Persönliche Zukunftsplanung (PZP) person- centred planning (PCP) Die Persönliche Zukunftsplanung ist ein Planungsinstrument, bei dem man sich auf die Fähigkeiten und Stärken einer Person konzentriert, um letztendlich eine Vorstellung einer wünschenswerten Zukunft zu entwickeln. Die Persönliche Zukunftsplanung ist viel mehr, als die Entwicklung eines schriftlichen Zukunftsplanes; es ist ein andauernder Prozess, bei dem nach Problemlösungen gesucht wird. Alle ins Auge gefassten Veränderungen werden von einer kleinen Gruppe von Personen initiiert. Sie treffen sich über einen längeren Zeitraum hinweg freiwillig, um sich gegenseitig zu unterstützen, gemeinsam Probleme zu bewältigen und Handlungsstrategien zu entwickeln. Dieser Kreis von Unterstützerinnen 1 ( circle of support ) verpflichtete sich dazu, selbst aktiv zu werden, um sicherzustellen, dass sich im Leben der Person, für die die Zukunftsplanung gemacht wird, auch tatsächlich Dinge verändern. Die Idee der Persönlichen Zukunftsplanung unterscheidet sich grundlegend von den sonst üblichen Förderplanungen und Hilfeplänen im sozialen Bereich. Traditionelle Planungssitzungen konzentrieren sich gewöhnlich auf die Defizite und Probleme einer Person. Die Teamsitzungen finden allzu oft nur dann statt, wenn eine Krisensituation bereits besteht, sich eine Krisensituation abzeichnet, oder aber weil es bereits zu einer Krise gekommen ist und der schon entstandene Schaden besprochen werden muss. Manchmal treffen sich die Teams auch zu einer dieser Sitzungen, weil eine außenstehende Instanz entschieden hat, dass es Zeit für ein Planungstreffen ist oder weil bestimmte Vorschriften ein solches Treffen vorsehen. Die Mitglieder solcher Teams treffen sich nur selten, weil sie es wirklich wollen. In der Regel nehmen sie an den Sitzungen teil, weil es von ihnen erwartet wird. Ganz unabhängig davon, wer bei den Sitzungen dabei ist, oder weshalb die Sitzungen nötig sind, sie werden normalerweise nicht als positiv, aufregend oder spannend beschrieben. Die Persönliche Zukunftsplanung dagegen ist ein Prozess, der sich an den Stärken der Hauptperson 2 orientiert, statt sich auf deren Defizite zu konzentrieren. Personen, die an dieser Art von Planungstreffen teilgenommen haben, beschreiben sie nicht nur als unterhaltsam ( Spaß ), sondern auch als eine sie persönlich stärkende ( empowering") und lebensverändernde Erfahrung. Die Teilnehmerinnen Persönlicher Zukunftsplanungen treffen sich, um die Talente und Interessen einer Person zu entdecken und dann eine, von allen geteilte Vorstellung einer Zukunft zu entwickeln. Die Teilnahme an den Planungstreffen ist freiwillig. Die Idee der Persönlichen Zukunftsplanung hat kaum eine Chance erfolgreich zu sein, wenn die Treffen verordnet werden und die Gruppenteilnehmerinnen keinen persönlichen Anteil und kein Interesse am Ergebnis haben. Die Persönliche Zukunftsplanung ist ein Planungsprozess, der auf dem Prinzip der Mitsprache und Mitwirkung ( inclusion ) aller aufbaut. Es wird besonderer Wert darauf gelegt, dass die Hauptperson, auf deren Leben man sich konzentriert, im Mittelpunkt der Planung steht. Der Planungsprozess wird von einer ausgebildeten Moderatorin begleitet. Sie stellt sicher, dass 1 Bis auf wenige Ausnahmen benutzte ich in diesem Text die weibliche Form (z.b. Unterstützerinnen, Moderatorin, Mitarbeiterinnen, sie...). Diese Formen gelten gleichberechtigt für Frauen und Männer, also auch für Unterstützter, Moderatoren, Mitarbeiter. 2 Im Folgenden wird die Person, die im Mittelpunkt der Persönlichen Zukunftsplanung steht und die für sich plant, als Hauptperson bezeichnet. Stefan Doose I want my dream 2011 1
jede Teilnehmerin die gleiche Chance bekommt, inhaltlich etwas beizusteuern. Alle Teilnehmerinnen sind gleichberechtigt; der Beitrag jeder Person wird be- und geachtet und ist ein wichtiger Bestandteil des gesamten Prozesses. Da sich die Planung mehr auf das Entdecken von Neuem als auf vorhandenes Material und niedergeschriebene Informationen konzentriert, müssen die Teilnehmerinnen keine Akten (z.b. Fallberichte, jährliche Berichte, die niedergeschriebene Familiengeschichte oder monatliche Beobachtungsberichte) zu den Treffen mitbringen. Obwohl die Persönliche Zukunftsplanung vor allem im Zusammenhang mit Menschen mit entwicklungsbedingten Behinderungen ( developmental disabilities 3 ) diskutiert wird, kann dieses Planungsinstrument für jede Person nützlich sein, die an Veränderungen interessiert ist. Die Idee der Persönlichen Zukunftsplanung kann von allen genutzt werden, egal wie alt man oder in welcher Lebenssituation man sich befindet. Die Persönliche Zukunftsplanung kann für sehr kleine Kinder und deren Familien genauso hilfreich sein, wie für ältere Menschen, denen eine größere Lebensveränderung bevorsteht, da sie vielleicht persönliche Assistenz oder Unterstützung im täglichen Leben brauchen. Persönliche Zukunftsplanung basiert auf einer veränderten Sichtweise Persönliche Zukunftsplanung bedingt also, wie oben aufgezeigt, eine andere Sichtweise von Menschen mit Behinderungen und von hilfreicher Unterstützung. Wenn diese Sichtweise ernst genommen wird, ergibt sich daraus für Einrichtungen der Behindertenhilfe eine neue Praxis von individueller Hilfeplanung mit der Person mit Behinderung und ihrem sozialen Umfeld. Die Kernelemente von Persönlicher Zukunftsplanung sollen hier noch einmal tabellarisch kurz zusammengefasst werden, ehe dann auf die Anwendungsbereiche Persönlicher Zukunftsplanung und auf konkrete methodische Ideen eingegangen werden soll: Persönliche Zukunftsplanung: ist individuell knüpft an Stärken und Fähigkeiten an will die Person bestärken, selbst zu entscheiden ist zukunftsbezogen erkundet Möglichkeiten geht um Freundschaft, Freizeit, Arbeit, Beteiligung in der Gemeinschaft der Planende steuert maßgeblich den Planungsprozess Einbeziehung von Familie und Freunden, persönliche Beziehungen als wichtige Unterstützungsquelle Fokus auf Stärken und Möglichkeiten statt Begrenzungen und Defizite Schwerpunkt auf Lebensräume, Dienste, Unterstützung in der Gemeinde oder im Stadtteil statt in Sondereinrichtungen nur für behinderte Menschen 3 Diese Bezeichnung stammt aus dem US- Amerikanischen. Der Begriff wird für Kinder und Erwachsene benutzt, die a) vor ihrem 22. Lebensjahr chronisch körperlich oder geistig behindert sind bzw. wurden und b) in mindestens 3 der folgenden Bereiche bedeutend eingeschränkt werden: Kommunikation, die Fähigkeit selbständig zu leben, ökonomische Unabhängigkeit, Lernen, Körperpflege und/oder eigenständige Lebensführung. In der Regel werden Personen mit Cerebralparese, Epilepsie, autistischen Zügen und so genannter geistiger Behinderung in der Gruppe der Menschen mit developmental disabilities" definitorisch zusammengefasst. Stefan Doose I want my dream 2011 2
Planungsprozess toleriert Ungewissheiten, Fehlstarts, Rückschläge und Meinungsverschiedenheiten, Umorientierung, Neuorientierung lebt von der Auseinandersetzung mit Wirklichkeit, Träumen und Humor kann getragen und gestärkt werden durch einen Unterstützungskreis Methoden persönlicher Zukunftsplanung Persönliche Zukunftsplanung ist nicht nur eine andere Sichtweise, sondern auch ein methodischer Ansatz. Sie versteht sich als kontinuierlicher Planungs- und Problemlösungsprozess. Es geht darum, mit einer Vielzahl von Methoden den Anderen kennenzulernen, Ideen zu bekommen, Ziele zu definieren und diese gemeinsam Schritt für Schritt umzusetzen. Die folgende Übersicht soll einige Beispiele von Methoden Persönlicher Zukunftsplanung geben: Methoden Persönlicher Zukunftsplanung: Themenblätter: Meine Fähigkeiten, Wieso arbeiten, Fragebögen, Checklisten, Eine Seite über mich, Mandala, Glücksrad, Was läuft gut, was nicht etc. Karten: Lebensstilkarten, Dreamcards, Hutkarten, Ich- Kann- Karten Ordner: Persönlicher Zukunftsplaner - Dokumentation des Planungsprozesses, Portfolio (Ich kann Buch) Planungsmethoden im Unterstützungskreis: Persönliche Zukunftsplanungstreffen oder Zukunftsfeste (Persönliche Lagebesprechung, MAPS und PATH) Problemlösungstechniken Moderationstechniken Die Methoden können teilweise begleitend oder vorbereitend für ein Treffen des Unterstützungskreises mit der Person und ihrem Umfeld genutzt werden. Sie können aber teilweise auch sehr gut als Methode auf dem Unterstützungskreistreffen eingesetzt werden bzw. die Person kann ihre Dinge präsentieren und der Unterstützungskreis ergänzt oder nimmt diese Informationen zum Ausgangspunkt für die Aktionsplanung. Stefan Doose I want my dream 2011 3
Was ist Persönliche Zukunftsplanung? Einfach erklärt! Persönliche Zukunftsplanung beruht auf personenzentriertem Denken und einer wertschätzenden Grundhaltung. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Es geht um seine Ziele, Gaben und neue Möglichkeiten. Es geht darum eine wertschätzende Rolle in der Gemeinschaft einzunehmen. Persönliche Zukunftsplanung unterstützt Menschen, über ihre persönliche Zukunft nachzudenken. Dabei geht es darum, eine Vorstellung von einer guten Zukunft zu entwickeln, Ziele zu setzen und diese mit anderen Menschen Schritt für Schritt umzusetzen. Persönliche Zukunftsplanung bietet gutes Handwerkzeug und Methoden, um Veränderungen im Leben zu planen und Unterstützung bei diesen Veränderungen zu organisieren. Persönliche Zukunftsplanung geht von den Träumen, Vorlieben, Gaben und den Möglichkeiten einer Person aus. Sie will passende Unterstützungsmöglichkeiten schaffen, wenn diese noch nicht vorhanden sind. Das sind die wichtigsten Grundlagen der Persönlichen Zukunftsplanung: 1. Persönliche Zukunftsplanung ist für alle Menschen. 2. Der planende Mensch steht im Mittelpunkt. Er bestimmt die Planung. 3. Die Persönliche Zukunftsplanung erfolgt mit einem Unterstützungskreis. Der Unterstützungskreis setzt sich aus Menschen, die der planenden Person wichtig sind zusammen. Zum Beispiel aus... è seiner Familie è Freundinnen und Freunden è Bekannten è Nachbarn è Kolleginnen und Kollegen è Assistentinnen und Assistenten è Gruppen und Organisationen è Fachleuten, die bei der Planung und Umsetzung hilfreich sein können Der planende Mensch und sein Unterstützungskreis denken darüber nach: Wie kann eine gute Zukunft aussehen? Welche Ziele sollen erreicht werden? Der planende Mensch und sein Unterstützungs- Kreis arbeiten zusammen daran, wie das Ziel Schritt für Schritt erreicht werden kann. Stefan Doose I want my dream 2011 4
4. Die Planung ist freiwillig und wird nicht von Leistungsträgern (z.b. IV) und Organisationen/Institutionen vorgeschrieben. Persönliche Zukunftsplanung kann nicht nur für eine Person hilfreich sein, sondern auch für Gruppen, zum Beispiel für Familien. Durch Persönliche Zukunftsplanung verändert sich nicht nur etwas für die planende Person. Es geht auch um Veränderungen bei Diensten, Schulen, Betrieben, Organisationen und im Gemeinwesen. Auch Organisationen können eine Zukunftsplanung machen, wie sie Menschen zukünftig besser unterstützen können. Auch Städte und Gemeinden können durch eine Zukunftsplanung mit Bürgerinnen und Bürgern Teilhabemöglichkeiten für alle weiterentwickeln. Persönliche Zukunftsplanung ist keine institutionelle Hilfe- oder offizielle Teilhabe- Planung. Bei der Hilfe- und Teilhabeplanung geht es darum, für die persönlichen Ziele das notwendige Geld für Unterstützung bereitzustellen. Es ist auch kein übliches Standort- und Entwicklungsgespräch. Persönliche Zukunftsplanung kann eine sinnvolle Vorbereitung für die Hilfe- oder Teilhabe- Planung sein. Sie hilft auch mit dem Unterstützungskreis die persönlichen Ziele im Alltag umzusetzen. Persönliche Zukunftsplanung muss unabhängig von Institutionen sein. Viele Methoden und Planungsinstrumente können aber in Institutionen genutzt werden. Sie können sehr hilfreich sein. Informationen zu Weiterbildungen: www.persoenliche- zukunftsplanung.ch (Netzwerk Schweiz) Stefan Doose I want my dream 2011 5
Literatur und Materialtipps: Materialien über Netzwerk Zukunftsplanung www.persoenliche- zukunftsplanung.eu Personenzentriertes Denken Neue Methoden von Helen Sanderson Associates, 2010 Käpt'n Life und seine Crew Ein Planungsbuch zur Persönlichen Zukunftsplanung, von Stefan Doose, Carolin Emrich und Susanne Göbel I want my dream! Persönliche Zukunftsplanung. Neue Perspektiven und Methoden einer personenzentrierten Planung mit Menschen mit Behinderungen von Stefan Doose, Carolin Emrich und Susanne Göbel Hutkarten, Traumkarten, Lebensstilkarten und Arbeitsassistenzkarten von Stefan Doose Folgende Materialien sind bestellbar unter www.hamburger- arbeitsassistenz.de beo berufliche Erfahrung und Orientierung Theoretische Grundlagen, Projektbeschreibung, Methoden, Materialien Methoden, 2007 kukuk plus - Kommunikation Konfliktbewältigung Kooperation - Kundenkontakt. Ein Bildungsangebot für Menschen mit Lernschwierigkeiten zum Thema Schlüsselqualifikationen. Ein Beitrag zur beruflichen Handlungskompetenz, 2010 Talente - Materialien zur Förderung von Frauen mit Lernschwierigkeiten im Prozess beruflicher Orientierung, 2008 Weitere empfehlenswerte Materialien und Literatur: BOBAN, Ines (2007b): Moderation persönlicher Zukunftsplanung in einem Unterstützerkreis You have to dance with the group! Zeitschrift für Inklusion 2007, Ausgabe 1. Im Internet unter: http://bidok.uibk.ac.at/library/boban- moderation.html Themenheft Hier stehe ich im Mittelpunkt zum Personenzentrierten Denken und Handeln mit Arbeitsblättern. Download über www.bar- frankfurt.de/fip.html EMRICH, Carolin; GROMANN, Petra; NIEHOFF, Ulrich: Gut Leben. Persönliche Zukunftsplanung realisieren ein Instrument. Marburg: Lebenshilfe- Verlag, 2006 FRANKENBERGER, Anette, MEILINGER, Klaus, REHBERG, Martina: Wertschätzung, München 2008 HINZ, Andreas, FRIESS, Sabrina, TÖPFER, Juliane: Neue Wege zur Inklusion Zukunftsplanung in Ostholstein. Inhalte Erfahrungen Ergebnisse. Marburg: Lebenshilfe- Verlag 2011 MAIER- MICHALITISCH Nicola, GRUNICK Gerhard (Hrsg.): Leben pur Wohnen, Erwachsen werden und Zukunft gestalten mit schwerer Behinderung, Verlag selbstbestimmtes leben, Düsseldorf 2012 Skill Cards Stärken erkennen und nutzen, bestellbar unter www.skillcards.at Zukunftsplanung zum Lebensende, bestellbar unter: www.foerderverein- bonn- beuel.de Stefan Doose I want my dream 2011 6
Empfehlenswerte Internetseiten: www.personcentredplanning.eu Seite des Projekts New Paths to Inclusion, Materialien zum Personenzentrierten Denken www.persoenliche- zukunftsplanung.ch Netzwerk Zukunftsplanung Schweiz: Informationen, Downloads, Engagement trainingpack.personcentredplanning.eu/index.php/de/ Weiterbildungspaket Persönliche Zukunftsplanung mit Curriculum, Methoden, Geschichten aus der inklusiven Weiterbildung Persönliche Zukunftsplanung www.helensandersonassociates.co.uk Die Learning Community for Person Centered Practices ist ein Zusammenschluss von Aktiven, die mit Methoden des personenzentrierten Denkens und Planens arbeiten. www.inklusion- als- menschenrecht.de Seite des Deutschen Instituts für Menschenrechte, im Bereich Gegenwart auch umfangreiches Material zum Personenzentriertes Denken und zur Persönlichen Zukunftsplanung www.facebook.com/persoenlichezukunftsplanung Facebook Seite des deutschsprachigen Netzwerks Zukunftsplanung http://bidok.uibk.ac.at Bidok Online- Bibliothek mit über 1200 Texten zum Thema Integration und Inklusion behinderter Menschen, darunter auch zahlreiche Texte zum Thema Persönliche Zukunftsplanung http://www.elpnet.net/podcasts.htm und http://www.elpnet.net/home.html Eine Reihe von Infos und Videos mit Michael Smull und Helen Sanderson zum Personenzentrierten Denken http://www.thinkandplan.com Diese Website ist eine gemeinschaftliche Ressource für Menschen, die bereits eine Schulung zur Anwendung von Methoden des personenzentrierten Denkens besucht haben. http://tinyurl.com/obrien- Papers Viele Artikel von John O Brien gibt es zum Download auf dieser Seite Weitere empfehlenswerte Links sind: www.persoenliche- zukunftsplanung.at www.persoenliche- zukunftsplanung.de www.celebratingfamilies.co.uk www.inklusionspaedagogik.de Stefan Doose I want my dream 2011 7