandt/Bassenge, 935, Rn. 7 f. 8 Zu dem Streit um die dogmatische Einordnung von 56 HGB und der klausurmäßigen Bedeutung dieses Streits Brox/Henssler, Handelsrecht, 20.Auflage, 2009, Rn. 225. 2. Das Entreißen des Bildes durch K Es könnte sich aber um verbotene Eigenmacht handeln, als K dem E das Bild wieder abnimmt. Dies kann aber nur dann verbotene Eigenmacht darstellen, wenn E vorher Besitzer war. Sein ursprünglicher Besitz ist durch die Übergabe an K durch L beendet worden. Er könnte dann wieder Besitz erlangt haben, als er dem K beim Eintreten in sein Geschäft das Bild entrissen hat. Allerdings hat ihm K das Bild sogleich wieder abgenommen, wodurch sich die Frage stellt, ob diese kurze Zeitspanne ausreicht, um wirksam Besitz zu begründen. Besitz ist nach 854 Abs. 1 BGB die auf einem Herrschaftswillen basierende tatsächliche Sachherrschaft, die auf eine gewisse Dauer angelegt und verfestigt ist. 9 Fehlt das Element der Dauerhaftigkeit, wie in unserem Fall, spricht man vom sog. Kurzbesitz, der gerade noch nicht in den Genuss der Besitzschutzansprüche kommen soll. Die Rückerlangung der tatsächlichen Gewalt über das Bild stellt somit keine verbotene Eigenmacht gegenüber E dar. Anmerkung: Nimmt man statt dessen an, dass E wieder voll geschützten Besitz erworben hat, ändert sich nichts an dem Ergebnis, da die vorherige Besitzentziehung von E gegenüber K seinerseits widerrechtlich war. Sie erfolgte ohne den Willen des K und war auch nicht gestattet. K konnte sich somit gem. 859 BGB dagegen wehren, womit E ebenfalls kein Anspruch aus 861 BGB zusteht. Ergebnis: E hat keinen Anspruch aus 861 Abs. 1 BGB auf Wiedereinräumung des Besitzes an dem Gemälde gegen K. III. ANSPRUCH E GEGEN K AUF HERAUSGABE DES BILDES AUS 1007 ABS. 1 BGB Anmerkung: Zur Behandlung von 1007 Abs. 1 und Abs. 2 BGB in der Klausur deutlich Medicus, Bürgerliches Recht, 19. Aufl., Rn. 439: 9 Staudinger/Bund, 854, Rdnr.10; Palandt/Bassenge, 854, Rdnr.3. Seite 4 von 6

Diese Vorschrift ist nicht nur unglücklich formuliert, sonder hat auch keine rechte Funktion. Der Anwendungsbereich von 1007 ist zwar weit, doch werden seine meisten Anwendungsfälle schon durch die 985, 861 gedeckt. Ich würde 1007 unter den dinglichen Herausgabeansprüchen immer erst an letzter Stelle prüfen. Wenn schon 985 zum Erfolg führt, kann man 1007 bei Zeitmangel in der Klausur am ehesten auch ganz weglassen. Wo dagegen bloß 861 zutrifft oder sogar auch diese Vorschrift versagt, muss 1007 geprüft werden. Man erleichtert sich das, wenn man die beiden ersten Absätze der Vorschrift als verschiedene Anspruchsgrundlagen auffasst, also sie (jeweils mit einem Seitenblick auf Absatz 3) getrennt voneinander erörtert. Wenn man sie zusammenfassen will, ist ein Durcheinander kaum zu vermeiden. E könnte aber einen Anspruch aus 1007 Abs.1 BGB gegen K auf Herausgabe des Gemäldes haben. Dafür müsste es sich um eine bewegliche Sache handeln, die er früher im Besitz gehabt hat und K müsste beim Erwerb des Besitzes bezüglich seines Besitzrechtes bösgläubig gewesen sein. Das Bild ist eine bewegliche Sache, die E früher im Besitz gehabt hatte (s.o.). K ist der jetzige Besitzer. Die Bösgläubigkeit im Rahmen von 1007 Abs. 1 BGB kann angenommen werden, wenn K bewusst war oder grob fahrlässig nicht wusste, dass er kein oder nur ein schwächeres Recht zum Besitz hat. Mit der Übergabe des Gemäldes an K hat dieser aber Eigentum an der Sache erworben. Er hatte also ein besseres Recht zum Besitz als E. Auf die zu verneinende Frage der Bösgläubigkeit kommt es daher nicht mehr an. E hat keinen Anspruch aus 1007 Abs. 1 BGB auf Herausgabe des Bildes. IV. ANSPRUCH E GEGEN K AUF HERAUSGABE DES BILDES AUS 1007 ABS. 2 BGB E könnte aber seinen Anspruch auf 1007 Abs. 2 BGB stützen. 1007 Abs. 1 BGB ist anwendbar, da das Gemälde eine bewegliche 10 Sache ist und es 10 Zwar spricht 1007 Abs. 2 BGB nur von der Sache, allerdings ist durch die Bezugnahme auf 1007 Abs. 1 BGB klar, dass nur eine bewegliche Sache gemeint sein kann. sich nicht um Geld oder Inhaberpapiere handelt, 1007 Abs. 2 S. 2 BGB. Die Sache müsste dem E abhanden gekommen sein. Abhandenkommen ist der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren Besitzes. Hier stellt sich wieder die Frage, wie die Weitergabe durch den Besitzdiener zu behandeln ist. Grundsätzlich stellt die Weitergabe durch den Besitzdiener ohne Einwilligung für den Besitzherrn ein Abhandenkommen dar. Allerdings ist aber auch hier die Einschränkung zu machen, dass dies nicht gilt, wenn sich der Besitzdiener im Rahmen seiner Vertretungsmacht (in unserem Fall: 56 HGB) bewegt. So wird der notwendige Verkehrsschutz gewährleistet. Ein Abhandenkommen des Bildes für E liegt somit nicht vor. 11 E hat damit auch keinen Anspruch aus 1007 Abs. 2 BGB. Anmerkung: Die gleiche Problematik stellt sich beim gutgläubigen Erwerb einer Sache von einem Besitzdiener, der diese ohne Wissen des Besitzherrn veräußern möchte. Nimmt man ein Abhandenkommen an, so scheitert der gutgläubige Erwerb an 935 Abs. 1 S. 1 BGB, lehnt man das Abhandenkommen ab, so ist der gutgläubige Erwerb beim Vorliegen der weiteren Voraussetzungen möglich. V. ANSPRUCH E GEGEN K AUF HERAUSGABE DES BILDES AUS 823 ABS. 1 BGB A könnte einen Anspruch aus 823 Abs. 1 BGB haben. Der durch Naturalrestitution zu erfüllende Schadensersatzanspruch wäre dann auf die Herausgabe des Bildes gerichtet. Es könnte eine Eigentumsverletzung vorliegen, Diese scheidet aber aus, da E dem K selbst das Eigentum wirksam verschafft hat. Die Tatsache, dass er selbst davon nichts gewusst hat ist dabei unerheblich, da L für ihn als Vertreter handelte. Eine ordnungsgemäße 11 Vereinzelt wird noch die Meinung vertreten, dass die Weitergabe durch den Besitzdiener nie ein Abhandenkommen darstellt, da bei einem Besitzdiener das gleiche Risiko wie bei einem besitznehmenden Vertragspartner bestehe, von dem ein Dritter den Gegenstand gutgläubig erwerben könne, nachgewiesen bei Staudinger/Bund, 855, Rn. 28 a.e. Seite 5 von 6

Übereignung kann keine tatbestandliche Eigentumsverletzung darstellen. Neben dem Eigentum könnte auch der Besitz des E verletzt worden sein. Nach h.m. wird auch der berechtigte Besitz als sonstiges Recht geschützt. Anmerkung: Der Besitz wird nicht ausdrücklich in 823 Abs. 1 BGB als geschütztes Recht genannt, er kann also nur als sonstiges Recht den Schutz des 823 Abs. 1 BGB genießen. Grundsätzlich sind nur solche Rechte, die sich gegen jedermann richten, also absolute Rechte, sonstige Rechte i.s.d. 823 Abs. 1 BGB. Klassisches Beispiel für die absoluten Rechte sind die dinglichen Rechte, z.b. die Grundpfandrechte. Der Besitz ist gerade kein dingliches Recht, er wird aber ähnlich einem dinglichen Recht geschützt, vgl. nur 861, 862 BGB, und wird daher grundsätzlich in den Schutzbereich des 823 Abs. 1 BGB miteinbezogen. Einschränken muss man dies aber insoweit, als man nur den berechtigten Besitzer, also denjenigen der ein Recht zum Besitz hat, in den Genuss des Schutzes von 823 Abs. 1 BGB kommen lässt. Andernfalls müsste der Eigentümer, der dem Dieb die gestohlene Sache wieder abnimmt, diesem Schadensersatz, z.b. für den Nutzungsausfall zahlen. Für eine dogmatisch tiefer gehende Begründung vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, 19. Aufl., Rdnr.607. E hat auch keinen Anspruch aus 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB Gesamtergebnis: E kann von K das Bild nicht herausverlangen. Literaturhinweise: - Medicus, Bürgerliches Recht, 22. Aufl. 2009, Rn. 436 ff. - Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, 25. Aufl. 2010, 8, 13. - Neuner, Sachenrecht, 3. Aufl. 2008, S. 20 ff. - Zur Auslegung des 56 HGB: BGH, NJW 1975, 2191. Es fehlt allerdings an der rechtswidrigen Verletzung des Besitzes, da der Besitzdiener sich im Rahmen der seiner Ermächtigung bewegt hat. E hat keinen Anspruch aus 823 Abs. 1 BGB. VI. ANSPRUCH E GEGEN K AUF HERAUSGABE DES BILDES AUS 812 ABS. 1 S. 1 ALT. 1 BGB E könnte einen Anspruch auf Herausgabe aus ungerechtfertigter Bereicherung haben, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. K hat Besitz und Eigentum an dem Bild erlangt. Dies geschah durch Leistung, da L als Vertreter des E bewusst und zweckgerichtet das Vermögen des K vermehrt hat. Für die Leistung dürfte es keinen rechtlichen Grund geben. Der rechtliche Grund liegt hier aber in dem wirksam geschlossen Kaufvertrag zwischen E und K, den K mit dem Vertreter L des E geschlossen hat. Seite 6 von 6