Verfassungsbeschwerde gegen CETA vor dem Bundesverfassungsgericht

Ähnliche Dokumente
Verfassungsbeschwerde gegen CETA

Kolloquium. Leitentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. BVerfGE 123, 267 Lissabon

A. Grundlagen und Geschichte. I. Was ist Verfassungsrecht? STAATSRECHT

Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof

Würzburger Woche an der Bahçeşehir ş Universität Istanbul Bundesrepublik Deutschland. Dipl. iur. Roland Zimmermann, Europajurist

Merkblatt über die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht

Lösung Fall 1 Die verlängerte Legislaturperiode. Frage 1: Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes

Baustelle Demokratie

Jörg Hofmann Erster Vorsitzender der IG Metall

Propädeutische Übung im Öffentlichen Recht. Universität Bonn Wintersemester 2010/

Art. 28 Abs. 1 UAbs. 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995

Verfassungsgerichtshof Judenplatz 11, 1010 Wien G 62/05-4 B E S C H L U S S :

Arbeitsgemeinschaft zum Grundkurs Öffentliches Recht II. Fall 8: Online-Durchsuchung

Modul 55104: Deutsches und Europäisches Verfassungsrecht

Art.3 des Gesetzes regelt sodann die Abstimmungsmodalitäten, welche den Regelungen des BWahlG entsprechen.

Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht II Grundrechte Fall 5: Obligatorische Zivilehe

Verfassungsprobleme der vorläufigen Anwendung von EU-Freihandelsabkommen

NORMATIVITÄT DER VERFASSUNG STAATSRECHT II STAATSORGANISATIONSRECHT VERFASSUNGGEBENDE GEWALT DES VOLKES DR. ULRICH PALM

1. Die 28 Mitgliedstaaten der EU:

VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES SAARLANDES B E S C H L U S S IM NAMEN DES VOLKES. In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

Einseitige mitgliedstaatliche Kündigung von EU-Freihandelsabkommen

Universität Würzburg Wintersemester 2007/2008. Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht I. Lösungsskizze der 1. Klausur vom 6.12.

Wiss. Mitarbeiterin Bärbel Junk Wintersemester 2008/2009. Fall 10 - Lösung

Militärpolizei in Rumänien

Rechte des Deutschen Bundestages bei einer Übertragung von zusätzlichen Aufgaben auf die Europäische Kommission

Fragen und Antworten zur Verfassungsbeschwerde Nein zu CETA. Juristische Fragen

Wesentliche Grundsätze des Grundgesetz

Akkreditierung in Deutschland Was bedeutet die Entscheidung des BVerfG? Prof. Dr. Andreas Musil Vizepräsident für Lehre und Studium Universität

19 Allgemeiner Gleichheitssatz und spezielle Gleichheitsrechte. 1. Warum wird Art. 3 Abs. 1 GG als allgemeiner Gleichheitssatz bezeichnet?

Kooperation von Europaischem Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht im Bereich des Grundrechtsschutzes

Vorlesung Öffentliches Recht I. Verfassungsbeschwerde

Arbeitsgemeinschaft zum Grundkurs Öffentliches Recht II. Fall 6: Deutschland muss sterben

Die Ablösung des Grundgesetzes durch Art. 146 GG

III. Der Vertrag von Lissabon Grundlagen der Wirtschafts- und Währungspolitik (Art AEUV)

Das Verhältnis der Charta zur EMRK und zu nationalen Menschenrechtsvorschriften. Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Folz

STAATSRECHT III. TEIL 2: Völkerrecht und Außenverfassungsrecht

Kölner Schriften zu Recht und Staat 54. Kinderrechte. Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes im internationalen und nationalen Kontext

STAATSRECHT III. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und deutsches Recht

Zu den Grundrechten in der Weimarer Reichsverfassung

Referenden zu europapolitischen Themen in der Bundesrepublik Deutschland Rechtliche Voraussetzungen der Einführung von mehr direkter Demokratie

zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Karin Binder, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 18/8391

Brandenburgisches Oberlandesgericht. Beschluss

Staats- und Verwaltungsrecht Repetitorium Prof. Dr. Roland Rixecker. Fallbesprechung: Die Shisha-Café Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Fall: Die zu verbietende Partei

Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. Ostseeinstitut für Seerecht, Umweltrecht und InfraSt Universität Rostock

Wiederholungsfragen zu Kapitel 2

Status und Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts

3. der Minderjährigen

Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

DR. IUR. H. C. GERHARD STRATE KLAUS-ULRICH VENTZKE RECHTSANWÄLTE

Der Bundesrat hat in seiner 924. Sitzung am 11. Juli 2014 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.

Greenpeace-Analyse: Die Positionen der PräsidentschaftskandidatInnen zu demokratiepolitischen und verfassungsrechtlichen Fragen bei TTIP und CETA

Risikoquelle Nr. 1 : Die Ausgestaltung des besonderen Investorenschutzes:

ÖFFENTLICHES RECHT I. Kontrollfragen zu 1: System und Grundbegriffe der deutschen Rechtsordnung

Dr. Michael Demuth. Das Bundesverfassungsgericht und die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst

WS 2008/09 GLIEDERUNG

Seite Geleitwort der Herausgeber... V Vorwort... VII Inhaltsverzeichnis... IX Literaturverzeichnis... XV Abkürzungsverzeichnis...

Übungsfall 2. Übung im Öffentlichen Recht Prof. Dr. Alexander Proelß

Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen Europäischen Stabilitätsmechanismus und Fiskalpakt erfolglos.

ÜBER DIE ANWENDUNG DER GRUNDSÄTZE DER SUBSIDIARITÄT UND DER VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

Fall 2: Ausländerwahlrecht Lösungshinweise. 2. Antragsberechtigung, Art. 93 I Nr. 2 GG, 76 I BVerfGG

Die Geltung des nemo tenetur - Grundsatzes für juristische Personen

Rechtsanwaltskammer Kassel. Abschlussprüfung Sommer 2013

Ordnungsgewalt Kurzlösung

Entwurf eines... Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (... Arbeitszeitänderungsgesetz -... ArbZÄG)

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Grund- und Menschenrechte in Europa

I. Formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. 1. Gesetzgebungskompetenz des Landes, Art. 70 GG

Demgegenüber ist die Europäische Gemeinschaft eine supranationale Organisation.

Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht I. Staatsorganisationsrecht. Fall 5: Der ausgeschlossene Abgeordnete H

RAT DER EUROPÄISCHEN UNION. Brüssel, den 16. Januar 2012 (26.01) (OR. en) 5308/12 Interinstitutionelles Dossier: 2011/0447 (NLE) JUSTCIV 11

VORTRAGSFOLIEN ZUM EUROPÄISCHEN PARLAMENT

Das Bundesverfassungsgericht

Fall 5: Privilegien beim Kosmetikkauf für inhaftierte Frauen

Wiss. Mitarbeiterin Bärbel Junk Wintersemester 2008/2009. Fall 16 - Lösung

STAATSRECHT III. 1. Wirkung und Rang des Unionsrechts in der deutschen Rechtsordnung

Europarecht 56 L E R N Z I E L

Referat für Arbeit und Wirtschaft Wirtschafts- und beschäftigungspolitische Grundsatzfragen Europabeauftragte

Staatliches Engagement im Stiftungswesen zwischen Formenwahlfreiheit und Formenmissbrauch

Private Enforcement aus Sicht der Rechtswissenschaft

Übung im Öffentlichen Recht für Anfänger

PROTOKOLL ZUR DURCHFÜHRUNG DER ALPENKONVENTION VON 1991 ÜBER DIE BEILEGUNG VON STREITIGKEITEN

Die Funktionen der Grundrechte

Sachverhalt Fall 7. Sachverhalt Fall 7. Sachverhalt

Fassung:

Wirkungen einer gemeinsamen EU-Liste für sichere Herkunftsstaaten

Vorlesung Öffentliches Recht I. Staatsorganisationsrecht II

Entwurf eines... Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes

Direkte Demokratie Deutschland

Rechtsmittel im Strafrecht

Wählen auch Sie Ihren Bundespräsidenten!

Gutachten. Vereinbarkeit der geplanten Infrastrukturabgabe für Pkw und Wohnmobile (Pkw- Maut ) in Deutschland mit dem Unionsrecht

12. Wahlperiode

Die formale Perspektive:

Beitrag für den 3. Juni 2004 in Skopje/Mazedonien. Zur Stellung eines Verfassungsgerichts im modernen. Rechtsstaat

Fallfragentyp 1: Rein materiellrechtliche Fragestellung, z.b.

TTIP und CETA: Die Positionen der beiden Präsidentschaftskandidaten Alexander van der Bellen und Norbert Hofer

Protokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention

KIRCHLICHES ARBEITSGERICHT. gegen

Gliederung. 1. Demokratieprinzip 2. Demokratieformen 3. Formen direkter Demokratie

Transkript:

Professor Dr. iur Bernhard Kempen, Universität zu Köln 30. Mai 2016 Verfassungsbeschwerde gegen CETA vor dem Bundesverfassungsgericht Vorbemerkung Ein Aktionsbündnis von Mehr Demokratie, foodwatch und campact initiiert eine Verfassungsbeschwerde gegen CETA (siehe A). Geplant ist auch, gegebenenfalls einen Antrag auf einstweilige Anordnung (siehe B) zu stellen, falls CETA mit der Unterzeichnung und vor der Ratifikation - und sei es in Teilen - schon für vorläufig anwendbar erklärt wird. Für die Prozessführung wird bis auf Weiteres von folgender zeitlicher Folge ausgegangen: Im Herbst wird die Kommission der Europäischen Union dem Ministerrat (genauer: dem Rat der EU-Handelsminister, deutsches Mitglied ist der Wirtschaftsminister), den Vertragstext zum Beschluss über die Unterzeichnung und die vorläufige Anwendung vorlegen. Dieser Beschluss bedarf nach der bisherigen Praxis der Zustimmung des Europäischen Parlaments. Daran wird sich die Ratifikationsphase anschließen, in der Kanada, aber auch sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre Zustimmung zum Vertragsabschluss erklären müssen. In Deutschland geschieht dies in der Gestalt eines Zustimmungsgesetzes des Bundestages mit Zustimmung des Bundesrates. Nach Abschluss der Ratifikationsphase wird die Kommission dem Ministerrat den Vertrag zum Beschluss über den endgültigen Vertragsabschluss vorlegen. Dieses Procedere wird überwiegend für wahrscheinlich gehalten, doch bleibt es in wesentlichen Hinsichten spekulativ. Unklar ist bis heute, ob die Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten erforderlich ist (sogenanntes Gemischtes Abkommen) oder ob die Union den Vertrag alleine abschließen darf (ausschließliches EU-Abkommen), und unklar ist auch, ob der Rat der Europäischen Union jeweils einstimmig oder mit Mehrheit abzustimmen hat. Mit Blick auf diese Ungewissheiten kann heute noch nicht abschließend geklärt werden, welche Rechtsbehelfe mit welchen Anträgen konkret einzulegen sind. Immerhin lässt sich aber zu den Inhalten der Rechtsbehelfe schon jetzt eine grob skizzierte vorläufige Aussage treffen.

A. Verfassungsbeschwerde 1. Zur Zulässigkeit 1.1 Parteifähigkeit Natürliche Personen sind parteifähig im Verfahren der Verfassungsbeschwerde. Auf die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers kommt es dabei grundsätzlich nicht an. Allerdings fehlt nicht-deutschen Beschwerdeführern die Beschwerdebefugnis, sich auf Art. 38 Abs. 1 GG (demokratische Partizipation durch Wahlteilnahme) zu berufen. Dieses grundrechtsgleiche Recht bietet aber den zentralen Maßstab für die verfassungsrechtliche Überprüfung von CETA. Daher wird davon abgesehen, nichtdeutsche Beschwerdeführer zu gewinnen. 1.2 Beschwerdegegenstand Beschwerdegegenstand kann nur ein Akt deutscher öffentlicher Staatsgewalt sein. Dies ist das Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages zu CETA. Falls ein Begleitgesetz zu CETA erlassen wird, dies ist noch nicht absehbar, wird auch dieses Begleitgesetz ein tauglicher Beschwerdegegenstand sein. Die Zustimmung des deutschen Vertreters im Ministerrat zur Unterzeichnung von CETA, zur vorläufigen Anwendung von CETA und zur Ratifikation von CETA ist jeweils auch ein geeigneter Beschwerdegegenstand für eine Verfassungsbeschwerde. Allerdings wird es bezüglich der Zustimmung zur Unterzeichnung und der Zustimmung zur Ratifikation durch die EU an der Beschwerdebefugnis mangeln. 1.3 Beschwerdebefugnis Es darf nicht von vornherein aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen sein, dass der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist. Die Voraussetzung der gegenwärtigen Betroffenheit ist bis heute noch nicht erfüllt. CETA ist zwar ausverhandelt, aber noch ist kein deutscher Rechtsakt ergangen, der aktuelle nachteilige Rechtswirkungen für einen Beschwerdeführer entfaltet. Eine vorsorgliche Verfassungsbeschwerde oder eine Schutzschrift kennt das Verfassungsprozessrecht nicht. Gegenwärtige Betroffenheit wird frühestens dann gegeben sein, wenn der deutsche Vertreter im Rat der Unterzeichnung zustimmt. Und selbst dann wird es an der unmittelbaren Betroffenheit fehlen. Durch die Unterzeichnung ist noch niemand betroffen. Unmittelbare Betroffenheit bewirkt erst das Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages. Etwas anderes gilt, wenn der Rat mit dem Beschluss über die Unterzeichnung auch die vorläufige Anwendung von CETA beschließt. Insoweit wären die Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen, weil dann der Vertrag sofort Rechtswirkungen entfaltet.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführer durch die angegriffenen Akte öffentlicher Gewalt in ihrem Recht auf demokratische Partizipation (Art. 38 Abs. 1 GG) verletzt sind. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich, dass dieses grundrechtsgleiche Recht sich nicht in der formalen Teilnahme an der Wahl zum Deutschen Bundestag erschöpft, sondern darüber hinaus das Recht umfasst, dass der Bundestag die Kompetenz behält, grundsätzlich alle Lebensbereiche demokratisch gestalten zu können. Eine Entleerung der substantiellen Befugnisse des Bundestages durch Eingehen weitreichender völkervertraglicher Verpflichtungen wird durch Art. 38 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Dies gilt für Vertragsgesetze zu weiteren Vertragsstufen der Europäischen Union, aber auch für alle anderen völkerrechtlichen Verträge der Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang die sogenannte Identitätskontrolle entwickelt. Sie bezieht sich darauf, dass bei allen völkervertraglichen Verpflichtungen der Kernbestand des Grundgesetzes erhalten bleiben muss. Die in CETA vorgesehene Etablierung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, die regulatorische Kooperation und die Kompetenzen der Vertragsorgane greifen so weit in die demokratische Ordnung des Grundgesetzes ein, dass sie den Mechanismus der Identitätskontrolle auslösen. Für eine Rüge der Verletzung anderer Grundrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit - Art. 2 Abs. 2 GG, Berufsfreiheit - Art. 12 Abs. 1 GG, Eigentumsgarantie - Art. 14 Abs. 1 GG) dürfte es demgegenüber an der Beschwerdebefugnis, insbesondere an dem Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit, mangeln, soweit Grundrechtsverletzungen durch aktives Tun in Rede stehen. Nicht ausgeschlossen werden kann allerdings, dass die staatlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland es in verfassungswidriger Weise unterlassen haben, ihre aus den Grundrechten erwachsenden Schutzpflichten wahrzunehmen. In dieser Unterlassensform könnte beispielsweise eine Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht kommen, wenn und soweit der Vertrag das erforderliche Mindestmaß an Gesundheitsschutz unterschreitet. Eine unmittelbare, direkte Rüge des in Art. 20a GG angesiedelten Vorsorgeprinzips, der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), des Rechtsstaats-, des Demokratie- oder des Sozialstaatsprinzips muss daran scheitern, dass es sich insoweit nicht um Rechte handelt, die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG als rügefähige Grundrechte bezeichnet sind. Allerdings werden diese Rechtsgarantien bei der inhaltlichen Beurteilung von CETA mittelbar eine erhebliche Rolle spielen.

1.4 Erschöpfung des Rechtswegs Ein vor der Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu erschöpfender Rechtsweg steht nicht zur Verfügung. 1.5 Form und Frist Die Verfassungsbeschwerden sind schriftlich und binnen Monatsfrist zu erheben. 1.6 Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Hinweise darauf, dass die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde in der vorliegenden Konstellation wegen ihrer Subsidiarität verneint werden müsste, bestehen nicht. 2. Zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde Die Beschwerdeführer sind in Art. 38 Abs. 1 GG (Recht auf demokratische Partizipation) verletzt. Die durch Art. 38 Abs. 1 GG veranlasste Identitätskontrolle des Bundesverfassungsgerichts umfasst die Prüfung, ob und inwieweit durch völkervertragliche Bindung der Kern der Verfassung angetastet wird. Zu diesem Kern gehören die in Art. 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsgarantie) niedergelegten Grundsätze und damit das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes und das Demokratieprinzip. Beide Grundsätze sind vorliegend betroffen. 2.1 Rechtsstaatliche Grundsätze und die CETA- Investitionsschiedsgerichtsbarkeit Im Rechtsstaat ist es Sache der staatlichen Gerichte, Recht zu sprechen. Von dieser im Grundgesetz verankerten Aufgabenzuweisung (Art. 92 GG) darf allerdings abgewichen werden, soweit rein zivilrechtliche Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden sind. Im Bereich des öffentlichen Rechts, also in den Konstellationen, in denen sich Staat und Bürger gegenüber stehen, sind Abweichungen vom staatlichen Justizmonopol jedoch nur unter engen Voraussetzungen möglich. Je weiter in die öffentlichen Belange des Gemeinwesens eingegriffen werden kann, desto weniger ist eine parallele private Schiedsgerichtsbarkeit möglich. Weil CETA den denkbar breitesten investitionsrechtlichen Ansatz verfolgt, könnten Entscheidungen mit ungeahnter Intensität das öffentliche Interesse der Bundesrepublik Deutschland berühren. Dies ist mit dem staatlichen Justizmonopol nicht vereinbar. Hinzu kommt, dass im Bereich des Enteignungsschutzes, also der Kernmaterie des Investitionsschutzes, eine spezielle Rechtswegzuweisung zu den ordentlichen Gerichten besteht (Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG). Auch diese Rechtswegzuweisung, die

zu den Grundsätzen des Rechtsstaats zählt, wird durch die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit verletzt. Verletzt ist aber auch die exklusive Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, deutsche Parlamentsgesetze auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen (Art. 100 Abs. 1 GG). Diese Zuständigkeit läuft leer, wenn parallel in einem schiedsgerichtlichen Verfahren über staatliche Schadensersatzleistungen wegen der (vermeintlich) handelsbeschränkenden Wirkung eines Parlamentsgesetzes entschieden wird. Des Weiteren entspricht die in CETA etablierte Schiedsgerichtsbarkeit in ihrer verfahrensrechtlichen und personellen Ausformung nicht den rechtsstaatlichen Grundsätzen, weil und soweit es an der sachlich-personellen Legitimation der Richter mangelt. 2.2 Verfassungswidrige Weiterübertragung von Rechtsprechungsgewalt Die CETA-Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ist aber nicht nur eine Paralleljustiz zur deutschen staatlichen Gerichtsbarkeit, sondern auch zur Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. Dem Investitionsschiedsgericht ist implizit eine letztverbindliche Rechtsprechungsgewalt auch über den Inhalt des Unionsrechts überantwortet. Eine solche Weiterübertragung von Rechtsprechungsgewalt auf eine neben dem EuGH stehende Gerichtsbarkeit ist aber in Art. 23 Abs. 1 GG nicht vorgesehen. Auch aus diesem Grund erweist sich die CETA- Investitionsschiedsgerichtsbarkeit als verfassungswidrig. 2.3 Demokratische Grundsätze und die regulatorische Kooperation in CETA Das CETA Joint Committee und die diesem Ausschuss nachgeordneten Regulierungsausschüsse verletzen die im Grundgesetz verankerte Struktur demokratischer Willensbildung. Verfassungswidrig ist schon die Nicht-Beteiligung deutscher staatlicher Repräsentanten in diesen Gremien. Dabei ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, wie weit die Entscheidungsspielräume der Gremien reichen. Das Demokratieprinzip verlangt, dass institutionalisierte Beratungen und Verhandlungen über Inhalte des geltenden oder des künftigen deutschen Gesetzesrechts immer und notwendig unter Beteiligung demokratisch legitimierter deutscher Staatsgewalt erfolgen müssen, sobald diese Beratungen und Verhandlungen die Schwelle vom gesellschaftlichen Diskurs zum staatlichen Entscheidungsvorgang überschreiten. Dazu gehört auch die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, diese Verfahren - ähnlich wie die Ausschusssitzungen des Deutschen Bundestages - öffentlich zu gestalten. Diesen Erfordernissen genügt CETA nicht. Hinzu kommt, dass einerseits zahlreiche Kompetenzen der Vertragsorgane nicht hinreichend bestimmt sind, dass andererseits aber auch verbindliche

Entscheidungsbefugnisse der Vertragsorgane vorgesehen sind, und dass durchweg das demokratische Legitimationsniveau, das im Demokratieprinzip des Grundgesetzes vorausgesetzt wird, nicht erreicht ist. Es fehlt eine Rückbindung an das Europäische Parlament ebenso wie eine Rückbindung an die Parlamente der EU- Mitgliedstaaten. 2.4 Verfassungswidriger chilling effect Mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar ist ferner der undifferenziert weite Ansatz, grundsätzlich jede gesetzliche Neuregelung als Handelshemmnis zu betrachten und sie der Gefahr auszusetzen, der Höhe nach nicht beschränkte Schadensersatzpflichten gegenüber einem kanadischen Investor auszulösen. Der damit verbundene chilling effect, der die Gesetz- und Verordnungsgebung in Deutschland hemmt und hindert, ist keine politisch diffuse Befürchtung, sondern ein zwangsläufig eintretender Wirkungszusammenhang, der vertraglich intendiert ist. Auf diese Weise wird nicht zuletzt das unionsrechtlich verankerte und in Deutschland weitgehend umgesetzte Vorsorgeprinzip ausgehebelt und schrittweise durch das kanadische System einer nachgelagerten Gefahrenabwehr im Umwelt- und Verbraucherschutz ersetzt. B. Anträge auf einstweilige Anordnungen Mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung werden die Beschwerdeführer zu verhindern suchen, dass der deutsche Vertreter im Rat der vorläufigen Anwendung von CETA zustimmt. Dieser Antrag kann zulässigerweise erst dann gestellt werden, wenn der Sitzungstermin für diesen Ratsbeschluss bekannt gemacht ist. Zeitgleich wird sodann eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss über die vorläufige Anwendung von CETA anhängig gemacht. Bei diesen Rechtsbehelfen wird eine Rolle spielen, ob die Ratsbeschlüsse mit qualifizierter Mehrheit oder einstimmig gefasst werden. Nach Art. 207 Abs. 4 und 218 Abs. 8 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind diese Beschlüsse einstimmig zu fassen. Sollte es nur zu Mehrheitsbeschlüssen kommen, werden der Antrag auf einstweilige Anordnung und die Verfassungsbeschwerde auch das Ziel haben, die Bundesrepublik Deutschland anzuhalten, gegen die Ratsbeschlüsse den Europäischen Gerichtshof anzurufen.